Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6/8 U 50/02
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 190/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4201 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - exogen-allergische Alveolitis (EAA) als Erkrankung durch organische Stäube.
Die 1970 geborene Klägerin absolvierte vom 1. September 1986 bis 15. Juli 1988 eine Ausbildung bei der Deutschen Reichsbahn und war anschließend bis 30. September 1993 als Zugmelderin in B. tätig. Seit dem 1. Oktober 1993 war sie bei der Deutsche Bahn (DB) Netz bis zum 29. Februar 1996 als Weichenwärterin in G. und vom 1. März 1996 bis 30. Juni 1998 als Schrankenwärterin in M. beschäftigt. Seit 1. Juli 1998 übte sie die Tätigkeit als Weichen- und Schrankenwärterin an wechseln-den Einsatzorten im Stellwerk in P. , am Bahnhof L. und im Stellwerk G. aus. Vom 1. Januar 2000 bis 4. März 2001 war sie überwiegend in G. tätig, wobei sie vom 1. bis 9. Januar 2000, am 14. und 15. Februar 2000, am 19. und 20. Februar 2000 sowie am 28. Dezember 2000 im Stellwerk P. arbeitete und vom 1. bis 4. März 2001 im Stellwerk K. tätig war. Unter der Bezeichnung 35300 sind Dienstzeiten für den 24. und 25. April 2000, den 3. bis 6. Juli 2000, den 8. bis 10. Juli 2000 sowie den 12. bis 17. Juli 2000 im Dienstplan eingetragen. Seit dem 5. März 2001 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt und hat ihre Tätigkeit als Weichen- und Schrankenwärterin in den Stellwerken nicht wieder aufgenommen.
Unter dem 23. Juli 2001 zeigte die Oberärztin der Lungenklinik L. Dr. S. der Berufsgenossenschaft Straßen-, U-Bahnen und Eisenbahnen den Verdacht einer EAA durch Rattenserum an. Sie fügte einen Befundbericht des Ärztlichen Direktors der Klinik Prof. Dr. L. vom gleichen Tag bei, der nach der Laboruntersuchung Antikör-per gegenüber Rattenserum als sehr stark positiv und gegenüber Wellensittichfedern erhöht beschrieb. Der Hauttest habe keinen Anhalt für eine allergische Sensibilisierung gegenüber Wellensittich, Rattenepithelien und Rattenhaaren ergeben. Im spezifischen bronchialen Provokationstest mit Rattenepithelien und Rattenhaaren habe kein signifikanter FEV1-Abfall bestanden. Die Berufsgenossenschaft Straßen-, U-Bahnen und Eisenbahnen gab den Fall an die Beklagte ab.
Unter dem 15. August 2001 erklärte die Klägerin der Beklagten, sie leide seit Februar 2001 unter starkem Husten. Die DB Netz teilte mit, in der Zeit von 1996 bis 1998 habe sie auf den Stellwerken, auf denen die Klägerin beschäftigt gewesen sei, einmal eine Rattenbekämpfung durchführen lassen. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten führte unter dem 23. Oktober 2001 nach Aktenlage aus, im Stellwerk in G. sei vor ca. 2 bis 3 Jahren die Hebelbank zurückgebaut worden und eine Umrüstung auf elektromechanischen Betrieb erfolgt. In diesem Zusammenhang seien auch Fenster und Türen saniert und eine Renovierung durchgeführt worden. Das Stellwerk P. sei ein mechanisches Stellwerk. Unterhalb der Diensträume in der ersten Etage befänden sich die Spannwerksräume. Das Stellwerk liege in ländlicher Gegend im Umfeld von Gartenanlagen oder im Bereich der Feldflur. Es sei mitunter vorgekommen, dass sich vereinzelt Mäuse, gelegentlich auch Ratten, in den Nebengebäuden oder Unterkellerungen aufgehalten hätten. Ein andauernder, massiver Befall könne nicht unterstellt werden. Im Stellwerk Prödel seien 1999 zweimal Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen wegen Mäusebefall durchgeführt worden. Weitere Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen habe es nach 1998 auf den Dienstposten der Klägerin nicht gegeben. Eine massive Staubentwicklung durch organische Stoffe habe in den Stellwerken nicht bestanden.
Die Beklagte holte die gewerbeärztliche Stellungnahme von MOR Dr. F. vom 20. November 2001 ein, die die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 4201 nicht als erfüllt ansah.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Berufskrankheit der Nr. 4201 ab, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Hiergegen erhob die Klägerin am 2. Januar 2002 Widerspruch und führte zur Begründung unter anderem aus, sie sei vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit haupt-sächlich in dem Stellwerk G. tätig gewesen. Entgegen des Vortrages der Beklagten hätten sich auch nach 1998 dort noch Ratten und Mäuse aufgehalten. Dies könne ihr im Stellwerk G. tätiger Kollege G. bezeugen. Die EAA sei auf berufliche Einwirkung durch Stäube von Rattenserum ursächlich zurückzuführen. Sie fügte den Befundbericht von der Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde/Allergologie Dr. W. vom 24. Oktober 2001 bei, die eine allergische Alveolitis sowie eine Tracheobronchitis diagnostizierte.
Am 22. Februar 2002 erreichte die Beklagte der Bericht von Prof. Dr. L. vom 30. Januar 2002 über den stationären Aufenthalt der Klägerin in der Lungenklinik L. vom 8. bis 16. Januar 2002, der als Diagnose einen Reizhusten unklarer Ätiologie angab. Die Antikörper gegenüber Rattenepithelien seien erhöht, im Vergleich zur Voruntersuchung jedoch deutlich vermindert. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2002 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück.
Mit der am 27. Juni 2002 vor dem Sozialgericht Stendal erhobenen Klage hat die Klägerin die Anerkennung einer Berufskrankheit der Nr. 4201 weiterverfolgt. Sie hat dem Gericht das Schreiben von Prof. Dr. L. vom 30. Juli 2002 vorgelegt, der darin ausgeführt hat, die Antikörperbildung sei bei der Klägerin stark ausgeprägt und eindeutig auf einen Kontakt mit Rattenurin zurückzuführen. Beigefügt waren die Ergebnisse der Allergenuntersuchungen vom 2. April 2001 mit einem IgG-Wert bei Rattenserum von 12,83 g/ml und vom 28. Juni 2001 mit einen IgG-Wert bei Rattenserum von 18,70 g/ml. Aus einer weiteren Probe hatte sich ein IgG-Wert bei Rattenserum von 18,06 g/ml ergebne.
Am 8. Oktober 2002 hat der TAD den Zeugen G. zu den Arbeits- und Einsatzbedingungen auf den verschiedenen Stellwerken befragt. Dieser habe erklärt, es komme immer wieder vor, dass das Stellwerksgebäude in der kalten Jahreszeit von Mäusen heimgesucht würde. Dabei drängten die Mäuse in den Spannwerksraum ein und gelangten durch undichte Stellen im Fußboden und den Kabelkanälen bis in den Dienstraum vor. Bei derartigen Vorkommnissen hätte der Kammerjäger sowohl Rattenköder als auch Mäuseköderboxen im Dienstraum, in der Toilette und in dem Spannwerksraum ausgelegt. Die letzte Maßnahme sei 2001 durchgeführt worden. Nach dieser Maßnahme seien im Spannwerksraum einige verendete Mäuse vorgefunden worden. Es habe auch die Möglichkeit bestanden, dass Mäuse hinter Verkleidungen und eingebauten Schränken der Leit- und Sicherheitstechnik verendet sein könnten. In dem Stellwerksgebäude habe er noch nie, in dem unmittelbar am Stellwerk verlaufenden Graben vereinzelt Ratten gesehen.
