Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SB 566/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1973/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.03.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin erstrebt die behördliche Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 80 sowie des Vorliegens einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G), einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen aG) und der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen RF).
Die im Jahre 1954 geborene Klägerin leidet im Wesentlichen an einer Depression mit somatoformen Beschwerden und einer beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit. Daneben bestehen Schulter- und Armbeschwerden, Wirbelsäulenbeschwerden sowie Kniegelenksbeschwerden.
Am 20.04.2006 beantragte die Klägerin die Erhöhung des bei ihr zuletzt mit Bescheid vom 05.07.2004 festgestellten GdB von 50 sowie die Feststellung der Merkzeichen G, aG und RF. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 07.12.2006 ab; den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2007 zurück. Am 15.02.2007 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Ulm Klage.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren, der Begründung der Bescheide, des Vorbringens der Beklagten im Klageverfahren und der von der Beklagten und vom Sozialgericht durchgeführten Ermittlungen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 16.03.2009 verwiesen.
Mit diesem Urteil hob das Sozialgericht den Bescheid vom 07.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2007 auf, verurteilte den Beklagten zur Feststellung eines GdB von 60 ab dem 20.04.2006 und wies die Klage im Übrigen ab. Zur Begründung ist ausgeführt, für die Beeinträchtigungen der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet sei insgesamt ein Teil-GdB von 40 bis 50 anzunehmen. Dies beinhalte die Depression sowie die sich damit teilweise überschneidenden erheblichen Somatisierungsneigungen und die im Zusammenhang mit den psychischen Beschwerden zu sehenden chronischen Spannungskopfschmerzen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass im nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachten von Dr. Sch. keine Zwangskrankheit beschrieben werde und auch der Bericht des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. K. eher für wechselhaft ausgeprägte Beschwerden und nicht für eine dauerhaft stark ausgeprägte Störung spreche, wobei auch die Behandlungsoptionen bislang nicht ausgeschöpft seien. Für die leichte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule komme allenfalls ein Teil-GdB von 10 in Betracht; die beschriebenen Schmerzzustände seien bereits im Rahmen des Teil-GdB für die psychischen Beschwerden berücksichtigt. Eine Funktionsbehinderung der Kniegelenke sei mangels merklicher Bewegungseinschränkung, sichtbarer Gelenksschwellungen, typischer Erguszeichnen und angesichts der festen Bandführung insbesondere an den Kniegelenken nicht ersichtlich. Gleiches gelte mit Blick auf die nicht wesentlich eingeschränkte Beweglichkeit der Schultern und Arme für das Schulter-Arm-Syndrom. Hinsichtlich des Karpaltunnelsyndroms würden aktuell keine Beschwerden mehr geschildert, so dass davon auszugehen sei, dass durch die im Jahre 2004 erfolgte Operation eine Verbesserung habe erzielt werden können; insoweit sei daher allenfalls ein Teil-GdB von 10 angemessen. Die mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit sei unter Berücksichtigung des vom behandelnden Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. M. vorgelegten Tonaudiogramms mit einem Teil-GdB von 30 zu berücksichtigen. Sofern der nicht nachgewiesene Diabetes mellitus vorliege, komme insoweit allenfalls ein Teil-GdB von 10 in Betracht. Hinsichtlich des Gesamtausmaßes der Behinderung sei der Teil-GdB für die psychischen Beschwerden von knapp 50 durch den allein ins Gewicht fallenden Teil-GdB von 30 für die mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit auf 60 zu erhöhen. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr liege nicht vor, nachdem auch der Sachverständige Dr. Sch. davon ausgehe, dass die Klägerin mehr als 2 km in einer halben Stunde zu Fuß bewältigen könne. Daher bestehe auch keine außergewöhnliche Gehbehinderung. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen RF seien ebenfalls nicht erfüllt, da weder ein Teil-GdB von 60 für eine Sehbehinderung noch ein Teil-GdB von 50 für eine Hörbehinderung und darüber hinaus auch kein Gesamt-GdB von 80 vorliege. Diese Entscheidung wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 08.04.2009 zugestellt.
