L 9 U 4330/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 1965/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4330/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. Juli 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Auferlegung von Gerichtskosten in Höhe von 250 EUR aufgehoben wird.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Verletztenrente sowie Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der 1948 geborene Kläger hat nach seinen Angaben von 1965 bis 1968 eine Ausbildung zum Schlosser in der Türkei absolviert. Von 1972 bis 1981 war er in Deutschland bei der Firma K. als Arbeiter im Presswerk (Teile einlegen und reinigen) und ab 30.3.1981 bei der Firma P. als Budgetlöhner im Karosserie-Rohbau beschäftigt, wo er nach Angaben der Firma vom 2.2.2005 bis Dezember 2000 in der Blechverarbeitung schweißen, schneiden und löten musste und ab Januar 2001 als Saaldiener bei allgemeinen Hilfstätigkeiten Material bereitstellen und beschaffen sowie Reinigungsarbeiten durchführen musste.

Am 5.10.2004 zeigte der Hautarzt Dr. Sch. der Beklagten den Verdacht auf eine beruflich bedingte Hautkrankheit (Kontakt zu Metallen, Kühlschmierstoffen und Reinigungsmittel) sowie eine dadurch bedingte Arbeitsunfähigkeit von 27.9. bis 1.10.2004 an. Die Beklagte befragte den Kläger (Auskunft vom 20.12.2004: erstmalige Hauterscheinungen 1984: Juckreiz, trockene Haut an den Fingerspitzen), den Hautarzt Dr. Sch. (Auskunft vom 11.1.2005: erstmalige Behandlung 23.9.2004, seitdem kontinuierliche Behandlungsbedürftigkeit, Arbeitsunfähigkeit vom 22.11. bis 3.12.2004, während dieser Zeit Besserung, aber keine Abheilung, bei Wiederaufnahme der Tätigkeit erneute Rhagaden, obwohl nach betriebsärztlicher Angabe kein Kontakt zu irritativen Substanzen bestand; Auskunft vom 9.2.2005: erstmalige Behandlung bei seiner Vorgängerin Dr. S. am 11.2.2000, Ekzeme der Hände und Fingerkuppen, Rhagaden, generalisierter Juckreiz, weitere Behandlungen am 3.3.2000, 27.2. und 12.3.2003, 7.4. bis 10.4.2003 Epicutantestung, weitere Behandlungen am 23.4., 23.5. und 23.6.2003, bei denen eine Besserung des Befundes dokumentiert wurde. Der Kläger gebe an, dass die Beschwerden an den Fingern seit der Tätigkeit bei der Firma K. bestünden. Er hatte Kontakt zu irritativen Substanzen (Entfettungsbad) und Metallen. Derzeit bestehen weiterhin Beschwerden an den Fingern, die zu Arbeitsunfähigkeit vom 7.2. bis 18.2.2005 führen) sowie den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. T. (Auskunft vom 10.1.2005: 4.11.2003: rezidivierende Schmerzen im Bereich der Hände mit Rhagadenbildung) und zog Vorerkrankungsverzeichnisse der AOK Ludwigsburg-Bietigheim bei.

Der Arzt für Arbeitsmedizin Dr. L., Betriebsarzt bei der P. AG, teilte unter Vorlage von Unterlagen am 15.2.2005 mit, der Kläger sei als Saaldiener mit dem Auffüllen von KTL-Kisten, Sorgen für Ordnung und Sauberkeit (Kehren) befasst. Selten falle Arbeit mit Wasser an. Er trage kurzfristig beim Tragen scharfer Teile Baumwollhandschuhe, die an den Fingern beugeseits gelb beschichtet seien; ansonsten sei keine Hautbelastung vorhanden. Der Kläger habe keinen Umgang mit toxisch-irritativen Stoffen. Während der Betriebsruhe über Weihnachten sei keine Besserung eingetreten. Aus arbeitsmedizinischer Sicht bestehe kein kausaler Zusammenhang zum Arbeitsplatz.

