L 5 AS 321/09 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AS 1788/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 321/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
einstweiliger Rechtsschutz - Notlage - Anordnungsgrund - Wegfall - Nachholbedarf
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vom Antragsgegner höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Oktober 2009.

Der am ... 1970 geborene Antragsteller hat am 18. Juli 2007 seine juristische Ausbildung mit der zweiten juristischen Staatsprüfung abgeschlossen und ist seither arbeitslos gemeldet. Im Anschluss bezog er – zum Teil ergänzende – Leistungen nach dem SGB II. Vom 19. März bis zum 10. September 2009 übte er eine geringfügige Beschäftigung in einer Anwaltskanzlei aus, bei der er monatliches Entgelt iHv 400,00 EUR verdiente. Seit dem 14. September 2009 ist er als Jurist vollschichtig beschäftigt.

Der Antragsteller bewohnt zusammen mit seinen Eltern ein seit Dezember 2001 bezugsfertiges, insgesamt 157 m² großes Eigenheim auf einem 660 m² großen Grundstück. Den Verkehrswert des Hauses beziffert er mit 179.400,00 EUR. Er ist zu 1/2 Eigentümer dieses Hauses und bewohnt eine separate, 105 m² große Wohnung in diesem Haus. Seine Eltern bewohnen eine knapp 52 m² große Einliegerwohnung. Das Haus wird mittels Nachtspeicheröfen (Nachtstrom) beheizt. Mit Schreiben vom 14. Februar 2008 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, seine tatsächlichen Kosten für die Unterkunft und Heizung (KdU) seien unangemessen hoch, und forderte ihn zur Senkung der Kosten auf. Ab 1. Juli 2008 würden nur noch angemessene Kosten geleistet.

Im Bewilligungsabschnitt von Januar bis Juni 2009 bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 17. Dezember 2008 dem Antragsteller vorläufig Leistungen nach dem SGB II für Januar und Februar 2009 iHv 614,71 EUR/Monat und für die Monate März bis Juni 2009 iHv 782,75 EUR monatlich. Mit Beschluss vom 13. Mai 2009 wies der Senat die Beschwerde des Antragstellers, mit der er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung höherer Leistungen erreichen wollte, zurück (L 5 AS 128/09 B ER).

Mit Schreiben vom 5. Mai 2009 teilte er dem Antragsgegner mit, ihm stehe ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II zu, denn er leide – amtsärztlich festgestellt – an Morbus Crohn. Es sei ein ernährungsbedingter Mehraufwand iHv 27,35 EUR monatlich zu berücksichtigen. Dazu hat er eine oolizeiärztliche Stellungnahme vom 23. August 1996 vorgelegt, nach der die diagnostizierte chronische Darmerkrankung Morbus Crohn die Polizeidiensttauglichkeit des Antragstellers ausschließe. Von seinem Erwerbseinkommen seien monatlich weitere 41,75 EUR an Werbungskosten abzuziehen (Abo NJW 21,58 EUR, Abschreibung PC 9,50 EUR, Geschäftskleidung und Reinigungskosten 10,67 EUR). Für seine Kfz-Haftpflichtversicherung wende er jährlich 142,79 EUR auf. Sein Arbeitsplatz, den er zweimal pro Woche aufsuche, liege 16 km von seinem Wohnort entfernt.

Am 2. Juni 2009 beantragte der Antragsteller die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2009 bewilligte der Antragsgegner vorläufige Leistungen nach dem SGB II für Juli bis Dezember 2009 iHv 549,31 EUR monatlich. Er legte der Berechnung der Höhe der Leistungen den Regelsatz nach § 20 SGB II iHv. 359,00 EUR und monatliche KdU iHv 430,31 EUR zu Grunde. Zudem berücksichtigte er ein monatliches Erwerbseinkommen iHv 400,00 EUR, welches er um 130,00 EUR und 30,00 EUR bereinigte. Die Bewilligung erfolge vorläufig, weil erst nach Vorlage aller Belege über die Hausnebenkosten am Jahresende abschließend entschieden werden könne.

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben vom 23. Juni 2009 Widerspruch ein, über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat.

