L 7 SB 20/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 5 SB 41/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 SB 20/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wesentliche Änderung bei angeborenem Herzfehler
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 7. März 2007 wird aufgehoben. Der Bescheid des Beklagten vom 13. Juli 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2006 wird abgeändert und für den Kläger ab dem 1. August 2005 ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen. Der Beklagte hat ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen. Im Übrigen haben sich die Beteiligten keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob der Beklagte beim Kläger zu Recht die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 auf 30 herabgesetzt und das Merkzeichen "G" (Erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr) entzogen hat.

Auf Antrag des am ... 1998 geborenen Klägers stellte der Beklagte mit Bescheid vom 22. April 1999 einen GdB von 50 sowie das Merkzeichen "G" fest und begründete dies mit einer angeborenen komplexen Verbildung des Herzens sowie der Gefäße des Klägers. Dem Bescheid waren medizinische Ermittlungen vorausgegangen. In einem Arztbrief der Universität L. (Herzzentrum) vom 8. Februar 1999 wurde über eine Herzoperation berichtet. Die Eltern des Klägers hatten diesem Bericht zufolge ein starkes Schwitzen des Kindes beim Trinken und eine deutliche Zyanose (Blauverfärbung durch Abnahme des Sauerstoffgehaltes im Blut) angegeben. Bei der klinischen Untersuchung habe der Kläger chronisch krank und leicht zyanotisch gewirkt. Die transkutane Sauerstoffsättigung habe bei 66 % gelegen. Nach der Operation habe er sich rasch stabilisiert und der transkutane Sauerstoffsättigungswert bei 80 % gelegen.

Im April 2001 nahm der Beklagte zur Überprüfung des GdB weitere medizinische Ermittlungen vor. Die Fachärztin für Kinderheilkunde Dr. W. legte auf Anforderung des Beklagten u.a. einen Arztbrief der Universitätsklinik L. (Herzzentrum) vom 28. September 2000 vor. Hiernach seien seit dem letzten stationären Aufenthalt im April 2000 keine Probleme aufgetreten. Atemnot sei nicht zu beobachten gewesen. Nach den Angaben der Eltern entstehe bereits bei leichter Belastung eine Lippenzyanose. Im Alltag wirke der Kläger leicht eingeschränkt belastbar. Es bestünden folgende Diagnosen:

Dextrokardie (Verlagerung des Herzens nach rechts), rechtsverlaufende Aorta, atrioventrikulärer Septumdefekt (Herzvorhofdefekt); Fehllage großer Gefäße mit Pulmonalklappenfehlbildung Zustand nach Anlage eines zentralen aortopulmonalen Shunts (2. Juni 1998) Zustand nach Anlage einer Glenn-Anastomose (25. November 1998) Rechtsarterielle Isomerie (Zusammenwachsung) mit Asplenie (Fehlen der Milz)

In einem weiteren Arztbrief des Universitätsklinikum L. vom 21. November 2000 findet sich erstmals die Verdachtsdiagnose eines Ivemark-Syndroms (kombiniertes Fehlbildungssyndrom mit fehlender Milzanlage sowie Lageanomalien der Eingeweide bei einer Sterblichkeitsquote von 80 % der Kinder im ersten Lebensjahr). Die Sauerstoffsättigung in Ruhe habe 83 % betragen.

Der Versorgungsarzt und Internist Dr. K. schätze den GdB aufgrund dieses Berichtes mit 30 ein, da der schwere Herzfehler des Klägers nur zu einer leicht eingeschränkten Belastbarkeit führe. Auch wenn eine weitere Operation vorgesehen sei, könne keine Erhöhung des GdB auf einen Wert über 30 erwartet werden. Mit Schreiben vom 1. Juni 2001 hörte der Beklagte die gesetzlichen Vertreter des Klägers zu der beabsichtigten Herabsetzung des GdB von 50 auf 30 sowie zur Entziehung des Merkzeichens "G" an.

Dagegen machte der Kläger geltend: Bei ihm bestehe eine Fehlbildung der großen Gefäße, eine Nichtausbildung der Milz sowie ein regelwidriger Verlauf der oberen und unteren Hohlvene sowie der Lebervenen. Überdies seien mehrere innerer Organe anatomisch falsch angeordnet. Außerdem sei die Sauerstoffsättigung auf durchschnittlich 80 % bis 83 % reduziert, was zu einer spürbaren körperlichen Beeinträchtigung führe. So könne er z.B. Treppen in den ersten Stock kaum bewältigen und müsse häufig getragen werden. Dieser Hilfebedarf erhöhe sich, wenn leichtere Erkrankungen hinzutreten. Übliche Wegstrecken zur Kinderärztin oder zum Kindergarten könne er nicht in angemessener Zeit bewältigen. Auch komme es bei ihm zu einer deutlichen Blaufärbung der Lippen und einem sehr raschen Atmen. Beim Spielen mit anderen Kindern liege er erschöpft am Boden und zeige deutliche zyanotische Veränderungen im ganzen Gesicht. Aufgrund seines geringen Appetits könne er noch nicht selbstständig essen.

Der Beklagte holte daraufhin einen weiteren Befundbericht der Fachärztin für Kinderheilkunde Dr. W. vom 14. Juli 2001 ein. Diese gab an: Beim Kläger bestehe eine Lippenzyanose bereits im Ruhezustand, die bei längerer Belastung noch zunehme. Seit der Eingliederung in einen Kindergarten ab Mai 2001 sei es verstärkt zu fieberhaften Infekten der oberen Luftwege gekommen. Wegen dieser Krankheitsanfälligkeit habe er den Kindergarten insgesamt nur wenige Tage besuchen können.

Der Versorgungsarzt Dr. med. habil. Dropny vertrat nach Auswertung dieser Unterlagen unter dem 10. August 2001 die Auffassung, ein Gesamt-GdB von 50 sei bis zum 6. Lebensjahr des Klägers noch zu rechtfertigen. Es bestünden noch eine erhöhte Infektneigung, eine Lippenzyanose sowie eine Belastungsinsuffizienz. Auch seien zu seinen Gunsten die geplanten weiteren Korrekturoperationen und der damit verbundene vermehrte Betreuungsaufwand zu berücksichtigen. Dieser Einschätzung schloss sich der Beklagte an und beließ es bei seinen bisherigen Feststellungen.

