L 34 AS 1/10 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 115 AS 42472/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 1/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. Dezember 2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsteller, mit der sie sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. Dezember 2009 wenden, mit dem dieses es abgelehnt hat, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern den Betrag von 879,- EUR auszuzahlen, ist zulässig. Sie ist auch nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG unstatthaft, weil der Beschwerdewert nicht erreicht wäre. Es ist zwar aus den Gerichtsakten ersichtlich, dass der Bevollmächtigte der Antragsteller bereits im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens nicht mehr davon ausging, dass für die Antragstellerin zu 1) Leistungen zu gewähren sind. Bei dieser Sachlage würde sich der von den Antragstellern begehrte Betrag auf 484,71 EUR reduzieren, womit der Beschwerdewert nicht erreicht wäre. Das Sozialgericht hat jedoch über den Antrag, 879 EUR auszuzahlen, entschieden und die Antragsteller machen mit ihrer Beschwerde diesen Betrag (auch weiterhin) geltend. Der Sachverhalt enthält nicht genügend Anhaltspunkte dafür, dass dieser Antrag nur deswegen gestellt worden ist, um den Beschwerdewert zu erreichen, so dass hier nicht ein Fall angenommen werden kann, bei dem rechtsmissbräuchlich ein den Beschwerdewert erreichendes Begehren geltend gemacht wird, was zur Unstatthaftigkeit der Beschwerde führen würde (vgl. zum Rechtsmissbrauch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl., § 144 Rn. 14 a m.w.N.).

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Vorliegend handelt es sich nicht um einen Fall des § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, bei dem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage dem Begehren auf einstweiligen Rechtsschutz genügen würde. Nach der genannten Vorschrift kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ganz oder teilweise anordnen. Der Antragsgegner hatte bis zum 23. Dezember 2009 keinen Bescheid erlassen, mit dem Leistungen für den Monat Dezember 2009 bewilligt worden waren. Der letzte Leistungsbewilligungsbescheid vom 29. Mai 2009 bezog sich nur auf die Zeit von Juni 2009 bis November 2009; gleiches gilt nach telefonischer Auskunft des Antragsgegners vom 25. Januar 2010 für den Bescheid, mit dem zum 1. Juli 2009 (maschinell) die Anpassung der Regelleistung vorgenommen worden war. Soweit der Sanktionsbescheid vom 10. September 2009 (der dem Antragsteller zu 2) zur Überzeugung des Senats zugegangen ist, siehe unten) Leistungen für den Monat Dezember 2009 ablehnte, kann mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das Ziel der Antragsteller nicht erreicht werden. Gleiches gilt (bezüglich der Regelleistung) hinsichtlich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den während des einstweiligen Anordnungsverfahrens ergangenen Bescheid vom 23. Dezember 2009, da dieser Bescheid aufgrund der mit Bescheid vom 10. September 2009 verhängten Sanktion die Bewilligung von Regelleistungen für den Antragsteller zu 2) für den Monat Dezember 2009 ablehnte. Soweit mit Bescheid vom 23. Dezember 2009 für den Antragsteller zu 2) Kosten der Unterkunft -KdU- (erstmals) bewilligt wurden, kommt eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung ebenfalls nicht in Betracht, da dem Begehren der Antragsteller insoweit stattgegeben worden ist.

In Betracht käme daher nur eine Regelungsanordnung. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO-).

Vorliegend ist es den Antragstellern nicht gelungen, einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Ein solcher wäre dann gegeben, wenn der Sanktionsbescheid vom 10. September 2009, wie die Antragsteller geltend machen, nicht zugegangen wäre, da er dann nicht wirksam geworden (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X-) und eine Sanktion nicht verhängt worden wäre. Zur Überzeugung des Senats ist der Sanktionsbescheid vom 10. September 2009 dem Antragsteller zu 2) jedoch zugegangen, so dass er gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X als bekannt gegeben gilt. Nach § 37 Abs. 2 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

