L 9 R 977/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 750/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 977/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Februar 2009 und der Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2006 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin, ausgehend von einem am 28. August 2004 eingetretenen Leistungsfall, Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, insbesondere die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.

Die 1952 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie war von 1968 an mit Unterbrechungen als Haushaltshilfe, Zimmerfrau und Fabrikarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt ab September 1994 als Verpackerin in einem Chemiewerk mit zum Teil ganztags stehender Tätigkeit und Heben und Tragen von Lasten mit bis zu 10 kg. Seit dem 27. Oktober 1998 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt und nach Ablauf des Bezugs von Krankengeld ab 7. März 2000 beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet. Sodann bezog die Klägerin Arbeitslosengeld bis zum 7. Januar 2002. Danach sind im Versicherungskonto der Klägerin keine Pflichtbeiträge und sonstige rentenrechtliche Zeiten mehr vorhanden.

Vorrangig wegen eines chronischen Lendenwirbelsäulen (LWS)-Syndroms befand sich die Klägerin im April/Mai 1999 in einem Heilverfahren in der Rehabilitationsklinik Höhenblick in Baden-Baden. Der Arbeitsamtsarzt Dr. W. gelangte im Gutachten vom 31. März 2000 zu dem Ergebnis, die Belastbarkeit der Klägerin sei durch einen durch Computertomogramm im September 1997 nachgewiesenen Bandscheibenvorfall im unteren Lendenwirbelsäulenbereich und seit drei Jahren andauernde Kreuzschmerzen dauerhaft erheblich eingeschränkt. Zumutbar seien nur leichte körperlichen Arbeiten überwiegend im Sitzen.

Einen am 4. September 2000 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2001 ab. Dem lag das Gutachten des Orthopäden Dr. R. vom 18. Oktober 2000 zugrunde, welcher bei der 171 cm großen und 138 kg schweren Klägerin einen Verschleiß der LWS mit mäßiger Funktionseinbuße, einen Verschleiß des rechten Kniegelenks ohne Funktionseinbußen, einen Bluthochdruck und einen posttraumatischen Verschleiß des linken Sprunggelenks mit Zustand nach Versteifungsoperation vom Oktober 1996 diagnostizierte und ausführte, in Zusammensicht der Befunde seien der Klägerin leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zuzumuten.

Wegen einer nach den anamnestischen Angaben der Klägerin seit Mai/Juni 2002 aufgetretenen Schmerzexazerbation mit Lumboischialgien ausstrahlend über den dorso-lateralen Ober- und Unterschenkel bis in beide Fußrücken wurde am 23. Juli 2002 ein MRT der LWS durchgeführt, welches eine multisegmentale lumbale Spinalkanalstenose mit Punktum maximum in Höhe L 4/5 zeigte, weshalb die Klägerin vom 5. bis 22. August 2002 zunächst stationär in der Rheumaklinik Bad Bellingen behandelt wurde. Nachdem die konservative Therapie keine wesentliche Besserung der Beschwerden erbrachte, wurde am 3. September 2002 in der neurochirurgischen Universitätsklinik Freiburg eine Teilhemilaminektomie LW 4/5 beidseits und eine osteoligamentäre Dekompression und Neurolyse L 5 beidseits durchgeführt. Am 6. September wurde die Klägerin wieder in die Rheumaklinik Bad Bellingen verlegt und weiter bis zum 24. September 2002 stationär behandelt. Vom 11. Oktober bis 1. November 2002 fand in der Breisgauklinik in Bad Krozingen eine Anschlussheilbehandlung statt. Im Entlassungsbericht vom 10. November 2002 führten die dortigen Ärzte aus, im Rahmen des stattgehabten operativen Eingriffs mit struktureller Schädigung des statisch belasteten Lumbosacralabschnitts und einer schon lange anhaltenden Kreuzschmerzanamnese und einer Fußgelenksarthrodese links und auch einer Arthrose des rechten Kniegelenks sei das Leistungsvermögen der Klägerin eingeschränkt. Sie werde noch etwa 3 Monate im Krankenstand verbleiben müssen bis zum Abschluss der postoperativen Rehabilitation. Danach (also ca. 5 Monate nach dem Eingriff) könne sie aus momentaner Sicht nur eine leichte Tätigkeit mit qualitativen Einschränkungen über 6 Stunden täglich aufnehmen.