Im Mai 2004 führte der Beklagte nochmals medizinische Nachermittlungen zur Überprüfung des GdB durch. Die Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Dipl.-Med. P. teilte mit, der Kläger befinde sich in einer Reha-Maßnahme in Boltenhagen. Dem Befundbericht war ein Arztbrief der Universitätsklinik und Poliklinik L. über eine ambulante Untersuchung vom 28. Oktober 2000 beigefügt. Hiernach habe die Sauerstoffsättigung 83 % betragen. Der Kläger sei in gutem Allgemein- und Ernährungszustand, weise jedoch eine Lippenzyanose in Ruhe auf. Nach einem beigefügten Arztbrief der Sanitas-Fachkliniken Boltenhagen vom 21. August 2003 berichtete Privatdozent Dr. P. über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 15. Juli bis 11. August 2003. Dieser gab an: Nach einer TCPC (Fontan-Komplettierung (Shunt-Anlage) im Januar 2003) sei beim Kläger eine Lungenembolie aufgetreten. Während der Behandlung habe er eine fiebrige Angina durchgemacht, sich jedoch insgesamt in einem guten Allgemeinzustand befunden. Zeichen kardialer Insuffizienz bestünden nicht. Eine Zyanose sei nicht feststellbar. Die Sauerstoffsättigung habe 96 % betragen. Prof. Dr. S. (Universität L., Herzzentrum) berichtete unter dem 29. April 2004 über einen stationären Aufenthalt des Klägers im April 2004 wegen einer HNO-Operation (Mandeloperation). Die Nahrungsaufnahme habe sich problemlos gestaltet. Es sei eine Umstellung auf Falithrom erfolgt. Die Belastbarkeit des Klägers im Alltag sei als normal einzuschätzen.

Der Versorgungsarzt des Beklagten Obermedizinalrat Dr. J. wies auf der Grundlage dieser Unterlagen in einer Stellungnahme vom 25. September 2004 auf die erfolgreiche Herzoperation und Rehabilitation und den nunmehr guten Allgemeinzustand des Klägers hin. Von einer wesentlichen Beeinträchtigung der Herzleistungsfähigkeit sei nicht mehr auszugehen. Dies rechtfertige die Herabsetzung des GdB auf 30.

Der Beklagte hörte sodann den Kläger mit Schreiben vom 19. Oktober 2004 zur beabsichtigten Herabsetzung des GdB sowie zur Entziehung des Merkzeichens "G" an. Hiergegen machte der Kläger geltend: Zwar sei er seit der letzten Herzoperation leistungsfähiger geworden und reagiere nur noch bei größeren körperlichen Anstrengungen zyanotisch. Diese Leistungssteigerung sei jedoch nicht von Dauer. Im September 2004 sei bei ihm eine Nierenarterienstenose diagnostiziert worden. Er habe häufig Volumenmangelzustände und einen schlechten Allgemeinzustand. Sein Flüssigkeitshaushalt sei instabil und lasse einen ganztägigen Besuch des Kindergartens nicht zu. Auch leide er an einer extrem hohen Infektanfälligkeit. Im Jahr 2003 sei er wegen der hohen Ansteckungsgefahr über mehrere Monate im Winter nicht in der Lage gewesen, den Kindergarten zu besuchen. Wegen seiner Entwicklungsverzögerung könne er nicht regelgerecht eingeschult werden.

In einem aufgrund dieser Einwände des Klägers vom Beklagten eingeholten Arztbrief der Universität L. (Herzzentrum) vom 2. November 2004 wird berichtet, dass der Kläger am 18. September 2004 wegen einer Adenovirusinfektion mit Fieber stationär behandelt worden sei. Er könne längere Strecken ohne Pausen laufen. Das Essverhalten sei jedoch eher schlecht. Nach dem körperlichen Untersuchungsbefund sei von einem guten Allgemein- sowie Ernährungszustand und einer dem Alter entsprechenden Entwicklung auszugehen. Die Echokardiografie habe eine gute ventrikuläre Funktion bestätigt. Auch das L–RR–Blutdruckverhalten erscheine normalisiert. Im Alltag bestehe eine normale Belastbarkeit. Die transkutane Sauerstoffsättigung betrage 93 %. Die Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Dipl.-Med. P. berichtete unter dem 26. Januar 2005: Seit November 2004 sei es nach einer Medikamentenumstellung zu einer Besserung der Hautblutungen des Klägers gekommen. Es träten häufig Volumendefizite insbesondere bei "banalen" Infekten auf. Ab dem Jahr 2005 plane der Kläger, eine Behindertenschule zu besuchen. Seine Belastbarkeit sei stark wechselhaft und seine Entwicklung nicht altersgerecht. So benötige er vermehrte Schlaf- und Ruhezeiten und habe häufig Infekte mit kompliziertem Verlauf. Auch sei das angeborene Fehlen der Milz zu berücksichtigen.

Im Bescheid vom 13. Juli 2005 hob der Beklagte den Bescheid vom 22. April 1999 auf, stellte ab dem 1. August 2005 einen GdB von 30 fest und entzog das Merkzeichen "G".

Hiergegen legte der Kläger am 28. Juli 2005 Widerspruch ein und führte aus: Durch das Ivemark-Syndrom leide er an einer schweren angeborenen Herzerkrankung mit einer komplexen Beteiligung weiterer Organe. Bei ihm bestehe eine erhöhte Infektanfälligkeit, die eine normale Integration in Erziehungseinrichtungen verhindere. Auch leide er an einer Nierenarterienstenose. Er habe krankheitsbedingt in eine Schule für Körperbehinderte eingeschult werden müssen. Sein Entwicklungszustand sei hinsichtlich Gewicht und Größe erheblich verzögert. Seit einer Lungenembolie im Jahr 2003 habe er ständig Hustenanfälle. Auf kleinste körperliche Anstrengungen reagiere er mit einer verstärkten Herzschlagfrequenz. Er erhalte starke blutgerinnungshemmende Medikamente, die zu vermehrten Hämatomen führen und ein normales Spielverhalten ausschlössen. Auch träten ohne Vorankündigungen akute Volumenmangelzustände auf, die eine ständige Kontrolle des Flüssigkeitskonsums und nach Bedarf sogar ein medizinisches Eingreifen erforderten. Zudem lägen seine Blutdruckwerte nicht im Normbereich.