Am 25. Juni 2009 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Magdeburg (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Begehren, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 1. Juni (gemeint war Juli) bis 31. Dezember 2009 Leistungen iHv 867,15 EUR monatlich zu gewähren. Die Berechnung der KdU sei willkürlich. Schon nach dem Beschluss des Senats vom 13. Mai 2009 (Az.: L 5 AS 128/09 B ER) seien zumindest die Beträge nach § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) nF iHv 308,00 EUR zu berücksichtigen. Auf diese sei ein Zuschlag von 10 % zu machen. Hinzu kämen die Heizkosten. Abgesehen davon sei – gemessen an den Umständen des Einzelfalls – die Größe seiner Wohnung angemessen. Seine Lebensplanung, er beabsichtige die Gründung einer Familie mit zwei Kindern, sei zu berücksichtigen. Ihm sei der Umzug in eine Mietwohnung nicht zumutbar, denn er betreue seine schwerbehinderte Mutter und fungiere insoweit als Ansprechpartner für das Landesversorgungsamt. Schließlich müsse nach der Situation auf dem Wohnungsmarkt überhaupt eine konkrete Unterkunftsalternative in Form einer angemessenen Mietwohnung bestehen. In I. gebe es keine Mietwohnungen mit einer Größe von 50 m² auf dem Markt. Nach einem Mietspiegel für den Landkreis Börde lägen die Mieten bei 4,97 EUR/m² kalt. Dies ergebe einen Betrag von 495,69 EUR für 105 m². Als KdU seien daher insgesamt 755,63 EUR zu gewähren. Er hat folgende "Lastenberechnung" erstellt: Anteilige Schuldzinsen 518,71 EUR Heizkosten 158,58 EUR Betriebskosten: Wasser/Abwasser (76,54 EUR: 2 Wohnungen) 38,27 EUR Abfallgebühren (6,16 EUR: 3 Personen) 1,64 EUR Grundsteuer (20,97 EUR, davon 50% Miteigentum) 10,49 EUR Gebäudeversicherung (24,60 EUR: 2 Wohnungen) 12,30 EUR Betriebskosten insgesamt 62,70 EUR Risikolebensversicherung 15,64 EUR 755,63 EUR Weiterhin seien der Regelsatz iHv 359,00 EUR abzüglich des bereinigten Erwerbseinkommens iHv 240,00 EUR und ein ernährungsbedingter Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II iHv 27,35 EUR monatlich wegen der Erkrankung an Morbus Crohn zu gewähren. Dazu hat er erneut die polizeiärztliche Stellungnahme vom 23. August 1996 vorgelegt. Mithin habe er einen monatlichen Zahlungsanspruch von 901,98 EUR.

Mit Änderungsbescheid vom 29. Juni 2009 hat der Antragsgegner die dem Antragsteller bewilligten vorläufigen Leistungen nach dem SGB II für Juli bis Dezember 2009 auf 551,76 EUR monatlich erhöht.

Nach Vorlage der Abrechnung von E.-A. über den Nachtstromverbrauch im Zeitraum von Juni 2008 bis Juni 2009 und der Erhöhung der Abschlagszahlungen auf 173,00 EUR monatlich ab August 2009 (11 Abschläge jährlich) hat der Antragsgegner nunmehr monatliche Heizkosten iHv 158,58 EUR berücksichtigt und mit Änderungsbescheid vom 6. August 2009 dem Antragsteller ab August 2009 einen monatlichen Gesamtbetrag der Leistungen iHv 584,14 EUR vorläufig bewilligt.

Das SG hat mit Beschluss vom 17. August 2009 den Antrag abgelehnt. Der Antragsteller habe keinen weiteren Leistungsanspruch, denn dieser sei weitestgehend zutreffend bewilligt worden. Zwar bestehe bei den KdU ein weiterer Anspruch in Höhe von 1,44 EUR monatlich. Dieser begründe jedoch keinen Anordnungsgrund, weil ein so geringfügiger Betrag keine Notlage auslöse. Wegen des geltend gemachten Mehrbedarfs für Ernährung sei eine medizinische Klärung im Hauptsacheverfahren erforderlich. Aus den Angaben der Beteiligten ergebe sich, dass die Diagnose Morbus Crohn seit dem Jahr 1996 umstritten sei. Im Übrigen fehle auch insoweit ein Anordnungsgrund, weil die geltend gemachte Mehrbedarfsleistung iHv 27,35 EUR weniger als 10% der monatlichen Regelleistung betrage. Angesichts des Umstandes, dass in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II für Darlehen eine Tilgung durch monatliche Aufrechnung iHv bis zu 10% der Regelleistung (35,90 EUR) vorgesehen sei, bestehe bei Fehlbeträgen bis zu dieser Höhe monatlich grundsätzlich keine akute wirtschaftliche Notlage. Eine solche könne nur bei Hinzutreten besonderer Umstände im Einzelfall anzunehmen sein. Hierfür gebe es keine Anhaltspunkte. Da dem Antragsteller zudem aus seiner Erwerbstätigkeit ein Freibetrag von monatlich 160,00 EUR verbleibe, bestehe angesichts eines Fehlbetrages von maximal 28,94 EUR (1,44 EUR KdU und 27,50 EUR Mehrbedarf) keine existenzbedrohende Notlage.

Gegen den ihm am 21. August 2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 1. September 2009 Beschwerde eingelegt. Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen hat er ausgeführt, das SG habe die Werte nach dem WoGG nicht in der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung, die um 10 % zu erhöhen seien, berücksichtigt. Vorrangig sei jedoch auf den existierenden Mietspiegel abzustellen, weshalb sich der Rückgriff auf das WoGG verbiete. Die vom Antragsgegner gezahlten monatlichen Leistungen reichten nicht aus, um die KdU und seinen Lebensunterhalt zu decken. Die Wohnung sei auch deshalb angemessen, weil auf dem Wohnungsmarkt in I. keine 50 m² großen Wohnungen zu einem von dem Antragsgegner als angemessen angesehenen Mietbetrag angeboten würden.

