L 7 VS 3/02

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 3 VS 2/99
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 VS 3/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Hirninfarkt als Wehrdienstbeschädigung
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten sind Ansprüche nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG).

Der am ... 1972 geborene Kläger war vom 1. April 1993 bis 31. März 1999 Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr, zuletzt im Rang eines Stabsunteroffiziers beim 1. Transportbataillon 410 in der C.-Kaserne in B. (Sachsen-Anhalt). Seit April 1999 ist er als Zivilangestellter für die Bundeswehr in A. tätig. Vom 23. August bis 12. November 1996 war er im Rahmen des IFOR-Einsatzes der NATO als Soldat des Transportbataillons GECONIFOR Camp Solaris zunächst in Kroatien, ab September 1996 in Bosnien eingesetzt, wo er als Bergetruppführer mit einem Bergefahrzeug an wöchentlichen Transporten im Konvoi teilgenommen hat. Bei diesen Fahrten mussten zum Teil Streckenabschnitte in langsamer Fahrt durch vermintes Gelände zurückgelegt werden. Einzelne Fahrten dauerten bis in die späten Nachtstunden. Die Dienstzeiten des Klägers umfassten wegen dieser Einsatzbedingungen grundsätzlich den ganzen Tag; Ruhepausen und Ruhezeiten waren vorgesehen, wurden aber unregelmäßig durchgeführt. Eine grundsätzlich mögliche geregelte Flüssigkeitszufuhr wurde nach den Angaben des Klägers und seines Kompaniechefs nicht immer konsequent durchgeführt. Verpflegung und Getränke befanden sich in den Versorgungsfahrzeugen. In der Fahrerkabine des vom Kläger gefahrenen Bergekrans befand sich eine Flasche Wasser für zwei Personen. Daneben wurde ein kleiner Getränkevorrat in einem Ablagefach am Kranausleger außerhalb der Fahrerkabine aufbewahrt.

Am 31. Oktober 1996 wurde ein Konvoi unter Beteiligung des Bergetrupps des Klägers in Marsch gesetzt, der seine Fahrt nach nächtlicher Pause am 1. November gegen 06:30 Uhr fortsetzte. Dabei war der Kläger im Wechsel mit einem zweiten Soldaten in der Kabine als Fahrer eingesetzt. Der Fahrerwechsel erfolgte anlässlich von Pausen regelmäßig nach ca. 3,5 Std. Am Abend verunglückte gegen 19:00 Uhr ein Transport-LKW bei der Fahrt durch mutmaßlich vermintes bzw. minengefährdetes Gelände und stürzte ca. 200 bis 300 m einen steilen Abhang hinab. Die vierköpfige Besatzung des Bergefahrzeugs des Klägers barg die verunglückten beiden Soldaten, von denen einer noch gehfähig war. Der zweite Soldat wurde auf einer Trage von vier Soldaten den Hang hinauf getragen, wobei wegen der Steigung aufrechtes Gehen nicht möglich war. Die beiden Verletzten wurden mit einem Hubschrauber ausgeflogen. Der Konvoi setzte gegen 01:30 Uhr (am 2. November) seine Fahrt fort und erreichte in den frühen Morgenstunden einen NATO-Stützpunkt der amerikanischen Streitkräfte. Dort legte die Einheit des Klägers eine Ruhepause bis zum Mittag des nächsten Tages ein.

Zwei Tage später fiel der Kläger durch psychische Abweichungen auf; der eingeschaltete Truppenarzt erkannte Desorientiertheit und Wortfindungsstörungen. Unter dem Eindruck einer posttraumatischen Belastungsreaktion wurde der Kläger anschließend in das Feldlazarett A2 in Trogir (Kroatien) zur weiteren Beobachtung stationär aufgenommen, wo sich am 5. November sein Zustand leicht gebessert zeigte. Am 8. November äußerte er bei einer neurologischambulanten Untersuchung, sich durch den Bergungseinsatz nicht seelisch beeinträchtigt zu fühlen, allerdings habe der verunglückte Kamerad Glück gehabt. Wegen der Minen müsse man vorsichtig sein. Sein Zustand habe sich gebessert, sei aber noch nicht in Ordnung, sodass er noch keine Schadensmeldung habe abgeben können. Für den Bergungseinsatz erteilte der Hauptmann und Kompaniechef W. dem Kläger am 10. November 1996 in Solaris "Wegen einer hervorragenden Einzeltat eine Förmliche Anerkennung" nebst Gewährung eines Sonderurlaubes von zwei Tagen. Zur Begründung gab er an, der Soldat habe am 2. November 1996 während eines Konvois im Einsatzgebiet Bosnien-Herzegowina bei der Rettung eines verunglückten Kameraden seine persönliche Sicherheit außer acht gelassen und sich in minengefährdetes Gebiet begeben und dadurch die Rettungsaktion entscheidend mitgetragen.

Am 12. November 1996 wurde der Kläger vom Feldlazarett in Trogir in das Bundeswehrkrankenhaus B. und von dort am 19. November wegen des Verdachts auf Immunvaskulitis (entzündliche Erkrankung kleinerer Arterien und Venen auf allergischhyperergischer Basis) in das Universitätsklinikum Charité, Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie, verlegt. Im Bericht des Bundeswehrkrankenhauses vom 19. November 1996 wurde der Kläger als athletisch und in gutem Allgemeinzustand beschrieben. Sein Gewicht wurde mit 80 kg, die Körpergröße mit 170 cm angegeben. Von der Charité wurde er am 6. Dezember mit der Diagnose "Mediateilinfarkt links im Bereich der Stammganglien und cortical (parietotemporal)" in das Bundeswehrkrankenhaus B. zurückverlegt. Nach dem vorläufigen Entlassungsbericht des Arztes im Praktikum G. vom 6. Dezember 1996 waren die Befunde für EKG und Langzeit-EKG unauffällig; Hinweise für cardiale Emboliequellen lägen nicht vor. Wegen einer möglichen systolischen Hypertonie bei 24h-Mittelwerten von 145/72 mmHg seien fortlaufende Kontrollen zu empfehlen. Nach den Symptomen sei in erster Linie an einen thromboembolisch entstandenen Mediateilinfarkt links zu denken. Bei cardiovaskulär unauffälligen Befunden sei eine pathologische APC-Resistenz als Ausdruck einer möglichen Störung des Gerinnungssystems mit erhöhter Gerinnungsneigung festgestellt worden. Die molekulargenetische Analyse dieser Störung sei noch nicht abgeschlossen. Bei Entlassung des Patienten sei die Broca-Aphasie deutlich gebessert gewesen, eine Restaphasie mit einzelnen Wortfindungsstörungen und Konzentrationsschwächen und verzögerter Sprachverarbeitung aber noch vorhanden.

Mit dem abschließenden Bericht vom 3. Januar 1997 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 19. November bis 6. Dezember 1996 teilten Prof. Dr. E., der Oberarzt Dr. Z. und der Arzt im Praktikum G. mit, der Patient habe nach seinen Angaben während eines Auslandseinsatzes in Kroatien Wortfindungsstörungen entwickelt. Er habe nach stundenlanger Autofahrt plötzlich kein Wort mehr sprechen können. Die Sprechstörung hätte sich nach kurzer Zeit langsam wieder zu verbessern begonnen. Eine durchgeführte Angiographie habe den Verdacht eines thrombembolischen Infarktes im Mediastromgebiet bestätigt. Trotz der in der kardiovaskulären Diagnostik erhobenen unauffälligen Befunde sei bei unklarer Quelle der Embolie in Verbindung mit der pathologischen APC-Resistenz die Indikation zur Behandlung mit Marcumar gegeben.

Vom 18. Dezember 1996 bis 29. Januar 1997 befand sich der Kläger zur Anschlussheilbehandlung in der Neurologischen Abteilung der B.-Klinik in B ... Nach dem dortigen Entlassungsbericht vom 17. Februar 1997 hatten sich die Diagnosen Broca-Aphasie (Restsymptomatik), latente Hemiparesen (halbseitige unvollständige Lähmungserscheinungen) rechts, hirnorganisch bedingte Leistungsminderung und ein Zustand nach Mediateilinfarkt links 11/96 bei A.cerebr/media-Verschluss feststellen lassen. Bei Abschluss der Behandlung seien keine Wortfindungsstörungen mehr aufgefallen, das kognitive Tempo und die Dauerbelastbarkeit seien deutlich verbessert, aber immer noch vermindert.

Die Ärzte der Neurologischen Klinik im Universitätsklinikum Charité teilten nach weiterer Auswertung der Befunde mit Bericht vom 13. März 1997 auf Nachfrage des Bundeswehrkrankenhauses B. zum Gerinnungsstatus den nachfolgenden Befund mit: "heterozygoter genetischer Befund hinsichtlich genetischer Variante Gerinnungsfaktor V an APC-Schaltstelle". Es bestehe wegen der Heterozygotie kein weiterer Bedarf zur Antikogulation über die bereits gegebene Empfehlung hinaus. Dies bedeute die weitere Verordnung von Marcumar bis einschließlich Mai, danach für weitere sechs Monate das Medikament ASS 300, "danach keine Medikamente mehr". Aus einer weiteren stationären Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus B. vom 21. bis 30. April 1997 wurde der Kläger mit der Diagnose "Zustand nach Mediateilinfarkt links im November 1996 mit ausgeheilter Broca-Aphasie und zunehmender Konsolidierung der postischämischen Defekte ICD 9:434.0" entlassen.