Der Beklagte holte zwei Arztbriefe des Herzzentrums der Universität L. ein. Oberarzt Dr. K. berichtete unter dem 5. September 2005 u. a. über eine Neigung des Klägers zu hypertonen Blutdruckwerten sowie eine im September 2004 vorgenommene operative Erweiterung des Abgangs der rechten unteren Nierenarterie bei einer fortbestehenden Verengung der Nierenarterien. Ein Mal in der Woche träten Volumenmangelzustände mit Herzfrequenzen von 120 bis 150 pro Minute auf. Der Kläger trinke sehr viel und habe ein vermehrtes Verlangen nach Salz. Er esse schlecht und habe seit einer Lungenembolie ständig Husten. Kardiopulmonale Dekompensationszeichen, vermehrtes Schwitzen, Luftnot, Schwindel, gehäufte Infekte oder eine Zyanose seien während der Untersuchung nicht aufgetreten. Er sei körperlich normal belastbar. Die transkutane Sauerstoffsättigung betrage 94 %. Assistenzärztin Dagna gab am 8. Dezember 2005 an: Im September 2005 seien beim Kläger drei Mal starke Blutungen an der Nase aufgetreten. Er sei in einem guten Allgemein- und Ernährungszustand (Körpergewicht: 21,6 kg; Körperlänge: 119 cm). Die Sauerstoffsättigung habe 95 % betragen. Der Blutdruck sei etwas erhöht und ein Kontrollintervall von drei Monaten zu empfehlen. Im Vergleich zur Voruntersuchung habe sich keine wesentliche Befundänderung ergeben. Im Alltag bestehe eine normale Belastbarkeit. Eine Grippeimpfung vor fünf Wochen habe bei ihm zu Fieber und zu Lymphknotenschwellungen geführt.

Der Versorgungsarzt Dr. W. wertete diese Befunde am 19. Januar 2006 aus und hielt die Feststellung eines GdB von 30 für gerechtfertigt. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2006 (Absendevermerk vom Mittwoch, den 15. März 2006) wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 18. April 2006 Klage beim Sozialgericht Dessau erhoben und sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Darüber hinaus hat er geltend gemacht: Er habe erkrankungsbedingt nur eine Herzkammer. Die Trennung der Blutkreisläufe erfolge über einen künstlich angebrachten Goretexschlauch. Bereits die ursprüngliche Festsetzung mit einem GdB von 50 sei zu gering gewesen und hätte 70 betragen müssen. Er sei körperlich nicht normal entwickelt und leide an einer kardial bedingten Gedeihstörung. So sei er wegen der Erkrankung in eine Förderschule eingeschult worden, könne aber den Schulweg nicht allein bewältigen. Seine Leistungsfähigkeit sei stark eingeschränkt. Alltägliche Aufgaben wie Wegstrecken zurücklegen oder Treppensteigen seien ihm nicht so, wie dies gesunde Kinder könnten, möglich. Er sei allenfalls leicht belastbar. Auch nehme er wegen der hinzugetretenen chronischen Bronchitis u. a. Cortision ein.

Das Sozialgericht hat medizinische Ermittlungen durchgeführt und einen Befundbericht der Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Dipl.-Med. P. vom 10. Juli 2006 eingeholt. Diese hat für den Zeitraum vom 7. Oktober 2003 bis 3. Juli 2006 angegeben: Als Beschwerden bestünden beim Kläger eine verminderte körperliche Leistungsfähigkeit, eine schnelle Erschöpfbarkeit, ein vermehrtes Auftreten von Lungeninfekten wegen einer chronisch-obstruktiven Bronchitis insbesondere nach Schulbeginn im Jahr 2005 sowie eine Blutungsneigung nach einer Herz-OP und ein vermehrter Flüssigkeitsbedarf. In einem beigefügten Arztbrief des Herzzentrums der Universität L. hat Dr. H. am 22. Mai 2006 zu einer Untersuchung vom 27. Februar 2006 mitgeteilt: Beim Kläger sei im Vorfeld eine hochfieberhafte Bronchitis aufgetreten. Unter Therapie habe sich diese Symptomatik zurückgebildet. Seit der letzten Vorstellung seien keine Besonderheiten aufgetreten. Kardiopulmonale Dekompensation, vermehrtes Schwitzen, zyanotische Zustände, unklare Bewusstseinstörungen, Synkopen oder gehäufte pulmonale Infekte bestünden nicht. Der Kläger besuche die erste Klasse und sei vom Schulsport teilweise befreit. Als Dauermedikation erhalte er Lanitop, Captoril, Amoxicillin sowie Plavix. Er habe ein Körpergewicht von 21,6 kg bei einer Körperlänge von 120 cm. Der Blutdruck am rechten Arm habe 114/76 mm Hg und am linken Arm 128/89 mm Hg betragen. Die transkutane Sauerstoffsättigung betrage 94 %. Ein Ruhe-EKG vom 27. Februar 2006 habe keine Störung der Erregungsrückbildung, Hypertrophiezeichen oder Extrasystolen ergeben. Eine Ultraschalldiagnostik vom gleichen Tage sei ohne pathologischen Befund geblieben. Die Langzeit-Blutdruckmessung habe Blutdruckschwankungen gezeigt. Zusammenfassend bestehe ein gutes Operationsergebnis ohne wesentliche Befundänderung zur Voruntersuchung. Der mittlere systolische Blutdruckwert habe 125 mm Hg und der mittlere diastolische Wert 95 mm Hg betragen. Im Alltag bestehe eine normale Belastbarkeit entsprechend seinen krankheitsbedingt eingeschränkten Möglichkeiten.

Der Kläger hat in der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts Dessau vom 13. September 2006 auf die Narbenbildungen an der Brust verwiesen und eine Einschätzung der Schule vom 11. September 2006 hinsichtlich seiner schulischen und geistigen Leistungsentwicklung vorgelegt. Darin schilderte der Klassenlehrer seine körperliche Gesamtsituation in der zweiten Klasse wie folgt: Bereits bei geringfügiger körperlichen Anstrengung komme es zur Zyanose. Anstrengende sportliche Aktivitäten seien ihm untersagt. Ein Spielen mit hohem Bewegungsanteil könne er längstens zwei bis drei Minuten, leichte Übungen mit geringer Belastung längstens 10 Minuten durchführen. Im Vergleich zu seinen Mitschülern habe er eine äußerst geringe körperliche Belastbarkeit.