Unter dem 15. Oktober 2002 und 27. Juni 2003 hat der TAD nach einer Ortsbesichti-gung des Stellwerks P. ausgeführt, nach Angaben eines dort Beschäftigten sei die letzte Schädlingsbekämpfung im Frühjahr 2002 erfolgt. Dieser habe erklärt, es komme immer wieder vor, insbesondere im Frühjahr und Herbst, dass Mäuse das Stellwerks-gebäude heimgesucht hätten und über den Spannwerksraum durch undichte Stellen in die Einbauschränke für die Leit- und Sicherheitstechnik gelangt seien. Vereinzelt seien verendete Mäuse im Spannwerksraum vorgefunden worden, Ratten jedoch nicht. In seiner fünfjährigen Beschäftigungszeit in dem Stellwerk habe er in dem angrenzenden Graben eine Wanderratte gesehen, ein vermehrtes Auftreten habe er nicht beobachtet. Der TAD hat weiter ausgeführt, die Beschäftigten müssten im Allgemeinen den Spannwerksraum nicht betreten. Bis zu zweimal im Monat kämen Monteure, um die Reparaturen durchzuführen. Ein Befall mit Ratten und Mäusen im Stellwerk G. könne verneint werden, weil sich dieses Stellwerk in der Ortslage befinde und vor etwa vier Jahren saniert worden sei. Den Netzbezirksleitern der Dienststellen, auf denen die Klägerin eingesetzt war, sei ein massiver Rattenbefall nicht bekannt. Infolge der Lebensweise der Nagetiere seien Mäuse und Ratten in einem Lebensraum niemals gleichzeitig anzutreffen, weil sie sich mieden. Da Ratten bekanntlich den Kontakt zu Menschen mieden und sich ausschließlich in ruhigen Gegenden bewegten, was durch den Aufenthalt der Beschäftigten und in Ausübung ihrer Tätigkeiten auf dem Stellwerk im Drei-Schichtsystem nicht der Fall sei, sei es unwahrscheinlich, dass eine Ratte überhaupt bis in den Arbeitsraum der Klägerin vorgedrungen sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 27. Oktober 2004 hat das Sozialgericht Stendal die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Ausmaß der schädigenden Einwir-kungen und die hierdurch verursachte Erkrankung sei nicht mit dem erforderlichen Maß einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Es habe keine belastungsrelevante Konzentration an Rattenserum in der Raumluft vorgelegen. Von einem massiven Ratten- oder Mäusebefall habe keiner der Zeugen berichtet. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit lägen daher nicht vor. Im Übrigen seien auch die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die EAA durch Rattenserum verursacht worden sei. In dem Befundbericht von Dr. S. werde nur noch von einem Reizhusten unklarer Ätiologie gesprochen. Die allergologische Diagnostik habe im Hauttest mit Rattenepithelien und Rattenhaaren keinen Anhalt für eine allergische Sensibilisierung und keinen signifikanten FEV1-Abfall ergeben. Der Befund lasse auch an eine idiopathische Lungenfibrose denken.
Gegen den am 17. November 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 17. Dezember 2004 Berufung bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und ergänzend ausgeführt, Mäuse und Ratten seien im Stellwerk durch Öffnungen in der Decke in den Arbeitsraum gelangt. Sie leide an einer durch Stäube von Ratten-Mäuseserum verursachten Krankheit. Geringste Mengen organischen Staubs von Rattenkot und -urin reichten aus, um die Allergie auszulösen. Infolge der Luftzirkulation hätten die Stäube durch die Deckenöffnungen im Spannwerksraum auch den Arbeits-raum erreicht. Sie sei deshalb in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung diesen Stäuben ausgesetzt gewesen. Im Übrigen sei es irrelevant, ob es sich um Stäube von Ratten oder Mäusen gehandelt habe.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 27. Oktober 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2001 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 27. Mai 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Berufskrankheit nach Nr. 4201 Berufskrankhei-ten-Verordnung anzuerkennen, hilfsweise den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Stendal zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es sei nicht gesichert, dass die Klägerin an einer EAA erkrankt sei. Prof. Dr. L. habe einen unspezifischen Befund erhoben. Die erforderlichen Major- und Minorsymp-tome für die Diagnose einer EAA hätten nicht vorgelegen. Im Übrigen erkrankten überwiegend Personen mit direktem Kontakt zu Ratten bei Tierversuchen oder als Tierpfleger an einer EAA. Bei der Erkrankung der Klägerin könne es sich auch um eine idiopathische Lungenfibrose, eine rheumatische Grunderkrankung oder eine Sklerodermie handeln. Ferner sei eine Belastung mit Rattenurin nicht nachgewiesen. Ratten mieden den Menschen. Es sei deshalb nicht wahrscheinlich, dass sie das Stellwerk aufgesucht hätten. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass der im Stellwerk vorgefunde-ne Schmutz Rattenkot bzw. Rattenserum enthalten habe.
Die Beklagte hat dem Gericht die Stellungnahme von Prof. Dr. L. vom 21. Februar 2005 vorgelegt, wonach der Nachweis von Antikörpern in der Regel artspezifisch sei. Selten auftretende Kreuzreaktionen seien wissenschaftlich nicht fundiert. Nach der Schilderung der Klägerin müsse davon ausgegangen werden, dass sie am Arbeitsplatz gegen Rattenserum exponiert gewesen sei. Die Expositionsmöglichkeiten gegenüber Rattenurin in der Normalbevölkerung seien verschwindend gering.