Am 29.04.2009 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung beruft sie sich auf das Gutachten von Dr. Sch. und trägt im Wesentlichen vor, ihre Depression sei mit einem Teil-GdB von 50 in die Bewertung einzustellen. Das Schulter-Arm-Syndrom beidseits rechtfertige einen Teil-GdB 20. Gleiches gelte für die Wirbelsäulenbeschwerden. Schließlich bestehe aufgrund ihrer Innenohrschwerhörigkeit ein Teil-GdB von 30. Insgesamt liege ein GdB von 80 vor. Darüber hinaus habe sie Anspruch auf Feststellung der Merkzeichen G, aG und RF. Denn es bestehe eine erhebliche Einschränkung der Gehstrecke. Ferner könne sie aufgrund ihrer depressiven Erkrankung nicht in ein Parkhaus einfahren, weshalb sie auf die Benutzung von Behindertenparkplätzen angewiesen sei. Schließlich könne sie sich auch mit Hilfe eines Hörgeräts nicht ausreichend verständigen.
Mit Bescheid vom 07.07.2009 hat der Beklagte das Urteil des Sozialgerichts ausgeführt und bei der Klägerin einen GdB von 60 seit dem 20.04.2006 festgestellt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.03.2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 07.07.2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr einen GdB von 80, das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G), einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen aG) und der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen RF) seit dem 20.04.2006 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die vom Sozialgericht vorgenommene Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin für im Ergebnis zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Ulm sowie die beigezogenen Schwerbehindertenakten des Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist das von der Klägerin im Wege der verbundenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach 54 Abs. 1 SGG weiterverfolgte Begehren auf Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von 80 sowie des Vorliegens einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr, einer außergewöhnlichen Gehbehinderung und der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht seit dem 20.04.2006; der hierzu begehrten deklaratorischen Abänderung des die erstinstanzliche Entscheidung ausführenden Bescheides vom 07.07.2009, der gem. § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, kommt daneben keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, RdNrn. 6a, 43 zu § 54, 11 zu § 131).
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin eine Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von mehr als 60 sowie das Vorliegen der Merkzeichen G, aG und RF seit dem 20.04.2006 begehrt. Denn der Klägerin steht ein solcher Anspruch nicht zu.
Zutreffend hat das Sozialgericht im angegriffenen Urteil vom 16.03.2009 unter Zugrundelegung der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze” - VG (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10.12.2008 BGBl. I, S. 2412]), mit denen eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)” (AHP), von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, nicht einhergeht - die psychischen Beschwerden der Klägerin mit einem Teil-GdB von knapp 50 in die Gesamtbeurteilung eingestellt. Der Senat verweist insoweit auf die ausführlichen Ausführungen des Sozialgerichts im angegriffenen Urteil (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Diese Einschätzung entspricht im Übrigen auch der Einstufung der rezidivierenden depressiven Episoden, gegenwärtig mittelschwer, mit zeitweisen paranoiden Gedanken, berichteten Panikattacken und somatoformer Überlagerung musksokelettaler Beschwerden als mittelschwer bis schwer im auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachten von Dr. Sch. von 20.08.2008. Denn hieraus ergibt sich nach Teil B Nr. 3.7 Seite 27 der VG ein Teil-GdB zwischen 40 und 50, zu Gunsten der Klägerin mithin ein vom Sachverständigen vorgeschlagener Teil-GdB von (knapp) 50.