Der Kläger hat weitere Arztbriefe der Universität L. von Assistenzärztin Wörner vom 21. September 2006 (Untersuchung vom 14. Juli 2006) und von Assistenzärztin Dr. S. vom 21. Mai 2006 (Untersuchung vom selben Tage) zur Gerichtsakte gereicht. Frau W. hat angegeben: Im Mai 2006 sei es zu einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes gekommen. Im April 2006 habe der Kläger eine Influenza B durchgemacht. Er besuche die zweite Klasse und sei teilweise vom Sport befreit. Unter Belastung entwickle er eine Zyanose und schwitze nachts vermehrt. Zusätzlich klage er über Bauchschmerzen, Übelkeit und Einschlafstörungen. Nasenbluten habe er bis drei bis vier Mal täglich (maximale Dauer: 30 Minuten). Außerdem träten häufiger Hämatome auf. Die Sauerstoffsättigung habe 94 % betragen. Der Kläger sei in einem gutem Allgemein- und einem ausgewogenen Ernährungszustand. Es bestehe eine normale körperliche Belastung entsprechend seinen individuellen Fähigkeiten. Dr. S. hat angegeben: Seit zwei Tagen habe der Kläger über eine allgemeine Schwäche nach mehreren Infekten berichtet. Er sei ein zartes normal lebhaftes Schulkind in stabilem Allgemeinzustand. Die transkutane Sauerstoffsättigung habe 94 % betragen.

In einem weiteren Befundbericht von Dipl.-Med. P. vom 24. November 2006 hat diese mitgeteilt: Nach Entfernung der Mandeln im Jahr 2004 habe sich eine Neigung zu Bronchitis mit obstruktiver Komponente entwickelt. Im akuten Krankheitsfall müsse er Betamimetika und Budesonid einnehmen. In den Infektmonaten nehme er Leukotrienhemmer ein. Die Lungenfunktionsmessungen hätten einen PEF 1-Wert von 65-70 % ergeben. Zuletzt habe nach akutem Wasserverlust und massivem Erbrechen eine Infusion angelegt werden müssen. Wegen der ASS-Behandlung neige der Kläger zu vermehrten Blutungen und multiplen Hämatomen. Seine Lebensqualität sei deutlich eingeschränkt. In den letzten zwölf Monaten habe er sich ihr 15 Mal vorgestellt.

Das Sozialgericht Dessau hat mit Urteil vom 7. März 2007 den Bescheid des Beklagten vom 13. Juli 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2006 aufgehoben. In den

Entscheidungsgründe:

n hat es im Wesentlichen ausgeführt: Beim Kläger lägen kardial bedingte Gedeihstörungen vor, die zu einer Einschulung in eine Schule für Körperbehinderte geführt hätten. Wegen der hohen Infektanfälligkeit, der geringen körperlichen Belastbarkeit sowie einer Zyanose sei von einem GdB von 50 auszugehen und die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" gegeben.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 15. März 2007 zugestellte Urteil rechtzeitig am 29. März 2007 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Im Jahr 1999 hätten beim Kläger nach diversen Operationen noch Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme, eine deutliche Zyanose in Ruhe sowie eine Sauerstoffsättigung von nur 80 % vorgelegen. Dieses Gesamtbild habe sich danach deutlich gebessert, was aus dem Sauerstoffsättigungswert von 96 % und der beschriebenen normalen Alltagsbelastbarkeit abzuleiten sei. Auch werde von den Ärzten ein guter Allgemein- und Ernährungszustand geschildert. Besondere kardiale Auffälligkeiten bestünden nicht. Die Tatsache des Besuchs einer Schule für Körperbehinderte rechtfertige keinen höheren GdB.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 7. März 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, wegen der richtigen Einstufung der Behinderungen des Klägers von Amts wegen einen Kinderkardiologen hinzuzuziehen.

Er hält die Entscheidung der Vorinstanz für zutreffend und weist darauf hin, dass zu seinem aktuellen Entwicklungsrückstand die Endokrinologin Dr. K. aus L. eine Stellungnahme abgeben könne. Sein deutlicher Entwicklungsrückstand habe schon seit 2005/2006 bestanden. Überdies habe sich wegen eines nach der dritten Herzoperation 2003 aufgetretenen "Schongangs" auf orthopädischem Gebiet eine Verschlechterung ergeben. In einem beigefügten Arztbrief hat die Fachärztin für Radiologie Dr. E. auf der Grundlage einer Röntgenuntersuchung der BWS und LWS vom 3. September 2007 die Diagnose einer Skoliose gestellt. Es sei auch nach insgesamt drei Operationen die Thoraxdeformation zu beachten. Ferner hat der Kläger einen Bescheid des Landesverwaltungsamtes vom 7. Juli 2008 vorgelegt, wonach ein sonderpädagogischer Förderbedarf bestehe, der durch die Förderschule für Lernbehinderte "Pestalozzischule" in D.-R. erfolge. Seit dem 1. August 2008 besuche er die Grundschule "Ziebigk".

Der vormalige Berichterstatter hat mit Schreiben vom 15. Juli 2008 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass Gegenstand des Verfahrens eine Anfechtungsklage sei. Rechtlich maßgeblich seien daher die gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides. Aktuelle Ermittlungen zum Gesundheitszustand seien daher nicht entscheidungserheblich.

Der Senat hat Befundberichte der Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Dipl.-Med. P. sowie der Universität L. (Herzzentrum) eingeholt. Dipl.-Med. P. hat eine Behandlungsverlaufkarte sowie einen undatierten und nicht unterschriebenen Befundbericht zur Akte gereicht, dem zu entnehmen ist, dass sich für den Kläger die Antikoagulations-Behandlung (Verzögerung der erhöhten Blutgerinnung), die Hämatombelastung im kindlichen Alltag sowie die Infektionsanfälligkeit mit entsprechender Therapie und die erhebliche Medikamenteneinnahme sehr einschränkend auswirkten. Zwischen 2003 und 2006 sei er wenig körperlich belastbar und häufig erkältet gewesen. Seine körperliche Entwicklung sei unterentwickelt. Dem Befundbericht waren diverse Arztbriefe beigefügt, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 130 bis 139 der Gerichtsakte Bezug genommen wird.

Das Herzzentrum der Universität L. hat am 2. Juni 2009 ein umfassendes Befundkonvolut des Klägers zur Akte gereicht (Bl. 171 bis 233 der Gerichtsakte). Ferner hat Prof. Dr. S. mit Arztbrief vom 8. Februar 1999 über die stationäre Aufnahme des Klägers vom 23. November 1998 bis 7. Dezember 1998 berichtet, dass die Nahrungsaufnahme von den Eltern als etwas schwierig einschätzt werde. Beim Essen und Trinken schwitze das Kind relativ stark, strenge sich sehr an und zeige eine deutliche Zyanose. Bei der Untersuchung habe eine leichte Zyanose bestanden, die nach Aufregung noch zugenommen habe. Die tanscutane Sättigung habe 66 % betragen.