Der Senat hat den Arzt für Innere Medizin, Allergologie, Umweltmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde der S.klinik H. r Dr. L. mit der Erstattung des pneumologisch-allergologischen Gutachtens vom 4. Oktober 2007 nach Untersuchung der Klägerin am gleichen Tag beauftragt. Dieser hat in dem Gutachten und den ergänzen-den Stellungnahmen vom 13. August 2008 und 30. September 2008 ausgeführt, die bisherigen Arzt- und Krankenhausberichte enthielten die für eine EAA typischen radiologischen und serologischen Befunde. Auch sei der kausale Zusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und Krankheitsausbruch mit hinreichender Wahrschein-lichkeit gegeben, weil alternative Emissionsquellen in Form von Rattenurin und Rattenkotstaub nicht zu erkennen seien. Aktuell zeige sich in der Röntgenaufnahme der Lunge ein typischer Restbefund nach EAA, wobei sowohl radiomorphologisch als auch lungenfunktionell keine Zeichen einer manifesten Lungenfibrose mit restriktiver Ventilationsstörung zu erkennen seien. Den Ausführungen von Prof. Dr. L. sei zuzustimmen. Bei der EAA handele es sich um eine Typ III-Allergie. Ein Hauttest sowie eine FEV1-Messung würden lediglich bei Typ I-Allergien durchgeführt; bei der Typ III-Allergie seien diese ohne Bedeutung. Um an einer EAA zu erkranken, sei es notwen-dig, dass die betreffende Person bestimmte Typ III-Allergene wie Rattenepithelien bzw. -ausscheidungen inhaliere. 99 Personen blieben beschwerdefrei, eine Person reagiere mit einer Lungenerkrankung. Grund hierfür sei die Veränderung des Immunsystems der betreffenden Person, das Antikörper gegen das inhalierte organische Material bilde. Durch die Allergen-Antikörper-Reaktion komme es zu einer Entzündung des Lungengewebes, die nach Intensität und Dauer der Inhalation bis zur Lungenfibrose führen könne. Wenn der direkte Kontakt zum Allergen unterbunden werde, verringere sich der spezifische IgG-Spiegel im Serum im Laufe der Jahre bis auf 0. Der leicht erhöhte Spiegel von Wellensittich-IgG-Antikörpern sei insoweit nicht als akute Erkran-kung zu werten, sondern gehe auf einen Allergenkontakt zurück, der Jahre vor der Erkrankung der Klägerin zurückliege. Die EAA der Klägerin sei ausschließlich durch den längerfristigen Kontakt mit organischen Rattenbestandteilen ursächlich entstan-den.
Die Beklagte hat dem Gericht die Stellungnahme des Gewerbearztes Dr. S. vom 11. Dezember 2007 überlassen, der ausgeführt hat, die EAA sei nicht nachgewiesen. Bei der EAA gelte als gesichert, wenn vier Major- und zwei Minorkriterien erfüllt seien. Bei der Klägerin seien EAA-typische Symptome aber fraglich, weil ausschließlich Reizhusten vorgelegen habe und die Klägerin erst seit 2003 Nichtraucherin sei. Dem Gutachten von Dr. L. seien keine tätigkeitsbezogenen Beschwerden zu entneh-men, weil Klägerin seit März 2001 nicht mehr an den angeschuldigten Arbeitsplatz zurückgekehrt sei. Eine Exposition mit den Allergenen sei offen. Röntgenologisch seien 2001 und 2002 unauffällige Verhältnisse beschrieben worden. Das Ergebnis der histologischen Untersuchung der Lungenbioptate (BAL) und der inhalative Provokationstest seien für eine EAA untypisch. Rasselgeräusche, eine verminderte Vitalkapazi-tät und eine verminderte Diffusionskapazität seien als Befund nicht erhoben worden.
In seiner Stellungnahme hierzu vom 12. Februar 2008 hat Dr. L. mitgeteilt, der Idealfall, ein akutes Krankheitsgeschehen nach Inhalation von organischen Stäuben aufzufinden, habe bei der Klägerin nicht bestanden. Allein die hochgradige Antigen-konzentration gegenüber Rattenbestandteilen beweise das Vorliegen einer abgelaufenen EAA. Da im privaten Bereich keine Exposition zu Ratten bestanden habe, sei mit der geforderten Wahrscheinlichkeit das berufliche Umfeld Ausgangspunkt der Erkrankung. Hierfür spreche auch die allmähliche klinische Besserung der Klägerin nach der Krankschreibung und endgültiger Berufsaufgabe sowie das Fehlen alternativer Diagnosen. Da ein progredienter Verlauf der Erkrankung mit zunehmendem Röntgenbefund und konsekutiver Einschränkung der Lungenfunktion nicht zu verzeichnen sei, sei eine idiopathische Lungenfibrose auszuschließen.
Die Beklagte hat die Mitteilung der Fa. H. Hygieneservice GmbH & Co KG vom 29. Januar 2009 vorgelegt, wonach diese mit der Schädlingsbekämpfung in P. in den Jahren 2007/2008 tätig gewesen sei. Die Fa. H. sei seit Anfang 2001 in eine Holding integriert. Eine Schädlingsbekämpfung in G. ergebe sich aus den übernommenen Unterlagen nicht.
Der Senat hat sich die Dienstpläne der Klägerin aus den Jahren 1998 bis 2001 von der DB Netz vorlegen lassen.
Auf Nachfrage des Senats hat die Fa. R. Schädlingsbekämpfung unter dem 20. April 2009 mitgeteilt, aus den noch vorhandenen Unterlagen sei zu entnehmen, dass sie am Bahnhof P. am 6. November 1998 eine Bekämpfung von Hausmäusen durchgeführt habe. Im Falle einer Rattenbekämpfung wäre ein anderer Code im Buchungssystem eingetragen.
Der Senat hat einen Befundbericht der Rehabilitationsklinik für Atemwegs-, Herz-Kreislauf-, Hauterkrankungen, Allergien und Psychosomatik H. über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 7. Mai 2001 bis 11. Juni 2001 eingeholt, die als Diagnose einen Zustand nach hämorrhagischer Tracheobronchitis/Influenzainfektion/chronische Sinusitis ethmoidalis angegeben hatte.
Der Berichterstatter hat in nichtöffentlicher Sitzung am 21. September 2009 den Zeugen T. G. vernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 295 der Gerichtsakte Bezug genommen. Der Zeuge G. hat im Wesentlichen bekundet, im Stellwerk G. seien in einer Koehlerbox hinter einer Gastherme Mäuse verendet, was auch bestialisch gestunken habe. Ratten habe er dort nicht gesehen. In den Schaltschränken seien allerdings Exkremente von Mäusen und Ratten gewesen, wobei man diese jedoch nur schwer voneinander unterscheiden könne. Im Stellwerk P. habe er Mäuse und Ratten gesehen. Dies müsse 2002 und 2003 vor seinem Aus-scheiden im Jahr 2004 der Fall gewesen sein. Insbesondere sei ihm eine Ratte in der Toilette begegnet. Im Dienstraum habe er jedoch weder Mäuse noch Ratten gesehen. Im angrenzenden Graben habe er Ratten gesichtet, dort habe es auch ganz schön geraschelt.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung in der nichtöffentlichen Sitzung vom 21. September 2009 zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die nach § 143 SGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Sozialgericht hat ihr Begehren, dass sie nach den §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässigerweise als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage verfolgen kann, zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2002 beschwert sie deshalb nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Voraussetzungen einer Berufskrankheit der Nr. 4201 der Anlage 1 zur BKV nicht vorliegen.
Der von der Klägerin verfolgte Anspruch richtet sich nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Denn der geltend gemachte Versicherungsfall (die Berufskrankheit) kann nur mit dem Auftreten der ersten Krankheitssymptome im Februar 2001 nach dem In-Kraft-Treten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten sein (vgl. zum Inkrafttreten Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl. I, 1254 ff., §§ 212 ff. SGB VII).