Wegen erneut aufgetretener gleicher Beschwerden wie präoperativ mit rechtsbetonter bilateraler Lumboischialgie und der Fragestellung eines Reprolapses überwies der behandelnde Orthopäde Dr. M. die Klägerin an das Institut für diagnostische Radiologie in Freiburg. Die am 12. September 2003 durchgeführte Kernspintomographie der LWS und des thoraco-lumbalen Übergangs zeigte schwere degenerative Veränderungen mit multisegmentaler Lumbalkanalstenose bedingt durch Bandscheibenvorfälle und Bandscheibenprotrusionen aller lumbaler Höhen mit hochgradigen Stenosierungen der Neuroforamina in allen drei Lumbalsegmenten, insbesondere bei L4/5 beidseits. Am 15. Oktober 2003 stellte sich die Klägerin in der neurochirurgischen Universitätsklinik ambulant vor. Dr. Sch.-P. führte aus, aufgrund der aktuellen Bildgebung sei nicht ohne weiteres zu entscheiden, welche Höhe die aktuelle Symptomatik verursache. Als erstes sei eine umfangreiche Reduzierung des Gewichts (derzeit über 140 kg) erforderlich. Sollten nach deutlicher Gewichtsabnahme immer noch relevante Schmerzen bestehen, sei eine stationäre Aufnahme beabsichtigt, um nach Durchführung einer lumbalen Myelographie über eine eventuelle neue Operation zu entscheiden.

Wegen einer fortgeschrittenen Varusgonarthrose rechts wurde im Rahmen eines stationären Aufenthalts vom 29. August bis 15. September 2004 in der Helios-Klinik in Breisach am 30. August 2004 eine Knietotalendoprothese implantiert. Die Anschlussheilbehandlung wurde zu Lasten der Beklagten vom 15. September bis 6. Oktober 2004 in der Breisgau-Klinik in Bad Krozingen durchgeführt. Im Entlassungsbericht vom 12. Oktober 2004 wurde ausgeführt, es sei seitens der Haltungs- und Bewegungsorgane bei endoprothetischem Ersatz des rechten Kniegelenks und häufig geklagten Kreuzschmerzen aufgrund operativen Eingriffs in Höhe L4/5 grundsätzlich von einer Einschränkung des Leistungsvermögens unter relevanten körperlichen Belastungen auszugehen. Eine Sprunggelenksarthrodese sei durch orthopädische Schuhzurichtung weitgehend kompensiert. Dementsprechend werde die Klägerin nach Abschluss der postoperativen Rehabilitation ca. 14 Wochen nach dem Eingriff in der Lage sein, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über 6 Stunden täglich mit qualitativen Einschränkungen tätig zu sein. Die Klägerin sei Hausfrau und strebe keine Erwerbstätigkeit mehr an.

Dr. M. berichtete dem Hausarzt Dr. H. am 22. Oktober 2004, die Klägerin sei im Wesentlichen beschwerdefrei. Sie gehe noch an zwei Unterarmgehstützen und sei erheblich gehbehindert. Es müsse konsequent Krankengymnastik durchgeführt werden, um eine Beugung des rechten Kniegelenks von 90 Grad (aktuell 70 Grad) zu erreichen.

Am 7. Januar 2005 stellte sich die Klägerin zur Kontrolluntersuchung bei Dr. H. in der Heliosklinik vor. Dieser führte unter dem 10. Januar 2005 aus, die Klägerin sei mit dem Operationsergebnis nach längerer krankengymnastischer Behandlung sehr zufrieden. Probleme machten ihr die von der Wirbelsäule ausgehenden ausstrahlenden Schmerzen, die nach der in den Jahren 2002 und 2003 durchgeführten computertomographischen Abklärung wohl im lumbalen Bereich fokussiert seien. Die Klägerin werde mit diesem Restbeschwerdebild wohl leben müssen.