Auch die vom Sozialgericht vorgenommene Bewertung der Innenohrschwerhörigkeit mit einem Teil-GdB von 30, der leichten Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule mit einem Teil-GdB von 10 und des nur noch möglicherweise vorliegenden Karpaltunnelsyndroms mit einem Teil-GdB von (allenfalls) 10 ist unter Zugrundelegung der im Gutachten von Dr. Sch. angeführten Befunde zutreffend. Darüber hinaus hat das Sozialgericht ausführlich und fehlerfrei dargelegt, dass und weshalb hinsichtlich der Kniegelenke und des geltend gemachten Schulter-Arm-Syndroms keine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt. Zur weiteren Begründung wird daher auch insoweit auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Aus den angeführten Funktionsbeeinträchtigungen ergibt sich ein Gesamt-GdB von 60. Auch wegen dieser Einschätzung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Soweit zwischenzeitlich ein vom behandelnden Internisten MUDr./Univ.Kosice S. in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 10.06.2007 allerdings nicht berichteter Diabetes mellitus vorliegt, ist dieser ausweislich des Gutachtens von Dr. Sch. gut eingestellt und rechtfertigt damit unter Zugrundelegung von Teil B Nr. 15.1 Seite 73 f. der VG allenfalls einen Teil-GdB von 20. Eine Erhöhung des Gesamt-GdB geht mit dieser eher leichten Funktionsbeeinträchtigung in Ansehung der bereits anderweitig bestehenden Schwere der Behinderung der Klägerin allerdings - wie vielfach bei einem Teil-GdB von 20 (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. d ee der VG) - nicht einher.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine Bindung des Gerichts an die Einschätzung der Teil-GdB und des Gesamt-GdB durch den Sachverständigen Dr. Sch. nicht besteht, sondern der GdB als Ausmaß der Behinderung in freier richterlicher Würdigung aller Umstände, wie sie dem Verfahren des § 287 Zivilprozeßordnung (ZPO) entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr. 5), zu bewerten ist.
Die erstrebten Merkzeichen stehen der Klägerin nicht zu. Auch insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angegriffenen Urteil (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Gewährung von Parkerleichterungen für schwerbehinderte Menschen nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) - Merkzeichen aG - nur in Betracht kommt, wenn eine außergewöhnliche Gehbehinderung vorliegt; darauf, ob die Klägerin (wie sie vorträgt) aus anderen Gründen auf die Benutzung von Behindertenparkplätzen angewiesen ist, kommt es nicht an. Hinsichtlich des Merkzeichens RF sieht der Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV) vom 31.08.1991 (GBI. BW 1991, S. 745; zuletzt geändert durch den Zwölften Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge [12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 18.12.2008, GBl. BW 2009, S. 130]) seit Inkrafttreten des 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrags [vgl. Gesetz vom 17.03.2005, GBl. BW 2005, S. 189]) am 01.04.2005 in § 6 Abs. 4 verfahrensrechtlich vor, dass die zuständige Landesrundfunkanstalt über den Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht entscheidet (wobei die Verwaltungsgeschäfte des Rundfunkgebühreneinzugs nach § 2 Satz 1 der Satzung des Südwestrundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkgebühren vom 17.06.1998 [GBl. 1998, S. 551] von der Gebühreneinzugszentrale [GEZ] in Köln durchgeführt werden) und trifft § 6 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 8 eine eigenständige materiell-rechtliche Befreiungsregelung. Damit ist zwar die Rundfunkbefreiungsverordnung des Landes außer Kraft getreten und obliegt die Feststellung der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nicht mehr den Sozialbehörden. Indes hat sich hierdurch an der auf § 69 Abs. 4 i. V. mit Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zurückgehenden Zuständigkeit der Versorgungsämter zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht" nichts geändert und ist - angesichts der mit den früheren Rundfunkbefreiungsverordnungen der Länder (vgl. Nr. 33 Abs. 2 der AHP 2004) im Wesentlichen übereinstimmenden Regelungen in § 6 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 8 RGebStV - auch materiell-rechtlich keine Änderung der Beurteilungsgrundlagen für die Feststellung des Merkzeichens RF eingetreten (vgl. hierzu auch das Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 12.03.2008 [IV c 6 - 48065 - 3]).