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung (BKV) mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der BKV regelt § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 sowie Abs. 6 SGB VII. Der Versicherungsfall einer in der Anlage 1 zur BKV aufgelisteten Berufskrankheit setzt voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit eine belastende berufliche Einwirkung auf die Gesundheit bewirkt (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkung die vom jeweiligen Tatbestand der Berufskrankheit erfasste Erkrankung wesentlich verursacht hat (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 9/08 R -, zitiert nach juris). Während für die Beurteilung der Verursachung der Erkrankung durch die Einwirkung der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt, müssen die Grundlagen dieser Ursachenbeurteilung – die versicherte Tätigkeit, die Art und der Umfang der belastenden beruflichen Einwirkungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (arbeitstechnische Voraussetzungen) und die (geltend gemachte) Erkrankung – mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein (so genannter Vollbeweis). Dieser Beweisgrad ist erfüllt, wenn kein vernünftiger die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt, wenn also das Gefühl des Zweifels beseitigt ist (siehe BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 5/05 R - SozR 4-5671 § 6 Nr. 2).
Ausgehend hiervon ist zwischen den Beteiligten unstrittig, dass die Klägerin während der Zeit ihrer Tätigkeit in den Stellwerken G. , P. und K. als Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert war. Der Senat kann es dahingestellt lassen, ob eine EAA im Sinne der Berufskrankheit Nr. 4201 vollbeweislich gesichert ist. Dies kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden. Denn es ist nicht vollbeweislich gesichert, dass die Klägerin während ihrer Tätigkeit organischen Stäuben ausgesetzt war, die geeignet sind, eine EAA zu verursachen.
Der Sachverständige Dr. L. hat die Lungenerkrankung der Klägerin ebenso wie Prof. Dr. L. eindeutig auf den Kontakt mit Rattenexkrementen zurückgeführt. Die im Körper gebildeten Antigene sind artspezifisch, worauf beide Lungenfachärzte hinge-wiesen haben. Dr. L. weist zwar auch darauf hin, dass sog. Kreuzreaktionen - bei dem Kontakt mit Proteinen eines Nagetiers werden Antigene gegen die Proteine eines anderen Nagetiers ausgebildet - möglich sind. Da dies aber nicht regelmäßig der Fall ist, hält Prof. Dr. L. entsprechende Schlussfolgerungen nicht für wissenschaftlich verwertbar. Auf eine Exposition mit organischen Stäuben anderer Tiere wie Mäusen oder Wellensittichen kommt es daher vorliegend nicht entscheidend an.
Eine Exposition mit organischen Stäuben kann nur im Stellwerk G. erfolgt sein. Die Symptome einer EAA treten nach 4 bis 6 Stunden nach der Exposition mit den organischen Stäuben auf (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand Oktober 2009, M 4201, S. 4). Hierauf hat auch Prof. Dr. L. hingewiesen. Der Reizhusten der Klägerin hat sich erstmals im Februar 2001 eingestellt. Im Februar 2001 war die Klägerin während der Ausübung der versicherten Tätigkeit ausschließlich im Stellwerk G. beschäftigt. Auf eine Exposition mit organischen Stäuben in den Stellwerken L. , P. oder K. kommt es daher nicht an.
Es ist nicht offensichtlich, dass die Klägerin in dem Stellwerk G. einem erhöhten Risiko der Exposition mit organischen Stäuben, die eine EAA auslösen können, ausgesetzt war. In einem Stellwerk halten sich nicht zwangsläufig Tiere auf, deren eiweißhaltige Ausscheidungen oder Absonderungen zu einer EAA führen könnten. Vielmehr kommt es auf die Lage des Stellwerks sowie auf den baulichen Zustand des Gebäudes an. Nach den Ermittlungen des TAD liegt das Stellwerk G. in Ortslage in Nähe einer größeren Straße. Es ist ca. 2 bis 3 Jahre vor dem Ausbruch der Erkrankung der Klägerin zu einem elektromechanischen Stellwerk umgebaut worden. Dabei hat die DB das Gebäude saniert und neue Fenster und Türen eingesetzt. Diese Umstände sprechen nicht dafür, dass sich nach der Sanierung noch Tiere wie Ratten oder Mäuse in dem Gebäude aufgehalten haben. Für das Stellwerk G. ist eine Exposition mit organischen Stäuben auch nicht nachgewiesen. Weder ist die dortige Atemluft auf die Staubzusammensetzung unter-sucht noch sind dort eiweißhaltige organische Substanzen wie Exkremente oder Serum von Tieren zur weiteren Untersuchung gesichert worden.
Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass sich im Stellwerk G. Ratten auf-gehalten haben. So hat der Zeuge G. im Stellwerk G. keine Ratten gesichtet. Zwar will er in den Schaltschränken Exkremente von Ratten und Mäusen gesehen haben. Allerdings hat er selbst eingeräumt, dass die Exkremente der Ratten von denen der Mäuse schwer voneinander zu unterscheiden sind. Dass es sich bei den Exkre-menten in den Schaltschränken um Exkremente von Ratten gehandelt hat, ist damit nicht vollbeweislich gesichert. Zudem hat der Zeuge auch nicht konkret angegeben, wann er diese Exkremente in den Schaltschränken gesehen hat. So hatten er und die Klägerin nach seinem Bekunden keinen Zugang zu den Schaltschränken. Dies entspricht auch den Ermittlungen des TAD, wonach die Reparaturen in den Schalt-schränken von Monteuren durchgeführt wurden, die bis zu zweimal im Monat vor Ort anwesend waren. Dass der Zeuge G. die Exkremente im Februar 2001 im Stellwerk G. gesehen hat, ist seiner Aussage nicht zu entnehmen. So bezogen sich seine Angaben vage auf die Jahre 2002 und 2003 kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis im Jahr 2004. Die mit der Schädlingsbekämpfung der DB im M. Raum beauftragten Firmen R. (in den 90er Jahren) und H. (seit 2000) haben zudem eine Schädlingsbekämpfung im Stellwerk G. nicht bestätigt. Beide waren mit der Schädlingsbekämpfung lediglich im Stellwerk P. beauftragt, R. im Jahr 1998 und H. erst 2007.
Der Senat vermag deshalb der Einschätzung des Sachverständigen Dr. L. zur Exposition nicht zu folgen. Dr. L. hat seiner Einschätzung die Annahme zu Grunde gelegt, dass die Klägerin privat nicht mit Rattenserum in Kontakt gekommen ist und hieraus die Schlussfolgerung gezogen, der Kontakt müsse beruflich erfolgt sein. Für eine derartige Annahme gibt es keinen Anhaltspunkt. Soweit der Sachverständige hier von einer Wahrscheinlichkeit ausgeht, eher beruflich bei der Beschäftigung in einem Stellwerk mit Rattenserum in Kontakt zu geraten, als privat, reicht diese Wahrscheinlichkeit nicht aus. Denn die Exposition ist vollbeweislich zu sichern.
Es ist damit nicht vollbeweislich gesichert, dass die Klägerin den organischen Stäuben von Ratten während der Ausübung ihrer Tätigkeit im Stellwerk G. ausgesetzt war, als im Februar 2001 die Erkrankung ausgebrochen ist.
Nach alledem liegen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 4201 der Anlage 1 zur BKV nicht vor.
Dem Hilfsantrag der Klägerin, den Rechtstreit an das Sozialgericht zurückzuweisen, hat der Senat aus verfahrensökonomischen Gründen nicht stattgegeben. Zur Förderung des Verfahrens hat es der Senat im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens für geboten gehalten, in der Sache selbst zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4201 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - exogen-allergische Alveolitis (EAA) als Erkrankung durch organische Stäube.