Für den Senat besteht trotz der Behauptung der Antragsteller, der Bescheid vom 10. September 2009 sei dem Antragsteller zu 2) nicht zugegangen, kein Zweifel an diesem Zugang. Zwar ist in der Regel bei behauptetem Nichtzugang eines Verwaltungsaktes ein substantiiertes Bestreiten nicht notwendig, da dem Adressaten damit etwas Unmögliches zugemutet würde (vgl. z.B. Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Baden-Württemberg vom 30. August 2007, Az. L 6 U 1140/06, juris Rn. 32; Krasney in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 37 SGB X, Rn. 6), d.h., es reicht der Vortrag, den Bescheid nicht erhalten zu haben, um Zweifel im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X zu begründen. Ein solcher Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Die Antragsteller bzw. der Antragsteller zu 2) haben nicht nur einmal behauptet, einen Bescheid beziehungsweise Post nicht erhalten zu haben, sondern mehrmals. So haben sie angegeben, den Sanktionsbescheid des Antragsgegners vom 3. November 2009 und auch das Schreiben von V über die Höhe der monatlichen Abschläge, angeblich wegen "Postklaus" nicht erhalten zu haben. Der Senat sieht darin eine Schutzbehauptung, die immer dann vorgenommen wird, wenn der Erhalt eines Bescheides oder eines Schreibens für den Antragsteller zu 2) negative Folgen haben könnte. Diese negativen Folgen liegen bei einem Sanktionsbescheid auf der Hand. Auch der Erhalt des Schreibens von V, das die Antragsteller noch hätten einreichen sollen, damit die Abschlagszahlungen zur Vermeidung eines erneuten Stromrückstandes direkt vom Antragsgegner hätten überwiesen werden können, wäre ungünstig gewesen, da der Antragsgegner die Antragsteller bereits aufgefordert hatte, dieses Schreiben einzureichen und sie befürchten mussten, dass die erneuten Stromschulden in Höhe von 298 EUR vom Antragsgegner wegen des Nichteinreichens dieses Schreibens nicht übernommen werden würden. Weiter trägt zur Überzeugung des Senats, dass der Antragsteller zu 2) den Bescheid vom 10. September 2009 erhalten hat, der Vermerk des Mitarbeiters des Antragsgegners, Herrn G, vom 18. September 2009 bei. Entgegen der Schilderung des Antragstellers zu 2) in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 5. Februar 2010 ergibt sich aus diesem Vermerk, dass ein Sanktionsbescheid zugegangen ist. Dies zeigt sich an der Formulierung "weiter will er am 24. 9. nach der AU wg. eines WS gegen den Sanktionsbescheid hier vorsprechen". Hätte es sich um einen Widerspruch gegen einen von dem Mitarbeiter des Antragsgegners für den Fall des Nichterscheinens nur angekündigten Sanktionsbescheid gehandelt, hätte dieser nicht die Formulierung "den" Sanktionsbescheid gewählt. Auch war es entgegen dem Vortrag der Antragsteller nicht sinnlos, den Widerspruch am Telefon anzukündigen und nicht gleich einzulegen, da dieser nur schriftlich eingelegt werden kann und der Antragsteller zu 2) wegen seiner Arbeitsunfähigkeit davon ausging, erst einige Tage später beim Antragsgegner vorsprechen zu können. Auch die Tatsache, dass der Entwurf des Bescheides vom 10. September 2009 keinen Absendevermerk enthält, führt nicht dazu, hier Zweifel am Zugang zu begründen. Dass ein Bescheid zugegangen ist, und zwar zeitnah zum 10. September 2009, ergibt sich aus dem genannten Telefonvermerk vom 18. September 2009. Da gegen den Bescheid vom 10. September 2009 kein Widerspruch eingelegt wurde beziehungsweise nicht innerhalb der Monatsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG, ist dieser für die Beteiligten in der Sache bindend geworden (§ 77 SGG) und begründet die Rechtfertigung für eine Nichtbewilligung der Regelleistung für den Monat Dezember 2009 für den Antragsteller zu 2). Wegen der Bestandskraft dieses Bescheides hat der Senat nicht zu prüfen, ob die Sanktion zu Recht verhängt wurde.

Soweit die Antragsteller die "Auszahlung" der KdU für den Antragsteller zu 2) für den Monat Dezember 2009 begehren, die mit Bescheid vom 23. Dezember 2009 (erstmals) bewilligt worden sind, ist ein Anordnungsgrund, also ein Eilbedürfnis, nicht ersichtlich. Es ist nicht dargelegt, dass die Wohnung aufgrund der Nichtzahlung der Miete gekündigt wurde oder eine solche Kündigung oder gar eine Räumung droht. Die Antragsteller haben auch nicht glaubhaft gemacht, den Mietanteil für den Antragsteller zu 2) für den Monat Dezember 2009 bereits selbst an den Vermieter gezahlt zu haben, woraus sich unter Umständen ein Anordnungsgrund hätte ergeben können. Der Bevollmächtigte der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2009 auch gegenüber dem Sozialgericht mitgeteilt, dass die Antragsteller nicht nachweisen können, dass sie die Miete gezahlt hätten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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