Anlass für weitere Ermittlungen besteht nach alledem nicht, so dass der Senat die von der Klägerin begehrte Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens ablehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin erstrebt die behördliche Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 80 sowie des Vorliegens einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G), einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen aG) und der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen RF).
Die im Jahre 1954 geborene Klägerin leidet im Wesentlichen an einer Depression mit somatoformen Beschwerden und einer beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit. Daneben bestehen Schulter- und Armbeschwerden, Wirbelsäulenbeschwerden sowie Kniegelenksbeschwerden.
Am 20.04.2006 beantragte die Klägerin die Erhöhung des bei ihr zuletzt mit Bescheid vom 05.07.2004 festgestellten GdB von 50 sowie die Feststellung der Merkzeichen G, aG und RF. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 07.12.2006 ab; den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2007 zurück. Am 15.02.2007 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Ulm Klage.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren, der Begründung der Bescheide, des Vorbringens der Beklagten im Klageverfahren und der von der Beklagten und vom Sozialgericht durchgeführten Ermittlungen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 16.03.2009 verwiesen.
Mit diesem Urteil hob das Sozialgericht den Bescheid vom 07.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2007 auf, verurteilte den Beklagten zur Feststellung eines GdB von 60 ab dem 20.04.2006 und wies die Klage im Übrigen ab. Zur Begründung ist ausgeführt, für die Beeinträchtigungen der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet sei insgesamt ein Teil-GdB von 40 bis 50 anzunehmen. Dies beinhalte die Depression sowie die sich damit teilweise überschneidenden erheblichen Somatisierungsneigungen und die im Zusammenhang mit den psychischen Beschwerden zu sehenden chronischen Spannungskopfschmerzen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass im nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachten von Dr. Sch. keine Zwangskrankheit beschrieben werde und auch der Bericht des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. K. eher für wechselhaft ausgeprägte Beschwerden und nicht für eine dauerhaft stark ausgeprägte Störung spreche, wobei auch die Behandlungsoptionen bislang nicht ausgeschöpft seien. Für die leichte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule komme allenfalls ein Teil-GdB von 10 in Betracht; die beschriebenen Schmerzzustände seien bereits im Rahmen des Teil-GdB für die psychischen Beschwerden berücksichtigt. Eine Funktionsbehinderung der Kniegelenke sei mangels merklicher Bewegungseinschränkung, sichtbarer Gelenksschwellungen, typischer Erguszeichnen und angesichts der festen Bandführung insbesondere an den Kniegelenken nicht ersichtlich. Gleiches gelte mit Blick auf die nicht wesentlich eingeschränkte Beweglichkeit der Schultern und Arme für das Schulter-Arm-Syndrom. Hinsichtlich des Karpaltunnelsyndroms würden aktuell keine Beschwerden mehr geschildert, so dass davon auszugehen sei, dass durch die im Jahre 2004 erfolgte Operation eine Verbesserung habe erzielt werden können; insoweit sei daher allenfalls ein Teil-GdB von 10 angemessen. Die mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit sei unter Berücksichtigung des vom behandelnden Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. M. vorgelegten Tonaudiogramms mit einem Teil-GdB von 30 zu berücksichtigen. Sofern der nicht nachgewiesene Diabetes mellitus vorliege, komme insoweit allenfalls ein Teil-GdB von 10 in Betracht. Hinsichtlich des Gesamtausmaßes der Behinderung sei der Teil-GdB für die psychischen Beschwerden von knapp 50 durch den allein ins Gewicht fallenden Teil-GdB von 30 für die mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit auf 60 zu erhöhen. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr liege nicht vor, nachdem auch der Sachverständige Dr. Sch. davon ausgehe, dass die Klägerin mehr als 2 km in einer halben Stunde zu Fuß bewältigen könne. Daher bestehe auch keine außergewöhnliche Gehbehinderung. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen RF seien ebenfalls nicht erfüllt, da weder ein Teil-GdB von 60 für eine Sehbehinderung noch ein Teil-GdB von 50 für eine Hörbehinderung und darüber hinaus auch kein Gesamt-GdB von 80 vorliege. Diese Entscheidung wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 08.04.2009 zugestellt.