Am 14. April 2005 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ die Klägerin erneut durch Dr. R. untersuchen. Dieser führte im Gutachten vom 18. Mai 2005 aus, gegenüber der Vorbegutachtung hätten jetzt eindeutige Befundverschlechterungen stattgefunden. Das degenerative Grundleiden nehme seinen schicksalshaften Verlauf. Das lumbale Achsorgan weise eine schwere irreversible Funktionseinbuße auf. Im Bereich des rechten Kniegelenks sei keine Beschwerdefreiheit aufgetreten. Die aktuelle Gehstrecke betrage 100 Meter. Weitere Strecken müssten mit Unterarmgehstützen zurückgelegt werden. Die Klägerin mache einen schmerzgeplagten Eindruck. Bei Sichtung der Gesamtkonstellation sei eine wesentliche Belastbarkeit der Klägerin nicht mehr gegeben. Ihr Leistungsvermögen sei auf unter 3 Stunden abgesunken. Diese Beurteilung gelte seit dem 14. April 2005.

Mit Bescheid vom 24. Mai 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Nach den getroffenen Feststellungen bestehe seit dem 14. April 2005 volle Erwerbsminderung. Dem Antrag könne aber nicht entsprochen werden, weil in den letzten fünf Jahren drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht vorhanden seien. Im maßgeblichen Zeitraum vom 14. April 2000 bis zum 13. April 2005 seien nur 1 Jahr und 10 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt.

Auf den Widerspruch der Klägerin vom 8. Juni 2005 holte die Beklagte Auskünfte der Agentur für Arbeit Freiburg vom 11. Oktober 2005 (keine Daten mehr vorhanden) und der AOK Müllheim (telefonische Auskunft: Klägerin war ab Januar 2002 familienversichert, daher keine Aufzeichnungen über Arbeitsunfähigkeitszeiten) ein. Dr. R. vertrat in der Stellungnahme vom 24. Oktober 2005 die Auffassung, dass die Klägerin sowohl nach der Entlassung aus dem Heilverfahren in der Breisgauklinik vom 12. Oktober 2004 als auch zuvor im September 2003 noch über 6 Stunden täglich belastbar gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 14. Februar 2006 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) und führte zur Begründung aus, sie sei seit dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis durchgehend arbeitsunfähig gewesen. Außerdem sei sie auch ohne Leistungsbezug bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet gewesen. Darüber hinaus liege bei ihr bereits zu einem früheren Zeitpunkt als von der Beklagten angenommen volle Erwerbsminderung vor. Der Leistungsfall sei spätestens im Februar 2004 eingetreten.

Das SG befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin, den Allgemeinarzt Dr. H. (Auskunft vom 13. März 2007: seit mindestens 3 Jahren abnehmende Belastbarkeit, eine 6-stündige leichte Arbeit sei aus seiner Sicht seit 3 Jahren nicht mehr möglich ) und den Orthopäden P. (Auskünfte vom 8. August 2006 und vom 7. Januar 2008) als sachverständige Zeugen und holte das Gutachten des Orthopäden Dr. Dr. Sch. vom 18. Februar 2008 ein. Dieser führte aus, die Klägerin könne vor allem wegen des degenerativen Wirbelsäulensyndroms betont im lumbalen Abschnitt mit Instabilität im Segment L 4/5, aufgebrauchten Bandscheibenräumen L2/3, L 4/5, L 5/S1 sowie einer nativ-radiologisch nachweisbaren Einengung des Spinalkanals auf Höhe L 4/5 nicht mehr regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Es bestünden erhebliche belastungsabhängige Beschwerden, insbesondere im LWS-Bereich, die aufgrund des erhobenen radiologischen Befundes bei noch immer relativ blandem klinischem Untersuchungsbefund durchaus verständlich seien. Verstärkend wirke sich hierbei die massive Übergewichtigkeit der Klägerin aus. Auch die Sprunggelenksproblematik mit massiver Verlagerung - insbesondere am linken Sprunggelenk - des gesamten Fußes nach außenseitig führe zu belastungsabhängigen - auch gewichtsbedingten - Beschwerden. Die Wegstrecke sei deutlich eingeschränkt. Die erforderlichen Wege seien nicht mehr zumutbar. Diese Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit bestünden sicher seit der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. R., der am 18. Mai 2005 konstatiert habe, dass seit dem 14. April 2005 bei der Klägerin Erwerbsunfähigkeit vorliege. Er habe auch durch ausgiebiges Aktenstudium kein Argument finden können, welches einen früheren Eintritt der Erwerbsunfähigkeit bestätigen könne.