Am 2. Mai 1997 machte der Oberstabsarzt H. eine "Erste ärztliche Mitteilung über eine mögliche Wehrdienstbeschädigung (WDB)" und beschrieb auf der Grundlage der Angaben des Klägers den Sachverhalt zur Bergung der in Kroatien verunglückten Soldaten am 2. November 1996. Zwei bis drei Tage nach diesem Einsatz habe der Kläger Wortfindungsschwierigkeiten bemerkt. Stress, Müdigkeit und zu wenig Flüssigkeit seien wahrscheinlich Ursache für sein Befinden. Als vorläufige Krankheitsbezeichnung gab der Arzt an: "A. cerebri Teilinfarkt mit Broca-Aphasie".

Nach Beiziehung und Auswertung der medizinischen Unterlagen holte die Beklagte zunächst von Stabsarzt Rothe ein truppenfachärztliches Gutachten vom 7. Mai 1998 nach ambulanter Untersuchung des Klägers ein, wonach dieser 89 kg gewogen und über gelegentliche Kopfschmerzen und erhöhte Müdigkeit geklagt hatte. Ferner hatte er angegeben, täglich ca. zehn Zigaretten zu rauchen. Sodann ließ die Beklagte vom Facharzt für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. B. eine gutachtliche versorgungsmedizinische Stellungnahme vom 17. Juni 1998 erstellen, in der ausgeführt wurde, es hätten anlagebedingte Veränderungen zu dem Infarkt geführt, weil der thrombotische Verschluss der Arteria media links auf genetische Störungen im Bereich des Gerinnungsfaktors V zurückzuführen sei. Ein ursächlicher Zusammenhang mit wehrdienstlichen Verrichtungen sei nicht wahrscheinlich.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz mit Bescheid vom 13. August 1998 ab, da die festgestellte Gesundheitsstörung "Thrombotischer Verschluss der Arteria cerebri links mit Wortfindungsstörungen" nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung sei. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Entschädigung seien nicht erfüllt, weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den dienstlichen Einflüssen und einer Schädigung seiner Gesundheit, die zu der festgestellten Gesundheitsstörung hätten führen oder diese hätten verschlimmern können, nicht nachgewiesen sei. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass es sich bei seiner Erkrankung um eine Gesundheitsstörung handele, die aufgrund von genetischen Störungen im Bereich des "Gerinnungsfaktors V" schicksalsmäßig, d. h. eigenständig und unabhängig von äußeren Einflüssen, also auch denen des Wehrdienstes, verlaufe. Aufgrund der überragenden Bedeutung dieser anlagebedingten Veränderungen seien diese, auch unter Berücksichtigung des von ihm angegebenen Sachverhaltes, nach ärztlicher Auffassung die wesentliche Bedingung und damit im versorgungsrechtlichen Sinne alleinige Ursache für die Gefäßerkrankung. Einflüsse außerhalb des Körpers, wie die von ihm geschilderten Belastungen, seien hier von untergeordneter Bedeutung. Die ausgeübten dienstlichen Tätigkeiten hätten keine derartigen Belastungen mit sich gebracht, die nach ärztlicher Meinung geeignet gewesen wären, die vorliegende Gesundheitsstörung hervorzurufen oder zu verschlimmern.

Mit seiner dagegen am 28. August 1998 eingelegten Beschwerde machte der Kläger geltend, nach wie vor davon überzeugt zu sein, dass seine Krankheit in ursächlichem Zusammenhang mit dem Ereignis während seines Auslandseinsatzes im Oktober 1996 stehe, da vor diesem Einsatz im Rahmen seiner Verpflichtung zum Zeitsoldaten bereits mehrere Untersuchungen ohne Befund durchgeführt worden seien. Er habe seit seinem vierten Lebensjahr aktiv Geräteturnen betrieben und sei aufgrund seiner sportlichen Leistungen auch mehrmals gefördert worden. Wegen der mit diesen Leistungen verbundenen großen physischen und psychischen Belastungen hätten die Symptome der Erkrankung schon früher auftreten müssen.

Mit Beschwerdebescheid vom 11. Dezember 1998 wies die Beklagte die Beschwerde zurück und gab zur Begründung im Wesentlichen an, der Tatbestand einer Wehrdienstbeschädigung sei nur dann erfüllt, wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 81 SVG, nämlich die Wehrdienstverrichtungen bzw. wehrdiensteigentümliche Verhältnisse, das schädigende Ereignis sowie die Schädigungsfolge und der Ursachenzusammenhang zwischen Wehrdiensteinflüssen und einer Schädigung erwiesen seien. Zur Anerkennung der Gesundheitsstörung als Folge eines WDB-Tatbestandes genüge die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem WDB-Tatbestand und der Schädigungsfolge (Gesundheitsstörung). Sie sei gegeben, wenn unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spreche. Die bloße Möglichkeit oder nur der zeitliche Zusammenhang reiche für die Anerkennung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung nicht aus. In seinem Fall lägen die Voraussetzungen für die Gewährung eines Ausgleichs nicht vor. Nach dem Ergebnis der Überprüfung und Auswertung der medizinischen Unterlagen sei es nicht wahrscheinlich, dass zwischen dem erlittenen Mediateilinfarkt und einem WDB-Tatbestand ein Ursachenzusammenhang besteht, und zwar weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung. Die Tatsache, dass er beim Eintritt in den Dienst gesund gewesen, den Einflüssen des Dienstes ausgesetzt gewesen und seine Erkrankung während der Dienstzeit entstanden oder hervorgetreten sei, reiche für die Annahme einer WDB-Folge nicht aus. Grundlage für die medizinische Beurteilung seien die von der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung vertretenen Erkenntnisse über Ätiologie und Pathogenese. Seine Gesundheitsstörung sei anlagebedingt, d. h. aus innerer Ursache entstanden. Aufgrund einer genetischen Störung im Bereich des Gerinnungsfaktors V sei es bei ihm zu einer Fehlregulation dergestalt gekommen, dass sich ein thrombotischer Verschluss gebildet habe. Äußere Einflüsse - und das von ihm angeschuldigte Ereignis vom 2. November 1996 - spielten nach medizinischer Erkenntnis für das Auftreten dieser Erkrankung keine Rolle. Der Beschwerdebescheid wurde dem Kläger am 23. Dezember 1998 gegen Empfangsbekenntnis ausgehändigt.

Mit seiner am 20. Januar 1999 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, er leide seit seiner Erkrankung unter ständigen starken Kopfschmerzen und einer belastenden Konzentrationsschwäche. Er sei nicht in der Lage, sich einfache Vorgänge zu merken und könne neuen Lernstoff nicht bewältigen. Trotz logopädischer Maßnahmen bestehe weiter eine Sprachstörung, die in Stresssituationen verstärkt auftrete. Das Sozialgericht Magdeburg hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26. Januar 1999 an das örtlich zuständige Sozialgericht Stendal verwiesen. Dieses Gericht hat den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. V. mit der Begutachtung des Klägers und des Sachverhaltes beauftragt. Nach der Beweisanordnung vom 29. Juli 1999 sollte geklärt werden, welche Gesundheitsstörungen bei dem Kläger vorliegen, die mit Wahrscheinlichkeit ursächlich im Sinne der Entstehung oder Verschlimmerung auf schädigende Ereignisse oder die bisher anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen seien, ob die von der Beklagten vorgenommene medizinische Beurteilung der geltend gemachten Leiden zutreffe und - sofern Schädigungsfolgen vorlägen - wie hoch die schädigungsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit seit dem 1. Mai 1997 zu bemessen sei.

Im Gutachten vom 20. Januar 2000 führte der Sachverständige in der speziellen Anamnese aus, das fragliche Ereignis sei nach der Erinnerung des Klägers am Abend des 1. November 1996 gegen 20:00 Uhr passiert. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Konvoi noch etwa 60 bis 70 km zurücklegen müssen. Nachdem im Dunkeln ein Transport-Lkw ungefähr 200 bis 300 m einen Abhang hinunter gestürzt sei, habe sich die Besatzung des Bergekranes unverzüglich an die Bergung der zwei verletzten Kameraden aus dem Lkw gemacht. Dabei habe man sich im Dunkeln vorsichtig den Abhang entlang der Absturzstelle herunter tasten müssen, da man von einer Verminung des Geländes ausgegangen sei. Die beiden verunglückten Kameraden seien aus dem Lkw geborgen und mit einer Trage den Abhang hoch getragen worden. Der Kläger habe die Hälfte der Strecke eine der Tragen getragen, was mit einer großen körperlichen Anstrengung verbunden gewesen sei. Die beiden Verletzten seien mit einem Hubschrauber ausgeflogen worden. Gegen 2:00 Uhr nachts sei der Konvoi weitergefahren und in den frühen Morgenstunden in einem Lager der Amerikaner angekommen. Dort habe man zunächst den Rest der Nacht im Führerhaus des Bergekranes verbracht und dann bis zum Mittag des Folgetages eine Ruhepause eingelegt. Am Mittag dieses Tages sei der Konvoi ins eigene Lager weitergefahren. Der Kläger habe gegenüber dem Sachverständigen angegeben, bereits in der Nacht auf der Fahrt in das Lager ein Druckgefühl im Kopf verspürt und sich auf der Fahrt in das eigene Lager am Nachmittag unwohl und nicht fit gefühlt zu haben. Auch in den folgenden Tagen habe er sich irgendwie abgeschlagen und krank gefühlt. Am 4. November 1996 sei dann der Mutter in einem Telefonat eine Sprachstörung aufgefallen; er sei sehr kurz angebunden gewesen und habe telegrammstilartig gesprochen.