Der Präventionsdienst der Beklagten nahm am 21.2.2005 eine Arbeitsplatzbesichtigung vor und berichtete hierüber unter dem 14.3.2005. Weiter führte er aus, die Hautprobleme hätten vor ca. 10 Jahren an den Fingerkuppen begonnen; seit 3 bis 4 Jahren seien die Hautprobleme größer geworden. Am Wochenende bessere sich die Erkrankung etwas; im Urlaub trete eine deutliche Besserung ein. Während der jetzigen zweiwöchigen Arbeitsunfähigkeit habe sich die Erkrankung gebessert.

Dr. Sch. erklärte unter dem 25.4.2005, während der Arbeitsunfähigkeit vom 22.3. bis 22.4.2005 habe keine Abheilung, aber eine mäßige Besserung der Hautveränderungen an den Händen erreicht werden können.

Die Beklagte zog Sicherheitsdatenblätter, den Arztbrief des Zentrums für Hautkrankheiten des Klinikums Stuttgart vom 9.3.2005 bei und holte eine gewerbeärztliche Stellungnahme vom 26.4.2005 sowie ein hautärztliches Gutachten ein.

Der Hautarzt Dr. F. diagnostizierte im Gutachten vom 3.7.2005 beim Kläger ein hyperkeratotisch-rhagadiformes Fingerekzem unklarer Ursache, das als schwer anzusehen sei. Seines Erachtens handele es sich aufgrund des Hautbefundes und des Verlaufs der Erkrankung nicht um ein allergisches Kontaktekzem. Da der Kläger einer vergleichsweise geringen irritativen Hautbelastung im Beruf ausgesetzt sei, liege die Hauptursache wahrscheinlich in einer idiopathischen, nicht näher fassbaren individuellen Neigung zur Entwicklung dieses hyperkeratotischen Ekzems. Soweit ein solches Ekzem vorliege, sei die Haut an den betroffenen Stellen gegenüber irritativen Einflüssen besonders empfindlich, so dass geringe Belastungen zu einer weiteren Verschlimmerung führen können. Die Hauterkrankung des Klägers sei wahrscheinlich nicht wesentlich beruflich bedingt oder mitbedingt, da es an einer deutlichen Abhängigkeit des Hautzustandes von der beruflichen Tätigkeit fehle und das berufliche Irritationspotenzial nicht deutlich über die normale Hautbelastung der Durchschnittsbevölkerung hinausgehe.

Mit Bescheid vom 28.7.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, bei ihm bestehe keine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 5101 der BK-Liste. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Dies gelte auch für Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer BK entgegenzuwirken. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.4.2006 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger, der seit April 2006 aufgrund einer Altersteilzeitregelung nicht mehr berufstätig war, am 24.5.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn und beantragte die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit (nebst Zinsen).

