Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 4317/05 E
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 955/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Begriff des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 10. April 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 9.799,44 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Beitragsnachforderung aufgrund Betriebsprüfung.
1.
Die Klägerin ist eine in A-Stadt ansässige Firma mit dem Unternehmensgegenstand Gewinnung, Verarbeitung und Montage von Steinmaterialien jeder Art. Im November 2004 unterzog sie die Beklagte einer Betriebsprüfung für den Zeitraum 14.03.2001 bis 31.10.2004. Nach Schlussbesprechung forderte die Beklagte mit Bescheid vom 02.12.2004 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 9.939,11 EUR nach, von 139,67 EUR auf einen hier nicht streitigen Sachverhalt entfielen. Die strittige Forderung von 9.799,44 EUR - auf welche Säumniszuschläge nicht erhoben wurden - begründete die Beklagte damit, dass Leistungen für Gestellung und Reinigung von Arbeitskleidung zu Unrecht als beitragsfrei behandelt worden seien. Vom 01.09.2001 bis 31.10.2004 habe die Klägerin vom Bruttoentgelt der gewerblichen Arbeitnehmer Kosten für Arbeitskleidung abgezogen ohne die entsprechenden Beträge zu verbeitragen. Tatsächlich handele es sich insoweit um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, denn die Klägerin habe für die Gestellung und Reinigung von Arbeitskleidung keine Zahlungen zusätzlich zu den vereinbarten Entgelten erbracht.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, nach der ab 01.09.2001 gültigen Betriebsvereinbarung sollte für alle Baustellen- und Werksmitarbeiter eine einheitliche Arbeitskleidung aus Hose, Hemd und Jacke angemietet werden zu Lasten der Klägerin und der Arbeitnehmer. Deren Anteil sollte aus dem Lohn des letzten Arbeitstags eines jeden Monats für eine Arbeitsstunde bestehen. Die entsprechenden Abzüge seien in den Entgeltabrechnungen der Mitarbeiter hinreichend deutlich enthalten. Eine Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamts Z. habe diese Praxis als steuerrechtlich nicht zu beanstanden akzeptiert. Die steuerfreie Gestellung von Arbeitskleidung müsse auch zur Abgabenfreiheit im Sozialversicherungsrecht führen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Entsprechend dem steuerlichen Arbeitslohnbegriff sei die Gestellung von Arbeitskleidung ein geldwerter Vorteil und damit beitragspflichtiges Arbeitsentgelt. Aufwandsentschädigungen für Gestellung und Reinigung von Arbeitskleidung seien nur dann beitragsfrei, wenn sie zusätzlich zum Arbeitsentgelt gewährt würden. Vorliegend sei dies nicht der Fall, weil die entsprechenden Beträge vom Entgelt der Arbeitnehmer abgezogen worden seien. An Entscheidungen der Steuerbehörden sei die Beklagte nicht gebunden.
2.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben und Aufhebung der Beitragsnachforderung wegen der Arbeitskleidungskosten begehrt. Die steuerliche Beurteilung des Finanzamts Z. sei zutreffend und auf die sozialrechtliche Beurteilung der Beklagten zu übertragen. Die Betriebsvereinbarung beinhalte unzweideutig einen Lohnverzicht für die Zukunft. Damit sei ein Entgeltanspruch in der gleichen Höhe wie die Gestellung von Arbeitskleidung gar nicht erst entstanden. Insoweit seien die Darstellungen der Abzüge auf den Lohnabrechnungen irrtumsbedingt unzutreffend; diese hätten im Übrigen den Mitarbeitern eine ausreichende Kontrollmöglichkeit eröffnet.
Die Beklagte hat erwidert, sie habe die sozialrechtliche Beurteilung eigenständig vorzunehmen und sei deshalb nicht an die Ansichten der Finanzbehörden gebunden. Nach den Lohnsteuerrichtlinien dürfe Steuerfreiheit für Berufskleidung nur gewährt werden, wenn diese Leistung zusätzlich zum Arbeitsentgelt erbracht werde. Hier seien die entsprechenden Beträge aber vom Arbeitsentgelt abgezogen worden, so dass keine steuerfreie zusätzliche Leistung vorliege. Vielmehr habe die Klägerin die Bruttolöhne gekürzt; daraus könne Beitragfreiheit nicht erwachsen.