Zur medizinischen Bewertung des Sachverhaltes hat der Sachverständige ausgeführt, der Kläger habe einen Media-Teilterritorialinfarkt links im Bereich der Stammganglien sowie parietotemporal erlitten. Folge dieser Erkrankung sei eine depressiv gefärbte Wesensänderung mit Zurückgezogenheit, mangelndem Interesse, fehlender Spontaneität, vermehrter Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen. Ferner sei noch eine latente rechtsseitige Halbseitensymptomatik mit betonten Muskeleigenreflexen, suspektem Babinskizeichen sowie rechtsseitigen Orientierungsstörungen als Residuum nach dem abgelaufenen Media-Teilterritorialinfarkt nachweisbar. Die klinische Symptomatik sei funktionell nicht einschränkend, gleichwohl jedoch bei der Bemessung der Schadensfolgen zu berücksichtigen. Beim ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Infarkt und den Verrichtungen am 2. November 1996 sei zunächst der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten von ersten Symptomen und der Bergung des abgestürzten LKWs von Bedeutung. Erste körperliche Symptome seien bereits während bzw. unmittelbar nach dem fraglichen Einsatz aufgetreten. Es könnten durchaus in einem frühen Stadium einer zerebralen Minderperfusion Symptome eines körperlichen Schwächegefühls mit Unwohlsein auftreten, auch könne der Eindruck einer nur schwer einzuordnenden "Verwirrtheit" entstehen, wie dies hier offenbar der Fall gewesen sei. Möglicherweise sei auch die Versorgung mit Flüssigkeit unzureichend gewesen. Da Laborwerte mit Blutbild zur Beurteilung des Hydratationszustandes nicht vorhanden seien, gebe es für diese Vermutung aber nur indirekte Hinweise wie die Angaben des Klägers, wonach die Einsätze während der Fahrten zum Teil bis zu 16 Stunden ohne regelmäßige Pausen und ohne regelmäßige Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme gedauert hätten.

Die Frage, ob und inwieweit extreme psychophysische Belastungen, wie sie in diesem Fall vorgelegen hätten, Einfluss nähmen auf pathophysiologische Zusammenhänge der Blutzirkulation und somit als Teilursache des Infarktes anzusehen seien, lasse sich nicht zweifelsfrei beantworten. Bekannt und unbestritten sei, dass es bei Stressreaktionen über eine Cortisolausschüttung zu einer erhöhten Leukozytenzahl im Serum komme. Cortisol bewirke als Stresshormon neben einer Vielzahl weiterer Wirkungen auch eine Zunahme der Thrombozytenzahl im Blut und führe auf diese Weise auch zu einer erhöhten Thrombophilieneigung. Die Frage, ob hier Fall während des Bergungseinsatzes ein solcher pathophysiologischer Zusammenhang gegeben gewesen sei, lasse sich im Nachhinein nicht beantworten. Insgesamt sei jedoch festzustellen, dass das Gleichgewicht des Blutgerinnungssystems durch verschiedene Faktoren in Richtung einer vermehrten Gerinnungsneigung verschoben worden sei, was auch Einfluss auf die zerebrale Durchblutung genommen haben könnte. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, den heterozygoten Faktor-V-Defekt als alleinige anlagebedingte Ursache der Durchblutungsstörung anzusehen. Denn während in der europäischen Normalbevölkerung Patienten mit heterozygotem Faktor-V-Leiden ein siebenfach höheres Thromboserisiko hätten als Patienten ohne diesen Defekt, bestehe für homozygote Patienten ein 50 bis 100-fach höheres Risiko. Das häufige Vorkommen eines heterozygoten Faktor-V-Leiden-Defekts (2 bis 7%) in der Normalbevölkerung weise bereits darauf hin, dass mit diesem Defekt ein geringeres Thromboserisiko verbunden sei. Das Risiko verstärke sich jedoch, wenn andere Risikofaktoren hinzukämen. Der beim Großvater mütterlicherseits im Alter von 70 (richtig: 78) Jahren aufgetretene tödliche Infarkt sei zwar möglicherweise auch auf einen heterozygoten Faktor-V-Defekt zurückzuführen. Dies könne allerdings nicht die Tatsache erklären, dass beim Kläger bereits im Alter von 24 Jahren ein Infarkt aufgetreten ist. Wegen der bestehenden Zweifel an den Ursachen für die Erkrankung seien die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung gegeben. Die genannten Hirnveränderungen und Symptome seien als Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung aufzufassen und bedingten unter Berücksichtigung seelischer Begleiterscheinungen und Schmerzen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H ...

Die Beklagte hat demgegenüber die Ansicht vertreten, dass die Voraussetzungen der Kann-Versorgung nach § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG nicht gegeben seien. Die Anerkennung der geklagten Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Wege der Kann-Versorgung käme nur dann in Betracht, wenn über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit bestünde und daher die zur Anerkennung erforderliche Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werde. Im vorliegenden Fall bestehe jedoch in der medizinischen Wissenschaft Einigkeit darüber, dass die beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörung auf dem Vorhandensein eines heterozygoten Faktor-V-Defekts beruhe. Die vom Sachverständigen diskutierten möglichen ursächlichen Faktoren des eventuellen Flüssigkeitsmangels sowie die Tatsache, dass beim Großvater des Klägers ein Hirninfarkt erst im Alter von 70 Jahren aufgetreten sei, ließen im Vergleich zu dem nachgewiesenen Faktor-V-Defekt nicht den Schluss zu, dass diesem genetischen Defekt eine gegenüber den anderen Faktoren untergeordnete Rolle zukomme. Nur dann könnte jedoch der Verursachungsbeitrag der übrigen Risikofaktoren den des genetischen Defekts überwiegen und als ursächlich für die Entstehung der Gesundheitsstörung betrachtet werden.

Zu den Ausführungen des Beklagten hat der gerichtliche Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20. November 2000 darauf hingewiesen, dass in dem komplexen Gesamtzusammenhang des vorliegenden Falles auch andere Kausalzusammenhänge als der heterozygote Faktor-V-Mangel als alleinige Ursache für den Hirninfarkt zu diskutieren seien. Anhand der vorliegenden Unterlagen seien weder eine erhöhte Thrombozytenzahl noch eine Exsikkose (Austrocknung, Dehydration) auszuschließen oder zu belegen. Der Hirninfarkt des Großvaters sei nicht geeignet, die Bedeutung des heterozygoten Faktor-V-Mangels für den Schlaganfall des Klägers zu belegen. Dem gerinnungsfördernden Effekt eines heterozygoten Faktor-V-Mangels komme keine so überragende Bedeutung zu, wie dies der versorgungsmedizinische Dienst der Beklagten annehme. Zum Begriff der Heterozygotie sei zu erläutern, dass für jedes Erbmerkmal, also auch für den Faktor V, zwei im Normalfall identische und gesunde Gene angelegt seien. Im Falle eines homozygoten Gendefektes seien diese beiden identischen Genorte fehlerhaft angelegt, so dass ein homozygotischer Merkmalsträger ausschließlich einen defekten Gerinnungsfaktor V produziere. Im Falle eines heterozygoten Merkmalsträgers sei lediglich eines der korrespondierenden Genpaare defekt, so dass ein entsprechender Merkmalsträger neben dem defekten Gerinnungsfaktor V in gleicher Ausprägung auch den gesunden Gerinnungsfaktor V des intakten Gens produziere. Deshalb sei das Thromboserisiko eines heterozygoten Merkmalsträgers allein durch den genetischen Defekt um ein Vielfaches geringer als das eines homozygoten Merkmalsträgers. Selbst für den homozygoten Faktor-V-Leiden-Effekt sei in der medizinischen Wissenschaft umstritten, wie das Risiko thrombembolischer Komplikationen im arteriellen Schenkel des Blutkreislaufes, also für Herzinfarkte bzw. Hirninfarkte einzuschätzen sei. Es gebe zu dieser Problematik keine eindeutige und abschließende wissenschaftliche Beurteilung. Erst recht müsse für den hier gegebenen heterozygoten Faktor-V-Defekt ein eindeutig kausaler Zusammenhang verneint werden.