Nach einem weiteren Arztbrief des Herzzentrums L. vom 24. Mai 2007 (Untersuchung vom 18. Mai 2007) hat Assistenzärztin Schweigel angegeben: Der Kläger habe unverändert über Übelkeit und über Bauchschmerzen nach der Schule geklagt. Teilweise sei noch lange nach einer Belastung Herzklopfen mit einem Puls bis 130 pro Minute aufgetreten. Er sei deutlich weniger belastbar als andere Kinder seines Alters und müsse in seinen Aktivitäten gebremst werden. Gelegentlich sei bei Belastung eine Lippenzyanose aufgetreten. Aufgrund einer Konzentrationsschwäche seien eine Ergotherapie und eine spezielle Schulförderung aufgenommen worden. Beim Einschlafen und nachts schwitze er viel. Zusammenfassend bestehe eine normale körperliche Belastbarkeit entsprechend seinen individuellen Möglichkeiten. Wegen des Kleinwuchses sei eine endokrinologische Sprechstunde zu empfehlen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und gemäß § 141 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist die isolierte Anfechtungsklage des Klägers gemäß § 54 Abs. 1 SGG gegen einen belastenden Verwaltungsakt. Daher bezieht sich die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 14. März 2006 (vgl. BSG – Urteil vom 18. September 2003, B 9 SB 6/02 R mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Die Prozessvoraussetzungen erster Instanz lagen vor. Die Klagefrist des § 87 Abs.1, 2 SGG ist gewahrt. Gem. § 87 Abs. 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (vgl. § 87 Abs. 2 SGG). Gem. § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der – wie im vorliegenden Fall – durch die Post im Inland übermittelt wird, mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Der Widerspruchsbescheid vom 14. März 2006 enthält einen Abgangsvermerk vom 15. März 2006. Die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids erfolgte somit am 18. März 2006. Die am 18. April 2006 erhobene Klage wahrt daher nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG die Monatsfrist und erfolgte damit rechtzeitig.

Die Berufung ist auch überwiegend begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Bescheide des Beklagten ganz aufgehoben, statt, wie es richtig gewesen wäre, sie abzuändern. Der Beklagte hat nämlich zu Recht den Bescheid vom 22. April 1999 aufgehoben, jedoch dann den GdB mit Wirkung ab dem 1. August 2005 zu Unrecht nur auf 30 statt auf 40 festgestellt. Das Urteil des Sozialgerichts Dessau 7. März 2007 ist daher aufzuheben und die Klage teilweise abzuweisen, da der Kläger nur insoweit in seinen Rechten verletzt ist (§ 54 Abs. 2 SGG).

Bei dem angefochtenen Bescheid handelt es sich um einen Herabsetzungsbescheid gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, mit dem der im Bescheid vom 22. April 1999 bindend festgestellte GdB von 50 auf 30 gesenkt wurde.

Der Bescheid vom 13. Juli 2005 ist formell rechtmäßig. Das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 19. Oktober 2004 erfüllt allerdings noch nicht die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung nach § 24 SGB X, weil darin die später eingeholten neuen Befundberichte nicht ausdrücklich bezeichnet sind. Dieser Mangel, der grundsätzlich durch ein wiederholtes Anhörungsschreiben beseitigt werden könnte, ist jedoch durch die Begründung des Beklagten im Bescheid vom 13. Juli 2005 und im Widerspruchsbescheid vom 14. März 2006 abgestellt worden. Damit ist er als geheilt anzusehen.

Die angefochtenen Bescheide sind materiell nur teilweise, nämlich soweit der Beklagte statt eines GdB von 40 einen GdB von 30 festgestellt hat, rechtswidrig. Im Übrigen, und damit im Wesentlichen, sind sie rechtmäßig. Der Beklagte hat zutreffend den Gesamt-GdB wegen wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X herabgesetzt.

Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, vorliegend der Bescheid vom 22. April 1999, aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine solche Änderung im Ausmaß der Behinderung ist u. a. nach Nr. 24 Abs. 2 Seite 34 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) 2004 gegeben, wenn der Vergleich des gegenwärtigen mit einem verbindlich festgestellten Gesundheitszustand eines Klägers eine GdB-Differenz von mindestens 10 ergibt. Dabei ist auf den Gesundheitszustand des Klägers und die dadurch bedingten Funktionsbehinderungen zum Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung, hier des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2006, abzustellen und dieser Zustand mit dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Erstbescheides, hier des Bescheides vom 22. April 1999, zu vergleichen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 – 9/9a RVs 1/92, zitiert nach juris). Danach ist hier eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers eingetreten. Für die Feststellung der Höhe des GdB zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung sind die Bestimmungen des am 1. Juli 2001 in Kraft getretenen Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046) anzuwenden. Die nachfolgenden Änderungen des SGB IX, insbesondere die des § 69 durch das Gesetz vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606), wirken sich auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht aus.

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Diese Vorschriften knüpfen materiellrechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX in der Satzzählung der am 28. April 2004 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX n. F. gelten für den Grad der Behinderung die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Danach ist der Grad der Behinderung nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen sind. Wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen – bzw. Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft – vorliegen, wird nach Absatz 3 Satz 1 des § 69 SGB IX der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehung festgestellt.

Als Grundlage für die Beurteilung der nach diesen Bestimmungen erheblichen medizinischen Sachverhalte dienten der Praxis die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", deren Ausgabe von 1996 vom damaligen Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegeben wurde. Unter dem Titel "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" wurden 2004 eine nur in Einzelheiten geänderte neue Ausgabe herausgegeben. Die Änderungen wirken sich auf den vorliegenden Fall nicht aus. Diese haben zwar keine Normqualität, sind aber nach ständiger Rechtsprechung des für das Versorgungs- und Schwerbehindertenrecht zuständigen Senats des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, deshalb normähnliche Auswirkungen haben und im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung in ihrer jeweiligen Fassung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden sind (vgl. Urt. v. 18. 9. 2003 – B 9 SB 3/02 RSozR 4-3250 § 69 Nr.2, S.10 ff.; v. 9. 4. 1997 – 9 RVs 4/95SozR 3-3870 § 4 Nr.19, S.77, jeweils m.w.N.).

Der hier streitigen Bemessung des Grads der Behinderung (GdB) ist die GdB/MdE-Tabelle der Anhaltspunkte (Nr. 26) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle in Nr. 26.1 (Seite 37) sind die dort genannten GdB/MdE-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 18 Abs. 4 genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Nr. 26 Abschnitt 1).

Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme sieht es der Senat als erwiesen an, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers spätestens zum 14. März 2006 wesentlich gebessert hat. Diese wesentliche Änderung rechtfertigt es, den Gesamt-GdB von 50 auf 40 herabzusetzen und das Merkzeichen "G" zu entziehen.

a) Das Hauptleiden des Klägers betrifft das Funktionssystem "Herz und Kreislauf".