Das SG beauftragte den Hautarzt Dr. S. mit der Begutachtung des Klägers. Dieser diagnosti¬zierte beim Kläger im Gutachten vom 13.12.2006 ein hyperkeratotisch rhagadiformes dysregulatives mikrobielles Ekzem sowie einen Verdacht auf Typ IV-Allergie gegen (Nitrobutyl)morpholin/(Ethylnitrotrimethylen)dimophin mit fraglicher beruflicher Relevanz. Die beim Kläger vorliegenden Hauterscheinungen entsprächen einem hyperkeratotischen rhagadiformen Handekzem. Ähnliche Hauterscheinungen bestünden, wenn auch in wesentlich geringerem Ausmaß, im Bereich der Füße. Als Ursache komme eine atopische Veranlagung, in seltenen Fällen ein allergisches Kontaktekzem oder als Ausschlussdiagnose ein sogenanntes dysregulativ mikrobielles Ekzem, d.h. ein im Wesentlichen veranlagtes Ekzem ohne atopischen Hintergrund in Betracht. Eine atopische Hautveranlagung liege beim Kläger nicht vor. Gegen ein allergisches Kontaktekzem sprächen die typischen Bläschen sowie die fehlende Streureaktion. Es fehle auch der eindeutige arbeitsabhängige Verlauf. Zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung (November 2006) sei der Kläger über ein halbes Jahr aufgrund seiner Altersteilzeit keinen beruf¬lichen Irrititationseinflüssen ausgesetzt gewesen. Dennoch habe sich der Hautbefund eher ver¬schlechtert. Desweiteren fänden sich, wenn auch in wesentlich geringerem Umfang, ähnliche Hauterscheinungen im Bereich der Füße, an einer Stelle, an der der Kläger keinen beruflichen Irritationseinwirkungen ausgesetzt gewesen sei. Der Umstand, dass während der Arbeits¬unfähigkeit vom 22.3. bis 22.4.2005 keine Abheilung habe erreicht werden können, spreche gegen ein allergisches Kontaktekzem, da bei Allergenkarenz solche relativ schnell abheilten. Auch bei einem kumulativ subtoxischen Kontaktekzem wäre eine deutliche Besserung zu er¬warten gewesen. Unter Würdigung aller in den Akten befindlichen Unterlagen stufe er die Haut¬erscheinungen als ein genetisch bedingtes dysregulativ mikrobielles Ekzem vom hyperkeratotisch rhagadiformen Typ ein. Dieses sei mit Wahrscheinlichkeit idiopathisch. Die berufliche Tätigkeit könne eine Verschlechterung bewirken; dies sei in der Vergangenheit auch in geringem Umfang der Fall gewesen. Die Auswirkungen der beruflichen Tätigkeit auf Ent¬ste¬hung und Verschlimmerung der Hauterkrankung im Bereich der Hände seien jedoch als g¬ering einzustufen. Die berufliche Tätigkeit sei daher keine wesentliche Teilursache und auch kein we¬sentlicher Entstehungsfaktor für die Hauterkrankung im Bereich der Hände. Ein wesentlicher Zusammenhang zwischen der fraglichen Sensibilisierung gegen (Nitrobutyl)morpholin/ (Ethylnitrotrimethylen)dimorphin mit der Hauterkrankung an den Händen erscheine nicht gegeben.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG Prof. Dr. J. mit der Erstattung eines Gutachtens. In dem zusammen mit PD Dr. S. erstatteten Gutachten vom 30.5.2007 führte Prof. Dr. J. aus, zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung (8.5.2007), mehr als ein Jahr nach letztmaliger Ausübung der beruflichen Tätigkeit, bestünden beim Kläger im Bereich beider Hände die typischen Hautveränderungen eines hyperkeratotisch-rhagadiformen Handekzems, wobei sich diese primär im Bereich der Finger beider Hände, insbesondere der Fingerendglieder, manifestierten. Im Bereich des übrigen Integumentes zeigten sich keine Hauterscheinungen von Krankheitswert. Im Rahmen der hautphysiologischen Diagnostik sei das Vorliegen einer anlagebedingten erhöhten Hautempfindlichkeit des Klägers bestätigt worden. So habe der Kläger eine Wolleunverträglichkeit sowie das gehäufte Auftreten eines Juckreizes am Rücken angegeben. Bei dem hyperkeratotisch-rhagadiformen Handekzem mit primärer Manifestation im Bereich der Finger (vor allem Fingerkuppen und Fingerbeugeseiten) handele es sich primär um eine konstitutionelle Hauterkrankung. Hierfür sprächen der therapeutisch hartnäckige Verlauf auch unter einjähriger Arbeitskarenz und die zeitweise geringgradigen hyperkeratotischen ekzematösen Hautveränderungen im Bereich der Füße. Eine berufliche Teilverursachung liege seines Erachtens vor, da sich die Hautveränderungen primär im Bereich der beruflich ehemals besonders mechanisch belasteten Hautareale befunden hätten und befänden und der Kläger anamnestisch eine deutliche Arbeitsabhängigkeit der Hauterscheinungen geschildert habe. Das versicherungsrechtliche Kriterium der Schwere sei ebenfalls erfüllt, nicht jedoch das der wiederholten Rückfälligkeit. Es habe jedoch nicht der objektive Zwang zur Unterlassung der schädigenden Tätigkeit bestanden. Nach Aktenlage seien die therapeutischen Optionen nicht ausgeschöpft worden. So könnten längerfristige lokale UV-Bestrahlungsverfahren durchgeführt, Acitretin verabreicht oder gegebenenfalls beides kombiniert werden. Sollten ambulante Maßnahmen nicht ausreichen, könnten therapeutische Maßnahmen in speziellen Einrichtungen durchgeführt werden. Nach Abheilung der Hautveränderungen hätten arbeitsplatzbezogene geeignete Hautschutzmittel erprobt werden können. Die Durchführung von Maßnahmen im Rahmen von § 3 BKV sei indiziert.

Mit Schriftsatz vom 24.7.2007/11.9.2007 hat der Kläger daraufhin hilfsweise für den Fall der Klagabweisung die Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV beantragt.

Mit Urteil vom 16.7.2008 hat das SG die Klage abgewiesen und dem Kläger Gerichtskosten in Höhe von 250 EUR auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, zunächst sei die zulässige Klageart unter Berücksichtigung des Klageantrags festzustellen. Wörtlich begehre der Kläger Leistungen in Form einer Rente. Vorrangig sei jedoch zunächst, dass eine BK, aufgrund derer eine dauerhafte Beeinträchtigung bestehe, als solche anerkannt werde. Über das Vorliegen von Leistungen, insbesondere eine Rente und Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV, habe die Beklagte nicht entschieden. Der Antrag des Klägers auf Leistungen (Rente) sei jedoch sinngemäß zu Gunsten des Klägers als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage bezüglich der Anerkennung einer BK gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig. Soweit ein Anspruch auf vorbeugende Maßnahmen am Arbeitsplatz, wobei ausdrücklich auf die Formulierung in § 3 Abs. 1 BKV Bezug genommen werde, abgelehnt worden sei, habe die Beklagte damit keine Regelung über Entschädigungsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV getroffen. Insoweit wäre die Klage schon unzulässig. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Hauterkrankung als BK Nr. 5101. Zu diesem Ergebnis gelange das SG aufgrund der Gutachten von Dr. S. sowie Dr. F ... Die Hauterkrankung des Klägers sei schicksalhaft bzw. anlagebedingt. Ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit könne weder im Sinne der Entstehung noch einer richtungsgebenden Verschlimmerung mit Wahrscheinlichkeit hergestellt werden. Im Ergebnis würden diese Gutachten durch das Gutachten von Prof. Dr. J. bestätigt, der ebenfalls feststelle, dass eine beruflich bedingte Erkrankung nicht mit Wahrscheinlichkeit vorliege. Selbst wenn die Klage insoweit zulässig wäre, hätte der Kläger keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV. Die Auferlegung von Kosten gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG beruhe darauf, dass der Bevollmächtigte des Klägers auf die Frage des Gerichts, mit welchen Argumenten er an der Klage festhalte, ausgeführt habe, er sehe auch keine Erfolgsaussichten der Klage. Aufgrund dreier übereinstimmender Gutachten entspreche diese Erkenntnis den objektiven Gegebenheiten und der Erkenntnis eines jeden Einsichtigen. Der Bevollmächtigte des Klägers, dessen Verhalten sich der abwesende Kläger zurechnen lassen müsse, könne an einer völlig aussichtslosen Klage auch nicht deswegen festhalten, weil der Kläger nicht in der Verhandlung anwesend sei und diesem daher nicht im Augenblick der Rücknahme persönlich die fehlende Erfolgsaussicht habe erläutert werden können. In Ansehung sämtlicher Kosten, die mit der Abfassung des Urteils verbunden seien, erachte das SG den ausgesprochenen Betrag von 250 EUR für ausreichend, aber auch für erforderlich, angemessen und verhältnismäßig.

Gegen das am 18.8.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.9.2008 Berufung eingelegt und vorgetragen, er habe während seiner beruflichen Tätigkeit Kontakt zu toxisch-irritativ wirkenden Stoffen gehabt, insbesondere in den früheren Jahren. Anfangs habe er ohne Schutzhandschuhe gearbeitet, diese seien erst zur Verfügung gestellt worden, als Hautirritationen aufgetreten seien. Entgegen den Ausführungen des SG sei es bei Meidung der beruflichen Stoffe im Urlaub zu einer Besserung gekommen. Auch ergebe sich aus der Bescheinigung von Dr. Sch. vom 11.9.2008, dass keine Pathologika mehr an den Fingern und Händen vorhanden seien und dass ohne berufliche Belastung der Hände (Irrititation, Sensibilisierung gegen Octylgallat aktuell) davon auszugehen sei, dass es zu einer anhaltenden Stabilisierung des Hautbildes komme. Das SG hätte infolge mangelnder medizinischer Fachkenntnisse nicht zu der Wertung kommen dürfen, dass mehr gegen als für eine berufliche Ursache spreche. Ein Minderverdienst ergebe sich daraus, dass er öfters krankheitsbedingt ausgefallen sei und nach Ablauf der sechswöchigen Lohnfortzahlung Krankengeld bezogen habe, so dass ein Minderverdienst eingetreten sei. Es stelle auch keinen Rechtsmissbrauch dar, vom Gericht eine Entscheidung mit rechtsmittelfähiger Begründung zu fordern, anstelle - wie seitens der Vorsitzenden vorgeschlagen - die Klage zurückzunehmen. Die Auffassung des SG würde ihm das Recht auf rechtliches Gehör sowie auf ein faires Verfahren abschneiden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. Juli 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente ab Antragstellung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EBZ auf die jeweiligen Rentenleistungen zu zahlen und Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, auch das gemäß § 109 SGG bei Prof. Dr. J. eingeholte Gutachten gelange zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen einer BK nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben seien.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch weitgehend nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung einer BK Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV sowie auf die Gewährung von Verletztenrente sowie von Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV hat.

Die Klage ist hinsichtlich der Gewährung von Verletztenrente wegen der Hauterscheinungen nicht als Anfechtungs- und Leistungsklage, sondern als Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 SGG aufzufassen, wie das SG zu Recht ausgeführt hat. Denn es geht dem Kläger bei sinnentsprechender Auslegung seines Begehrens um die gerichtliche Feststellung, dass bei ihm eine BK Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV vorliegt. Über eine Verletztenrente hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden nicht entschieden.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Feststellung, dass die bei ihm vorliegenden bzw. vorgelegenen Hautveränderungen an den Fingern eine BK Nr. 5101 der Anlage 1 der BKV sind.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, das die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht und in der BKV seit deren Änderung durch die Verordnung zur Änderung der Siebten Berufskrankheiten-Verordnung vom 8. Dezember 1976 (BGBl. I 3329) bis heute unter der Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV als BK bezeichnet: "Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".

Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Berufskrankheitenrecht gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung, die das Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 6. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R (SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209) zusammengefasst dargestellt hat. Die Theorie der wesentlichen Bedingung hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philo¬sophische Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt we¬sentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annä¬hernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnis¬mäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Gesichtspunkte für die Be¬urteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Ge¬schehens und Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie die gesamte Kranken¬geschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten ist der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Einwirkungen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesent¬lichen Bedingung positiv festgestellt werden muss und hierfür hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, nicht jedoch die bloße Möglichkeit. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30; 121, 123; 43, 110, 112). Das gleiche gilt, wenn der für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität erforderliche wahrscheinliche Zusam¬menhang nicht nachweisbar ist.

Die Frage, welche Voraussetzungen zur Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung an einer BK vorliegen müssen, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten. Als solcher sind durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnene Erkenntnisse anzunehmen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (BSG, Urt. vom 27.6.2006 - B 2 U 5/05 R - SozR 4-5671 § 6 Nr. 2).

Für die Anerkennung einer Erkrankung als BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: • beim Kläger muss eine Hauterkrankung vorliegen • diese muss schwer oder wiederholt rückfällig sein • sie muss durch Einwirkungen entstanden sein, denen der Kläger infolge seiner versicherten Tätigkeit ausgesetzt war • sie muss zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Beim Kläger hat unstreitig eine schwere Hauterkrankung vorgelegen. Nicht nachgewiesen ist jedoch, dass diese durch Einwirkungen entstanden ist, denen der Kläger infolge seiner versicherten Tätigkeit ausgesetzt war und dass sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Beim Kläger hat ein hyperkeratotisch rhagadiformes Handekzem vorgelegen. Hierbei handelt es sich um eine anlagebedingte, schicksalhafte Erkrankung, wie Dr. F., Dr. S. und Prof. Dr. J. übereinstimmend dargelegt haben. Ein allergisches Kontaktekzem hat Dr. S. aufgrund der typischen Bläschen und der fehlenden Streureaktion nachvollziehbar ausgeschlossen. Außerdem heilt ein allergisches Kontaktekzem bei Allergenkarenz relativ schnell ab, was beim Kläger nicht der Fall war. Ein kumulativ subtoxisches Kontaktekzem scheidet ebenfalls aus, da hier auch eine deutliche Besserung zu erwarten gewesen wäre.

Soweit Prof. Dr. J., obwohl er ebenfalls von einer konstitutionellen Hauterkrankung ausgeht, die Ansicht vertritt, es liege eine berufliche Teilverursachung vor, da sich die Hautveränderungen primär im Bereich der beruflich ehemals besonders mechanisch belasteten Hautareale befunden hätten bzw. befänden und der Kläger anamnestisch eine deutliche Arbeitsabhängigkeit der Hauterscheinungen geschildert habe, vermag dies einen Kausalzusammenhang im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht zu begründen. Denn dann müsste zunächst nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand belegt sein, dass die Ausübung von manuellen Tätigkeiten geeignet ist, anlagebedingte Hauterkrankungen mit zu verursachen. Dies hat Prof. Dr. J. jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt, und hierfür ergibt sich für den Senat weder aus der unfallmedizinischen Literatur noch aus den Gutachten von Dr. F. und Dr. S. ein Anhalt. Hinzu kommt - wie Dr. F. nachvollziehbar ausgeführt hat und wofür auch die Äußerungen des Betriebsarztes Dr. L. sprechen - dass das berufliche Irritationspotenzial, dem der Kläger ausgesetzt war, nicht deutlich über die normale Hautbelastung der Durchschnittsbevölkerung hinausging. Dies gilt insbesondere für die Zeit der Tätigkeit des Klägers als Saaldiener ab 2001 und damit ab September 2004, dem Zeitpunkt, ab dem seine Hautveränderungen verstärkt auftraten. Gegen eine berufliche Verursachung spricht ferner, dass auch ähnliche Hauterscheinungen, wenn auch in geringerem Umfang, im Bereich der Füße des Klägers aufgetreten sind, d.h. an einer Stelle, an denen der Kläger keinen beruflichen Irritationseinwirkungen ausgesetzt war. Darüber hinaus hat Dr. S. diese bei seiner gutachterlichen Untersuchung des Klägers im November 2006 und damit über sechs Monate nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit festgestellt, so dass ein beruflicher Bezug überhaupt nicht erkennbar ist. Außerdem waren sogar noch bei der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. J., über ein Jahr nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit, Hauterscheinungen beim Kläger im Bereich der Hände vorhanden. Der Umstand, dass der Kläger am 11.9.2008 bei seiner Vorstellung bei Dr. Sch. keine Hautveränderungen an den Händen mehr aufwies, belegt nicht, dass die Hautveränderungen beruflich verursacht worden waren, zumal die Hauterkrankung des Klägers konstitutionell bedingt ist.

Aber selbst wenn man der Beurteilung im Gutachten von Prof. Dr. J. folgen könnte, hätte der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung einer BK Nr. 5101, da dieser einen Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit des Klägers verneint hat, da noch nicht alle therapeutischen Optionen ausgeschöpft waren.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV. Denn selbst wenn man in den Ausführungen der Beklagten: "Ansprüche auf Leistungen bestehen nicht. Dies gilt auch für Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet sind, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken" einen Verwaltungsakt sieht, mit dem Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV abgelehnt wurden, ist dieser Verwaltungsakt bestandskräftig geworden. Denn mit der am 24.5.2006 erhobenen Klage hat der anwaltlich vertretene Kläger lediglich Rentenleistungen (Rente wegen Berufsunfähigkeit, gemeint: Verletztenrente) begehrt. Erstmals nach Vorliegen des Gutachtens von Prof. Dr. J. hat der Kläger mit Schreiben vom 24.7.2007, eingegangen beim SG am 25.7.2007, und nach Rücknahme wiederholt am 11.9.2007 hilfsweise - für den Fall der Klageabweisung - die Gewährung von Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs. 2 BKV beantragt. Zu diesem Zeitpunkt war die einmonatige Klagefrist schon längst abgelaufen, wie erst recht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 16.7.2008, wo ebenfalls Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV beantragt wurden. Unabhängig davon wären die Voraussetzungen nicht erfüllt, da Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV voraussetzen, dass der Kläger objektiv gezwungen gewesen wäre, seine berufliche Tätigkeit zu unterlassen. Dies ist jedoch selbst nach der Beurteilung von Prof. Dr. J. nicht der Fall.

Die Voraussetzungen des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG liegen nach Auffassung des Senats jedoch nicht vor. Bezüglich des Wortlauts dieser Vorschrift wird auf das Urteil des SG Bezug genommen. Eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann in der Weiterverfolgung trotz offensichtlicher Aussichtslosigkeit liegen. Aussichtslosigkeit allein genügt nicht; es müssen besondere Umstände hinzukommen. Zweifelhaft ist schon, ob Missbräuchlichkeit bejaht werden kann, wenn der Rechtsanwalt die Klage trotz richtiger Einschätzung der Sach- und Rechtslage bei Anwesenheit des Klägers nicht zurücknimmt, weil innerhalb der Bürogemeinschaft ein anderer Rechtsanwalt zuständig ist und er diesem nicht vorgreifen will (Meyer-Ladewig/Keller/Leiter, SGG, Kommentar, neunter Aufl. § 192 Rn. 9). In der mündlichen Verhandlung war der Kläger persönlich nicht anwesend; das SG selbst hatte die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers zunächst für erforderlich gehalten und dann aufgehoben. Ebenfalls war nicht die Rechtsanwältin anwesend, die den Kläger im Verfahren vertreten hatte, sondern ein anderer Rechtsanwalt aus der Bürogemeinschaft. Wenn dieser Rechtsanwalt - trotz zutreffender Einschätzung der Rechtslage - die Klage nicht zurücknimmt, vermag der Senat darin keine Rechtsmissbräuchlichkeit zu erkennen. Hinzu kommt noch, dass zwar alle Gutachten das Begehren des Klägers auf Anerkennung einer BK Nr. 5101 nicht stützen, dies jedoch mit unterschiedlicher Begründung, wie das Gutachten von Prof. Dr. J. zeigt. Einem Kläger, dessen subjektives Empfinden von der objektiven Rechtslage abweicht, kann nach Auffassung des Senats ohne besondere Umstände nicht Rechtsmissbräuchlichkeit unterstellt werden.

Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Auferlegung von Kosten gemäß § 192 SGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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