Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 1 U 57/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Verletztenrente für den am 30.10.2007 verstorbenen Ehemann der Klägerin für die Zeit auch vor dem 01.01.2001.
Die Klägerin ist die Witwe des am 00.00.1936 geborenen und am 30.10.2007 verstorbenen Versicherten X1 M. Der Versicherte hat in der Zeit von April 1951 bis Juni 1972 in verschiedenen Funktionen unter Tage gearbeitet. Unterbrochen war die Untertagearbeit für die Zeit seines Studiums vom 01.04.1964 bis zu 31.07.1968. Ab dem 01.07.1972 war der Versicherte bis zum 30.11.1990bei der Stadt E als Planungsingenieur beschäftigt.
Am 27.02.1989 äußerte L bezogen auf einen Bericht, den er bereits am 21.11.1988 verfasst hatte, gegenüber der Beklagten den Verdacht einer Silikoseerkrankung beim Kläger. Die Beklagte nahm daraufhin Ermittlungen zur Feststellung einer Berufskrankheit nach der Anlage der Berufskrankheitenverordnung BK 4101 (Feinstaublungenerkrankung der Bergleute) auf. Da nur unklare Befunde bezüglich einer Silikose vorlagen und eine Funktionsbeeinträchtigung noch nicht feststellbar war, lehnte die Beklagte die Feststellung einer Silikose als Berufskrankheit (BK 4101) ab. Der gegen diese Entscheidung eingelegte Widerspruch des Versicherten wurde zurückgewiesen. Die gegen den Widerspruchsbescheid erhobene Klage (SG Düsseldorf S 24 BU 46/89) nahm der Versicherte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.10.1990 zurück.
Fast 15 Jahre später, am 04.03.2005 äußerte S gegenüber der Beklagten erneut den Verdacht einer Berufskrankheit beim Versicherten. Es läge eine Mittelgrade COPD vor und es fänden sich multiple Silikoseherde in beiden Lungen. In der Mitte des Jahres 2005 füllte der Versicherte den entsprechenden Fragebogen zu seiner Berufsausübung und zu den medizinischen Befunden aus, die bei ihm erhoben wurden. In einem Befundbericht von F vom 15.06.2005 teilte dieser folgende Gesundheitsbeeinträchtigungen für den Versicherten mit:
leichte Quarzstaublungenveränderungen deutliches Lungenemphysem Herzinsuffizienz mit Bronchitis.
Die Beklagte nahm daraufhin Ermittlungen bezüglich der Feststellung einer Berufskrankheit nach der Anlage der Berufskrankheitenverordnung BK 4111 auf ("chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlebergbau mit Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren"). Die erste Berechnung des technischen Dienstes bezüglich der Anzahl der Feinstaubjahre vom 03.08.2005 kam für den Versicherten auf das Ergebnis von 19,8 Feinstaubjahren. Eine erneute Untersuchung vom 03.11.2005 ergab sodann für den Zeitraum vom 13.01.1953 bis zum 30.06.1972 eine Feinstaubkummulation von 138,8 Feinstaubjahren.
T1 von der Universitätsklinik E diagnostizierte in einem Befundbericht vom 11.05.2005
Dilatative Kardiomyopathie absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern Zustand nach immunsupressiver Therapie nach Myokarditis 1991, 1992, 1999, 2000 Zustand nach Apoplex Zustand nach Bypassoperation linksseitig 1995 Zustand nach TUR der Prostata 12/03 Hyperurikämie Zustand nach Herniotomie rechts 1980 Zustand nach Schrittmacherimplantation 05/2004 Antrakosilikose mit Lungenfibrose respiratorische Partialinsuffizienz Progrediente Niereninsuffizienz.