Am 29.04.2009 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung beruft sie sich auf das Gutachten von Dr. Sch. und trägt im Wesentlichen vor, ihre Depression sei mit einem Teil-GdB von 50 in die Bewertung einzustellen. Das Schulter-Arm-Syndrom beidseits rechtfertige einen Teil-GdB 20. Gleiches gelte für die Wirbelsäulenbeschwerden. Schließlich bestehe aufgrund ihrer Innenohrschwerhörigkeit ein Teil-GdB von 30. Insgesamt liege ein GdB von 80 vor. Darüber hinaus habe sie Anspruch auf Feststellung der Merkzeichen G, aG und RF. Denn es bestehe eine erhebliche Einschränkung der Gehstrecke. Ferner könne sie aufgrund ihrer depressiven Erkrankung nicht in ein Parkhaus einfahren, weshalb sie auf die Benutzung von Behindertenparkplätzen angewiesen sei. Schließlich könne sie sich auch mit Hilfe eines Hörgeräts nicht ausreichend verständigen.
Mit Bescheid vom 07.07.2009 hat der Beklagte das Urteil des Sozialgerichts ausgeführt und bei der Klägerin einen GdB von 60 seit dem 20.04.2006 festgestellt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.03.2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 07.07.2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr einen GdB von 80, das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G), einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen aG) und der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen RF) seit dem 20.04.2006 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die vom Sozialgericht vorgenommene Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin für im Ergebnis zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Ulm sowie die beigezogenen Schwerbehindertenakten des Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist das von der Klägerin im Wege der verbundenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach 54 Abs. 1 SGG weiterverfolgte Begehren auf Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von 80 sowie des Vorliegens einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr, einer außergewöhnlichen Gehbehinderung und der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht seit dem 20.04.2006; der hierzu begehrten deklaratorischen Abänderung des die erstinstanzliche Entscheidung ausführenden Bescheides vom 07.07.2009, der gem. § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, kommt daneben keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, RdNrn. 6a, 43 zu § 54, 11 zu § 131).
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin eine Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von mehr als 60 sowie das Vorliegen der Merkzeichen G, aG und RF seit dem 20.04.2006 begehrt. Denn der Klägerin steht ein solcher Anspruch nicht zu.
Zutreffend hat das Sozialgericht im angegriffenen Urteil vom 16.03.2009 unter Zugrundelegung der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze” - VG (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10.12.2008 BGBl. I, S. 2412]), mit denen eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)” (AHP), von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, nicht einhergeht - die psychischen Beschwerden der Klägerin mit einem Teil-GdB von knapp 50 in die Gesamtbeurteilung eingestellt. Der Senat verweist insoweit auf die ausführlichen Ausführungen des Sozialgerichts im angegriffenen Urteil (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Diese Einschätzung entspricht im Übrigen auch der Einstufung der rezidivierenden depressiven Episoden, gegenwärtig mittelschwer, mit zeitweisen paranoiden Gedanken, berichteten Panikattacken und somatoformer Überlagerung musksokelettaler Beschwerden als mittelschwer bis schwer im auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachten von Dr. Sch. von 20.08.2008. Denn hieraus ergibt sich nach Teil B Nr. 3.7 Seite 27 der VG ein Teil-GdB zwischen 40 und 50, zu Gunsten der Klägerin mithin ein vom Sachverständigen vorgeschlagener Teil-GdB von (knapp) 50.