Mit Urteil vom 10.04.2007 hat das Sozialgericht die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, nach dem im Sozialrecht gültigen Entstehungsprinzip sei das volle geschuldete Arbeitsentgelt zu verbeitragen. Vorliegend hätten die Arbeiter der Klägerin aus dem ihnen geschuldeten Lohn einen Kostenanteil für die Gestellung von Arbeitskleidung gezahlt. Beitragsfreiheit könne somit nicht entstanden sein. Die Arbeitnehmer hätten die entsprechenden Abzugsbeträge auch als Werbungskosten in Gestalt der Aufwendungen für typische Berufskleidung geltend machen können.
3.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und sich gegen die Interpretation der Betriebsvereinbarung durch das Sozialgericht gewandt. Offensichtlich sollte die Vereinbarung zur Kostenbeteiligung für Arbeitskleidung nicht bezwecken, dass die Arbeitnehmer zunächst das volle Entgelt erhalten und anschließend daraus anteilig Beiträge abgeführt werden. Vielmehr sei die ab 01.09.2001 in die Zukunft gerichtete Betriebsvereinbarung als kollektivrechtlicher zulässiger teilweiser Lohnverzicht der Arbeitnehmer zu sehen. Aus verzichtetem Lohn könnten aber selbst nach dem Entstehungsprinzip keine Beiträge gefordert werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 10.04.2007 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 02.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2005 insoweit aufzuheben, als dort Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 9.799,44 EUR nachgefordert werden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keinen eigenen Antrag gestellt.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Betriebsprüfungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber unbegründet. Die Beklagte hat als zuständige Behörde gemäß § 28 p Abs. 4 Satz 2 SGB IV mit dem insoweit noch streitigen Bescheid vom 02.12.2004/Widerspruchsbescheid vom 28.07.2005 Gesamtsozialversicherungsbeiträge für Arbeitsentgelt i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV nachgefordert. Die Klägerin hat von ihren Arbeitnehmern für Gestellung und Reinigung von Arbeitskleidung jeden Monat am Monatsletzten Entgelt für jeweils eine Arbeitsstunde einbehalten und diese Leistungen zu Unrecht als beitragfrei behandelt.
1.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV gehören zum Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch darauf besteht, unter welcher Bezeichnung und in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Mit Entstehung des Anspruches auf Arbeitsentgelt entsteht auch der Beitragsanspruch gem. § 28 d SGB IV, den die Klägerin als Arbeitgeberin allein zu zahlen hat, § 28 d SGB IV.
Nach § 14 Abs. 1 SGB V i.V.m. der gemäß § 17 Abs. 1 SGB IV erlassenen hier noch anzuwendenden Arbeitsentgeltverordnung sind bestimmte Entgelte oder entgeltähnliche Arbeitgeberleistungen unter weiteren Voraussetzungen beitragsfrei. Dies betrifft gem. § 1 Arbeitsentgeltverordnung einmalige Einnahmen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gewährt werden. Sie sind nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus § 3 Arbeitsentgeltverordnung nichts Abweichendes ergibt.
2.
In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass auch die Lohnanteile, die ab 01.09.2001 für Arbeitskleidung verwendet wurden, der Beitragspflicht unterliegen. Insoweit handelte es sich nicht um eine zusätzliche Leistung der Klägerin als Arbeitgeberin. Es liegt vielmehr eine Entgeltumwandlung ohne Entgeltverzicht vor, wie die Auslegung der Betriebsvereinbarung vom 01.09.2001 ergibt.
Die Betriebsvereinbarung, die die Klägerin mit dem Betriebsrat mit Wirkung ab 01.09.2001 geschlossen hat und die die Behandlung der Kosten für Arbeitskleidung regelt, hat folgenden Wortlaut:
"Arbeitskleidung
Für alle Mitarbeiter der Fa. Steinindustrie V., die auf Baustellen und im Werk arbeiten, wird eine einheitliche Arbeitskleidung bestehend aus Hose, Hemd und Jacke von der Fa. Steinindustrie V. angemietet.
Die Kosten werden von den jeweiligen Mitarbeitern und der Fa. Steinindustrie V. gemeinsam getragen.
Für die monatlichen Kosten der Versetzer wird jeweils am letzten Arbeitstag des Monats 30. bzw 31. d. M. eine Arbeitsstunde als Kostenanteil einbehalten.
Diese Vereinbarung ist gültig ab dem 01.09.2001.