Auf der Basis eines computertomographischen Befundes von H vom 12.11.2004 begutachtete T2 unter dem 18.01.2006 für die Beklagte den Versicherten. Beim Versicherten bestehe ein Lungenemphysem bei bekannter Silikose. Es zeigten sich silikotische Ballen, die von kleineren Karzinomen nicht zu unterscheiden seien. Eine ständige Verlaufskontrolle sei angebracht. Das Vorliegen einer BK 4103 (Pleuralungenasbethose) sei fraglich. Die medizinischen Voraussetzungen für eine BK 4101 und/oder 4111 lägen jedoch vor. Die MdE sei mit 20 % zu bewerten. Im Auftrag der Beklagten verifizierte O mit einem Gutachten vom 29.12.2006 den Befund. Anhand des Bildmaterials lasse sich eine höhergradige Silikose ausschließen. Einige Parameter seien insoweit fehlgedeutet worden.
Die Beklagte beauftragte daraufhin T3-X2 mit der Begutachtung des Versicherten. Der Sachverständige erstattete unter dem 11.04.2007 sein Gutachten. Anhand der Röntgenverlaufsserie sei seit dem 13.03.1990 das Vorliegen eines Lungenemphysems beim Versicherten wahrscheinlich. Die nachfolgende Untersuchung vom 06.04.1994 zeige erstmals zweifelsfrei das Vorliegen einer Atemwegsobstruktion. Trotz anders lautender Dokumentationen sei bereits zu diesem Zeitpunkt von einer ausgeprägten Störung auszugehen. Die MdE zu diesem Zeitpunkt betrage 20 %. Aufgrund einer Folgeuntersuchung vom 20.07.2004 sei von einer fortgeschrittenen Obstruktion auszugehen, so dass ab diesem Zeitpunkt die MdE mit 30 % zu bewerten sei. Eine weitere Nachfolgeuntersuchung vom 13.10.2004 zeige zweifelsfrei eine Zunahme der Beschwerdesymptomatik, so dass ab diesem Zeitpunkt eine MdE von 50 % anzunehmen sei.
Am 30.10.2007 ist der Versicherte verstorben. U erstattete unter dem 28.11.2007 ein pathologisches Gutachten aufgrund der Leichenöffnung. Er stellte eine
schwergradige komplexe Lungenerkrankung mit hochgradigem obstruktivem Lungenemphysem und chronisch obstruktiver Bronchitis globale Herzvergrößerung mit überschreiten des kritischen Herzgewichtes dilative Kardiomyopathie
fest. Als Todesursache sah der Sachverständige beim Versicherten eine globale respiratorische Insuffizienz mit globalem Herzversagen und Versagen der deutlich vorgeschädigten Lungen. Silikotische Veränderungen seien nur leichtgradig zu finden gewesen. Eine BK 4101 sei nicht gegeben gewesen. Die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 4111 seien jedoch gegeben. Die Folgen dieser BK hätten eine MdE von 50 % verursacht. Diese Erkrankung sei jedenfalls eine wesentliche Teilursache des Todeseintritts des Versicherten gewesen.
Mit Bescheid vom 01.02.2008 erkannte die Beklagte das Vorliegen einer BK 4111 beim Versicherten an. Der Versicherungsfall sei am 06.04.1994 eingetreten. Der Beginn der Rentenzahlung sei auf den 01.01.2001 festzulegen, da gemäß § 45 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) im Übrigen Verjährung eingetreten sei. Ab dem 01.01.2001 betrage die MdE 20 %, ab dem 20.07.2004 30 % und ab dem 13.10.2004 50 %. Als Folgen der BK wurde anerkannt:
"Einschränkung der Lungenfunktion infolge einer chronischen obstruktiven Bronchitis und eines Lungenemphysems".