Die 1970 geborene Klägerin absolvierte vom 1. September 1986 bis 15. Juli 1988 eine Ausbildung bei der Deutschen Reichsbahn und war anschließend bis 30. September 1993 als Zugmelderin in B. tätig. Seit dem 1. Oktober 1993 war sie bei der Deutsche Bahn (DB) Netz bis zum 29. Februar 1996 als Weichenwärterin in G. und vom 1. März 1996 bis 30. Juni 1998 als Schrankenwärterin in M. beschäftigt. Seit 1. Juli 1998 übte sie die Tätigkeit als Weichen- und Schrankenwärterin an wechseln-den Einsatzorten im Stellwerk in P. , am Bahnhof L. und im Stellwerk G. aus. Vom 1. Januar 2000 bis 4. März 2001 war sie überwiegend in G. tätig, wobei sie vom 1. bis 9. Januar 2000, am 14. und 15. Februar 2000, am 19. und 20. Februar 2000 sowie am 28. Dezember 2000 im Stellwerk P. arbeitete und vom 1. bis 4. März 2001 im Stellwerk K. tätig war. Unter der Bezeichnung 35300 sind Dienstzeiten für den 24. und 25. April 2000, den 3. bis 6. Juli 2000, den 8. bis 10. Juli 2000 sowie den 12. bis 17. Juli 2000 im Dienstplan eingetragen. Seit dem 5. März 2001 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt und hat ihre Tätigkeit als Weichen- und Schrankenwärterin in den Stellwerken nicht wieder aufgenommen.
Unter dem 23. Juli 2001 zeigte die Oberärztin der Lungenklinik L. Dr. S. der Berufsgenossenschaft Straßen-, U-Bahnen und Eisenbahnen den Verdacht einer EAA durch Rattenserum an. Sie fügte einen Befundbericht des Ärztlichen Direktors der Klinik Prof. Dr. L. vom gleichen Tag bei, der nach der Laboruntersuchung Antikör-per gegenüber Rattenserum als sehr stark positiv und gegenüber Wellensittichfedern erhöht beschrieb. Der Hauttest habe keinen Anhalt für eine allergische Sensibilisierung gegenüber Wellensittich, Rattenepithelien und Rattenhaaren ergeben. Im spezifischen bronchialen Provokationstest mit Rattenepithelien und Rattenhaaren habe kein signifikanter FEV1-Abfall bestanden. Die Berufsgenossenschaft Straßen-, U-Bahnen und Eisenbahnen gab den Fall an die Beklagte ab.
Unter dem 15. August 2001 erklärte die Klägerin der Beklagten, sie leide seit Februar 2001 unter starkem Husten. Die DB Netz teilte mit, in der Zeit von 1996 bis 1998 habe sie auf den Stellwerken, auf denen die Klägerin beschäftigt gewesen sei, einmal eine Rattenbekämpfung durchführen lassen. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten führte unter dem 23. Oktober 2001 nach Aktenlage aus, im Stellwerk in G. sei vor ca. 2 bis 3 Jahren die Hebelbank zurückgebaut worden und eine Umrüstung auf elektromechanischen Betrieb erfolgt. In diesem Zusammenhang seien auch Fenster und Türen saniert und eine Renovierung durchgeführt worden. Das Stellwerk P. sei ein mechanisches Stellwerk. Unterhalb der Diensträume in der ersten Etage befänden sich die Spannwerksräume. Das Stellwerk liege in ländlicher Gegend im Umfeld von Gartenanlagen oder im Bereich der Feldflur. Es sei mitunter vorgekommen, dass sich vereinzelt Mäuse, gelegentlich auch Ratten, in den Nebengebäuden oder Unterkellerungen aufgehalten hätten. Ein andauernder, massiver Befall könne nicht unterstellt werden. Im Stellwerk Prödel seien 1999 zweimal Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen wegen Mäusebefall durchgeführt worden. Weitere Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen habe es nach 1998 auf den Dienstposten der Klägerin nicht gegeben. Eine massive Staubentwicklung durch organische Stoffe habe in den Stellwerken nicht bestanden.
Die Beklagte holte die gewerbeärztliche Stellungnahme von MOR Dr. F. vom 20. November 2001 ein, die die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 4201 nicht als erfüllt ansah.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Berufskrankheit der Nr. 4201 ab, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Hiergegen erhob die Klägerin am 2. Januar 2002 Widerspruch und führte zur Begründung unter anderem aus, sie sei vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit haupt-sächlich in dem Stellwerk G. tätig gewesen. Entgegen des Vortrages der Beklagten hätten sich auch nach 1998 dort noch Ratten und Mäuse aufgehalten. Dies könne ihr im Stellwerk G. tätiger Kollege G. bezeugen. Die EAA sei auf berufliche Einwirkung durch Stäube von Rattenserum ursächlich zurückzuführen. Sie fügte den Befundbericht von der Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde/Allergologie Dr. W. vom 24. Oktober 2001 bei, die eine allergische Alveolitis sowie eine Tracheobronchitis diagnostizierte.
Am 22. Februar 2002 erreichte die Beklagte der Bericht von Prof. Dr. L. vom 30. Januar 2002 über den stationären Aufenthalt der Klägerin in der Lungenklinik L. vom 8. bis 16. Januar 2002, der als Diagnose einen Reizhusten unklarer Ätiologie angab. Die Antikörper gegenüber Rattenepithelien seien erhöht, im Vergleich zur Voruntersuchung jedoch deutlich vermindert. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2002 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück.
Mit der am 27. Juni 2002 vor dem Sozialgericht Stendal erhobenen Klage hat die Klägerin die Anerkennung einer Berufskrankheit der Nr. 4201 weiterverfolgt. Sie hat dem Gericht das Schreiben von Prof. Dr. L. vom 30. Juli 2002 vorgelegt, der darin ausgeführt hat, die Antikörperbildung sei bei der Klägerin stark ausgeprägt und eindeutig auf einen Kontakt mit Rattenurin zurückzuführen. Beigefügt waren die Ergebnisse der Allergenuntersuchungen vom 2. April 2001 mit einem IgG-Wert bei Rattenserum von 12,83 g/ml und vom 28. Juni 2001 mit einen IgG-Wert bei Rattenserum von 18,70 g/ml. Aus einer weiteren Probe hatte sich ein IgG-Wert bei Rattenserum von 18,06 g/ml ergebne.
Am 8. Oktober 2002 hat der TAD den Zeugen G. zu den Arbeits- und Einsatzbedingungen auf den verschiedenen Stellwerken befragt. Dieser habe erklärt, es komme immer wieder vor, dass das Stellwerksgebäude in der kalten Jahreszeit von Mäusen heimgesucht würde. Dabei drängten die Mäuse in den Spannwerksraum ein und gelangten durch undichte Stellen im Fußboden und den Kabelkanälen bis in den Dienstraum vor. Bei derartigen Vorkommnissen hätte der Kammerjäger sowohl Rattenköder als auch Mäuseköderboxen im Dienstraum, in der Toilette und in dem Spannwerksraum ausgelegt. Die letzte Maßnahme sei 2001 durchgeführt worden. Nach dieser Maßnahme seien im Spannwerksraum einige verendete Mäuse vorgefunden worden. Es habe auch die Möglichkeit bestanden, dass Mäuse hinter Verkleidungen und eingebauten Schränken der Leit- und Sicherheitstechnik verendet sein könnten. In dem Stellwerksgebäude habe er noch nie, in dem unmittelbar am Stellwerk verlaufenden Graben vereinzelt Ratten gesehen.