Mit Gerichtsbescheid vom 12. Dezember 2001 hat das Sozialgericht Stendal die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verurteilt, bei dem Kläger "Teilterritorialinfarkt im Versorgungsgebiet der A. cerebri media links mit latenter motorischer Halbseitensymptomatik rechts mit Konzentrations-, Auffassungs- und Merkfähigkeitsstörungen sowie diskreten Wortfindungsstörungen, depressiv gefärbter Wesensänderung mit Antriebsschwäche, Interesselosigkeit und Kopfschmerzen" als Wehrdienstbeschädigungsfolgen anzuerkennen und Ausgleich nach einer MdE im allgemeinen Erwerbsleben um 30 v. H. vom 1. November 1996 bis 31. März 1999 zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt: Es könne nicht gefolgert werden, dass die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen wahrscheinlich auf die Wehrdienstverrichtung vom 1./2. November 1996 zurückzuführen sind. Denn es sei über die Art der Erkrankung nichts Näheres bekannt, insbesondere ließen sich medizinisch keine Aussagen dazu treffen, ob sie durch derartige Ereignisse verursacht oder zumindest begünstigt werden kann. Der bloße zeitliche Zusammenhang mit dem Wehrdienst lasse auf einen wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang nicht schließen. Denn schicksalhafte Erkrankungen könnten jederzeit auftreten. Dem Kläger stehe jedoch ein Anspruch auf Ausgleich unter dem Gesichtspunkt der sog. Kann-Versorgung zu, weil über die Ursache der bei ihm festgestellten Leiden nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden und zumutbaren diagnostischen Mittel ein solcher Grad von Ungewissheit verblieben sei, dass für einen Zusammenhang mit besonderen Belastungen durch den Wehrdienst allenfalls das zeitliche Zusammentreffen spreche, was auch im Rahmen der Kann-Versorgung nicht ausreiche. Allerdings könne nach § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung ein geringerer Grad als die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs ausreichen, wenn über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit bestehe. Das Gericht sei davon überzeugt, dass über die Ursachen der Gesundheitsstörung des Klägers in der herrschenden medizinischen Lehrmeinung allgemeine Ungewissheit besteht und dass die Möglichkeit eines Zusammenhangs mit einer Wehrdienstbeschädigung durch diese herrschende medizinische Lehrmeinung in Betracht gezogen worden sei, so dass die Anwendung ärztlicher Erfahrungssätze auf den Verlauf des Leidens beim Kläger und den zeitlichen Zusammenhang mit der Wehrdienstbeschädigung den streitigen ursächlichen Zusammenhang nahe lege. Dies sei aus dem umfassenden nervenärztlichen Gutachten des Prof. Dr. V. vom 20. Januar 2000 sowie dessen ergänzender Stellungnahme vom 20. November 2000 zu folgern. Die Ergebnisse des Gutachtens stünden auch im Einklang mit den Anhaltspunkten (AHP). So sei in deren RdNr. 92 festgelegt, dass arteriosklerotische Gefäßkomplikationen, die während extremer Lebensverhältnisse oder im Anschluss daran in einer Reparationsphase aufträten, in der Regel als Schädigungsfolge anzusehen seien. Darüber hinaus komme nach den AHP eine Kann-Versorgung in Betracht, da die ursächliche Bedeutung extremer Lebensverhältnisse für Komplikationen, die sich selbst in nicht so enger zeitlicher Verbindung und in relativ frühem Lebensalter eingestellt haben, wissenschaftlich umstritten sei. Dem stehe nicht entgegen, dass bei dem Kläger keine degenerativen Gefäßwandveränderungen festgestellt worden seien. Im Rahmen der Kann-Versorgung komme der Arteriosklerose und den mit ihr einhergehenden Gefäßkomplikationen eine nicht zu verkennende Bedeutung zu, wenn sie mit extremen Lebensbedingungen zusammentreffen. Diese ursächliche Bedeutung trete jedoch in den Hintergrund, wenn allein durch extreme Lebensverhältnisse, z. B. im Rahmen einer Wehrdienstverrichtung oder eines Kriegseinsatzes eine Apoplexie oder periphere Durchblutungsstörungen infolge Gefäßeinengungen einträten. Solche möglichen Gesundheitsstörungen bei Soldaten im Einsatz seien allgemein bekannt und nahe liegend.

Gegen den ihr am 18. Dezember 2001 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Beklagte mit der am 14. Januar 2002 eingelegten Berufung. Sie trägt vor, die Voraussetzungen der sog. Kann-Versorgung seien nicht gegeben. Beim Kläger liege schon nicht die vom Sozialgericht angenommene arteriosklerotische Komplikation vor. Deshalb sei die Bezugnahme auf Nr. 92 der AHP sachlich unzutreffend. Zum anderen verkenne das Gericht den dort verwendeten Begriff der "extremen Lebensverhältnisse", der in Nr. 139 der AHP näher erläutert werde. Extreme Lebensverhältnisse in diesem Sinne hätten bei dem Kläger aber nicht vorgelegen. Sowohl der Sachverständige als auch das Gericht hätten verkannt, dass der Begriff der Kann-Versorgung nicht als Ersatz für einen ungeklärten Sachverhalt dienen dürfe. Hier seien für die Beurteilung des Falles wesentliche Fakten unklar. Es müssten die Umstände des dienstlichen Einsatzes, der dem Infarkt unmittelbar vorausgegangen war, näher geklärt werden. Wenn nach dem Ergebnis der Sachverhaltsermittlung die Überzeugung gewonnen werden könne, dass der Kläger körperlich und ggf. auch psychisch relevant belastet war und dass ein Flüssigkeitsdefizit bestand, wobei eine Exsikkose aber nicht unbedingt vorgelegen haben müsse, seien diese Fakten im Verhältnis zur Gerinnungsstörung zu gewichten. Dabei sei darauf zu achten, dass der Betroffene stets in den Zustand versorgungsrechtlich geschützt ist, in dem er von einem schädigenden Ereignis betroffen sei. Sollten die dienstlichen exogenen Fakten in Verbindung mit der Gerinnungsstörung von annähernd gleichwertiger Bedeutung sein, käme eine Anerkennung der Folgen des Mediainfarktes nach § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG in Betracht. Wenn hingegen die Gerinnungsstörung überwiegen sollte, müssten die Voraussetzungen für eine Anerkennung der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolge verneint werden; für eine Kann-Versorgung bliebe dann kein Raum. Zur weiteren Klärung der Kausalität werde eine hämatologische Begutachtung empfohlen. Bei der Frage nach den exogenen Faktoren müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger mit einem Gewicht von damals 82 kg bei einer Körpergröße von 172 cm sowie mit einem Nikotinabusus von mindestens 10 Zigaretten am Tag zusätzliche Risikofaktoren geschaffen habe. Rauchen wirke auch unabhängig von Gefäßveränderungen eigenständig auf das Blutgerinnungssystem und die Thrombozytenaggregation ein. Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zur körperlichen Stressbelastung und dem damit verbundenen Ursachenzusammenhang müssten mit der klaren Indikation zur medikamentösen Gerinnungshemmung konfrontiert werden. Aus versorgungsmedizinischer Sicht bestehe hier nur eine zusätzliche Mitursächlichkeit, weil der APC-Resistenz die größere ursächliche Bedeutung zukomme.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 12. Dezember 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den Gerichtsbescheid für zutreffend und vertritt die Auffassung, er sei am 2. November 1996 insgesamt einer erheblichen Stressbelastung durch die lange Fahrt, die Lärmeinwirkung im Fahrzeug, eine geringe Flüssigkeitszufuhr und den anstrengenden und gefährlichen Rettungseinsatz ausgesetzt gewesen.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Das Gericht hat Ermittlungen zum Sachverhalt durchgeführt und bei der Beklagten die Daten zur Lärmentwicklung im Fahrzeugkrahn tmil 20t FKM erfragt. Nach deren Mitteilung vom 22. November 2004 nebst beigefügten Messunterlagen hat die generelle Belastung des Bedienungspersonals bei der Bedienung dieses Fahrzeugs über dem Grenzwert von 85 dB(A) gelegen. Ohne Gehörsschutz sei die Expositionszeit eingeschränkt gewesen, wobei jeder in der Bundeswehr eingeführte Gehörschutz eine Einsatzzeit von acht Stunden am Tag erlaubt habe. Hierzu hat der Kläger vorgetragen, während der Kolonnenfahrt keinen Gehörschutz getragen zu haben. Gehörschutz habe während der Gefechte zur Verfügung gestanden, aber nicht während der Kolonnenfahrt, weil andernfalls der Funkverkehr nicht hätte abgehört werden können. Der Beklagte hat dem entgegnet, dass nach den Dienstvorschriften jeder Soldat verpflichtet sei, Gehörschutzstopfen zu benutzen. In dem Fahrzeugkran, den der Kläger beim Einsatz gefahren habe, sei der Funkverkehr mittels eines Lautsprechers hörbar. Der Lautsprecher sei so einstellbar, dass er auch beim Tragen von Gehörsschutz hörbar sei.

Sodann hat der Berichterstatter zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes mit Beweisanordnung vom 10. Oktober 2005 Prof. Dr. F. zum Sachverständigen bestellt und ihm die Beantwortung folgender Beweisfragen aufgegeben:

Welche Gesundheitsstörungen nicht nur vorübergehender Art haben bei dem Kläger im Bereich der Blutbildung sowie des Gehirns ab dem 2. November 1996 vorgelegen? Erläuterung: Bitte prüfen Sie in diesem Zusammenhang, ob beim Kläger eine Arteriosklerose durch Erkrankung oder eine Thrombangitis obliterans bestand.