Die übrigen beim Versicherten vorliegenden schwerwiegenden Erkrankungen seien BK-fremd. Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass schon 1989 ein Antrag auf Feststellung einer Berufskrankheit gestellt worden sei. Das Verfahren sei 1990 durch Klagerücknahme beendet worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Berufskrankheitenanzeige bezüglich einer BK 4111 von S sei am 04.03.2005 bei der Beklagten eingegangen. Der diesbezügliche Fragebogen des Versicherten sei am 13.07.2005 eingegangen. Mit Bescheid vom 01.02.2008 habe man die BK 4111 mit einem Leistungsfall vom 06.04.1994 anerkannt. Da die Antragstellung im Jahre 2005 erfolgt sei, sei für Leistungszeiträume vor dem 01.01.2001 Verjährung gemäß § 45 SGB I eingetreten. Eine Zahlung sei deshalb für den Zeitraum vom 01.01.2001 bis zum 30.10.2007, dem Tag des Todes des Versicherten zu gewähren. Das Ermessen habe die Beklagte in der Weise ausgeübt, dass man sich wegen des Gebots sparsamer Haushaltsführung auf die Verjährung habe berufen müssen. Besondere Umstände, die es geboten hätten, sich nicht auf die Verjährung zu berufen, insbesondere Umstände, die gegen Treue und Glauben verstoßen würden, seien nicht ersichtlich.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 22.08.2008. Sie trägt dazu vor, dass die Beklagte die Einrede der Verjährung nicht hätte erheben dürfen, dies sei treuwidrig gewesen. Bereits seit dem Jahre 1989 sei der Beklagte die Lungenerkrankung des Versicherten bekannt gewesen. Deshalb habe sie sich nicht auf Verjährung berufen dürfen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 01.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2008 zu verurteilen, ihr als Sonderrechtsnachfolgerin des am 30.10.2007 verstorbenen Versicherten X1 M wegen der Folgen seiner anerkannten Berufskrankheit nach der Anlage der Berufskrankheitenverordnung BK 4111 ab dem Leistungsfall 06.04.1994 auch vor dem 01.01.2001 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
Die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig. Sie habe sich auf die Verjährung berufen dürfen. Verstöße gegen das Gebot von Treue und Glauben seien nicht ersichtlich.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin wird durch die angefochtene Entscheidung vom 01.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2008 nicht in ihren Rechten beschwert. Die Entscheidung ist rechtmäßig. Zu Recht hat die Beklagte sich bezüglich der Leistungserbringung für den Zeitraum vor dem 01.01.2001 auf die Verjährung gemäß § 45 Abs. 1 SGB I berufen.
Die Klägerin ist Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten X1 M, der am 00.00.1936 geboren wurde und am 30.10.2007 verstorben ist. Sie kann allein die Ansprüche geltend machen, die dem Versicherten zu Lebzeiten zu gewähren waren.
Mit der insoweit bestandskräftigen gewordenen Entscheidung der Beklagten am 01.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2008 hat die Beklagte beim Kläger eine BK 4111 anerkannt. Die BK 4111 hat folgenden Wortlaut:
"chronisch obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlebergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren".
Unangefochten ist auch mit dieser Entscheidung ein Versicherungsfall für diese Berufskrankheit vom 6. April 1994 festgestellt worden. Ebenso unangefochten ist grundsätzlich die Gewährung einer Verletztenrente wegen der anerkannten Folgen der BK 4111 für die die Zeit bis zum 19.07.2004 mit 20 %, bis zum 12.10.2004 mit 30 % und ab dem 13.10.2004 mit 50 %. Der Leistungsanspruch des Versicherten besteht damit grundsätzlich ab dem 06.04.1994. Dies hat die Beklagte mit dem insoweit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 01.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2008 festgestellt. Daran ist die Kammer gebunden. Denn die Verjährung vernichtet nicht einen bestehenden Rentenanspruch. Die Verjährung bewirkt nur, dass dieser grundsätzlich bestehende Rentenanspruch für einen Zeitraum, für den Verjährung eingetreten ist, nicht mehr ausgezahlt werden muss. Allein der Eintritt der Verjährung ist Streitgegenstand dieses Verfahrens.
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, Leistungen bezüglich des oben genannten Rentenanspruchs vor dem 01.01.2001 zu erhalten. Zu Recht hat die Beklagte sich auf die Verjährung des Anspruchs berufen. Die Verjährungsfristen sind richtig berechnet. Das Berufen auf die Verjährung ist weder treuwierig noch ermessensfehlerhaft.