Nachdem die Klägerin darauf verwiesen hatte, dass im Verfahren nach dem Schwerbehindertengesetz auf der Grundlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. F. vom 18. November 2004 seit März 2003 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 und ab August 2004 ein GdB von 60 anerkannt worden sei, hielt Dr. Dr. Sch. in der ergänzenden Stellungnahme vom 15. November 2008 daran fest, dass erst nach dem Rentenantrag vom 14. April 2005 Befunde erhoben worden seien, die eine dauernde Erwerbsunfähigkeit der Klägerin begründet hätten.

Mit Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2009 wies das SG die Klage ab. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens auf weniger als 6 Stunden täglich sei erst für die Zeit nach Stellung des Rentenantrags gesichert. In den Entlassungsberichten sowohl nach dem Heilverfahren vom 11.Oktober bis 1. November 2002 als auch nach dem Heilverfahren vom 15. September bis 6. Oktober 2004 seien die Ärzte von einem Wiedereintritt eines für sechs Stunden täglich ausreichenden Leistungsvermögens ausgegangen. Daher könne der Auffassung von Dr. H. in seiner Auskunft vom 13. März 2007, der Klägerin sei seit mindestens drei Jahren eine tägliche sechsstündige Tätigkeit nicht mehr zumutbar, nicht gefolgt werden. Bei einem zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung feststehenden Eintritt der Erwerbsminderung lägen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vor. Eine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit sei nicht nachgewiesen. Auch die von der Klägerin geltend gemachte durchgehende Arbeitsunfähigkeit nach dem Verlust des Arbeitsplatzes im März 2003 stehe nicht fest. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 19. Februar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin, die am 2. März 2009 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingegangen ist. Sie hat zur Begründung ausgeführt, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Erwerbsminderung erst zum Zeitpunkt der Antragstellung eingetreten sein soll. Dr. H. habe in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 13. März 2007 bestätigt, dass sie bereits seit mindestens 3 Jahren nicht mehr 6 Stunden täglich eine leichte Arbeit verrichten könne. Die Entlassungsberichte der Breisgauklinik enthielten jeweils nur prognostische Aussagen, die sich jeweils nicht bestätigt hätten. Vielmehr habe sich ihr Gesundheitszustand auch nach den durchgeführten Rehamaßnahmen kontinuierlich verschlechtert. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass sich der 5-Jahreszeitraum gemäß § 58 SGB VI verlängere. Weder das SG noch der vom SG beauftragte Sachverständige hätten den Sachverhalt zutreffend gewürdigt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Februar 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 23. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat bei dem Orthopäden P. die die Klägerin betreffenden Arztbriefe seines Praxisvorgängers Dr. M., beim Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald die Schwerbehindertenakte der Klägerin und beim SG die Akten S 6 SB 3766/03 beigezogen. Nachdem Dr. Sch. auf Anfrage des Senats für die Beklagte eine eingehende sozialmedizinische Stellungnahme vom 30. Juni 2009 abgegeben hat, hat der Senat eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme von Dr. Dr. Sch. nach Aktenlage vom 6. Oktober 2009 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, aus den vorliegenden Unterlagen ergebe sich nach der Knieoperation bis zur gutachterlichen Untersuchung durch Dr. R. offensichtlich eine drastische Befundverschlechterung insbesondere bezüglich der Wirbelsäulenproblematik. In der Zeit nach der Wirbelsäulenoperation und nach der Kniegelenksoperation sei jeweils eine Arbeitsunfähigkeit attestiert worden, wie sie nach solchen Eingriffen üblich sei. Sowohl die Operateure als auch die Reha-Klinik seien jeweils der Ansicht gewesen, dass nach Abklingen der postoperativen Phase eine sechsstündige berufliche Belastbarkeit für leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen gegeben gewesen sei. Zur Wegefähigkeit der Klägerin enthielten die Unterlagen keine Aussage. Man könne aber davon ausgehen, dass die Wegefähigkeit bei der Abfassung des Reha-Berichts in Betracht gezogen worden sei. Eine fehlende Wegefähigkeit der Klägerin hätte der erfahrene Leiter der Reha-Klinik Dr. K. mit Sicherheit im Abschlussbericht festgehalten und auf die daraus resultierende Erwerbsunfähigkeit hingewiesen.

Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten, die Akten des SG und die Senatsakte.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und auch sachlich begründet. Der Klägerin steht auf der Grundlage eines am 28. August 2004 eingetretenen Leistungsfalles Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu. Der dem entgegenstehende Gerichtsbescheid und die ablehnenden Bescheid der Beklagten mussten daher aufgehoben werden.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung (SGB VI). Eine Änderung der entscheidungserheblichen Regelungen ist indes auch in der Fassung nach dem 31. Dezember 2007 nicht erfolgt.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nicht erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind: 1. Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, 2. Berücksichtigungszeiten, 3. Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nr. 1 oder 2 liegt, 4. Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung. Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren ist für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

Anrechnungszeiten sind u. a. Zeiten, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI), wenn dadurch u. a. eine versicherte Tätigkeit unterbrochen ist (§ 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI).

Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung sind gemäß § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung mit 1. Beitragszeiten 2. beitragsfreien Zeiten, 3. Zeiten, die nur deshalb nicht beitragsfreie Zeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag, eine beitragsfreie Zeit oder eine Zeit nach Nr. 4, 5 oder 6 liegt, 4. Berücksichtigungszeiten, 5. Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder 6. Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 (Anwartschaftserhaltungszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, ist eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich (§ 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Hiervon ausgehend stellt der Senat fest, dass bei einem - auch von der Beklagten anerkannten - Eintritt der vollen Erwerbsminderung im Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 14. April 2005 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Der 5-Jahreszeitraum umfasst, vom Zeitpunkt der Rentenantragstellung gerechnet, die Zeit vom 14. April 2000 bis zum 13. April 2005. Die Klägerin hat den letzten Pflichtbeitrag im Januar 2002 geleistet und weist in der Zeit von Februar 1999 bis Januar 2002 36 Pflichtbeiträge auf.

Der 5-Jahreszeitraum verlängert sich nach den Feststellungen des Senats um 8 Monate, auf die Zeit vom 14. August 1999 bis zum 13. April 2005. Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen trat bei der Klägerin im Juni 2002 eine Schmerzexazerbation mit Lumboischialgien ausstrahlend über den dorso-lateralen Ober- und Unterschenkel bis in beide Fußrücken auf, weshalb am 23. Juli 2002 ein MRT der LWS durchgeführt wurde. Dieses zeigte eine multisegmentale lumbale Spinalkanalstenose mit Punktum maximum in Höhe L 4/5, weshalb die Klägerin vom 5. bis 22. August 2002 zunächst stationär in der Rheumaklinik Bad Bellingen behandelt wurde. Nachdem die konservative Therapie keine wesentliche Besserung der Beschwerden erbrachte, wurde am 3. September 2002 in der neurochirurgischen Universitätsklinik Freiburg eine Teil-hemilaminektomie LW 4/5 beidseits und eine osteoligamentäre Dekompression und Neurolyse L 5 beidseits durchgeführt. Am 6. September wurde die Klägerin wieder in die Rheumaklinik Bad Bellingen verlegt und weiter bis zum 24. September 2002 stationär behandelt. Vom 11. Oktober bis 1. November 2002 fand in der Breisgauklinik in Bad Krozingen eine Anschlussheilbehandlung statt. Im Entlassungsbericht vom 10. November 2002 führten die dortigen Ärzte aus, im Rahmen des stattgehabten operativen Eingriffs mit struktureller Schädigung des statisch belasteten Lumbosacralabschnitts und einer schon lange anhaltenden Kreuzschmerzanamnese und einer Fußgelenksarthrodese links und auch einer Arthrose des rechten Kniegelenks sei das Leistungsvermögen der Klägerin eingeschränkt. Sie werde noch etwa 3 Monate im Krankenstand verbleiben müssen bis zum Abschluss der postoperativen Rehabilitation. Somit lag bei der Klägerin von Juli 2002 bis Februar 2003 für die Dauer von 8 Monaten Arbeitsunfähigkeit vor. Arbeitsunfähigkeit ist gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI eine Anrechnungszeit, wenn durch sie eine versicherte Beschäftigung unterbrochen ist (§ 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Zwar wurde im Juli 2002 eine versicherte Beschäftigung nicht unterbrochen. Die Klägerin hat aber im Januar 2002 und somit in den letzten sechs Kalendermonaten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit den letzten Pflichtbeitrag geleistet, sodass die Voraussetzungen des Verlängerungstatbestandes gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI erfüllt sind.

Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass die am 27. Oktober 1998 eingetretene Arbeitsunfähigkeit als Anrechnungszeit gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI den 5-Jahreszeitraum verlängert. Zwar ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt nach dem 27. Oktober 1998 mehr in der Lage war, ihre Tätigkeit als Verpackerin in einem Chemiewerk mit zum Teil ganztags stehender Tätigkeit und Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg wieder aufzunehmen. So gelangte schon der Arbeitsamtsarzt Dr. W. im Gutachten vom 31. März 2000 zu dem Ergebnis, dass die Belastbarkeit der Klägerin wegen des durch Computertomogramm im September 1997 nachgewiesenen Bandscheibenvorfalls im unteren Lendenwirbelsäulenbereich und seit drei Jahren andauernder Kreuzschmerzen dauerhaft erheblich eingeschränkt sei und nur noch leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen zumutbar seien. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSGE 92, 199; Urteil vom 17. Februar 2005 - B 13 RJ 1/04 R in Juris) entfällt jedoch entsprechend dem krankenversicherungsrechtlichen Begriff der Arbeitsunfähigkeit der krankenversicherungsrechtliche Berufsschutz - und damit die Arbeitsunfähigkeit als Anrechnungszeit - spätestens drei Jahre nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit (arg. aus § 48 Abs. 1 SGB V). Die drei Jahre vom 27. Oktober 1998 bis zum 26. Oktober 2001 sind aber im Falle der Klägerin in vollem Umfang mit Pflichtbeitragszeiten abgedeckt, sodass ein Verlängerungstatbestand nicht gegeben ist.

Weitere Verlängerungstatbestände kann der Senat nicht feststellen. Im verlängerten Zeitraum vom 14. August 1999 bis zum 13. April 2005 sind nur 30 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt.

Die erforderlichen 36 Monate mit Pflichtbeiträgen sind daher nur erreicht, wenn der Leistungsfall bis zum 28. August 2004, also zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Heliosklinik zur Implantation der Kniegelenkstotalendoprothese, eingetreten wäre. Dies trifft nach den Feststellungen des Senats auf der Grundlage der vorliegenden ärztlichen Unterlagen und unter Würdigung der urkundenbeweislich verwerteten Gutachten von Dr. R. vom 18. Oktober 2000 und vom 18. Mai 2005 sowie des Gutachtens von Dr. Dr. Sch. vom 18. Februar 2008 mit ergänzender Stellungnahme nach Aktenlage vom 30. Juni 2009 zu.

Zunächst steht fest, dass sich die Klägerin am 28. August 2004 in einem Gesundheitszustand befand, welcher einer Erwerbstätigkeit entgegenstand. Sie musste sich während des stationären Aufenthalts vom 29. August bis 15. September 2004 der Implantation einer Kniegelenkstotalendoprothese rechts unterziehen und sodann eine Anschlussheilbehandlung vom 15. September bis 6. Oktober 2004 absolvieren. Auch im Entlassungsbericht vom 12. Oktober 2004 wurde ein Befund erhoben, der einer Erwerbstätigkeit zu diesem Zeitpunkt entgegenstand. Es bestand ein langsamer 4-Punkte-Gang bei deutlich eingeschränkter Kniefunktion (schmerzlose Funktion nur bis 70 Grad). Die zwei Gehstützen sollten noch "über Wochen weiter" benutzt werden. Als Prognose wurde angenommen, dass die Klägerin 14 Wochen nach dem Eingriff (also etwa am 7. Dezember 2004) wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden täglich einsatzfähig sei. Zur Wegefähigkeit wurde keine Aussage abgegeben.