Stehen die festgestellten Gesundheitsstörungen mit Wahrscheinlichkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Einsatz des Klägers am 1./2. November 1996? ( ) Es ist zu prüfen, ob neben den Anlagen (Störung des Gerinnungsfaktors) und nicht auf den Wehrdienst zurückzuführenden möglichen Einwirkungen (Rauchen) die Ereignisse während dem 1./2. November 1996 wesentlich mitursächlich für den Eintritt der Gesundheitsschädigung waren.

Falls eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nicht möglich ist, weil über die Ursache des Leidens in der medizinischen Wissenschaftsungewissheit besteht: Liegen die Voraussetzungen für eine "Kann-Versorgung" vor? ( )

Mit welcher Einzel-Minderung der Erwerbsfähigkeit bewerten Sie die bei dem Kläger seit dem 2. November 1996 vorliegenden einzelnen Gesundheitsstörungen, und mit welcher Gesamt-MdE bewerten Sie alle Gesundheitsstörungen seit dem 2. November 1996, die auf die schädigenden Vorgänge zurückzuführen sind ? ( ).

Mit Gutachten vom 18. Mai 2006 führte Professor Dr. F. aus, es sei nicht zweifelhaft, dass der Schlaganfall tatsächlich zumindest zeitlich durch die körperliche Anstrengung am 1. November 1996 ausgelöst worden ist. Der heterozygote Gendefekt habe eine deutlich geringere Gerinnungsneigung als der homozygote Faktor-V-Defekt. Bei dem Mangel an wissenschaftlichen Daten könne es im Nachhinein nicht beurteilt werden, in welchem Ausmaß genau die Gerinnungsstörung den Schlaganfall bewirkt habe. Da bei der Rettungsaktion am 1. November 1996 eine nicht ständig vorkommende erhebliche körperliche und psychische Belastungssituation vorgelegen habe, die unstreitig im Zusammenhang mit dem Schlaganfall stehe, erscheine bei der erheblichen Unsicherheit der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs die Annahme angemessen, die Anstrengung wie auch die genetische Veranlagung hätten zu gleichen Teilen zu den Schlaganfall beigetragen. Die Erkrankung "Thrombangiitis obliterans" liege beim Kläger nicht vor, da die hierfür typischen Krankheitsanzeichen wie nicht heilende Geschwulste und Gangränen an Fingern und Zehen nicht feststellbar seien.

Der Anteil der körperlich-seelischen Belastung an der Durchblutungsstörung im Zusammenhang mit der genetisch bedingten Gerinnungsstörung des Blutes bleibe unklar. Grundsätzlich sei bei einem Gesunden nicht bekannt, dass eine körperliche oder seelische Belastung zu einem Schlaganfall führen könne. Die vom versorgungsmedizinischen Dienst der Beklagten betonte angeborene Gerinnungsneigung als Hauptursache für den Schlaganfall sei allerdings nicht zu bestätigen, da nicht klar sei, in welcher Häufigkeit und in welchem Ausmaß die anlagebedingte Gerinnungsstörung zu Spontanverschlüssen von Hirnschlagadern führen könne. Da diese Umstände kontrovers diskutiert würden und Fakten nicht vorlägen, an dem klaren zeitlichen Zusammenhang aber auch nicht der geringste Zweifel bestehe, erscheine es nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft am wahrscheinlichsten, dass sowohl die körperlich-seelische Anstrengung am 1. November 1996 als auch die genetisch bedingte Disposition zur vermehrten Gerinnung zu gleichen Teilen den Verschluss der mittleren Hirnschlagader links hervorgerufen habe. Das Ausmaß des Übergewichtes und des Rauchens erscheine nach Durchsicht der Akten für eine besondere Gefährdung nicht ausreichend. Weder habe die Gerinnungsneigung allein ausgereicht, ein solches Ereignis auszulösen noch würde eine derartige Belastung wie die vom 1. November 1996 bei einem vollständig Gesunden ausreichen, einen Schlaganfall auszulösen. Erst das Zusammentreffen der genetischen Anlage und der Belastung hätten ausgereicht, den Schlaganfall auszulösen. Deshalb handele es sich bei dem Einsatz vom 1. November 1996 nicht nur um eine Gelegenheitsursache, sondern um eine Mitursache, deren Anteil als genauso hoch wie die anlagebedingte Gerinnungsstörung eingestuft werden müsse. Die anderen genannten möglichen Mitursachen wie das Übergewicht und das Rauchen erschienen demgegenüber von untergeordneter Bedeutung. Im Ergebnis sei der Ansicht von Prof. Dr. V. zu folgen, wonach wegen der Ungewissheit innerhalb der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung vorlägen. Die schädigungsbedingte MdE sei in Übereinstimmung mit den Vorgutachtern nach eigener Untersuchung auf 30 v. H. einzuschätzen.

Der von der Beklagten erneut eingeschaltete Oberfeldarzt Dr. U. (Internist und Sozialmediziner) hat in seiner versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 25. August 2006 zu dem Gutachten des Prof. Dr. F. ausgeführt, der Sachverständige habe im Vergleich zu dem vorherigem Gutachten des Prof. Dr. V. und den Ausführungen des Sozialgerichts eine plausible Begründung gegeben und sei zu dem Ergebnis einer nicht sicher abschätzbaren Mitursächlichkeit des Einsatzes vom 1. November 1996 gelangt. Er bewerte die für einen Gesunden nicht außergewöhnlichen Belastungen aber als gleichwertige Ursache für den Schlagaderverschluss und erkläre sie damit zur versorgungsmedizinischen Hauptursache. Dies stehe im Kontrast zu außergewöhnlichen Belastungen im Sinne der Kann-Versorgung gemäß Nr. 139 der AHP. Träfe die Ansicht des Sachverständigen zu, würde eine nicht ständig vorhandene erhebliche körperliche und psychische Belastung, wie sie im Rettungswesen regelmäßig zu erwarten sei, zur ausreichenden Voraussetzung für die Kann-Versorgung werden. Nach Auffassung des Sachverständigen führe der Mangel an wissenschaftlichen Daten und die fehlende Klarheit über die Wahrscheinlichkeit zur Heranziehung der Kann-Versorgung. Aus versorgungsärztlicher Sicht sei hier aber eine anerkannt wahrscheinliche Ursache in Konkurrenz zu einer qualifizierten möglichen Ursache getreten. Die Anerkennung sei daher nicht im Sinne der Kann-Versorgung, sondern im Sinne der Wahrscheinlichkeit zu prüfen.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. Mai 2007 hat der Sachverständige zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs ausgeführt: Im Sinne der Kann-Versorgung sei festzustellen, dass eine Wahrscheinlichkeit nicht in Prozenten beziffert werden könne, da die wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür nicht ausreichten. Da jedoch der enge zeitliche Zusammenhang der Belastung durch den Einsatz am 1. November 1996 und das Zusammenwirken mit dem Gendefekt zweifelsfrei sei, nehme er an, dass tatsächlich die erhebliche körperlich-seelische Belastung eine Mitursache sei. Es lägen nur dafür die wissenschaftlichen Erkenntnisse bisher nicht vor. Es bleibe wissenschaftlich ungeklärt, ob eine starke körperlich-seelische Belastung, die normalerweise nicht zu einem Schlaganfall führe, im Zusammenhang mit der Gerinnungsneigung doch zu einem Schlaganfall führe und welches Ausmaß beiden Bedingungen, nämlich der Krankheitsanlage und der zeitlich in unmittelbarem Zusammenhang stehenden starken körperlichen Belastung zukomme. Da dies wissenschaftlich ungeklärt sei, seien die Bedingungen der Kann-Versorgung erfüllt. Zur Minderung der Erwerbsfähigkeit hat der Sachverständige angegeben: Da sich fünf Jahre nach dem Hirninfarkt noch eine deutliche Verlangsamung des Patienten und eine Seitenlähmung des Körpers nachweisen lasse, sei von einer wesentlichen Störung der Hirnfunktionen auszugehen, die in Übereinstimmung mit den Vorgutachtern auf 30 v. H. einzuschätzen sei.

Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, die Krankheitsanlage in Form der angeborenen Gerinnungsstörung sei für die Verursachung des Hirninfarktes von überragender Bedeutung. Demgegenüber sei das schädigende Ereignis, der Rettungseinsatz, bloße Gelegenheitsursache. Denn die Gerinnungsstörung könne thromboembolische Komplikationen herbeiführen, körperliche Belastungen könnten dies üblicherweise aber nicht. Es sollten daher ergänzende gutachtliche Angaben über die kausale Bedeutung von körperlicher Belastung für einen thromboembolischen Hirninfarkt angefordert werden.

Der Beigeladene hat in seiner Stellungnahme vom 14. August 2007 die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung lägen nicht vor, da Ätiologie und Pathogenese des hier zur Diskussion stehenden Hirninfarkts nicht unklar seien. Daher sei die Frage des ursächlichen Zusammenhanges nicht unter den Voraussetzungen des § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG, sondern unter denen das § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG zu diskutieren. Da die bisherige Sachaufklärung keine Ergebnisse gebracht habe, die es zuließen, zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass die mit dem Einsatz verbundenen Belastungen eine zumindest annähernd gleichwertige Bedingung und damit Ursache im Rechtssinne für das Auftreten eines Hirninfarktes seien, lägen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beschädigtenrente unter den Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 Satz 1 SVG nicht vor.