Mit Schriftsatz vom 23. September 2009 hat der Antragsteller ausgeführt, er habe am ab 14. September 2009 eine Festanstellung als Jurist in einem Ingenieurbüro in M. (W. Straße 10) angetreten. Für diese vollschichtige Beschäftigung sei ein Gehalt iHv 2.500,00 EUR brutto monatlich vereinbart, das am 10. des Folgemonats ausgezahlt werde. Er erwarte daher am 10. Oktober 2009 ein Einkommen für September iHv 897,11 EUR netto, wie sich auch aus der beigefügten Gehaltsbescheinigung ergebe. Zudem habe er seine Nebentätigkeit im Verlauf des Monats September 2009 aufgegeben, so dass er für diesen Monat voraussichtlich nur ein Gehalt iHv 189,94 EUR (4 Tage x 6 Stunden x 7,91 EUR) erhalte. Daher habe er im September 2009 einen zusätzlichen Leistungsanspruch. Dies habe er dem Antragsgegner unter dem 9. September 2009 mitgeteilt, der als Reaktion erklärt habe, er habe vorläufig die Leistungsauszahlung eingestellt bis eine Einkommensbescheinigung vorliege.

Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2009 hat der Antragsgegner mitgeteilt, die Leistungen für September 2009 seien vollständig ausgezahlt worden. Die dem Antragsteller für Oktober 2009 zustehenden Leistungen würden derzeit neu berechnet.

Mit Änderungsbescheid vom 12. Oktober 2009 hat der Antragsgegner dem Antragsteller für den Monat Oktober 2009 Leistungen für KdU iHv 207,03 EUR bewilligt und mit weiterem Bescheid vom selben Tag die Leistungsbewilligung mit Wirkung zum 1. November 2009 wegen Wegfalls der Hilfebedürftigkeit aufgehoben, gegen den der Antragsteller – soweit ersichtlich – keinen Widerspruch eingelegt hat.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 15. Oktober 2009 wurden für Oktober 2009 Leistungen in Höhe von 209,36 EUR bewilligt. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2009 hat der Antragsgegner die Leistungsbewilligung nochmals geändert. Für die Monate August und September 2009 hat er nunmehr monatliche Leistungen iHv 585,58 EUR bewilligt (Nachzahlung von 1,44 EUR KdU entsprechend des sozialgerichtlichen Beschlusses). Für den Monat Oktober 2009 hat er Gesamtleistungen von 222,70 EUR bewilligt. Ausgehend von einem Gesamtbedarf iHv 825,58 EUR (Regelleistung 359,00 EUR und KdU 466,58 EUR) hat er ein Einkommen iHv 602,88 EUR (Nettoerwerbseinkommen 897,11 EUR abzüglich Freibetrag 252,33 EUR und Einkommensbereinigung 41,90 EUR) berücksichtigt.

Der Antragsteller hat daraufhin mitgeteilt, er habe aus seiner Nebentätigkeit im September 2009 nur 83,33 EUR erhalten. Auf Aufforderung des Senats, dies durch Vorlage der Abrechnung und des entsprechenden Kontoauszuges glaubhaft zu machen, hat er erklärt, er habe beide im Original an den Antragsgegner gesandt. Dieser hat mitgeteilt, die Unterlagen lägen bei ihm nicht vor.

Zu den Änderungsbescheiden aus dem Oktober 2009 hat der Antragsteller ausgeführt, die Bewilligung für September 2009 sei zu niedrig, weil fehlerhaft ein Nebeneinkommen iHv 400,00 EUR berücksichtigt worden sei. Auch die Bewilligung für Oktober 2009 sei zu gering. Die Fahrtkosten seien fehlerhaft berücksichtigt. Der Oktober habe 22 Arbeitstage. Die Entfernung zu seinem Arbeitsort betrage 15 km. Zudem sei die gefahrene Wegstrecke und nicht nur Entfernungskilometer zu berücksichtigen. Ferner seien Kanzleikosten iHv 121,57 EUR sowie Telefongebühren iHv 38,95 EUR vom Einkommen abzusetzen. Denn die Zulassung als Rechtsanwalt sei Bedingung für seine Einstellung bei seinem Arbeitgeber gewesen. Berechne er seinen Leistungsanspruch nach den Vorgaben des Antragsgegners, gelange er zu einem anrechenbaren Einkommen iHv 474,41 EUR, welches zu einem Leistungsanspruch iHv 349,73 EUR führe. Unter Berücksichtigung der Kanzleikosten betrage sein Leistungsanspruch 471,30 EUR. Hinzu komme noch ein Betrag iHv 1,44 EUR für KdU wie sich aus dem Beschluss des SG ergebe. Nach den Vorgaben des BSG habe er einen Anspruch auf 667,57 EUR (ohne Kanzleikosten).

Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2009 hat sich der Antragsteller im Verfahren als Rechtsanwalt in eigener Sache legitimiert. Zur Leistungseinstellung ab 1. November 2009 hat er sich nicht geäußert.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. August 2009 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli bis 30. August 2009 iHv 901,98 EUR/Monat, für September 2009 iHv 1.141,98 EUR und für Oktober 2009 iHv 667,57 EUR abzüglich bereits gewährter Leistungen zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf die nach seiner Auffassung zutreffenden Ausführungen des SG.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Verwaltungsvorgang des Antragsgegners, auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie diejenige des Verfahrens S 4 AS 2988/09 ER ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

Die Beschwerde ist statthaft gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Das SG hat zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Bewilligung höherer Leistungen ab Juli 2009 abgelehnt.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Die einstweilige Anordnung ist auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Sie setzt nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG einen Anordnungsanspruch, also einen materiellen Anspruch, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend zu machen hätte, und einen Anordnungsgrund voraus, d.h. es muss eine besondere Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegen. Sowohl der Anordnungsgrund als auch der Anordnungsanspruch sind nach § 920 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen, d.h. die tatbestandlichen Voraussetzungen müssen überwiegend wahrscheinlich sein.

Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, Az.: 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236, und vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass ein Anordnungsgrund fehlt, wenn die vermutliche Zeitdauer des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und -durchsetzung darstellt, wenn also dem Antragsteller auch mit einer späteren Realisierung seines Rechts geholfen ist. Zwar sollen grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II das Existenzminimum der Antragsteller sichern. Wird durch die seitens des Leistungsträgers erbrachte Leistung der Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Hilfebedürftigen zeitweise nicht sichergestellt. Allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrunds. Erforderlich ist eine aktuelle existentielle Notlage, die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch vorliegen muss. Sofern im Zeitraum zwischen Antragstellung beim SG und gerichtlicher Entscheidung Veränderungen eintreten und deshalb die Hilfebedürftigkeit ab einem bestimmten Zeitpunkt ganz oder zeitweise entfallen ist, etwa weil der Hilfebedürftige eine Arbeit aufgenommen hat oder ihm Vermögen zugeflossen ist oder Leistungen bewilligt worden sind, ist der Hilfebedürftige auch für davor liegenden Zeiträume auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen, sofern kein konkreter Nachholbedarf glaubhaft gemacht worden ist (vgl. dazu: Beschlüsse des 2. Senats vom 9. Juli 2009, Az.: L 2 AS 194/09 B ER und 12. November 2009, Az.: L 2 AS 307/09 B ER). Eine insoweit rückwirkende Verpflichtung des Leistungsträgers zur vorläufigen Leistungsgewährung ist daher grundsätzlich vom Fortbestehen der Notlage oder von einem aktuell noch bestehenden Nachholbedarf abhängig. Eine zum Zeitpunkt der Entscheidung fehlende (fort-)bestehende Notlage bedarf keiner vorläufigen Leistungsgewährung im Rahmen einer einstweiligen Anordnung. Dem Antragsteller ist es in diesen Fällen zuzumuten, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten.

Die im vorliegenden Fall eine Eilentscheidung rechtfertigende, noch fortwirkende aktuelle und erhebliche Notlage ist weder ersichtlich noch hat der Antragsteller sie glaubhaft gemacht.

Hier ist durch die Höhe der im Bewilligungszeitraum gewährten und ausgezahlten monatlichen Leistungen iHv 551,76 EUR für Juli 2009, 585,58 EUR für August und September 2009 sowie 222,70 EUR für Oktober 2009 das unerlässliche, auch verfassungsrechtlich verbürgte Existenzminimum des Antragstellers gewährleistet, weshalb die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten ist. Lediglich in einem Monat des Bewilligungszeitraums wurden zu geringe Leistungen bewilligt. Im Monat September 2009 bestand eine Deckungslücke iHv 168,13 EUR. Diese löst jedoch beim Antragsteller keine akute wirtschaftliche Notsituation (mehr) aus, die mittels Erlass einer einstweiligen Anordnung (vorläufig) behoben werden müsste. Denn die wirtschaftliche Situation des Antragstellers hat sich seit Aufnahme seiner vollschichtigen Erwerbstätigkeit im September 2009 nachhaltig verändert. Jedenfalls seit November 2009 – und damit bereits vor der Entscheidung des Senats – steht ihm ein monatliches Nettoeinkommen von rund 1.580,00 EUR zur Verfügung, das es ihm nicht nur ermöglicht, seinen Lebensunterhalt vollständig selbst zu decken, sondern darüber hinaus einen nicht unerheblichen Freiraum für weitere Ausgaben bietet. Seit dem 1. November 2009 ist die Hilfebedürftigkeit ganz entfallen. Daher ist der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats auch für den davor liegenden Zeitraum des Monats September 2009 auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen, denn ein konkreter Nachholbedarf ist nicht glaubhaft gemacht worden.

Im Übrigen hat der Antragsteller keinen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Gewährung höherer als der ihm bereits bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts glaubhaft gemacht.

Leistungen nach § 19 SGB II erhalten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II).

Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Er ist erwerbsfähig und auch hilfebedürftig. An der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers bestehen keine Zweifel. Die Hilfebedürftigkeit scheitert insbesondere nicht an dem Vorhandensein eines einzusetzenden Vermögens nach § 12 SGB II. Wie der Senat bereits in seinen Beschlüssen vom 2. Dezember 2008 (Az. L 5 B 335/08 AS ER, L 5 B 273/08 AS ER) und 13. Mai 2009 (Az.: L 5 AS 128/09 B ER) ausgeführt hat, unterfällt die vom Antragsteller genutzte Wohnung im Haus, das zur Hälfte in seinem Eigentum steht, nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II zwar nicht dem Schonvermögen. Sie ist aber derzeit kein zum Bestreiten des Lebensunterhaltes bereites Mittel, welches die Bedürftigkeit entfallen lässt.