Dieser Prognose ist entgegen zu halten, dass im Mai 2005, also nur 5 Monate später, Dr. R. von einem schicksalshaften Verlauf insbesondere der Wirbelsäulenproblematik berichtete, wo sich insbesondere im lumbalen Bereich eine schwere Funktionseinbuße zeigte, die eine wesentliche Belastbarkeit der Klägerin (unter 3 Stunden täglich) ausschloss. Bereits im März 2000 gelangte schon der Arbeitsamtsarzt Dr. W. zu dem Ergebnis, dass die Belastbarkeit der Klägerin wegen des durch Computertomogramm bereits im September 1997 nachgewiesenen Bandscheibenvorfalls im unteren Lendenwirbelsäulenbereich und seit drei Jahren andauernder Kreuzschmerzen dauerhaft erheblich eingeschränkt sei und nur noch leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen zumutbar seien. Auch Dr. R. fand im Oktober 2000 einen Verschleiß der LWS mit mäßiger Funktionseinbuße, weshalb der Klägerin auch unter Einbeziehung der weiteren Gesundheitsstörungen nur noch leichte körperliche Arbeiten vollschichtig zumutbar waren. Für den schicksalhaften Verlauf spricht weiter, dass die Klägerin nach der im September 2002 in der neurochirurgischen Universitätsklinik Freiburg durchgeführten Teilhemilaminektomie bei L 4/5 beidseits und der osteoligamentären Dekompression und Neuroloyse L 5 beidseits bereits am 15. Oktober 2003 wieder in der neurochirurgischen Universitätsklinik vorgestellt wurde, wo sie Schmerzen als Dauerschmerzen im rechten Bein (wie vor der Operation am 3. September 2002) und eine Kraftlosigkeit in den Beinen schilderte. Dem Schmerzzustand lag diagnostisch eine multisegmentale Lumbalkanalstenose zugrunde (Bericht von Dr. Sch.-P. vom 15.Oktober 2003).

Ein schicksalhafter Verlauf der LWS-Erkrankung wird auch durch die Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte bestätigt. Nach der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. M. vom 8. Juni 2004 im Verfahren S 6 SB 3766/03 bestand seit November 2002 immer wieder Behandlungsbedürftigkeit wegen eines Postnukleotomiesyndroms, wobei die aufeinanderfolgenden Schmerzzustände zunahmen und die Beweglichkeit der Wirbelsäule deutlich abnahm. Auch Dr. H. (sachverständige Zeugenaussage vom 7. Oktober 2004 im Verfahren S 6 SB 3766/03) bescheinigte der Klägerin eine deutliche Verschlechterung der Schmerzen, der Belastbarkeit und des Verschleißes, woraufhin die funktionellen Auswirkungen des Lendenwirbelsäulenverschleißes auch mit einem höheren GdB (Einzel-GdB von 30) berücksichtigt wurden (Stellungnahme von Dr. F. vom 18. November 2004). Damit in Übereinstimmung steht schließlich auch die sachverständige Zeugenaussage von Dr. H. vom 13. März 2007 im erstinstanzlichen Verfahren, wonach wegen erheblicher Gewichtszunahme, Abnahme der möglichen Gehstrecke und Zunahme der lumbalen Schmerzen seit mindestens 3 Jahren (also seit Beginn des Jahres 2004) eine mindestens 6-stündige leichte Arbeit nicht mehr möglich sei. Dem kann aus der Sicht des Senats nicht entgegengehalten werden, dass Dr. M. am 4. Juni 2004 bei der Prüfung der Beweglichkeit der LWS ein Schober`sches Zeichen von 4 cm, eine Drehung und Neigung der LWS nach links und rechts mit 25 Grad für die Neigung und 20 Grad für die Drehung beidseits erhoben hat, denn die von Dr. R. am 18. Oktober 2000 erhobenen Ausmaße, die er als mäßige Funktionseinschränkung bezeichnete, betrugen noch jeweils 30 Grad für die Seitneigung rechts/links (Normwerte nach der Neutral-0-Methode 40/0/40) und für die Drehung (Normwerte 50/0/50) und waren dann am 18. Mai 2005 nahezu aufgehoben. Im Übrigen hat Dr. Dr. Sch. im Gutachten vom 18. Februar 2008 darauf hingewiesen, dass trotz des degenerativen Wirbelsäulensyndroms betont im lumbalen Abschnitt mit einer Instabilität im Segment L 4/5, aufgebrauchten Bandscheibenräumen L 2/3, L4/5, L5/S 1 sowie einer nativ-radiologisch nachweisbaren Einengung des Spinalkanals auf Höhe L 4/5 auch im Zeitpunkt seiner Untersuchung wiederum ein relativ blander klinischer Befund (Rotation und Neigung jeweils 10 Grad beidseits und Schober`sches Zeichen 3 cm) vorlag. Er hat aber wegen der erheblichen belastungsabhängigen Beschwerden, verstärkt durch die massive Übergewichtigkeit, das Leistungsvermögen der Klägerin - ebenso wie Dr. R. - auf unter 3 Stunden eingeschätzt.