Die Beklagte hat mit ihrer Stellungnahme vom 19. Oktober 2007 geltend gemacht, eine extreme psychophysische Belastung sei als wesentliche Ursache einer zusätzlich und entscheidend vermehrten Gerinnung nicht anzunehmen, und zwar weder als Ursache im Sinne der Wahrscheinlichkeit noch als Möglichkeit für die Kann-Versorgung. Die Induktion von Gerinnungsstörungen durch Lärm sei wissenschaftlich nicht hinreichend belegt. Der Zigarettenkonsum des Klägers erscheine als nachträglich bagatellisiert.

In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme hat der Sachverständige Prof. Dr. F. ausgeführt, es könne nach dem Stand der Wissenschaft derzeit nicht angenommen werden, dass eine starke körperliche Anstrengung ohne zusätzliche Erkrankung des Patienten zu einer Hirndurchblutungsstörung führen könne. Erst das Zusammentreffen mit der vermehrten Gerinnungsneigung des Patienten in dem jugendlichen Alter ohne wesentliche Vorerkrankungen nach starker körperlicher Anstrengung lasse vermuten, dass zwischen dem angeschuldigten schädigenden Ereignis und der höheren Durchblutungsstörung ein ursächlicher Zusammenhang eher anzunehmen ist, als das er zu verneinen wäre. Da darüber hinaus eine andere Erklärung für das Ereignis nicht vorliege, seien hier die Voraussetzungen für die Kann-Versorgung erfüllt.

Mit weiterer Beweisanordnung vom 3. April 2008 hat der Berichterstatter Prof. Dr. H. zum Sachverständigen bestimmt und zum Sachverhalt u. a. darauf hingewiesen, der andere Sachverständige, Prof. Dr. F., habe angenommen, wegen der Ungewissheit der Folgen der Blutgerinnungsstörung sei die Ursachenfrage nicht beurteilbar, und habe wegen dieser Ungewissheit die Aufteilung der Ursache zu je der Hälfte für angemessen gehalten. Ferner habe er angenommen, allein wegen des zeitlichen Zusammenhangs sei eine hälftige Mitverursachung am wahrscheinlichsten. Daneben habe er die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung angenommen. Allerdings habe dieser Sachverständige die Beweisfragen nicht anhand der zugrunde zu legenden Anhaltspunkte beantwortet und ferner nicht beachtet, dass ein rein zeitlicher Zusammenhang keine Rückschlüsse auf die Ursächlichkeit zulasse und eine Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft es nicht rechtfertige, jeweils einen hälftigen Ursachenanteil anzunehmen. Schließlich habe dieser Sachverständige auch nicht berücksichtigt, dass eine sog. Kann-Versorgung nicht allein wegen einer Ungewissheit in der ärztlichen Wissenschaft in Betracht komme. Es müsse sich vielmehr um einen sog. Katalogfall handeln, der in den Anhaltspunkten dokumentiert sei. Da die Beweisfragen bisher nicht hätten beantwortet werden können, sei eine nochmalige Begutachtung erforderlich.

Der Sachverständige Prof. Dr. H. hat in seinem fachneurologischen Gutachten vom 14. Juli 2008 nach ambulanter Untersuchung des Klägers folgende Diagnosen gestellt:

Zustand nach embolischen Infarkten im linken Media-Stromgebiet 11/1996

Zustand nach Nikotinabusus (3 py)

Heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation

Arterieller Hypertonus

Leichtgradige depressive Episode ("Post-Stroke-Depression")

Ferner hat er ausgeführt: Beim Kläger habe keine Arteriosklerose entsprechend den Bestimmungen der AHP bestanden. Die Untersuchungen hätten keine Hinweise auf arteriosklerotische Gefäßveränderungen mit daraus resultierenden Gefäßstenosen ergeben. Hinweise für eine Thrombangiitis obliterans bestünden mangels entsprechender klinischer Symptome ebenfalls nicht. Wegen des Alters des Klägers zum Zeitpunkt der embolischen Infarkte von 24 Jahren sei der Schlaganfall als juveniler Insult (Alter 18 bis 45 Jahre) zu bezeichnen. Beim juvenilen Insult spiele neben den etablierten zerebrovaskulären Risikofaktoren eine Vielzahl anderer Insultursachen eine bedeutsame Rolle. Außerdem lägen aufgrund des seltenen Vorkommens vieler möglicher Insultursachen keine systematischen und an einer ausreichenden Fallzahl erhobenen Daten vor. Das bei dem Kläger beschriebene MR-topographische Infarktmuster weise auf eine embolische Infarktpathogenese hin. Allerdings habe bei der bei ihm durchgeführten apparativen Zusatzdiagnostik keine Emboliequelle nachgewiesen werden können. Für die Verursachung eines embolischen juvenilen Insultes bei Männern durch eine heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation oder durch die Kombination einer heterozygoten Faktor-V-Leiden-Mutation mit einem Nikotinabusus gebe es derzeit keine wissenschaftliche Evidenz. Demgegenüber sei bei Frauen die wissenschaftliche Datenlage bei diesem Krankheitsbild uneinheitlich.

Es sei keine Aussage über die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs der physischen und akuten psychischen Belastungen während des Einsatzes des Klägers am 1./2. November 1996 mit dem Auftreten des juvenilen Insultes möglich. Zwar gebe es aus klinischen Studien an gesunden Probanden Hinweise dafür, dass eine akute psychische Belastung von nur zehn Minuten Dauer zu einer Veränderung von hämostaseologischen Faktoren (Erhöhung der Plättchenaggregation, des Hämatokrits und des totalen Plasmaproteins) führe, die in der Entstehung von Thromboembolien und Ischämien eine entscheidende Rolle spielten. Es existierten jedoch keinerlei wissenschaftliche Studien zu der Frage, ob eine akute psychophysische Belastung oder das Zusammentreffen einer heterozygoten Faktor-V-Leiden-Mutation mit einer akuten psychophysischen Belastung mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten eines juveniler Insultes verknüpft seien. Es lägen die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung entsprechend der AHP vor, auf deren Seite 154 es heiße: "Sofern bei anderen, selteneren und nicht bekannten Leiden ebenfalls die in Abs. 2 dargelegten Voraussetzungen erfüllt sind, ist auch bei diesem Leiden eine Kann-Versorgung in Erwägung zu ziehen". Da der embolische juvenile Insult des Klägers alle medizinischen Voraussetzungen einer Kann-Versorgung erfülle, sei es gerechtfertigt, sie auch anzunehmen. Vor dem Auftreten des Hirninfarktes habe der Kläger einen mäßigen Nikotinabusus betrieben. Ein vermehrter Nikotinabusus sei insbesondere mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten eines mikroangiopathischen Hirninfarktes assoziiert. Ein solcher Infarkt habe bei dem Kläger jedoch nicht nachgewiesen werden können. Nach der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage gebe es auch keine Evidenz dafür, dass eine alleinige heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation oder die Kombination von heterozygoter Faktor-V-Leiden-Mutation und Nikotinabusus bei Männern einen juvenilen Insult verursachen könne. Aus dem Beginn einer oralen Antikoagulation mit Macumar könne nicht darauf geschlossen werden, dass der heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation eine ursächliche Bedeutung zukommt. Die embolischen Infarkte im linken Mediastromgebiet, die bei dem Kläger aufgetreten seien, gehörten damit zu jenen Subtypen der juvenilen Insulte, über deren Ätiologie und Pathogenese in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit bestehe (kryptogener juveniler Insult). Es lasse sich theoretisch ein ursächlicher Einfluss des Einsatzes am 1./2. November 1996 auf die Entstehung der embolischen Infarkte in Erwägung ziehen, da in wissenschaftlichen Studien habe gezeigt werden können, dass erhöhte psychische Belastungen oder physische Belastungen zu einer Veränderung der Hämostase und Hämorheologie führen, die mit einem erhöhten Risiko für eine Thrombogenese assoziiert seien. Allerdings existierten dazu bislang keine klinischen Studien. Das größte Risiko für eine stressinduzierte Thrombogenese scheine in dem Zeitraum unmittelbar nach einer psychischen oder physischen Beanspruchung, aber nicht während einer solchen Beanspruchung, vorhanden zu sein. Bei dem Kläger seien die embolischen Hirninfarkte innerhalb weniger Tage nach der psychophysischen Belastungssituation aufgetreten. Damit bestehe eindeutig eine geeignete zeitliche Verbindung zwischen dem wehrdienstlichen Schädigungsereignis und der Gesundheitsstörung.