Nach den hier maßgeblichen Anhaltspunkten 2004 Nr. 26.9 (S. 71 ff) kommt es bei Herz- Kreislauferkrankungen nicht auf die Art der Erkrankung (Diagnose/Befund), sondern auf die jeweilige konkrete Leistungseinbuße an. Bei der Beurteilung des GdB ist daher zunächst grundsätzlich von dem klinischen Bild und von den Funktionseinschränkungen im Alltag auszugehen. Ergometerdaten und andere Parameter stellen dabei lediglich Richtwerte dar, die das klinische Bild ergänzen. Elektrokardiografische Abweichungen allein gestatten in der Regel keinen Rückschluss auf die Leistungseinbuße. Auswirkungen des Leidens auf andere Organe (z.B. Lungen, Leber, Gehirn, Nieren) sind zu beachten.

Entsprechend den 26.9 der AHP 2004 (S. 71 f) ist bei Herzkrankheiten von folgendem Bewertungsrahmen auszugehen:

Krankheiten des Herzens

(Herzklappenfehler, koronare Herzkrankheit, Kardiomyopathien, angeborene Herzfehler u.a.)

1. ohne wesentliche Leistungsbeeinträchtigung (keine Insuffizienzerscheinungen wie Atemnot, anginöse Schmerzen) selbst bei gewohnter stärkerer Belastung (z.B. sehr schnelles Gehen [7-8 km/h], schwere körperliche Arbeit), keine Einschränkung der Solleistung bei Ergometerbelastung; bei Kindern und Säuglingen (je nach Alter) beim Strampeln, Krabbeln, Laufen, Treppensteigen keine wesentliche Leistungsbeeinträchtigung, keine Tachypnoe, kein Schwitzen ... 0 – 10

2. mit Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung (z.B. forsches Gehen [5-6 km/h], mittelschwere körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt (wenigstens 2 Minuten); bei Kindern und Säuglingen Trinkschwierigkeiten, leichtes Schwitzen, leichte Tachy- und Dyspnoe, leichte Zyanose, keine Stauungsorgane, Beschwerden und Auftreten pathologischer Meßdaten bei Ergometerbelastung mit 1 Watt/kg Körpergewicht ...20 – 40

3. mit Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z.B. Spazierengehen [3-4 km/h], Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Meßdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens 2 Minuten); bei Kindern und Säuglingen deutliche Trinkschwierigkeiten, deutliches Schwitzen, deutliche Tachy- und Dyspnoe, deutliche Zyanose, rezidivierende pulmonale Infekte, kardial bedingte Gedeihstörungen, Beschwerden und Auftreten pathologischer Meßdaten bei Ergometerbelastung mit 0,75 Watt/kg Körpergewicht ...50 – 70

Im Vergleich der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers zwischen dem Ausgangsbescheid vom 22. April 1999 und dem Widerspruchsbescheid vom 14. März 2006 ist von einer wesentlichen Verbesserung der komplexen Herzerkrankung auszugehen, der eine Herabsetzung des Einzel-GdB von 50 auf 40 rechtfertigt. Dies ergibt die Auswertung der zahlreichen Arztbriefe und Befundberichte sowie der prüfärztlichen Stellungnahmen des Beklagten für den Zeitraum 1999 bis März 2006.

Im Arztbrief des Herzzentrums L. vom 8. Februar 1999 wird anlässlich einer stationären Behandlung des Klägers vom 23. November bis 7. Dezember 1998 noch ein starkes Schwitzen, Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme und eine deutliche Zyanose selbst in Ruhestellung berichtet und eine transcutane Sauerstoffsättigung von lediglich 66 % angegeben. Der Kläger wird noch als chronisch krank wirkend beschrieben. Der Beklagte hat daher zu Recht angesichts dieser Leistungseinschränkungen zunächst einen GdB von 50 angenommen und das Merkzeichen "G" festgestellt. Zu diesem Zeitpunkt haben beim Kläger mehrere erschwerende Faktoren nach 26.9. der AHP 2004 bei Kindern vorgelegen, die einen GdB von 50 rechtfertigten.

Im Vergleich dazu weisen die späteren Arztbriefe des Herzzentrums vom 5. September 2005 und 8. Dezember 2005 auf einen deutlich verbesserten Zustand hin. So werden kardiopulmonale Dekompensationszeichen, vermehrtes Schwitzen, Luftnot, Schwindel, gehäufte Infekte oder eine Zyanose nicht mehr genannt. Die festgestellte transcutane Sauerstoffsättigung erreichte nach der TCPC (Fontan-Komplettierung (Shunt-Anlage) im Januar 2003 mit 94 % bzw. 95 % ein deutlich höheres Niveau als noch im Jahr 1999 (66 %). Die Assistenzärztin Dagna gab am 8. Dezember 2005 einen guten Allgemein- und Ernährungszustand des Klägers an. Die Alltagsbelastung wurde als normal bezeichnet. Diese deutliche Besserung wird auch durch den Arztbrief des Herzzentrums vom 22. Mai 2006 über eine Untersuchung vom 27. Februar 2006 bestätigt. Dr. H. hat keine kardiologischen Dekompensationszeichen und entsprechende Begleitfolgen (z.B. vermehrtes Schwitzen, zyanotische Zustände, unklare Bewusstseinstörungen, Synkopen) mehr festgestellt. Diese Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers auf kardiologischem Fachgebiet gerade in der Sauerstoffversorgung und die damit verbundene deutliche Abnahme der vorher bestehenden Ruhezyanose lassen einen sicheren Rückschluss auf eine verbesserte Leistungsfähigkeit zu. Dies räumen auch seine Eltern im Schreiben vom 20. November 2004 ein. Danach trat die Zyanose nicht mehr bereits im Ruhezustand, sondern nur noch bei spürbaren körperlichen Belastungen auf. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch die frühere Stellungnahme der Eltern vom 25. Juni 2001. Dort haben sie zur Leistungsfähigkeit noch angegeben, ihr Sohn habe z.B. Treppen in den ersten Stock kaum bewältigen können und habe häufig getragen werden müssen. Übliche Wegstrecken habe er zu dieser Zeit nicht bewältigen können und sei durch eine deutliche Blaufärbung der Lippen sowie ein sehr rasches Atmen aufgefallen. Auch das selbständige Essen war ihm den Angabe der Eltern zufolge zu dieser Zeit noch nicht möglich. Der Vergleich dieser Ausführungen mit den ärztlich belegten Leistungsmöglichkeiten bis März 2006 ergibt deutliche Hinweise auf eine verbesserte Leistungsfähigkeit des Klägers. Kardial bedingte Gedeihstörungen werden zu dem maßgeblichen Prüfungszeitraum (März 2006) noch nicht ärztlich berichtet.