Unter dem 15. Oktober 2002 und 27. Juni 2003 hat der TAD nach einer Ortsbesichti-gung des Stellwerks P. ausgeführt, nach Angaben eines dort Beschäftigten sei die letzte Schädlingsbekämpfung im Frühjahr 2002 erfolgt. Dieser habe erklärt, es komme immer wieder vor, insbesondere im Frühjahr und Herbst, dass Mäuse das Stellwerks-gebäude heimgesucht hätten und über den Spannwerksraum durch undichte Stellen in die Einbauschränke für die Leit- und Sicherheitstechnik gelangt seien. Vereinzelt seien verendete Mäuse im Spannwerksraum vorgefunden worden, Ratten jedoch nicht. In seiner fünfjährigen Beschäftigungszeit in dem Stellwerk habe er in dem angrenzenden Graben eine Wanderratte gesehen, ein vermehrtes Auftreten habe er nicht beobachtet. Der TAD hat weiter ausgeführt, die Beschäftigten müssten im Allgemeinen den Spannwerksraum nicht betreten. Bis zu zweimal im Monat kämen Monteure, um die Reparaturen durchzuführen. Ein Befall mit Ratten und Mäusen im Stellwerk G. könne verneint werden, weil sich dieses Stellwerk in der Ortslage befinde und vor etwa vier Jahren saniert worden sei. Den Netzbezirksleitern der Dienststellen, auf denen die Klägerin eingesetzt war, sei ein massiver Rattenbefall nicht bekannt. Infolge der Lebensweise der Nagetiere seien Mäuse und Ratten in einem Lebensraum niemals gleichzeitig anzutreffen, weil sie sich mieden. Da Ratten bekanntlich den Kontakt zu Menschen mieden und sich ausschließlich in ruhigen Gegenden bewegten, was durch den Aufenthalt der Beschäftigten und in Ausübung ihrer Tätigkeiten auf dem Stellwerk im Drei-Schichtsystem nicht der Fall sei, sei es unwahrscheinlich, dass eine Ratte überhaupt bis in den Arbeitsraum der Klägerin vorgedrungen sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 27. Oktober 2004 hat das Sozialgericht Stendal die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Ausmaß der schädigenden Einwir-kungen und die hierdurch verursachte Erkrankung sei nicht mit dem erforderlichen Maß einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Es habe keine belastungsrelevante Konzentration an Rattenserum in der Raumluft vorgelegen. Von einem massiven Ratten- oder Mäusebefall habe keiner der Zeugen berichtet. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit lägen daher nicht vor. Im Übrigen seien auch die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die EAA durch Rattenserum verursacht worden sei. In dem Befundbericht von Dr. S. werde nur noch von einem Reizhusten unklarer Ätiologie gesprochen. Die allergologische Diagnostik habe im Hauttest mit Rattenepithelien und Rattenhaaren keinen Anhalt für eine allergische Sensibilisierung und keinen signifikanten FEV1-Abfall ergeben. Der Befund lasse auch an eine idiopathische Lungenfibrose denken.
Gegen den am 17. November 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 17. Dezember 2004 Berufung bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und ergänzend ausgeführt, Mäuse und Ratten seien im Stellwerk durch Öffnungen in der Decke in den Arbeitsraum gelangt. Sie leide an einer durch Stäube von Ratten-Mäuseserum verursachten Krankheit. Geringste Mengen organischen Staubs von Rattenkot und -urin reichten aus, um die Allergie auszulösen. Infolge der Luftzirkulation hätten die Stäube durch die Deckenöffnungen im Spannwerksraum auch den Arbeits-raum erreicht. Sie sei deshalb in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung diesen Stäuben ausgesetzt gewesen. Im Übrigen sei es irrelevant, ob es sich um Stäube von Ratten oder Mäusen gehandelt habe.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 27. Oktober 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2001 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 27. Mai 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Berufskrankheit nach Nr. 4201 Berufskrankhei-ten-Verordnung anzuerkennen, hilfsweise den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Stendal zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es sei nicht gesichert, dass die Klägerin an einer EAA erkrankt sei. Prof. Dr. L. habe einen unspezifischen Befund erhoben. Die erforderlichen Major- und Minorsymp-tome für die Diagnose einer EAA hätten nicht vorgelegen. Im Übrigen erkrankten überwiegend Personen mit direktem Kontakt zu Ratten bei Tierversuchen oder als Tierpfleger an einer EAA. Bei der Erkrankung der Klägerin könne es sich auch um eine idiopathische Lungenfibrose, eine rheumatische Grunderkrankung oder eine Sklerodermie handeln. Ferner sei eine Belastung mit Rattenurin nicht nachgewiesen. Ratten mieden den Menschen. Es sei deshalb nicht wahrscheinlich, dass sie das Stellwerk aufgesucht hätten. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass der im Stellwerk vorgefunde-ne Schmutz Rattenkot bzw. Rattenserum enthalten habe.
Die Beklagte hat dem Gericht die Stellungnahme von Prof. Dr. L. vom 21. Februar 2005 vorgelegt, wonach der Nachweis von Antikörpern in der Regel artspezifisch sei. Selten auftretende Kreuzreaktionen seien wissenschaftlich nicht fundiert. Nach der Schilderung der Klägerin müsse davon ausgegangen werden, dass sie am Arbeitsplatz gegen Rattenserum exponiert gewesen sei. Die Expositionsmöglichkeiten gegenüber Rattenurin in der Normalbevölkerung seien verschwindend gering.