Die Beklagte hat mit der versorgungsmedizinischen gutachtlichen Stellungnahme vom 3. Juni 2009 zu dem Gutachten von Prof. Dr. H. vorgetragen, ein Schlaganfall bei jüngeren Menschen sei kein außergewöhnliches Ereignis, so dass für eine solche Erkrankung auch keine außergewöhnlichen körperlichen und seelischen Anstrengungen notwendig seien, diese herbeizuführen. Starke körperliche Anstrengungen über mehrere Stunden bei einem sonst immer gesunden jungen Mann erschienen versorgungsmedizinisch nicht als berücksichtigungsfähige Ursache eines Schlaganfalls und würden auch nicht in der wissenschaftlichen Literatur als statistisch erkennbares Risiko beschrieben. Es sei daran festzuhalten, dass es sich bei der genetisch fixierten Gerinnungsstörung mit der Empfehlung einer Gerinnungsstörung durch Einnahme von Medikamenten um die bedeutsame Ursache handele. Im Verhältnis zu dieser Bedeutung sei der ungünstige Einfluss des geltend gemachten schädigenden Vorganges nachrangig.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte verpflichtet, die Erkrankung des Klägers als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 vom 100 entschädigen.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 und 4, § 55 Abs. 1 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Der Rechtsstreit betrifft Ansprüche nach den §§ 85 bis 86 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG). Diese Angelegenheiten werden nach § 88 Abs. 1 Satz 1 bei Behörden der Bundeswehrverwaltung vom Bundesministerium der Verteidigung durchgeführt; auf sie wird mit näherer Maßgabe nach § 88 Abs. 7 SVG das SGG angewendet. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind deshalb für Klagen gegen Widerspruchsbescheide des Bundesministeriums der Verteidigung zuständig. Die Beiladung des Landes Sachsen-Anhalt war notwendig (§ 75 Abs. 2 SGG), weil eine rechtskräftige Entscheidung eines Gerichtes der Sozialgerichtsbarkeit über einen Anspruch nach den §§ 85 bis 86 oder 81 bis 81d SVG insoweit auch für eine auf derselben Ursache beruhenden Rechtsstreitigkeit über einen Anspruch nach § 80 SVG verbindlich ist (§ 88 Abs. 7 Nr. 2 SVG).

Nach § 85 Abs. 1 SVG erhalten Soldaten wegen der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung (dazu unter 1) während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 30 Abs. 1 und § 31 Satz 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG – dazu unter 2).

1. Der Kläger hat eine Wehrdienstbeschädigung erlitten. Wehrdienstbeschädigung ist nach § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Die gesundheitliche Schädigung besteht, wie zwischen den Beteiligten nicht umstritten und nach Aktenlage eindeutig festgestellt worden ist, in einem Media-Teilterritorialinfarkt (Hirninfarkt) mit Folgeerscheinungen. Der Kläger hat diese gesundheitliche Schädigung auch durch eine Wehrdienstverrichtung erlitten, als er an der Bergung zweier verunglückter Soldaten beteiligt war. Auch hinsichtlich des zeitlichen Zusammentreffens der gesundheitlichen Schädigung mit der Wehrdienstverrichtung bestehen hier keine Zweifel. Der Frage, ob nicht auch dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse vorgelegen haben (Militärtransport durch minengefährdetes Gebiet) brauchte der Senat deshalb nicht nachzugehen. Im Sinne eines Vollbeweises stehen demnach die einzelnen Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang [Bergung verunglückter Soldaten], primäre Schädigung [Hirninfarkt], Schädigungsfolgen [latente motorische Halbseitensymptomatik rechts; depressiv gefärbte Wesensänderung] fest (vergleiche zum Beweismaßstab in der Soldatenversorgung BSG, Urteil vom 17. 7. 2008, B 9/9a VS 5/06 R, RdNr ... 19, sowie zum Versorgungsrecht Urteil vom 15. 12. 1999, B 9 VS 2/98 R, beide zitiert nach juris). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen schädigendem Vorgang, primärer Schädigung und erster Schädigungsfolge ist versorgungsrechtlich demgegenüber als Beweismaßstab eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (§ 81 Abs. 6 Satz 1 SVG) zugrunde zu legen; es muss also nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang sprechen (BSG, Urteil vom 17. 7. 2008, a.a.O.). Die Regelung des § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG entspricht § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG, der für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung ebenfalls die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs genügen lässt.

In der Kriegsopferversorgung (und damit auch in der Soldatenversorgung) gilt demnach wie in der Unfallversicherung die Ursachentheorie der "wesentlichen Bedingung". Das Wesen der Theorie von der wesentlichen Bedingung ist in Übereinstimmung mit der Rechtslehre und Rechtsprechung wie folgt umrissen (vgl. Rohr/Strässer, Stand: Okt. 2007, Anm. 10 zu § 1 BVG): Ursachen sind die Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, sind sie versorgungsrechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Kommt einem der Umstände gegenüber dem anderen eine überragende Bedeutung zu, ist dieser Umstand allein Ursache im Sinne des BVG. Die Entscheidung darüber, welche Bedingungen als Ursache oder Mitursache im Rechtssinne zu gelten haben und welche nicht, muss im Einzelfall aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 10. Juni 1955, 10 RV 390/54, BSGE 1 S. 76).

Nach diesen Grundsätzen spricht hier mehr dafür als dagegen, dass der Hirninfarkt wesentlich durch die Wehrdienstverrichtung herbeigeführt worden ist. Der vom Sozialgericht beauftragte Sachverständige Prof. Dr. V. hat es als "bekannt und unbestritten" bezeichnet, dass Stressreaktionen, wie sie der Kläger bei der Bergung der Soldaten erfahren hat, über eine Ausschüttung von Cortisol u. a. auch eine Erhöhung der Thrombozytenzahl im Blut und damit eine erhöhte Thrombophilieneigung bewirken. Es hätten verschiedene Faktoren vorgelegen, die das Gleichgewicht des Blutgerinnungssystems in Richtung vermehrter Gerinnungsneigung verschoben haben und damit Einfluss auf die zerebrale Durchblutung genommen haben könnten. Auch der im Berufungsverfahren eingeschaltete Sachverständige Prof. Dr. F. kommt zu einer ähnlichen Bewertung. Er hat zwar zunächst die Ansicht vertreten, es sei bei einem Gesunden prinzipiell nicht bekannt, dass eine körperliche oder seelische Belastung zu einem Schlaganfall führen könne. Allerdings hat er es als "nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft" am wahrscheinlichsten bezeichnet, dass sowohl die körperlich-seelische Belastung als auch die genetisch bedingte Disposition zur vermehrten Gerinnung "zu gleichen Teilen" den Verschluss der mittleren Hauptschlagader links hervorgerufen haben. Der Einsatz vom 1. November 1996 sei deshalb als Mitursache anzusehen. Schließlich hat auch der weitere vom Senat herangezogene Sachverständige Prof. Dr. H. unter Hinweis auf wissenschaftliche Studien die Bedeutung einer Veränderung des Blutbildes durch erhöhte psychische Belastungen hervorgehoben und die Ansicht vertreten, das größte Risiko für eine stressinduzierte Thrombogenese scheine unmittelbar nach einer psychischen oder physischen Beanspruchung, nicht aber währenddessen zu bestehen.

Diese im Kern letztlich übereinstimmenden Wertungen der gerichtlichen Sachverständigen führen zur der Bewertung der Wehrdienstverrichtung als rechtlich wesentliche Mitursache für das Auftreten des Hirninfarktes. Denn in allen Gutachten wird unter Hinweis auf den derzeitigen Stand der Wissenschaft die Auswirkung von erheblichen psychischen und physischen Belastungen auf das Gerinnungsverhalten des Blutes betont. Auch wenn, wie Prof. Dr. H. betont hat, es naturgemäß keine wissenschaftlichen Studien zur der Frage geben kann, inwieweit durch erhebliche physische und psychische Belastungen ein Infarkt hervorgerufen werden kann, steht doch allgemeingültig fest, dass sie das Gerinnungsverhalten des Blutes verändern. Daraus ist zu schließen, dass sich im Falle des Klägers die einsatzbedingte erhöhte Gerinnungsneigung des Blutes im Zusammenwirken mit dem genetischen Gerinnungsdefekt zu einem Gefäßverschluss gesteigert und damit den Hirninfarkt wahrscheinlich herbeigeführt hat. Die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhanges ist nicht nur mit den allgemeinen wissenschaftlichen Ausführungen der Sachverständen, sondern auch mit den konkreten Einsatzbedingungen am 1./2. November 1996 vor Ort im Kosovo zu begründen. Denn zum Unfallzeitpunkt dauerte die Fahrt im Konvoi bereits seit mehr als zwölf Stunden an und sollte alsbald nach Ankunft in einem Lager der amerikanischen Streitkräfte enden. Die Flüssigkeitszufuhr erfolgte nach den glaubhaften Ausführungen des Klägers auf solchen Fahrten unregelmäßig, sodass zwar mangels näherer Angaben nicht der Schluss auf eine Austrocknung, durchaus aber auf einen Flüssigkeitsmangel gezogen werden kann. Dieser Mangel dürfte bereits zum Zeitpunkt des Unfalls bestanden haben, weil nach allgemeiner Lebenserfahrung und Kenntnis von wehrdienstlichen Umständen die an sich in regelmäßigen Abständen gebotene Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme während der Nachmittagsstunden häufig auf die Zeit nach dem Einsatz - und damit in den Abend - verschoben wird. Der damit wahrscheinliche (leichte) Flüssigkeitsmangel dürfte sich während der mehrstündigen Bergungsaktion deutlich verstärkt haben. Als weiterer nachteiliger Effekt ist die Lärmbelastung in der Fahrerkabine anzusehen, wodurch die ohnehin bestehende physische Belastung verstärkt worden ist. Schließlich war der eigentliche Bergungsvorgang mit einer erheblichen physischen und psychischen Belastung verbunden, da das Gebiet als minengefährdet galt und zumindest einer von zwei verunglückten Soldaten einen steilen Hang über eine Strecke von 200 bis 300 m bergauf getragen werden musste. Auch ohne genaue Kenntnis sämtlicher Einzelheiten ist anhand dieser Umstände auf eine sehr hohe körperliche und seelische Belastung zu schließen, die in dieser Form im zivilen Leben nur selten auftritt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten tritt der Ursachenbeitrag der Wehrdienstverrichtung nicht als unwesentlich hinter den des genetischen Gerinnungsdefekts zurück. Zunächst erscheint es zutreffend, auch dem Gerinnungsdefekt eine wesentliche Mitursächlichkeit für das Entstehen des Hirninfarkts zuzuweisen. Für die Schlussfolgerung, darin sei die überragende und damit allein wesentliche Ursache zu sehen, bieten die Ausführungen der Sachverständigen und die Umstände des Falles aber keine genügenden Anknüpfungspunkte. Schon Prof. Dr. V. hat in seinem Gutachten vom 20. Januar 2000 herausgestellt, es sei in Anbetracht des bei diesem Defekt nur siebenfach erhöhten Thromboserisikos zweifelhaft, darin die alleinige Ursache für den Hirninfarkt zu sehen. In Ergänzung zu diesen Ausführungen hat Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 14. Juli 2008 festgestellt, dass die Untersuchungen des Klägers keine Hinweise auf arteriosklerotische Gefäßveränderungen ergeben hätten. Dies verstärkt die Zweifel an der alleinigen Ursächlichkeit des Gerinnungsdefekts. Zu beachten ist auch, dass die mit einem erhöhten Thromboserisiko verbundenen möglichen Gesundheitsbeeinträchtigungen vorwiegend in Thrombosen der Bein- und Hüftvenen bestehen, also nicht hauptsächlich in Form von Hirn- oder Herzinfarkten auftreten. Mittelbar wird auch aus dem Bericht der Charitè vom 13. Mai 1997 deutlich, dass es sich bei dem Gendefekt um keine schwerwiegende Erkrankung handelt: Denn die damals behandelnden Ärzte verordneten dem Kläger das Medikament Macumar bis Mai 1997, danach noch für weitere sechs Monate das Medikament ASS 300 und für die Zeit danach heißt es in dem Bericht wörtlich "keine Medikamente mehr".