Auch die vom Sozialgericht vorgenommene Bewertung der Innenohrschwerhörigkeit mit einem Teil-GdB von 30, der leichten Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule mit einem Teil-GdB von 10 und des nur noch möglicherweise vorliegenden Karpaltunnelsyndroms mit einem Teil-GdB von (allenfalls) 10 ist unter Zugrundelegung der im Gutachten von Dr. Sch. angeführten Befunde zutreffend. Darüber hinaus hat das Sozialgericht ausführlich und fehlerfrei dargelegt, dass und weshalb hinsichtlich der Kniegelenke und des geltend gemachten Schulter-Arm-Syndroms keine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt. Zur weiteren Begründung wird daher auch insoweit auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Aus den angeführten Funktionsbeeinträchtigungen ergibt sich ein Gesamt-GdB von 60. Auch wegen dieser Einschätzung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Soweit zwischenzeitlich ein vom behandelnden Internisten MUDr./Univ.Kosice S. in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 10.06.2007 allerdings nicht berichteter Diabetes mellitus vorliegt, ist dieser ausweislich des Gutachtens von Dr. Sch. gut eingestellt und rechtfertigt damit unter Zugrundelegung von Teil B Nr. 15.1 Seite 73 f. der VG allenfalls einen Teil-GdB von 20. Eine Erhöhung des Gesamt-GdB geht mit dieser eher leichten Funktionsbeeinträchtigung in Ansehung der bereits anderweitig bestehenden Schwere der Behinderung der Klägerin allerdings - wie vielfach bei einem Teil-GdB von 20 (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. d ee der VG) - nicht einher.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine Bindung des Gerichts an die Einschätzung der Teil-GdB und des Gesamt-GdB durch den Sachverständigen Dr. Sch. nicht besteht, sondern der GdB als Ausmaß der Behinderung in freier richterlicher Würdigung aller Umstände, wie sie dem Verfahren des § 287 Zivilprozeßordnung (ZPO) entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr. 5), zu bewerten ist.
Die erstrebten Merkzeichen stehen der Klägerin nicht zu. Auch insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angegriffenen Urteil (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Gewährung von Parkerleichterungen für schwerbehinderte Menschen nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) - Merkzeichen aG - nur in Betracht kommt, wenn eine außergewöhnliche Gehbehinderung vorliegt; darauf, ob die Klägerin (wie sie vorträgt) aus anderen Gründen auf die Benutzung von Behindertenparkplätzen angewiesen ist, kommt es nicht an. Hinsichtlich des Merkzeichens RF sieht der Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV) vom 31.08.1991 (GBI. BW 1991, S. 745; zuletzt geändert durch den Zwölften Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge [12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 18.12.2008, GBl. BW 2009, S. 130]) seit Inkrafttreten des 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrags [vgl. Gesetz vom 17.03.2005, GBl. BW 2005, S. 189]) am 01.04.2005 in § 6 Abs. 4 verfahrensrechtlich vor, dass die zuständige Landesrundfunkanstalt über den Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht entscheidet (wobei die Verwaltungsgeschäfte des Rundfunkgebühreneinzugs nach § 2 Satz 1 der Satzung des Südwestrundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkgebühren vom 17.06.1998 [GBl. 1998, S. 551] von der Gebühreneinzugszentrale [GEZ] in Köln durchgeführt werden) und trifft § 6 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 8 eine eigenständige materiell-rechtliche Befreiungsregelung. Damit ist zwar die Rundfunkbefreiungsverordnung des Landes außer Kraft getreten und obliegt die Feststellung der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nicht mehr den Sozialbehörden. Indes hat sich hierdurch an der auf § 69 Abs. 4 i. V. mit Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zurückgehenden Zuständigkeit der Versorgungsämter zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht" nichts geändert und ist - angesichts der mit den früheren Rundfunkbefreiungsverordnungen der Länder (vgl. Nr. 33 Abs. 2 der AHP 2004) im Wesentlichen übereinstimmenden Regelungen in § 6 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 8 RGebStV - auch materiell-rechtlich keine Änderung der Beurteilungsgrundlagen für die Feststellung des Merkzeichens RF eingetreten (vgl. hierzu auch das Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 12.03.2008 [IV c 6 - 48065 - 3]).
Anlass für weitere Ermittlungen besteht nach alledem nicht, so dass der Senat die von der Klägerin begehrte Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens ablehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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