Der Senat hat den Arzt für Innere Medizin, Allergologie, Umweltmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde der S.klinik H. r Dr. L. mit der Erstattung des pneumologisch-allergologischen Gutachtens vom 4. Oktober 2007 nach Untersuchung der Klägerin am gleichen Tag beauftragt. Dieser hat in dem Gutachten und den ergänzen-den Stellungnahmen vom 13. August 2008 und 30. September 2008 ausgeführt, die bisherigen Arzt- und Krankenhausberichte enthielten die für eine EAA typischen radiologischen und serologischen Befunde. Auch sei der kausale Zusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und Krankheitsausbruch mit hinreichender Wahrschein-lichkeit gegeben, weil alternative Emissionsquellen in Form von Rattenurin und Rattenkotstaub nicht zu erkennen seien. Aktuell zeige sich in der Röntgenaufnahme der Lunge ein typischer Restbefund nach EAA, wobei sowohl radiomorphologisch als auch lungenfunktionell keine Zeichen einer manifesten Lungenfibrose mit restriktiver Ventilationsstörung zu erkennen seien. Den Ausführungen von Prof. Dr. L. sei zuzustimmen. Bei der EAA handele es sich um eine Typ III-Allergie. Ein Hauttest sowie eine FEV1-Messung würden lediglich bei Typ I-Allergien durchgeführt; bei der Typ III-Allergie seien diese ohne Bedeutung. Um an einer EAA zu erkranken, sei es notwen-dig, dass die betreffende Person bestimmte Typ III-Allergene wie Rattenepithelien bzw. -ausscheidungen inhaliere. 99 Personen blieben beschwerdefrei, eine Person reagiere mit einer Lungenerkrankung. Grund hierfür sei die Veränderung des Immunsystems der betreffenden Person, das Antikörper gegen das inhalierte organische Material bilde. Durch die Allergen-Antikörper-Reaktion komme es zu einer Entzündung des Lungengewebes, die nach Intensität und Dauer der Inhalation bis zur Lungenfibrose führen könne. Wenn der direkte Kontakt zum Allergen unterbunden werde, verringere sich der spezifische IgG-Spiegel im Serum im Laufe der Jahre bis auf 0. Der leicht erhöhte Spiegel von Wellensittich-IgG-Antikörpern sei insoweit nicht als akute Erkran-kung zu werten, sondern gehe auf einen Allergenkontakt zurück, der Jahre vor der Erkrankung der Klägerin zurückliege. Die EAA der Klägerin sei ausschließlich durch den längerfristigen Kontakt mit organischen Rattenbestandteilen ursächlich entstan-den.
Die Beklagte hat dem Gericht die Stellungnahme des Gewerbearztes Dr. S. vom 11. Dezember 2007 überlassen, der ausgeführt hat, die EAA sei nicht nachgewiesen. Bei der EAA gelte als gesichert, wenn vier Major- und zwei Minorkriterien erfüllt seien. Bei der Klägerin seien EAA-typische Symptome aber fraglich, weil ausschließlich Reizhusten vorgelegen habe und die Klägerin erst seit 2003 Nichtraucherin sei. Dem Gutachten von Dr. L. seien keine tätigkeitsbezogenen Beschwerden zu entneh-men, weil Klägerin seit März 2001 nicht mehr an den angeschuldigten Arbeitsplatz zurückgekehrt sei. Eine Exposition mit den Allergenen sei offen. Röntgenologisch seien 2001 und 2002 unauffällige Verhältnisse beschrieben worden. Das Ergebnis der histologischen Untersuchung der Lungenbioptate (BAL) und der inhalative Provokationstest seien für eine EAA untypisch. Rasselgeräusche, eine verminderte Vitalkapazi-tät und eine verminderte Diffusionskapazität seien als Befund nicht erhoben worden.
In seiner Stellungnahme hierzu vom 12. Februar 2008 hat Dr. L. mitgeteilt, der Idealfall, ein akutes Krankheitsgeschehen nach Inhalation von organischen Stäuben aufzufinden, habe bei der Klägerin nicht bestanden. Allein die hochgradige Antigen-konzentration gegenüber Rattenbestandteilen beweise das Vorliegen einer abgelaufenen EAA. Da im privaten Bereich keine Exposition zu Ratten bestanden habe, sei mit der geforderten Wahrscheinlichkeit das berufliche Umfeld Ausgangspunkt der Erkrankung. Hierfür spreche auch die allmähliche klinische Besserung der Klägerin nach der Krankschreibung und endgültiger Berufsaufgabe sowie das Fehlen alternativer Diagnosen. Da ein progredienter Verlauf der Erkrankung mit zunehmendem Röntgenbefund und konsekutiver Einschränkung der Lungenfunktion nicht zu verzeichnen sei, sei eine idiopathische Lungenfibrose auszuschließen.
Die Beklagte hat die Mitteilung der Fa. H. Hygieneservice GmbH & Co KG vom 29. Januar 2009 vorgelegt, wonach diese mit der Schädlingsbekämpfung in P. in den Jahren 2007/2008 tätig gewesen sei. Die Fa. H. sei seit Anfang 2001 in eine Holding integriert. Eine Schädlingsbekämpfung in G. ergebe sich aus den übernommenen Unterlagen nicht.
Der Senat hat sich die Dienstpläne der Klägerin aus den Jahren 1998 bis 2001 von der DB Netz vorlegen lassen.
Auf Nachfrage des Senats hat die Fa. R. Schädlingsbekämpfung unter dem 20. April 2009 mitgeteilt, aus den noch vorhandenen Unterlagen sei zu entnehmen, dass sie am Bahnhof P. am 6. November 1998 eine Bekämpfung von Hausmäusen durchgeführt habe. Im Falle einer Rattenbekämpfung wäre ein anderer Code im Buchungssystem eingetragen.
Der Senat hat einen Befundbericht der Rehabilitationsklinik für Atemwegs-, Herz-Kreislauf-, Hauterkrankungen, Allergien und Psychosomatik H. über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 7. Mai 2001 bis 11. Juni 2001 eingeholt, die als Diagnose einen Zustand nach hämorrhagischer Tracheobronchitis/Influenzainfektion/chronische Sinusitis ethmoidalis angegeben hatte.
Der Berichterstatter hat in nichtöffentlicher Sitzung am 21. September 2009 den Zeugen T. G. vernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 295 der Gerichtsakte Bezug genommen. Der Zeuge G. hat im Wesentlichen bekundet, im Stellwerk G. seien in einer Koehlerbox hinter einer Gastherme Mäuse verendet, was auch bestialisch gestunken habe. Ratten habe er dort nicht gesehen. In den Schaltschränken seien allerdings Exkremente von Mäusen und Ratten gewesen, wobei man diese jedoch nur schwer voneinander unterscheiden könne. Im Stellwerk P. habe er Mäuse und Ratten gesehen. Dies müsse 2002 und 2003 vor seinem Aus-scheiden im Jahr 2004 der Fall gewesen sein. Insbesondere sei ihm eine Ratte in der Toilette begegnet. Im Dienstraum habe er jedoch weder Mäuse noch Ratten gesehen. Im angrenzenden Graben habe er Ratten gesichtet, dort habe es auch ganz schön geraschelt.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung in der nichtöffentlichen Sitzung vom 21. September 2009 zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die nach § 143 SGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Sozialgericht hat ihr Begehren, dass sie nach den §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässigerweise als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage verfolgen kann, zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2002 beschwert sie deshalb nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Voraussetzungen einer Berufskrankheit der Nr. 4201 der Anlage 1 zur BKV nicht vorliegen.
Der von der Klägerin verfolgte Anspruch richtet sich nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Denn der geltend gemachte Versicherungsfall (die Berufskrankheit) kann nur mit dem Auftreten der ersten Krankheitssymptome im Februar 2001 nach dem In-Kraft-Treten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten sein (vgl. zum Inkrafttreten Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl. I, 1254 ff., §§ 212 ff. SGB VII).