Die Geschäftsleitung Der Betriebsrat"
Diese kollektivrechtliche Vereinbarung ist rechtswirksam zustande gekommen, Umstände die zur Rechtswidrigkeit führen sind ebenso wenig erkennbar wie Nichtigkeitsgründe. Damit gilt die Betriebsvereinbarung direkt und unmittelbar mit Bindung für die Klägerin und alle Arbeitnehmer, § 77 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Bereits nach dem Wortlaut ist mit der Betriebsvereinbarung geregelt, dass den Arbeitnehmern für die gestellte Arbeitskleidung ein Lohnanteil von ihrem erarbeiteten Entgelt abgezogen wird zu Gunsten der Klägerin, die Arbeitshosen, -hemden und -jacken anmietet und die entsprechenden Kosten zunächst trägt. Mit einem von der Klägerin behaupteten Lohnverzicht mit anschließender Leistungsgewährung durch die Klägerin ist der Wortlaut nicht zu vereinbaren. Auch wäre ein solcher Entgeltverzicht mit § 77 Abs 3 BetrVG unvereinbar und es ist nicht davon auszugehen, das die Betriebsparteien eine rechtswidrige Vereinbarung treffen wollten.
Zudem ist die klägerische Auslegung der Betriebsvereinbarung mit ihrer in der Entgeltabrechnung praktizierten Handhabung nicht in Einklang zu bringen. Wie die in der beigezogenen Betriebsprüfungsakte dokumentierten monatlichen Entgeltabrechnungen der Klägerin belegen, hatte diese zunächst das Bruttoentgelt der Arbeitnehmer ausgewiesen und davon den Kleidungsanteil in Abzug gebracht. Diese Praxis entspricht dem Gegenteil der Auslegung der Klägerin.
Die so gewonnene zutreffende Auslegung der Betriebsvereinbarung ergibt weiter, dass das für die Beitragsfreiheit notwendige Kriterium einer Zahlung zusätzlich zum Entgelt nicht erfüllt war. Denn wie dargelegt fand ein Lohnabzug und keine Lohnergänzung statt. Dabei bleibt es ohne rechtliche Bindung für das vorliegende Gerichtsverfahren, dass die zuständigen Finanzbehörden in Anwendung der Lohnsteuer-Richtlinien zu einer Steuerfreiheit gekommen waren, weil deren Entscheidung keine Bindungswirkung für das Beitragsverfahren besitzt.
Die Berufung der Klägerin bleibt somit in vollem Umfang ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Streitwert entspricht der streitigen Beitragsforderung (§ 52 Abs. 3 GKG).
Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 SGG) bestehen nicht.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 9.799,44 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Beitragsnachforderung aufgrund Betriebsprüfung.
1.
Die Klägerin ist eine in A-Stadt ansässige Firma mit dem Unternehmensgegenstand Gewinnung, Verarbeitung und Montage von Steinmaterialien jeder Art. Im November 2004 unterzog sie die Beklagte einer Betriebsprüfung für den Zeitraum 14.03.2001 bis 31.10.2004. Nach Schlussbesprechung forderte die Beklagte mit Bescheid vom 02.12.2004 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 9.939,11 EUR nach, von 139,67 EUR auf einen hier nicht streitigen Sachverhalt entfielen. Die strittige Forderung von 9.799,44 EUR - auf welche Säumniszuschläge nicht erhoben wurden - begründete die Beklagte damit, dass Leistungen für Gestellung und Reinigung von Arbeitskleidung zu Unrecht als beitragsfrei behandelt worden seien. Vom 01.09.2001 bis 31.10.2004 habe die Klägerin vom Bruttoentgelt der gewerblichen Arbeitnehmer Kosten für Arbeitskleidung abgezogen ohne die entsprechenden Beträge zu verbeitragen. Tatsächlich handele es sich insoweit um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, denn die Klägerin habe für die Gestellung und Reinigung von Arbeitskleidung keine Zahlungen zusätzlich zu den vereinbarten Entgelten erbracht.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, nach der ab 01.09.2001 gültigen Betriebsvereinbarung sollte für alle Baustellen- und Werksmitarbeiter eine einheitliche Arbeitskleidung aus Hose, Hemd und Jacke angemietet werden zu Lasten der Klägerin und der Arbeitnehmer. Deren Anteil sollte aus dem Lohn des letzten Arbeitstags eines jeden Monats für eine Arbeitsstunde bestehen. Die entsprechenden Abzüge seien in den Entgeltabrechnungen der Mitarbeiter hinreichend deutlich enthalten. Eine Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamts Z. habe diese Praxis als steuerrechtlich nicht zu beanstanden akzeptiert. Die steuerfreie Gestellung von Arbeitskleidung müsse auch zur Abgabenfreiheit im Sozialversicherungsrecht führen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Entsprechend dem steuerlichen Arbeitslohnbegriff sei die Gestellung von Arbeitskleidung ein geldwerter Vorteil und damit beitragspflichtiges Arbeitsentgelt. Aufwandsentschädigungen für Gestellung und Reinigung von Arbeitskleidung seien nur dann beitragsfrei, wenn sie zusätzlich zum Arbeitsentgelt gewährt würden. Vorliegend sei dies nicht der Fall, weil die entsprechenden Beträge vom Entgelt der Arbeitnehmer abgezogen worden seien. An Entscheidungen der Steuerbehörden sei die Beklagte nicht gebunden.