Erst im Arztbrief des Herzzentrums L. vom 24. Mai 2007 (Untersuchung vom 18. Mai 2007), d.h. deutlich nach der letzten Behördenentscheidung des Beklagten im März 2006 wird erstmals wegen eines festgestellten Kleinwuchses empfohlen, eine endokrinologische Sprechstunde aufzusuchen. Dem ist der Kläger offenbar auch nachgekommen. Sichere Hinweise dafür, dass kardial bedingte Gedeihstörungen in erheblichem Umfang bereits im Jahr 2005/2006 bestanden haben, sind den zahlreichen Arztbriefen des Herzzentrums L. nicht zu entnehmen und auch von der behandelnden Kinderärztin des Klägers nicht beschrieben worden. Die Einschulung in eine Lernbehindertenschule ist zunächst eine bloß äußere Tatsache und lässt nicht automatisch den Rückschluss auf einen erheblichen Entwicklungsrückstand des Klägers zu. Hierfür wären nachprüfbare und eindeutige ärztliche Feststellungen notwendig. Die mit einer Häufigkeit von einem Mal pro Woche geschilderten Volumenmangelzustände sowie die erhöhte Herzfrequenz sind in ihren funktionalen Auswirkungen nicht als schwerwiegend anzusehen.

Gegen die Feststellung eines GdB von 50 für den Zeitraum bis März 2006 sprechen auch die Leistungsangaben der Schule des Klägers vom 11. September 2006. Ein GdB von 50 wäre nach den AHP anzunehmen, wenn die Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z.B. Spazierengehen [3-4 km/h], Treppensteigen bis zu einem Stockwerk) aufgetreten wäre. Nach der Einschätzung der Schule waren dem Kläger nur anstrengende sportliche Aktivitäten untersagt, eine phasenweise Teilnahme am Schulsport aber möglich. Er hat demzufolge ein Spielen mit hohem Bewegungsanteil bis maximal zwei bis drei Minuten oder leichte Übungen mit geringer Belastung bis maximal 10 Minuten bewältigen können. Dieses Leistungsvermögen ist zwar im Vergleich zu den gesundheitlich nicht eingeschränkten Mitschülern als gering einzuschätzen. Maßstab der AHP ist jedoch die Frage, ob der Kläger bereits bei leichter Belastung leistungseingeschränkt ist. Eine so starke Einschränkung kann nach den Ausführungen des Klassenlehrers nicht angenommen werden. Für diese Leistungseinschätzung spricht auch, dass der Kläger nach den oben genannten Bewertungen des Herzzentrums L. keine deutlichen Trinkschwierigkeiten, deutliche Luftnot, deutliche Zyanose oder kardial bedingte Gedeihstörungen mehr aufgewiesen hat. Damit fehlen ihm, mit Ausnahme seiner vermehrten Infektanfälligkeit, weitere erschwerende Faktoren, die einen GdB-Rahmen von 50 eröffnen könnten.

Allein die seit einer Lungenembolie im Jahre 2003 aufgetretenen rezidivierenden pulmonalen Infekte genügen nicht für die Feststellung eines GdB von 50. Zunächst ist festzustellen, dass diese Begleiterkrankung nach den ärztlichen Unterlagen für den Zeitraum von 2004 bis März 2006, offenbar aufgrund intensiver medikamentöser Therapie, eine gewisse Besserungstendenz aufzeigt. Während der Kläger nach den sehr umfangreichen Behandlungsunterlagen von Dipl.-Med. P. im Jahr 2004 wegen Erkältungskrankheiten und häufigen Mittelohrentzündungen mindestens an acht Monaten im Jahr von ihr behandelt werden musste, sind diese Behandlungsintervalle später deutlich zurückgegangen. Nach den vorliegenden Behandlungskarten hat sich der ärztliche Behandlungsbedarf im Jahr 2005 auf drei Monate und bis zum März 2006 auf zwei Monate wegen pulmonaler Infekte beschränkt. Um zu einer Leistungseinschränkung bereits bei alltäglicher Belastung zu gelangen, genügt eine erschwerende Funktionseinschränkung in Form rezidivierender pulmonaler Infekte noch nicht aus. Vielmehr müssen nach den AHP in einer Gesamtschau mehrere erschwerende Faktoren vorliegen, die es rechtfertigen können, eine Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung zu bejahen. Diese sind in der zusammenfassenden und zeitlich maßgeblichen Leistungsbeurteilung des Herzzentrums L. aufgrund der Untersuchung vom 27. Februar 2006 nicht erkennbar.

Für die Einschätzung des GdB können die Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinderkardiologie und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin nicht herangezogen werden. Ihnen fehlt ein rechtsverbindlicher Charakter. Auch einer weiteren Stellungnahme eines Kinderkardiologen, entsprechend des Hilfsantrages des Klägers, bedurfte es nach Ansicht des Senats nicht. Aufgrund der zeitlich in die Vergangenheit gerichteten Prüfung zum März 2006 hätte es einer Untersuchung des Klägers zur Feststellung des aktuellen gesundheitlichen Zustandes ohnehin nicht bedurft. Die Einschätzung eines Kinderkardiologen hätte sich nach Aktenlage nur auf die zahlreichen bereits vorliegenden und aussagekräftigen medizinischen Einschätzungen über den Kläger in der Vergangenheit stützen können. Es ist kein konkreter Anknüpfungspunkt dafür erkennbar, warum eine derartige Stellungnahme nach Aktenlage zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig ist und zu einer anderen Bewertung der vorliegenden Befunde hätte beitragen können.

Die vom Kläger geltend gemacht und nachweislich bestehende Infektneigung rechtfertigt es nach Ansicht des Senats jedoch, trotz der Tendenz zur Besserung, den Bemessungsrahmen im oberen Bereich einer Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung einzuordnen und entgegen der Ansicht des Beklagten für die Herzkrankheit zu einem Einzel-GdB von 40 zu gelangen.

b) Der daneben bestehende instabile, leicht erhöhte Blutdruck des Klägers betrifft ebenfalls das Funktionssystem "Herz und Kreislauf" und rechtfertigt allenfalls einen GdB von 10.

Nach 26.9 der Anhaltspunkte 2004 (Seite 75) ergibt sich für den Blutdruck folgender Bewertungsrahmen.