Der Senat bleibt bei seiner Bewertung, dass die vom Antragsteller genutzte, ca. 105 m² große Wohnung – auch nach Abzug von 20,76 qm für die Kanzleiräume – unangemessen groß ist. Es besteht weiterhin keine atypische Bedarfslage, die ein Abweichen nach oben rechtfertigen könnte (BSG, Urteil vom 15. April 2009, AZ.: B 14/7b 34/06 R, juris). Zwar hat der Antragsteller erklärt, er beabsichtige die Gründung einer Familie mit zwei Kindern. Aus dieser Zukunftsvorstellung, zu deren Grad der Realisierung er keine Angaben gemacht hat, ergibt sich jedoch keine aktuelle abweichende Bedarfslage. Auch die Behinderung der Mutter, die zudem in einer anderen Wohnung lebt, rechtfertigt keinen erhöhten Wohnflächenbedarf des Antragstellers.

Die Verwertbarkeit des Vermögens in Form des Miteigentumsanteils am Hausgrundstück ist im Hauptsacheverfahren zu prüfen. Jedenfalls steht dieses Vermögen aktuell zur Deckung des Lebensunterhalts nicht zur Verfügung. Da der Antragsgegner die bewilligten Leistungen zwar nicht aber als Darlehen, aber vorläufig gewährt hat, kann der Senat offenlassen, ob das Vermögen verwertbar war und ob die Leistungen als Zuschuss oder als Darlehen gemäß § 23 Abs. 5 SGB II zu leisten wären.

Die Höhe des vom Antragsteller geltend gemachten Anspruchs bestimmt sich für die Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Danach beträgt die monatliche Regelleistung für den hier streitgegenständlichen Zeitraum für allein stehende Personen 359,00 EUR.

Hinzuzurechnen sind die Kosten der Unterkunft und Heizung. Leistungen hierfür werden in Höhe der tatsächlichen, angemessenen Aufwendungen erbracht. Angemessen ist im vorliegenden Falle eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 50 m². Die Größe des vom Antragsteller bewohnten Wohnraums ist unangemessen. Auch insoweit sind die Zukunftsvorstellungen des Antragstellers nicht zu berücksichtigen. Die Angemessenheit der Unterkunftskosten ist für Mieter und Eigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beurteilen (BSG, Urteil vom 19. September 2008, Az.: B 14 AS 54/07 R, NDV-RD 2009, 27). Dies gilt sowohl für die Wohnflächengrenzen als auch für die Beurteilung der Nebenkosten, insbesondere der Heizkosten (BSG, a.a.O.).

Zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten, die zunächst dem Leistungsträger obliegt, kann auf Richtlinien des Landkreises Börde (früherer Landkreis Ohrekreis) nicht zurückgegriffen werden, denn es ist nicht glaubhaft gemacht, dass hierfür die konkreten örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt ermittelt und berücksichtigt wurden und den Regelungen der §§ 34 ff. WoGG entsprechen. Denn es gibt nach den Erkenntnissen des Senats keinen qualifizierten Mietspiegel für das Gebiet des Antragsgegners oder die Gemeinde I ... Auch das Angebot von Internetwohnungsvermittlern erfüllt diese Anforderungen nicht, da es keine Rückschlüsse auf das allgemeine Marktangebot zulässt. Insbesondere bietet es keine verlässlichen Werte zum allgemeinen aktuellen Mietpreisniveau. Insoweit sieht der Senat von einer weiteren Darstellung ab und verweist auf seine Ausführungen im Beschluss vom 13. Mai 2009, Az. L 5 AS 128/09 B ER.

Da es dem Senat im Rahmen des Eilverfahrens nicht möglich und es mangels Eilbedürftigkeit auch nicht erforderlich ist, eigene Ermittlungen auf dem Wohnungsmarkt der Gemeinde I. oder des Landkreises Börde zu tätigen, ist ausnahmsweise weiterhin auf die Werte nach dem WoGG – in der aktuell gültigen Fassung – zurückzugreifen, um den angemessenen Preis einer Mietwohnung zu bestimmen. Gemäß § 12 Abs. 1 WoGG in der seit dem 1. Januar 2009 gültigen, hier maßgeblichen Fassung beträgt der monatliche Höchstbetrag für Einpersonenhaushalte in Gemeinden der Mietenstufe II, die für die Gemeinde I. gilt (vgl. Liste der Mietstufen der Gemeinden ab 1. Januar 2002 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, S. 39), 308,00 EUR. Zwar sind die Tabellenwerte kein von vornherein geeigneter Maßstab für die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft, weil für das Wohngeld rechtlich ohne Bedeutung ist, inwieweit die Wohnung als solche im Sinne eines notwendigen Bedarfs angemessen ist. Dieser Wert stellt aber mangels anderer Erkenntnismöglichkeiten und -mittel den einzig normativen Ansatzpunkt dar, an den die Angemessenheitsprüfung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angelehnt werden kann. Da die Werte mit der Novelle des WoGG zum 1. Januar 2009 angepasst und um 10 % erhöht wurden, bedarf es jedenfalls im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens aktuell keines weiteren Zuschlags, um eventuelle Unbilligkeiten aufgrund der pauschalierenden aus dem Jahr 2001 stammenden Regelung auszugleichen, wie dies für § 8 WGG a.F. angenommen wurde. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die aktuellen Höchstwerte die Realität am Wohnort des Antragstellers nicht abbilden oder die eingetretene Mietenentwicklung nicht ausgleichen würden.

