L 7 AS 564/09 NZB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AS 1343/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 564/09 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen ein Bescheid, der die Bewilligung von Leistungen an ein Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II aufhebt und die Erstattung fordert, inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X ist, ist nicht klärungsbedürftig mit der Folge, dass eine diesbezügliche Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat.
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.



Gründe:

I.
Mit dem an die Klägerin und Beschwerdeführerin (Bf) und ihren Ehemann gerichteten Bescheid vom 12.08.2008 hob die Beklagte die zuvor ergangenen Bewilligungsbescheide für den Zeitraum 01.11.2006 bis 31.12.2006 teilweise auf und forderte die Erstattung von insgesamt 1.340,00 Euro; in der Begründung des Bescheides erläuterte sie u.a., welche Anteile auf die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entfallen. Auf die Klägerin entfielen 482,88 Euro. Sie fügte Berechnungsblätter an, in denen die Anrechnung der strittigen Kapitalerträge von 1.400,00 Euro eingearbeitet war. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2008 zurück.
Die hiergegen erhobene Klage - der Ehemann erhob eine gesonderte Klage - hat das Sozialgericht Augsburg (SG) mit Urteil vom 28.07.2009 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es u.a. ausgeführt, der Bescheid vom 19.08.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2008 sei inhaltlich bestimmt genug im Sinne des
§ 33 SGB X. Aus ihm sei für die Bf klar zu entnehmen, welche Beträge für welche Zeiträume von ihr zurückverlangt würden. Die hierbei auf sie entfallende Rückforderung der Regelleistung und der Kosten für Unterkunft und Heizung ergäben sich aus den dem Rückforderungsbescheid vom 19.08.2008 beigelegten Berechnungsblättern. Da die Beklagte die zurückzufordernden Leistungen auf die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft genau aufgegliedert habe, habe sie sowohl bei der Rücknahme ihrer ursprünglichen Bewilligungsentscheidung als auch bei ihrer Erstattungsforderung den Individualisierungsgrundsatz eingehalten. Dem Tenor des Leistungsbescheides sei zudem ausdrücklich zu entnehmen, dass die Leistungen in Höhe von 1.340,00 Euro nicht allein von der Bf zurückgefordert würden, sondern insgesamt von den jeweiligen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft. Auch aus den Gründen sei dann unzweideutig ersichtlich, welche Beträge jeweils auf das einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft entfielen.
Gegen die Nichtzulassung der Berufung durch das SG richtet sich die Beschwerde der Bf, die geltend macht, die Rechtsache habe grundsätzliche Bedeutung. Der Bescheid vom 19.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2008 sei rechtswidrig, weil er nicht im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X inhaltlich hinreichend bestimmt sei. Richte sich der Verwaltungsakt an mehrere Adressaten, müsse erkennbar sein, ob er sie als Gesamtschuldner oder nach Bruchteilen in Anspruch nehme, dies gelte auch bei Eheleuten. Zwar habe die Beklagte in dem Bescheid die Anteile der Bf sowie der weiteren Adressaten beziffert, jedoch fehle es an einer Bestimmung, ob sie als Gesamtschuldnerin mit ihren Kindern bzw. ihrem Ehegatten haften solle. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil eine Entscheidung über die Bestimmtheit insoweit für das Gebiet des Sozialrechts von dem Bundessozialgericht bislang nicht getroffen worden sei; es liege lediglich eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vor. Auch sei nicht erkennbar, in welcher Höhe die Bf anteilige Regelleistungen bzw. anteilige Leistungen für Unterkunft und Heizung erstatten solle, was wegen der Vorschrift des § 40 Abs. 2 SGB II, dessen Satz 2 nach Überzeugung der Bf verfassungswidrig sei, von Bedeutung sei. Auch weiche die Entscheidung des SG von der Entscheidung des BayLSG vom 20.07.2009, L 7 AS 344/09 B ER ab, weil das SG bei seiner Kostenentscheidung diesen Beschluss nicht beachtet habe.
Die Beklagte macht geltend, Zulassungsgründe im Sinne des § 144 Abs. 2 SGG lägen nicht vor.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Wegen des Beschwerdegegenstandes von 482,88 Euro bedarf die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung. Die Beschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß
§ 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Dies ist nur der Fall, wenn eine Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Es muss sich um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage handeln. Dies ist hier nicht gegeben. Entgegen der Auffassung der Bf ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsakt, der die Bewilligung von Leistungen aufhebt und ihre Erstattung fordert, im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X inhaltlich hinreichend bestimmt ist, nicht klärungsbedürftig. Vielmehr ist unumstritten, dass klar erkennbar sein muss, an welchen Adressaten sich der Bescheid wendet, und in wie weit die dem jeweiligen Adressaten bewilligte Leistung aufgehoben und von ihm Erstattung gefordert wird. Dies hat auch das SG nicht verkannt. Es hat dargelegt, dass dem Bescheid vom 19.08.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2008 klar zu entnehmen sei, welche Beträge für welche Zeiträume von der Bf zurückverlangt würden. Auch sei dem Bescheid unzweideutig zu entnehmen, welche Beträge jeweils auf das einzelne Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entfielen. Diese Auffassung des SG entspricht dem in § 33 Abs. 1 SGB X geregelten Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit. Somit ist auch nicht offen gelassen, ob die Bf für die gesamte Forderung von 1.340,00 Euro als Gesamtschuldnerin oder nur für den auf sie entfallenden Bruchteil in Anspruch genommen wird.
Zu dieser Auffassung ist das SG durch Auslegung des Bescheides vom 19.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2008 gelangt. Ob diese Auslegung zutreffend ist, ist nicht Gegenstand dieser Beschwerdeentscheidung, da es sich insoweit nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, sondern allenfalls ein Individualinteresse der Bf hieran besteht, was die Zulassung einer Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG nicht rechtfertigt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., Rn. 28 zu § 144).
Im Übrigen ist der Bf nicht darin zu folgen, dass der Bescheid vom 19.08.2008 nicht erkennen lasse, inwiefern die Bewilligung der Regelleistung und inwiefern die Bewilligung der Leistung für Unterkunft und Heizung aufgehoben wurde. Dies ergibt sich klar aus den dem Bescheid beigefügten Berechnungsblättern.
Die aufgeworfene Frage einer Verfassungsmäßigkeit von § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II stellt sich von vornherein nicht, da entsprechend der Regelung des § 19 Satz 2 SGB II nur die Bewilligung der Regelleistung teilweise aufgehoben und ihre Erstattung gefordert wurde.
Auch ein Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt nicht vor. Die Bf meint, eine Abweichung von dem Beschluss des Senats vom 20.07.2009 in der Sache L 7 AS 344/09 B ER deshalb zu erkennen, weil die Beschwerde bezüglich der Anordnung des Sofortvollzuges erfolgreich gewesen sei und das SG dies bei seiner Kostenentscheidung hätte berücksichtigen müssen. Da sich dieser Einwand allein gegen die Kostenentscheidung richtet, ist er auch im Rahmen von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG unerheblich, da nach
§ 144 Abs. 4 SGG die Berufung ausgeschlossen ist, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt. Somit kann eine die Kostenentscheidung betreffende Rüge für sich nicht zu der Zulassung der Berufung, und zwar auch nicht im Kostenpunkt, führen.
Ein Verfahrensmangel wurde i.S. von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht geltend gemacht.
Somit war die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des SG vom 28.07.2009 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) war abzulehnen, da aus den dargelegten Gründen die nach § 73 a SGG i.V.m. § 114 ZPO erforderliche Aussicht auf einen Erfolg der Beschwerde nicht gegeben war.
Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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