Hypertonie (Bluthochdruck) leichte Form keine oder geringe Leistungsbeeinträchtigung (höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) ... 0 – 10

mittelschwere Form mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen – Fundus hypertonicus I-II – und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie), diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung, je nach Leistungsbeeinträchtigung ... 20 – 40

Der Kläger hat einen allenfalls leicht erhöhten Blutdruck ohne Begleiterkrankungen an den Augen, sodass von einer leichten Form des Bluthochdrucks ausgegangen werden kann, der einen Bewertungsrahmen eines GdB von höchstens 10 eröffnet.

c) Der beim Kläger durch das Ivemark-Syndrom bewirkte Milzverlust betrifft das Funktionssystem "Blut, blutbildende Organe, Immunsystem" und rechtfertigt allenfalls einen Einzel-GdB von 20.

Nach den AHP 2004 Nr. 26.16 (Seite 102) wird der Verlust der Milz im frühen Kindesalter bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet. Da mit Ausnahme einer Lungenembolie im Jahre 2003 keine dauerhaften Komplikationen ärztlich belegt sind, kann eine Erhöhung dieser Bewertung nicht vorgenommen werden.

d) Ein weiteres Leiden des Klägers ist in der chronischen Bronchitis zu sehen und betrifft das Funktionssystem "Atmungsorgane". Hierfür hält der Senat einen GdB von höchstens 10 für angemessen.

Für die beim Kläger festgestellte rezidivierende Bronchitis ergibt sich nach 26.8 der Anhaltspunkte 2004 (Seite 67 ff) folgender Bewertungsrahmen:

Chronische Bronchitis, Bronchiektasen als eigenständige Krankheiten – ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion,

leichte Form (symptomfreie Intervalle über mehrere Monate, wenig Husten, geringer Auswurf) ... 0 – 10

schwere Form (fast kontinuierlich ausgiebiger Husten und Auswurf, häufige akute Schübe) ... 20 – 30

Krankheiten der Atmungsorgane (z.B. Brustfellschwarten, chronisch-obstruktive – auch "spastische" oder "asthmoide" – Bronchitis, Bronchiektasen, Lungenemphysem, Pneumokoniosen, Lungenfibrosen, inaktive Lungentuberkulose) mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion

geringen Grades das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bei mittelschwerer Belastung (z.B. forsches Gehen [5 – 6 km/h], mittelschwere körperliche Arbeit); statische und dynamische Meßwerte der Lungenfunktionsprüfung bis zu 1/3 niedriger als die Sollwerte (siehe Nummer 8 Absatz 4), Blutgaswerte im Normbereich ... 20 – 40

mittleren Grades das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bereits bei alltäglicher leichter Belastung – (z.B. Spazierengehen [3–4 km/h], Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit); statische und dynamische Meßwerte der Lungenfunktionsprüfung bis zu 2/3 niedriger als die Sollwerte, respiratorische Partialinsuffizienz ...50 – 70

Aus den bereits genannten Gründen ist das Behandlungsintervall für Bronchitis und pulmonale Infekte zwischen 2005 und März 2006 eher rückläufig gewesen und in den Auswirkungen, insbesondere im Auswurf, nicht als erheblich einzuschätzen. Es ist daher von einer chronischen Bronchitis in leichter Form auszugehen, die einen GdB von allenfalls 10 eröffnet. Da keine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion beim Kläger ärztlich berichtet wird, ist der Bewertungsrahmen von 20 bis 40 noch nicht eröffnet.

e) Die durch die mehrfachen Operationen des Klägers am Brustbein entstandene intensive Narbenbildung betrifft das Funktionssystem "Haut", rechtfertigt jedoch keinen GdB, da es an mitgeteilten Funktionsstörungen oder Beeinträchtigungen der Haut als Schutz-, Ausscheidungs- und Sinnesorgan fehlt. In orthopädischer Hinsicht sind nach den vorliegenden ärztlichen Befunden keine relevanten Funktionsstörungen berichtet worden, die mit einem Einzel-GdB zu berücksichtigen wären.

f) Da bei dem Kläger Einzelbehinderungen aus verschiedenen Funktionssystemen mit einem messbaren Grad der Behinderung vorliegen, ist nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der Grad der Gesamtbehinderung zu ermitteln. Dafür sind die Grundsätze nach Nr. 19 der AHP (Seite 26) anzuwenden. Nach Abschnitt 3 ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad bedingt, und dann zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Zehnergrad ein oder mehr Zehnergrade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden.

Danach ist von dem Behinderungsgrad von 40 als höchstem Einzelbehinderungsgrad auszugehen. Dieser kann auch nicht erhöht werden, weil das weitere Funktionssystem der Atmung mit einem Einzelgrad von höchstens 10 zu bewerten ist. Denn nach Nr. 19 Abschnitt 4 der AHP (Seite 26) führen – von hier fern liegenden Ausnahmefällen abgesehen – zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzelgrad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen und verschiedene Lebensbereiche betreffen (vgl. BSG, Urteil v. 13. Dez. 2000 – B 9 V 8/00 R = SozR 3 – 3870 § 4 Nr. 28). Auch der festgestellte Einzel-GdB Wert von 20 für den Verlust der Milz rechtfertigt in einer zusammenfassenden Bewertung nicht einen Gesamt-GdB von 50. Nach Nr. 19 Abs. 4 der AHP 2004 (Seite 26) ist es auch bei leichten Funktionseinschränkungen mit einem Einzel-GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Die Milz hat u. a. eine Abwehrfunktion im Immunsystem (vgl. Roche, Lexikon Medizin, 5. Auflage 2003, Seite 1226). Ihr Verlust wirkt sich damit nachteilig auf eine mögliche Infektabwehr aus (vgl. auch AHP 2004, Nr. 26.16, Seite 101). Beim Kläger sind für die Herzerkrankung bereits die rezidivierenden pulmonalen Infekte besonders berücksichtigt worden. Das Zusammenwirken der Herzerkrankung sowie der Verlust der Milz führen damit nicht zu einer deutlichen Steigerung der Behinderungsfolgen.

Letztlich widerspräche hier die von dem Kläger begehrte Schwerbehinderteneigenschaft dem nach Nr. 19 Abs. 2 der AHP (Seite 25) zu berücksichtigenden Gesamtmaßstab. Die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen beeinträchtigt seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nicht so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung.

Durch die Herabsetzung des Gesamt-GdB auf 40 lagen die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" nicht mehr vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen des Klägers.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nach § 160 SGG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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