Bereits seit Juli 2008 konnte der Antragsgegner die Erstattung der KdU auf die angemessene Höhe beschränken. Die sechsmonatige Frist nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist im vorliegenden Fall seit dem schriftlichen Hinweis vom 14. Februar 2008 auf die Unangemessenheit der Höhe der Unterkunftskosten abgelaufen (vgl. Beschluss des Senats vom 2. Dezember 2008, Az. L 5 B 335/08 AS ER). Der Senat sieht weiterhin keine Anhaltspunkte dafür, dass es dem allein stehenden Antragsteller nicht möglich und zumutbar war, z.B. eine kleinere, angemessene Wohnung anzumieten und seine Wohnung zu vermieten. Sollten dafür Investitionen anfallen, wären die über den Mietzins refinanzierbar. Auch eine Untervermietung erscheint denkbar. Der Antragsteller hätte folglich wenigstens versuchen müssen, geeignete Maßnahmen zur Kostensenkung zu ergreifen. Soweit der Antragsteller vorträgt, er könne nicht ausziehen, weil er seine schwerbehinderte Mutter betreue und behördlich vertrete, überzeugt dies den Senat nicht. Weder hat der Antragsteller Art der Behinderung und des von ihm abgedeckten Pflegebedarfs dargelegt noch unter Vorlage geeigneter Belege glaubhaft gemacht. Der Umstand, dass der Antragsteller seine Mutter im Schriftverkehr mit dem Landesverwaltungsamt (bei dem es um die Verlängerung eines Schwerbehindertenausweises geht) vertritt, begründet jedenfalls keine Unzumutbarkeit einer Kostensenkung durch Umzug oder Untervermietung.

Den hiernach zu berücksichtigenden Mietkosten nach § 12 Abs. 1 WoGG iHv 308,00 EUR monatlich, die bereits die Betriebskosten beinhalten, sind die Heizkosten hinzuzurechnen. Die Antragsgegnerin hat insoweit im angegriffenen Bescheid die vom Antragsteller geltend gemachten monatlichen Heizkosten iHv 123,75 EUR, bzw. die ab August 2009 erhöhten anteiligen Vorauszahlungen iHv 158,58 EUR, in voller Höhe anerkannt und seiner KdU-Berechnung zu Grunde gelegt (vgl. Bescheid vom 22. Oktober 2009: 466,58 EUR KdU). Auch für Juli 2009 wurden mit 432,76 EUR Leistungen für KdU in zutreffender Höhe bewilligt (Bescheid vom 29. Juni 2009). Im Rahmen der endgültigen Leistungsfestsetzung wird zu klären sein, ab wann der Antragsteller eine Rechtsanwaltskanzlei in seiner Wohnung betreibt. Ab diesem Zeitpunkt wird von den Heizkosten ein auf die Büroräume entfallender Betrag abzusetzen sein.

Wie der Senat bereits im Beschluss vom 2. Dezember 2008 (Az.: L 5 B 335/08 AS ER) ausgeführt hat, können die vom Antragsteller angegebenen Heizkosten im Eilverfahren nicht auf ihre Angemessenheit hin überprüft werden. Im Rahmen der in solch einem Fall vorzunehmenden Folgenabwägung geht der Senat von deren Angemessenheit aus.

Mithin ergibt sich ein Gesamtbedarf (KdU und Regelleistung) iHv 790,75 EUR im Juli 2009, bzw. von 825,58 EUR monatlich ab August 2009.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II glaubhaft gemacht. Danach erhalten Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Voraussetzung für die Gewährung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung. Dieser ursächliche Zusammenhang muss nachgewiesen sein. Dies bedeutet für die Geltendmachung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, dass die Leistungsvoraussetzungen glaubhaft zu machen sind – üblicherweise durch die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, die eine bestimmte Diagnose bestätigt und die daraus resultierenden Folgen für die Ernährung aufzeigt. Der Antragsteller hat nicht einmal vorgetragen, einen wie auch immer zu konkretisierenden Mehraufwand für Ernährung zu haben. Die vorgelegte Polizeiärztliche Stellungnahme aus dem Jahr 1996, die der Antragsteller selbst für fehlerhaft hält, bestätigt zwar die Diagnose Morbus Crohn, Angaben zur notwendigen Ernährung enthält sie jedoch nicht. Zudem ist die Bestätigung der Diagnose zu alt, um daraus Folgerungen für den derzeit erforderlichen Ernährungsmehraufwand des Antragstellers ableiten zu können.

Morbus Crohn ist eine chronisch entzündliche, meist in Schüben verlaufende Erkrankung, die alle Abschnitte des Verdauungstrakts erfassen kann (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage S. 491). Es gibt individuell sehr unterschiedlich intensive Verläufe. Dem entsprechend wird die Erkrankung in den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe vom 1. Oktober 2008 (3. Auflage 2008) nur im Einzelfall bei schweren Verläufen als einen erhöhten Ernährungsbedarf verursachend angesehen. Wenn der BMI unter 18,5 liegt und das Untergewicht Folge der Erkrankung ist und/oder ein schneller krankheitsbedingter Gewichtsverlust von über 5 % des Ausgangsgewichts in den vorausgegangenen drei Monaten zu verzeichnen ist, kann danach von einem erhöhten Ernährungsbedarf ausgegangen werden.

Beide denkbaren schweren Folgen der Erkrankung hat der Antragsteller nicht vorgetragen; im Gegenteil er hat die Richtigkeit dieser Diagnose nach seinen bisherigen Bekundungen immer bestritten. Er selbst hat weder Angaben zu seinem aktuellen Ernährungsverhalten noch zu seiner körperlichen Verfassung gemacht; es sind auch sonst nach Lage der Akten keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass aktuell ein schwerer Verlauf der im Jahr 1996 diagnostizierten Erkrankung besteht. Ein Anspruch nach § 21 Abs. 5 SGB II ist daher nicht glaubhaft gemacht.

Vom Bedarf des Antragstellers ist nach § 11 SGB II das von ihm erzielte Einkommen in Abzug zu bringen. Das aus der geringfügigen Beschäftigung in den Monaten Juli bis einschließlich September 2009 erzielte Einkommen ist im Monat des jeweiligen Zuflusses zu berücksichtigen und mindert seinen Leistungsanspruch. Nach den vom Antragsteller vorgelegten Einkommensbescheinigungen ist das Bruttoarbeitsentgelt iHv 400,00 EUR jeweils am 30. des laufenden Monats fällig gewesen.

Es sind keine Abzüge nach § 11 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGB II zu machen, weil der Antragsteller keine solchen Aufwendungen hatte. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II ist ein Betrag von 100,00 EUR monatlich abzusetzen. Da das Einkommen nicht mehr als 400,00 EUR beträgt, greift § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht. Es ist ferner ein Freibetrag nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II iHv 60,00 EUR abzusetzen. Es verbleibt ein zu berücksichtigendes Einkommen iHv 240,00 EUR in den Monaten Juli und August 2009, welches zu einem Leistungsanspruch iHv 550,75 EUR für Juli 2009 und iHv 585,58 EUR für August 2009 führt. Damit liegt kein Fehlbetrag gegenüber den bewilligten Leistungen vor.

Im September 2009 war das Einkommen des Antragstellers aus der geringfügigen Beschäftigung geringer als in den Vormonaten, weil er die Tätigkeit zum 10. September 2009 wegen der Aufnahme der vollschichtigen Beschäftigung zum 14. des Monats aufgegeben hatte. Unklar ist jedoch die Höhe des in dem Monat erzielten Einkommens. Während der Antragsteller unter dem 23. September 2009 angegeben hatte, sein Entgelt werde 189,84 EUR betragen, was nach den bisherigen Bezügen schlüssig ist, hat er unter dem 19. Oktober 2009 erklärt, es seien nur 83,33 EUR für September 2009 ausgezahlt worden. Trotz Anforderung hat der Antragsteller weder die entsprechende Gehaltsabrechnung noch den entsprechenden Kontoauszug vorgelegt, so dass der Senat nicht in der Lage ist, seine Angaben zu überprüfen. Die Erklärung, er habe beide Belege im Original bei dem Antragsgegner vorgelegt, überzeugt nicht. Die Belege sind im inzwischen vollständig vorliegenden Verwaltungsvorgang nicht enthalten. Im Übrigen entspricht es nicht der Vorgehensweise des Antragstellers, Originaldokumente aus der Hand zu geben. Der Senat geht – da eine abweichende Einkommenshöhe nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden ist – von einem Einkommen in der ursprünglich mitgeteilten Höhe aus.

Vom Betrag iHv 189,84 EUR sind wieder 100,00 EUR sowie der Freibetrag nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II iHv 17,97 EUR abzusetzen, so dass ein Betrag iHv 71,87 EUR anzurechnen ist, der zu einem Leistungsanspruch iHv 753,71 EUR führt. Unter Berücksichtigung der bewilligten Leistungen iHv 585,58 EUR verbleibt ein Restanspruch iHv 168,13 EUR.

Im Oktober 2009 wurde dem Antragsteller erstmalig das Gehalt (für September 2009 anteilig) aus seiner neuen Beschäftigung iHv 1.416,67 EUR brutto ausgezahlt. Von diesem Einkommen sind nach § 11 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGB II zunächst die auf das Bruttoerwerbseinkommen zu entrichtenden Steuern und Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung (= 519,56 EUR insgesamt) in Abzug zu bringen. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II ist weiterhin ein Betrag von 100,00 EUR monatlich abzusetzen. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II gilt zwar Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn das Einkommen mehr als 400,00 EUR beträgt und der erwerbsfähige Hilfebedürftigen nachweist, dass die Summe der Beträge nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II den Betrag von 100,00 EUR übersteigt. Hier beträgt zwar das Einkommen mehr als 400,00 EUR, einen höheren Betrag als 100,00 EUR für die Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen, geförderten Altersvorsorgebeiträgen oder für die mit der Erzielung des Einkommens notwendigen Ausgaben hat der Antragsteller jedoch nicht glaubhaft gemacht.