Erstmals mit der angefochtenen Entscheidung hat die Beklagte das Vorliegen einer BK 4111 beim Versicherten entschieden. Gleichzeitig mit der Anerkennung der Berufskrankheit und der Anerkennung der gesundheitlichen Folgen hat sie den Leistungsbeginn mit dem 06.04.1994 festgestellt. Bezüglich des Beginns der Zahlung der Rente hat sich die Beklagte auf § 45 Abs. 1 SGB I berufen und Leistungen vor dem 01.01.2001 abgelehnt.
Die Verjährungsfrist ist zutreffend berechnet. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB I beträgt die Verjährungsfrist 4 Jahre bezogen auf das Datum der Antragstellung. Die Antragstellung bezüglich der Feststellung einer BK 4111 ist im vorliegenden Fall jedenfalls im Jahr 2005 erfolgt. Nach den Berechnungsregeln des Verjährungsbeginns ist deshalb auf den 01.01.2005 zurückzurechnen und sodann 4 Jahre in die Vergangenheit zu rechnen. Das ist der 01.01.2001. Darüber hinaus zurückliegende Zeiträume unterfallen grundsätzlich der Verjährung.
Die Berufung der Beklagten auf die Verjährung ist nicht treuwidrig. Die Beklagte hat weder durch ein Tun noch durch ein Unterlassen Umstände gesetzt, die den Verjährungseintritt provoziert haben. Die Berufung auf die Verjährung ist deshalb nicht ausgeschlossen.
Die anzuwendende Verjährungsvorschrift des § 45 SGB I verweist in § 45 Abs. 2 SGB I auch für die Wirkung der Verjährung auf die zivilrechtlichen Vorschriften. § 214 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmt für die Wirkung der Verjährung, dass nach deren Eintritt der Schuldner berechtigt ist, die Leistung zu verweigern. Diese Berechtigung charakterisiert die Verjährung als Einrede, die der Schuldner geltend machen muss um vom Zahlungsanspruch gegenüber dem Gläubiger frei zu werden. Wendet er den Eintritt der Verjährung nicht ein oder darf er den Eintritt der Verjährung aus Rechtsgründen nicht einwenden, so muss er - auch für grundsätzlich verjährte Zeitabschnitte - zahlen (vergl. Prütting - wegen Weinreich/Kesseler § 214 BGB Randnr. 2). Die Berufung auf die Verjährung ist der Beklagten hier nicht verwehrt. Zwar gehört es zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die auch in § 242 BGB ihren Niederschlag gefunden haben, dass derjenige, der Umstände setzt, die den Gläubiger davon abhalten, das Eintreten der Verjährung zu verhindern, sich nicht auf den Eintritt der Verjährung berufen darf (Prütting - wegen Weinreich/Schmidt - Kessel § 242 BGB Randnr. 47 mit Bezug auf BGHZ 93,64 ff und BGHZ 123, 394 ff). Doch liegen Umstände, die der Beklagten eine Verantwortung für den Eintritt der Verjährung hier zuweisen könnten nicht vor.
Weder sind der Beklagten insoweit ein aktives Tun noch ein pflichtwidriges Unterlassen vorzuwerfen.
Hinsichtlich eines aktiven Tuns lassen sich keine Anhaltspunkte im Sachverhalt erkennen. Die Beklagte hat jeweils die Anzeigen der behandelnden Ärzte bezüglich des Vorliegens einer Berufskrankheit aktiv unterstützt, den Sachverhalt ermittelt und aufgeklärt.
Auch hat die Beklagte es nicht pflichtwidrig unterlassen, Ansprüche des Versicherten zu fördern und so die Verjährung zu vermeiden. Anders als im Entscheidungsfall der Kammer vom 25.08.2008 (S 1 U 84/07) kann im vorliegenden Fall der Beklagten keine aktive Handlungspflicht auferlegt werden. In dem auch von dem Klägerbevollmächtigten erwähnten Entscheidungsfall der Kammer lag der Sachverhalt anders. Dort hat die Beklagte, obwohl Anhaltspunkte für das Vorliegen einer konkreten BK-vorlagen, die jährlich vorzunehmenden Kontrolluntersuchungen beim Versicherten wegen einer Fehleinschätzung der medizinischen Sachlage abgebrochen, so dass dem Versicherten aus eigener Kraft keine Informationsquelle zugänglich waren, das Vorliegen bzw. das Entstehen einer BK zu erkennen.