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung (BKV) mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der BKV regelt § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 sowie Abs. 6 SGB VII. Der Versicherungsfall einer in der Anlage 1 zur BKV aufgelisteten Berufskrankheit setzt voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit eine belastende berufliche Einwirkung auf die Gesundheit bewirkt (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkung die vom jeweiligen Tatbestand der Berufskrankheit erfasste Erkrankung wesentlich verursacht hat (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 9/08 R -, zitiert nach juris). Während für die Beurteilung der Verursachung der Erkrankung durch die Einwirkung der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt, müssen die Grundlagen dieser Ursachenbeurteilung – die versicherte Tätigkeit, die Art und der Umfang der belastenden beruflichen Einwirkungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (arbeitstechnische Voraussetzungen) und die (geltend gemachte) Erkrankung – mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein (so genannter Vollbeweis). Dieser Beweisgrad ist erfüllt, wenn kein vernünftiger die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt, wenn also das Gefühl des Zweifels beseitigt ist (siehe BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 5/05 R - SozR 4-5671 § 6 Nr. 2).
Ausgehend hiervon ist zwischen den Beteiligten unstrittig, dass die Klägerin während der Zeit ihrer Tätigkeit in den Stellwerken G. , P. und K. als Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert war. Der Senat kann es dahingestellt lassen, ob eine EAA im Sinne der Berufskrankheit Nr. 4201 vollbeweislich gesichert ist. Dies kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden. Denn es ist nicht vollbeweislich gesichert, dass die Klägerin während ihrer Tätigkeit organischen Stäuben ausgesetzt war, die geeignet sind, eine EAA zu verursachen.
Der Sachverständige Dr. L. hat die Lungenerkrankung der Klägerin ebenso wie Prof. Dr. L. eindeutig auf den Kontakt mit Rattenexkrementen zurückgeführt. Die im Körper gebildeten Antigene sind artspezifisch, worauf beide Lungenfachärzte hinge-wiesen haben. Dr. L. weist zwar auch darauf hin, dass sog. Kreuzreaktionen - bei dem Kontakt mit Proteinen eines Nagetiers werden Antigene gegen die Proteine eines anderen Nagetiers ausgebildet - möglich sind. Da dies aber nicht regelmäßig der Fall ist, hält Prof. Dr. L. entsprechende Schlussfolgerungen nicht für wissenschaftlich verwertbar. Auf eine Exposition mit organischen Stäuben anderer Tiere wie Mäusen oder Wellensittichen kommt es daher vorliegend nicht entscheidend an.
Eine Exposition mit organischen Stäuben kann nur im Stellwerk G. erfolgt sein. Die Symptome einer EAA treten nach 4 bis 6 Stunden nach der Exposition mit den organischen Stäuben auf (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand Oktober 2009, M 4201, S. 4). Hierauf hat auch Prof. Dr. L. hingewiesen. Der Reizhusten der Klägerin hat sich erstmals im Februar 2001 eingestellt. Im Februar 2001 war die Klägerin während der Ausübung der versicherten Tätigkeit ausschließlich im Stellwerk G. beschäftigt. Auf eine Exposition mit organischen Stäuben in den Stellwerken L. , P. oder K. kommt es daher nicht an.
Es ist nicht offensichtlich, dass die Klägerin in dem Stellwerk G. einem erhöhten Risiko der Exposition mit organischen Stäuben, die eine EAA auslösen können, ausgesetzt war. In einem Stellwerk halten sich nicht zwangsläufig Tiere auf, deren eiweißhaltige Ausscheidungen oder Absonderungen zu einer EAA führen könnten. Vielmehr kommt es auf die Lage des Stellwerks sowie auf den baulichen Zustand des Gebäudes an. Nach den Ermittlungen des TAD liegt das Stellwerk G. in Ortslage in Nähe einer größeren Straße. Es ist ca. 2 bis 3 Jahre vor dem Ausbruch der Erkrankung der Klägerin zu einem elektromechanischen Stellwerk umgebaut worden. Dabei hat die DB das Gebäude saniert und neue Fenster und Türen eingesetzt. Diese Umstände sprechen nicht dafür, dass sich nach der Sanierung noch Tiere wie Ratten oder Mäuse in dem Gebäude aufgehalten haben. Für das Stellwerk G. ist eine Exposition mit organischen Stäuben auch nicht nachgewiesen. Weder ist die dortige Atemluft auf die Staubzusammensetzung unter-sucht noch sind dort eiweißhaltige organische Substanzen wie Exkremente oder Serum von Tieren zur weiteren Untersuchung gesichert worden.
Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass sich im Stellwerk G. Ratten auf-gehalten haben. So hat der Zeuge G. im Stellwerk G. keine Ratten gesichtet. Zwar will er in den Schaltschränken Exkremente von Ratten und Mäusen gesehen haben. Allerdings hat er selbst eingeräumt, dass die Exkremente der Ratten von denen der Mäuse schwer voneinander zu unterscheiden sind. Dass es sich bei den Exkre-menten in den Schaltschränken um Exkremente von Ratten gehandelt hat, ist damit nicht vollbeweislich gesichert. Zudem hat der Zeuge auch nicht konkret angegeben, wann er diese Exkremente in den Schaltschränken gesehen hat. So hatten er und die Klägerin nach seinem Bekunden keinen Zugang zu den Schaltschränken. Dies entspricht auch den Ermittlungen des TAD, wonach die Reparaturen in den Schalt-schränken von Monteuren durchgeführt wurden, die bis zu zweimal im Monat vor Ort anwesend waren. Dass der Zeuge G. die Exkremente im Februar 2001 im Stellwerk G. gesehen hat, ist seiner Aussage nicht zu entnehmen. So bezogen sich seine Angaben vage auf die Jahre 2002 und 2003 kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis im Jahr 2004. Die mit der Schädlingsbekämpfung der DB im M. Raum beauftragten Firmen R. (in den 90er Jahren) und H. (seit 2000) haben zudem eine Schädlingsbekämpfung im Stellwerk G. nicht bestätigt. Beide waren mit der Schädlingsbekämpfung lediglich im Stellwerk P. beauftragt, R. im Jahr 1998 und H. erst 2007.
Der Senat vermag deshalb der Einschätzung des Sachverständigen Dr. L. zur Exposition nicht zu folgen. Dr. L. hat seiner Einschätzung die Annahme zu Grunde gelegt, dass die Klägerin privat nicht mit Rattenserum in Kontakt gekommen ist und hieraus die Schlussfolgerung gezogen, der Kontakt müsse beruflich erfolgt sein. Für eine derartige Annahme gibt es keinen Anhaltspunkt. Soweit der Sachverständige hier von einer Wahrscheinlichkeit ausgeht, eher beruflich bei der Beschäftigung in einem Stellwerk mit Rattenserum in Kontakt zu geraten, als privat, reicht diese Wahrscheinlichkeit nicht aus. Denn die Exposition ist vollbeweislich zu sichern.
Es ist damit nicht vollbeweislich gesichert, dass die Klägerin den organischen Stäuben von Ratten während der Ausübung ihrer Tätigkeit im Stellwerk G. ausgesetzt war, als im Februar 2001 die Erkrankung ausgebrochen ist.
Nach alledem liegen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 4201 der Anlage 1 zur BKV nicht vor.
Dem Hilfsantrag der Klägerin, den Rechtstreit an das Sozialgericht zurückzuweisen, hat der Senat aus verfahrensökonomischen Gründen nicht stattgegeben. Zur Förderung des Verfahrens hat es der Senat im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens für geboten gehalten, in der Sache selbst zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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SAN
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