Hinsichtlich der schmerzverstärkenden Übergewichtigkeit ist es der Klägerin schließlich zu keiner Zeit gelungen, die von Dr. Sch.-P. im Bericht vom 15. Oktober 2003 zur Entlastung der LWS vorrangig empfohlene Gewichtsabnahme zu realisieren. Bei einer Körpergröße von 171 cm schwankte das Körpergewicht zwischen 126 kg (BMI 44,1) am 18. Mai 2005 (Gutachten Dr. R.) und 142 kg (BMI 49,7) während der stationären Behandlung in Bad Bellingen im August 2002 und bei der Begutachtung durch Dr. Dr. Sch. am 14. Februar 2008. Auch Dr. Sch.-P. bezeichnete das erhebliche Übergewicht als wesentlichen Risikofaktor auch hinsichtlich des Schmerzgeschehens und auch als ausgeprägte mechanische Erschwernis eines weiteren operativen Eingriffs, welcher deshalb nur nach deutlicher Gewichtsabnahme und einer dann fortbestehenden Schmerzsymptomatik ins Auge gefasst werden sollte.

Aufgrund dieser Umstände und der Tatsache, dass das Leistungsvermögen der Klägerin nach der Feststellung von Dr. R. wegen des schicksalshaften Verlaufs der Wirbelsäulenerkrankung und der dadurch hervorgerufenen schweren Funktionseinbuße im April 2005 bereits auf unter 3 Stunden abgesunken war und seither nach den Feststellungen von Dr. Dr. Sch. trotz gewisser funktioneller Verbesserungen wegen des Schmerzgeschehens auf diesem Niveau verbleibt, kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die Klägerin nach dem Ende der durch den Eingriff am Knie verursachten Arbeitsunfähigkeit im Dezember 2004 im Zeitraum von Mitte Dezember 2004 bis Mitte April 2005 tatsächlich wieder über 6 Stunden täglich einsatzfähig war. Dem stehen auch die drei ärztlichen Berichte nicht entgegen, welche zwischen der Entlassung aus der Rehabilitation am 6. Oktober 2004 und der Begutachtung durch Dr. R. im Mai 2005 angefallen sind. Dr. M. führte am 22. Oktober 2004 unter der Diagnose Knieendoprothese rechts aus, dass die Klägerin im Wesentlichen beschwerdefrei sei mit gelegentlichem Unsicherheitsgefühl im rechten Knie. Sowohl der sodann erhobene Befund u.a. einer erheblichen Gehbehinderung bei Benutzung von Unterarmgehstützen und der anschließende Therapievorschlag (Krankengymnastik konsequent für ein weiteres halbes Jahre, damit die Beugung im rechten Kniegelenks möglichst 90 Grad erreicht) konzentrierten sich ersichtlich ausschließlich auf das zu diesem Zeitpunkt im Vordergrund stehende Krankheitsgeschehen am rechten Knie. Während sich dieses bis zur Kontrolluntersuchung bei Dr. H. in der Heliosklinik am 10. Januar 2005 zufriedenstellend entwickelt hatte, klagte die Klägerin an diesem Tag wiederum über ausstrahlende Schmerzen im Lumbalbereich. Schließlich führte Dr. P. am 17. Februar 2005 lediglich die von Dr. H. empfohlene Kontrolle der Beinlängenungleichheit durch.

Nachdem die Leistungsfähigkeit der Klägerin zumindest seit dem 28. August 2004 auch für leichte körperliche Arbeiten nicht mehr 6 Stunden täglich erreichte und seit Mitte April 2005 auf unter 3 Stunden täglich abgesunken ist, ist bei der Klägerin der Leistungsfall der verminderten Erwerbsfähigkeit zu diesem Zeitpunkt eingetreten. Da sie zu diesem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und die allgemeine Wartezeit erfüllt, steht ihr aufgrund dieses Leistungsfalles eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved