L 9 R 6008/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 4113/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 6008/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. November 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und insbesondere das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.

Der 1948 geborene Kläger kam im November 1971 aus Bosnien in die Bundesrepublik Deutschland. Nach seinen Angaben hat er dort von 1963 bis 1971 versicherungspflichtig gearbeitet. In der Bundesrepublik war er vom November 1971 bis Dezember 2005 - mit Unterbrechungen insbesondere von Juni 1999 bis Juli 2004 - versicherungspflichtig beschäftigt.

Am 8.11.2007 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung sowie von Altersrente.

Mit Bescheid vom 11.12.2007 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ab. Zur Begründung führte sie aus, ausgehend von einem Leistungsfall zum Zeitpunkt der Antragstellung habe der Kläger im Zeitraum vom 8.11.2002 bis 7.11.2007 lediglich 15 Kalendermonate an Pflichtbeitragszeiten und nicht 36. In der Zeit vom 1.1.1984 bis 31.10.2007 sei auch nicht jeder Kalendermonat mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt.

Hiergegen legte der Kläger am 9.1.2008 Widerspruch ein und einen Bescheid des Landratsamts B. vom 18.4.2007 (GdB 40 ab 15.1.2007) sowie ein Attest des Internisten M. vom 11.1.2008 vor, der angab, beim Kläger lägen folgende Erkrankungen vor: Non-Hodgkin-Lymphom vom B-Zell-Typ, Diabetes mellitus IIb mit Spätschäden, erosive chronische Gastritis mit Hiatusinsuffizienz, venöse Insuffizienz mit Stauungsödemen, zur Operation anstehend, massive Adipositas, Hypertonie mit Spätschäden. Vor ca. 1½ Jahren sei der Kläger an einem Non-Hodgkin-Lymphom erkrankt; seitdem werde er von onkologischer Seite überwacht. Aufgrund dieser Erkrankung sei er auch nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert zu verrichten. Die anderen Erkrankungen würden medikamentös behandelt und seien derzeit gut eingestellt.

Der Kläger behauptete, seine Erkrankungen bestünden seit den Jahren 2000 bzw. 2001. Er leide seit einigen Jahren an Leukämie und habe schon einen Herzinfarkt gehabt. Zudem habe er Rückenprobleme, weswegen er schon in Kur gewesen sei, sowie offene Beine, es sei schon eine Venenoperation durchgeführt worden.

Nach Beiziehung eines Vorerkrankungsverzeichnisses der IKK Baden-Württemberg und Hessen (IKK ) vom 4.4. und 17.4.2008 (zeitweilige Arbeitsunfähigkeitszeiten in den Jahren 1995, 1996, 1997 und 1999, keine Arbeitsunfähigkeitszeiten ab 1.1.2000), Einholung von Auskünften bei dem Internisten und Onkologen Dr. F. vom 8.5.2008 (Angaben über Behandlungen vom 24.9.2007 bis 2.5.2008) sowie der Akustik Trockenbau GmbH vom 20.2.2008 (Beschäftigung des Klägers als Helfer, ungelernter Arbeiter, vom 1.8.2004 bis 31.1.2005, 1.3.2005 bis 8.6.2005, 15.8.2005 bis 31.12.2005) sowie beratungsärztlicher Stellungnahmen bei dem Chirurgen und Internisten Dr. Sch. vom 25.3.2008 und 21.5.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 28.5.2008 zurück. Sie führte aus, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn der Leistungsfall bis spätestens 31.5.2001 eingetreten wäre. Ein solcher sei durch die medizinische Befunddokumentation nicht belegt.

Hiergegen hat der Kläger am 12.6.2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben und geltend gemacht, er sei 60 Jahre alt und könne aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten. Er habe sich nicht arbeitslos gemeldet, da seine Ehefrau eine kleine Rente erhalten habe, die ihnen gereicht habe. Außerdem habe er seine Wohnung verkauft. Seine Frau sei zu 70 % schwerbehindert und habe ihn gebraucht, weswegen er auch nicht habe arbeiten gehen können.

Das SG hat eine Auskunft bei der IKK eingeholt und die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört.

Die IKK hat unter dem 16.7.2008 mitgeteilt, der Kläger sei bis zur Rentenantragstellung als Familienangehöriger versichert gewesen. Da er keinen Anspruch auf Krankengeld gehabt habe, lägen ihr keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor.

Dr. F. hat unter dem 23.7.2008 erklärt, der Kläger sei im Juli 2005 von seinem Hausarzt in die Praxis überwiesen worden, damit eine Betreuung hinsichtlich seiner hämatologischen Erkrankung erfolge. Grund sei eine Vermehrung der weißen Zellen. Mitte 2005 sei die Diagnose eines niedrig malignen Non-Hodgkin-Lymphoms gestellt worden. Die hämatologische Systemerkrankung bedinge gegenwärtig noch keine Reduktion der Leistungskraft. Der Internist M. hat unter dem 15.9.2008 über die von ihm gestellten Diagnosen und erhobenen Befunde berichtet.

In der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 7.10.2008 hat die Internistin Sch. ausgeführt, aus sozialmedizinischer Sicht seien aufgrund der Erkrankungen des Klägers (derzeit nicht behandlungsbedürftiges Non-Hodgkin-Lymphom, Diabetes mellitus und Bluthochdruck) keine Leistungseinschränkungen im Sinne des Rentenrechts eingetreten. Dabei sei irrelevant, ob die Lymphom-Erkrankung 2005 oder bereits früher erstmals festgestellt worden sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.11.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei vor dem 1.6.2001 weder teilweise noch voll erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig gewesen. Wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid bereits ausführlich erläutert habe, wären die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur erfüllt, wenn der Leistungsfall spätestens zum 31.5.2001 eingetreten wäre. Dies sei jedoch nicht nachgewiesen. So habe Dr. M. darauf hingewiesen, dass der Kläger erst ungefähr Mitte 2005 an Leukämie erkrankt und aufgrund dessen nicht mehr fähig sei, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr auszuüben. Der den Kläger behandelnde Onkologe habe von einer erstmaligen Konsultation im Juli 2005 berichtet. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger vom 1.8.2004 bis Ende 2005 noch durchgehend versicherungspflichtig tätig gewesen sei. Im Rentenantrag vom 8.11.2007 habe sich der Kläger selbst ab Anfang 2006 als erwerbsgemindert angesehen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 22.11.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17.12.2008 Berufung eingelegt und vorgetragen, er sei vor dem Stichtag 31.5.2001 an Leukämie erkrankt; dies sei jahrelang unerkannt geblieben. Die Leukämieerkrankung rechtfertige die Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente. Der Kläger hat eine Bescheinigung des Internisten M. vom 11.1.2008, mit geändertem Inhalt, sowie seinen Schwerbehindertenausweis (GdB 50 ab 14.1.2008) und den Bescheid des Landratsamts B. vom 14.8.2009 (GdB 70 seit dem 24.6.2009) vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. November 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. Sch. vom 17.2.2009 vorgelegt, die ausführt, es werde auf die Stellungnahme vom 7.10.2008 im Klageverfahren verwiesen. Der Kläger könne zumindest leichte körperliche Tätigkeiten in witterungsgeschützten Räumen ohne zeitliche Beschränkung verrichten.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung - § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Kläger bis mindestens 31.5.2001 noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig war. Für einen Leistungsfall danach wären die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheid zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass ausgehend von einem Leistungsfall bei Rentenantragstellung am 8.11.2007 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Im Zeitraum vom 8.11.2002 bis 7.11.2007 hat der Kläger lediglich 15 Kalendermonate (August 2004 bis Januar 2005, März bis Juni 2005 und August bis Dezember 2005) an Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt. Die Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vom 3.3.2003 bis 30.6.2003 sowie vom 14.10.2003 bis 5.7.2004 (14 Monate) führt zu keiner Verlängerung des Fünfjahreszeitraums, da durch die Zeiten der Arbeitslosigkeit schon keine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit unterbrochen wurde und es sich hierbei deswegen nicht um Anrechnungszeiten im Sinne von § 58 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 SGB VI handelt. Darüber hinaus wären auch in einem um 14 Kalendermonate verlängerten Fünfjahreszeitraum bis 8.9.2001 nicht mehr als 15 Kalendermonate an Beitragszeiten vorhanden.

Unterstellt man einen Leistungsfall vom 1.1.2006, da der Kläger noch bis zum 31.12.2005 versicherungspflichtig beschäftigt war, so erstreckt sich der Fünfjahreszeitraum vom 1.1.2001 bis 31.12.2005. Auch in diesem Zeitraum weist der Kläger lediglich 15 Monate an Pflichtbeitragszeiten auf. Bei Verlängerung dieses Zeitraums um die oben genannten 14 Monate würde er sich bis zum 1.11.1999 erstrecken. Auch in diesen Zeitraum sind lediglich 15 und nicht die erforderlichen 36 Kalendermonate an Pflichtbeitragszeiten vorhanden, denn in der gesamten Zeit von Juni 1999 bis Juli 2004 hat der Kläger keine Pflichtbeiträge entrichtet.

Für einen Leistungsfall der Erwerbsminderung vor dem 31.12.2005 gibt es - angesichts der versicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers bis zu diesem Zeitpunkt - keinen Anhalt. Entgegen der Ansicht des Internisten M. ist auch ab Rentenantragstellung nicht feststellbar, dass eine Leistungsminderung des Klägers aufgrund des Non-Hodgkin-Lymphoms eingetreten ist, wie der Senat den Ausführungen des Onkologen Dr. F. und der Internistin Sch. in den Stellungnahmen vom 7.10.2008 und 17.2.2009 entnimmt. Die sonstigen beim Kläger vorliegenden Erkrankungen (Diabetes mellitus, chronische Gastritis, venöse Insuffizienz, Hypertonie) hat auch der Internist M. als gut eingestellt angesehen und hieraus in der Stellungnahme vom 11.1.2008 keine Leistungseinschränkung abgeleitet.

Nach alledem ist der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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