Beiträge nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 SGB II hat der Antragsteller nicht geltend gemacht. An mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben iSv § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II wären lediglich folgende Posten zu berücksichtigen: - Werbungskostenpauschale 15,33 EUR - Fahrtkosten (im September 2009: 13 Tage x 12 km x 0,20 EUR = 31,20 EUR

Fahrtkosten sind nur im oben angegebenen Umfang zu berücksichtigen. Der Antragsteller hat hier im maßgeblichen Monat September 2009 (zur Erzielung des im Oktober 2009 ausgezahlten Gehalts) an 13 Tagen gearbeitet. Nach Google Maps beträgt die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnhaus und Arbeitsort in der W. Str. 10 in M. 12,2 km. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind für die Ermittlung der Fahrtkosten die Entfernungskilometer zu berücksichtigen, nicht die tatsächlich gefahrene Fahrtstrecke für Hin- und Rückfahrt (vgl. § 6 Abs. 2b der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld vom 17. Dezember 2007, BGBl. I Nr. 65, S. 2942).

Auch die weiteren im Schriftsatz vom 19. Oktober 2009 geltend gemachten Beträge sind nicht berücksichtigungsfähig. Der Bezug einer juristischen Fachzeitschrift (NJW) mag steuerrechtlich als Werbungskosten berücksichtigungsfähig sein, er ist jedoch für die konkrete Erwerbstätigkeit nicht notwendig. Zudem ist die Lektüre der NJW beispielsweise in Gerichtsbibliotheken kostenfrei möglich. Entsprechendes gilt für die Abschreibung für PC und Zubehör. Es handelt sich um einen privaten Computer, der für die Aufnahme der abhängigen Beschäftigung nicht erforderlich ist. Des Weiteren können Bekleidungskosten nicht anerkannt werden. Dasselbe gilt für die geltend gemachte monatliche Grundgebühr für einen Telefonanschluss, die nicht im Zusammenhang mit der versicherungspflichtigen beruflichen Tätigkeit steht.

Unerheblich ist, ob der Erwerb einer Zulassung als Rechtsanwalt oder die Niederlassung mit eigener Rechtsanwaltskanzlei in seinen Wohnräumen Bedingung für die Einstellung im Ingenieurbüro gewesen ist. Kosten, die aus einer selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt resultieren, können nicht vom Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit abgesetzt werden. Im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II ist ein Verlustausgleich aus verschiedenen Einkommensarten nicht möglich.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers erfolgt ein Abzug eines Pauschbetrags iHv 30,00 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V nicht. Dieser ist bereits im Freibetrag nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II enthalten. Es ist ein Freibetrag nach § 30 SGB II in Höhe von 180,00 EUR abzusetzen. Das dem der Berechnung dieses Freibetrags zu Grunde liegende Bruttoeinkommen des Antragstellers im Oktober 2009 betrug 1.416,67 EUR; der Freibetrag nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II mithin 140,00 EUR und der nach § 30 Satz 2 Nr. 2 SGB II 40,00 EUR. Es verbleibt ein zu berücksichtigendes Einkommen iHv 617,11 EUR. Bezogen auf einen Bedarf iHv 825,58 EUR ergibt sich ein Leistungsanspruch für Oktober iHv 208,47 EUR. Bewilligt wurden für Oktober 2009 222,70 EUR (Bescheid vom 22. Oktober 2009), so dass 14,23 EUR zu viel gezahlt wurden.

Ab November 2009 besteht kein Leistungsanspruch mehr, denn der Antragsteller ist in der Lage, aus seinem Erwerbseinkommen (ca. 1.580,00 EUR netto) seinen Lebensunterhalt vollständig selbst zu decken.

Ingesamt ergibt sich für den Bewilligungszeitraum folgende Berechnung:

Juli August September Oktober November

KdU 432,76 466,58 466,58 466,58

RL 359,00 359,00 359,00 359,00

Bedarf 791,76 825,58 825,58 825,58 825,58 Einkommen - 240,00 - 240,00 - 71,87 - 617,11 1.580,00

Anspruch 551,76 585,58 753,71 208,47 0

Bewilligung mit Bescheid vom 551,76 (29.06.09) 585,58 (22.10.09) 585,58 (22.10.09) 222,70 (22.10.09)

Restanspruch - - 168,13 -

Überzahlung

+ 14,23

Da sich – wie bereits oben ausgeführt – die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers seit spätestens November 2009 (mit Auszahlung des ersten vollen Monatsgehalts iHv 2.500,00 EUR brutto aus seiner Erwerbstätigkeit) nachhaltig verändert haben, bedarf es keines Erlasses einer einstweiligen Anordnung im Hinblick auf das im September 2009 bestehende Defizit. Insoweit besteht kein Anordnungsgrund.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG iVm § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Da letztlich der Rechtsstreit teilweise seine Erledigung durch die nachhaltige Verbesserung der Einkommensverhältnisse des Antragstellers gefunden hat, war unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes eine Kostenentscheidung zu treffen. Der Antragsteller hätte hinsichtlich der Leistungen für September 2009 teilweise obsiegt. Dieses ist im Vergleich zu seinem ursprünglichen Begehren (höhere Leistungen für die Monate Juli bis Dezember 2009) jedoch nur geringfügig, so es dass in analoger Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unberücksichtigt bleiben konnte.

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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