2.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben und Aufhebung der Beitragsnachforderung wegen der Arbeitskleidungskosten begehrt. Die steuerliche Beurteilung des Finanzamts Z. sei zutreffend und auf die sozialrechtliche Beurteilung der Beklagten zu übertragen. Die Betriebsvereinbarung beinhalte unzweideutig einen Lohnverzicht für die Zukunft. Damit sei ein Entgeltanspruch in der gleichen Höhe wie die Gestellung von Arbeitskleidung gar nicht erst entstanden. Insoweit seien die Darstellungen der Abzüge auf den Lohnabrechnungen irrtumsbedingt unzutreffend; diese hätten im Übrigen den Mitarbeitern eine ausreichende Kontrollmöglichkeit eröffnet.
Die Beklagte hat erwidert, sie habe die sozialrechtliche Beurteilung eigenständig vorzunehmen und sei deshalb nicht an die Ansichten der Finanzbehörden gebunden. Nach den Lohnsteuerrichtlinien dürfe Steuerfreiheit für Berufskleidung nur gewährt werden, wenn diese Leistung zusätzlich zum Arbeitsentgelt erbracht werde. Hier seien die entsprechenden Beträge aber vom Arbeitsentgelt abgezogen worden, so dass keine steuerfreie zusätzliche Leistung vorliege. Vielmehr habe die Klägerin die Bruttolöhne gekürzt; daraus könne Beitragfreiheit nicht erwachsen.
Mit Urteil vom 10.04.2007 hat das Sozialgericht die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, nach dem im Sozialrecht gültigen Entstehungsprinzip sei das volle geschuldete Arbeitsentgelt zu verbeitragen. Vorliegend hätten die Arbeiter der Klägerin aus dem ihnen geschuldeten Lohn einen Kostenanteil für die Gestellung von Arbeitskleidung gezahlt. Beitragsfreiheit könne somit nicht entstanden sein. Die Arbeitnehmer hätten die entsprechenden Abzugsbeträge auch als Werbungskosten in Gestalt der Aufwendungen für typische Berufskleidung geltend machen können.
3.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und sich gegen die Interpretation der Betriebsvereinbarung durch das Sozialgericht gewandt. Offensichtlich sollte die Vereinbarung zur Kostenbeteiligung für Arbeitskleidung nicht bezwecken, dass die Arbeitnehmer zunächst das volle Entgelt erhalten und anschließend daraus anteilig Beiträge abgeführt werden. Vielmehr sei die ab 01.09.2001 in die Zukunft gerichtete Betriebsvereinbarung als kollektivrechtlicher zulässiger teilweiser Lohnverzicht der Arbeitnehmer zu sehen. Aus verzichtetem Lohn könnten aber selbst nach dem Entstehungsprinzip keine Beiträge gefordert werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 10.04.2007 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 02.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2005 insoweit aufzuheben, als dort Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 9.799,44 EUR nachgefordert werden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keinen eigenen Antrag gestellt.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Betriebsprüfungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber unbegründet. Die Beklagte hat als zuständige Behörde gemäß § 28 p Abs. 4 Satz 2 SGB IV mit dem insoweit noch streitigen Bescheid vom 02.12.2004/Widerspruchsbescheid vom 28.07.2005 Gesamtsozialversicherungsbeiträge für Arbeitsentgelt i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV nachgefordert. Die Klägerin hat von ihren Arbeitnehmern für Gestellung und Reinigung von Arbeitskleidung jeden Monat am Monatsletzten Entgelt für jeweils eine Arbeitsstunde einbehalten und diese Leistungen zu Unrecht als beitragfrei behandelt.
1.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV gehören zum Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch darauf besteht, unter welcher Bezeichnung und in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Mit Entstehung des Anspruches auf Arbeitsentgelt entsteht auch der Beitragsanspruch gem. § 28 d SGB IV, den die Klägerin als Arbeitgeberin allein zu zahlen hat, § 28 d SGB IV.
Nach § 14 Abs. 1 SGB V i.V.m. der gemäß § 17 Abs. 1 SGB IV erlassenen hier noch anzuwendenden Arbeitsentgeltverordnung sind bestimmte Entgelte oder entgeltähnliche Arbeitgeberleistungen unter weiteren Voraussetzungen beitragsfrei. Dies betrifft gem. § 1 Arbeitsentgeltverordnung einmalige Einnahmen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gewährt werden. Sie sind nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus § 3 Arbeitsentgeltverordnung nichts Abweichendes ergibt.
2.
In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass auch die Lohnanteile, die ab 01.09.2001 für Arbeitskleidung verwendet wurden, der Beitragspflicht unterliegen. Insoweit handelte es sich nicht um eine zusätzliche Leistung der Klägerin als Arbeitgeberin. Es liegt vielmehr eine Entgeltumwandlung ohne Entgeltverzicht vor, wie die Auslegung der Betriebsvereinbarung vom 01.09.2001 ergibt.
Die Betriebsvereinbarung, die die Klägerin mit dem Betriebsrat mit Wirkung ab 01.09.2001 geschlossen hat und die die Behandlung der Kosten für Arbeitskleidung regelt, hat folgenden Wortlaut:
"Arbeitskleidung
Für alle Mitarbeiter der Fa. Steinindustrie V., die auf Baustellen und im Werk arbeiten, wird eine einheitliche Arbeitskleidung bestehend aus Hose, Hemd und Jacke von der Fa. Steinindustrie V. angemietet.
Die Kosten werden von den jeweiligen Mitarbeitern und der Fa. Steinindustrie V. gemeinsam getragen.
Für die monatlichen Kosten der Versetzer wird jeweils am letzten Arbeitstag des Monats 30. bzw 31. d. M. eine Arbeitsstunde als Kostenanteil einbehalten.
Diese Vereinbarung ist gültig ab dem 01.09.2001.
Die Geschäftsleitung Der Betriebsrat"
Diese kollektivrechtliche Vereinbarung ist rechtswirksam zustande gekommen, Umstände die zur Rechtswidrigkeit führen sind ebenso wenig erkennbar wie Nichtigkeitsgründe. Damit gilt die Betriebsvereinbarung direkt und unmittelbar mit Bindung für die Klägerin und alle Arbeitnehmer, § 77 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Bereits nach dem Wortlaut ist mit der Betriebsvereinbarung geregelt, dass den Arbeitnehmern für die gestellte Arbeitskleidung ein Lohnanteil von ihrem erarbeiteten Entgelt abgezogen wird zu Gunsten der Klägerin, die Arbeitshosen, -hemden und -jacken anmietet und die entsprechenden Kosten zunächst trägt. Mit einem von der Klägerin behaupteten Lohnverzicht mit anschließender Leistungsgewährung durch die Klägerin ist der Wortlaut nicht zu vereinbaren. Auch wäre ein solcher Entgeltverzicht mit § 77 Abs 3 BetrVG unvereinbar und es ist nicht davon auszugehen, das die Betriebsparteien eine rechtswidrige Vereinbarung treffen wollten.
Zudem ist die klägerische Auslegung der Betriebsvereinbarung mit ihrer in der Entgeltabrechnung praktizierten Handhabung nicht in Einklang zu bringen. Wie die in der beigezogenen Betriebsprüfungsakte dokumentierten monatlichen Entgeltabrechnungen der Klägerin belegen, hatte diese zunächst das Bruttoentgelt der Arbeitnehmer ausgewiesen und davon den Kleidungsanteil in Abzug gebracht. Diese Praxis entspricht dem Gegenteil der Auslegung der Klägerin.
Die so gewonnene zutreffende Auslegung der Betriebsvereinbarung ergibt weiter, dass das für die Beitragsfreiheit notwendige Kriterium einer Zahlung zusätzlich zum Entgelt nicht erfüllt war. Denn wie dargelegt fand ein Lohnabzug und keine Lohnergänzung statt. Dabei bleibt es ohne rechtliche Bindung für das vorliegende Gerichtsverfahren, dass die zuständigen Finanzbehörden in Anwendung der Lohnsteuer-Richtlinien zu einer Steuerfreiheit gekommen waren, weil deren Entscheidung keine Bindungswirkung für das Beitragsverfahren besitzt.
Die Berufung der Klägerin bleibt somit in vollem Umfang ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Streitwert entspricht der streitigen Beitragsforderung (§ 52 Abs. 3 GKG).
Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 SGG) bestehen nicht.
Rechtskraft
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