Auch der Nikotinabusus des Klägers von ca. 10 Zigaretten am Tag führt zu keiner anderen Bewertung des Ursachenzusammenhanges. Denn Prof. Dr. H. hat überzeugend nachgewiesen, dass ein vermehrter Nikotinabusus insbesondere mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten eines mikroangiopathischen Hirninfarktes verbunden ist. Einen solchen Infarkt hat der Kläger jedoch nicht erlitten. Es trifft auch nicht zu, wie die Beklagte vorgetragen hat, dass ein Schlaganfall bei jüngeren Menschen kein außergewöhnliches Ereignis ist und auch ohne außergewöhnliche Anstrengungen auftreten kann. Zu dieser Frage hat Prof. Dr. H. unter Hinweis auf den aktuellen Forschungsstand die differenzierte Ansicht vertreten, wonach es bei Männern keine Evidenz für das Auftreten eines juvenilen Infarktes durch eine heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation gibt, auch nicht in Verbindung mit einem Nikotinabusus. Demgegenüber ist die wissenschaftliche Datenlage bei Frauen uneinheitlich. Schließlich geht auch der Hinweis der Beklagten auf den Risikofaktor des Übergewichts des Klägers fehl, der bei einer Körpergröße von 170 cm 80 kg gewogen habe. Ausweislich des Berichtes des Bundeswehrkrankenhauses B. vom 19. November 1996 verfügte der Kläger über einen athletischen, nicht über einen adipösen Körperbau. Er war also zum Unfallzeitpunkt nicht übergewichtig, sondern muskulös.

Die Wertung, auch die Gerinnungsstörung sei als wesentliche Mitursache für den Hirninfarkt anzusehen, hindert nicht die Feststellung, dass es sich bei der Wehrdienstverrichtung ebenfalls um eine wesentliche Bedingung für den Eintritt der gesundheitlichen Schädigung handelt. Denn nach der Lehre von der wesentlichen Bedingung bzw. der Theorie der wesentlich mitwirkenden Ursache sind ursächlich im Rechtssinn diejenigen Bedingungen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Maßgeblich für die Bewertung sind die Auffassung des praktischen Lebens sowie die besonderen Umstände des Einzelfalles (vgl. Wagner, juris Praxiskommentar SGB VII, Saarbrücken 2009, RdNr. 29 zu § 7 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des BSG). Um als rechtlich wesentlich bewertet zu werden, muss das schädigende Ereignis nicht die alleinige oder überwiegende Bedingung sein. Vielmehr kann es mehrere rechtlich wesentliche Ursachen geben, die, wenn sie gemeinsam zu einem Schaden beigetragen haben, nebeneinander stehende Teilursachen im Rechtssinn sind (Wagner, a.a.O., RdNr. 30). So liegt der Fall hier, denn der Gerinnungsdefekt und die Wehrdienstverrichtung haben mit hoher Wahrscheinlichkeit beide an der Entstehung des Infarktes wesentlich mitgewirkt und waren wesentlich teilursächlich. Das reicht für die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhanges des § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG aus.

2. Der Kläger hat auch wegen der Folgen der Wehrdienstbeschädigung Anspruch auf einen Ausgleich in Höhe der Grundrente nach § 30 Abs. 1 und § 31 BVG. Nach § 30 Abs. 1 BVG (i. d. Fassung des Gesetzes vom 29. 7. 1994, BGBl. I S. 1890, in Kraft vom 1. 1. 1995 bis 31. 12. 1999) ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen; dabei sind seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen. Für die Beurteilung ist maßgebend, um wieviel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt sind. Die Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) erfolgt nach Maßgabe der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 1996. Die Heranziehung der Anhaltspunkte, die weder im SVG noch im BVG ausdrücklich geregelt ist, hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 6. 3. 1995 (1 BvR 60/95, SozR 3-3870, Nr. 6 zu § 3 SchwbG) für grundrechtskonform erklärt, da die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nachvollziehbar davon ausgingen, dass die gesetzlichen Vorschriften allein keine Kriterien zur Bewertung einzelner Behinderungen enthalten. In dieser Situation sei es den Gerichten nicht verwehrt, zur Konkretisierung von einzelnen Rechtsnormen eigene Beurteilungskriterien zu entwickeln und sich dabei auch an den "Anhaltspunkten" des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zu orientieren. Dies gelte insbesondere dann, wenn sich diese Maßstäbe nach den langjährigen Erfahrungen des BSG als ein einleuchtendes und abgewogenes, in sich geschlossenes Beurteilungsgefüge zum GdB darstellten, das darauf angelegt sei, eine gleichmäßige Gutachtertätigkeit und damit eine gleichmäßige Rechtsanwendung zu gewährleisten.

Wie das SG in Auswertung des Gutachtens des Prof. Dr. V. zutreffend festgestellt hat, bestanden die Folgen der Wehrdienstbeschädigung im Wesentlichen in einem Teilterritorialinfarkt (Hirninfarkt) mit latenter motorischer Halbseitensymptomatik rechts mit Konzentrations-, Auffassungs- und Merkfähigkeitsstörungen, Wortfindungsstörungen und einer depressiv gefärbten leichten Wesensänderung. Diese gesundheitliche Schädigung ist dem Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche zuzuordnen (AHP Nr. 26.3 i. V. mit Nr. 18 Abs. 4). Als hirnbeschädigt sind behinderte Menschen u. a. dann anzusehen, wenn das Gehirn durch Störungen der Blutversorgung organische Veränderungen erlitten und nachweisbar behalten hat. Als nachgewiesen ist ein solcher Hirnschaden anzusehen, wenn Symptome einer organischen Veränderung des Gehirns nach dem Abklingen der akuten Phase festgestellt worden sind. Bestimmend für die Beurteilung des MdE-Grades ist das Ausmaß der bleibenden Ausfallserscheinungen. Dabei sind der neurologische Befund, die Ausfallserscheinungen im psychischen Bereich unter Würdigung der prämorbiden Persönlichkeit und ggf. das Auftreten von zerebralen Anfällen zu beachten.

Nach diesen Grundsätzen haben die AHP für Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung sowie für Hirnschäden mit leichten psychischen Störungen, die sich im Alltag gering auswirken, jeweils einen Bewertungsrahmen von 30 bis 40 zugewiesen. Unter Berücksichtigung der Befunde und der Ausführungen der Sachverständigen ist es nicht zweifelhaft, dass beim Kläger ein Hirnschaden sowohl mit geringer Leistungsbeeinträchtigung als auch mit leichten psychischen Störungen vorgelegen hat, der mit einer MdE um 30 zu bewerten war. In zeitlicher Hinsicht ist der Anspruch auf Zahlung einer Grundrente auf die Dienstzeit beschränkt; er beginnt mit dem Monat, in dem seine Voraussetzungen erfüllt sind (§ 85 Abs. 4 Satz 1 SVG) und umfasst demzufolge die Zeit vom 1. November 1996 bis 31. März 1999.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; Gründe für eine Zulassung der Revision liegen hier nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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