Hier liegt der Fall anders. Zwar ist dem Versicherungsträger gemäß § 17 Abs. 1 SGB I grundsätzlich eine Handlungspflicht auferlegt, alles dafür zu tun, dass einem Versicherten, der Anspruch auf eine Leistung hat, ihm diese auch gewährt werden kann. Diese allgemeine Handlungs- und Unterstützungspflicht des Sozialleistungsträgers geht aber nicht soweit, dass er "ins Blaue hinein" jeden Versicherten auf jede Möglichkeit einer BK hinweisen muss.
Hier liegt der Fall so, dass das auch von der Klägerin angegebene BK-Verfahren aus dem Jahre 1989 sich auf eine BK 4101 bezog. Bezüglich dieser BK hat die Beklagte alle notwendigen Untersuchungen durchgeführt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine BK 4101 nicht vorliegt. Schlussendlich ist dies auch durch das Obduktionsgutachten von U vom 28.11.2007 bestätigt worden. Dieses BK-Verfahren ist durch die Rücknahme der Klage durch den Versicherten selbst am 29.10.1990 beendet worden. Bezüglich dieser BK bestand keine Handlungspflicht der Beklagten.
Auch bezüglich der BK, die schließlich mit einem Versicherungsfall vom 06.04.1994 anerkannt wurde, bestand keine aktive Handlungspflicht zur Unterstützung des Versicherten oder der Klägerin. Die BK 4111 wird nach den maßgeblichen Verwaltungsvorschriften nur entschädigt, wenn ein entsprechender Leistungsantrag nach dem 01.12.1997 gestellt wurde und der Leistungsfall nach dem 31.12.1992 eingetreten ist.
Zum Zeitpunkt der Beendigung des BK-Verfahrens der BK 4101 waren schon aus diesem Grund die Voraussetzungen für die Prüfung oder gar Anerkennung einer BK 4111 überhaupt noch nicht gegeben. Eine Handlungspflicht der Beklagten dahingehend zu formulieren, dass mit Einführung der neuen BK 4111 an alle Versicherten die Aufforderung hätte ergehen müssen, sich bezüglich einer BK 4111 um eine Anerkennung zu bemühen, würde bedeuten, den grundsätzlichen Unterstüzungs- und Hilfestellungsanspruch nach § 17 Abs. 1 SGB I übergebührlich auszudehnen. Um eine Handlungspflicht der Beklagten zu überzeugen müssen zumindest Anhaltspunkte dafür vorhanden sein, dass eine BK 4111 hätte vorhanden sein bzw. entstehen können. Aus der Tatsache allein, dass der Versicherte als Bergmann unter Tage tätig war, lassen sich diese Anhaltspunkte nicht ableiten.
Zum Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens zu BK 4101 lagen nicht einmal aus der exante Betrachtung irgendwelche Tatsachen vor, die auf eine funktionsbeeinträchtigende Lungenerkrankung beim Versicherten hätte schließen lassen können. Das Gutachten von T3-X2 vom 11.04.2007 stellt fest, dass erst bei einer Nachfolgeuntersuchung am 06.04.1994, also nach Beendigung des Verwaltungs- und Klageverfahren zur BK 4101 erstmals eine funktionsbeeinträchtigende Lungenerkrankung beim Kläger festgestellt werden konnte. Diese Erkenntnis hat die Beklagte erst durch das Gutachten von T3-X2 vom 11.04.2007 erhalten. Der Sachverständige musste zudem darauf hinweisen, dass die Befunde, die ihn zum Zeitpunkt der Erstellung seines Gutachtens dazu bewegt haben, von einer Atemwegsobstruktion zu diesem Zeitpunkt bereits auszugehen, in vorangegangener Zeit missdeutet worden sind. Ein vorwerfbares Unterlassen auf Seiten der Beklagten lässt sich von daher nicht feststellen.
Auch die Ermessenserwägungen die die Beklagte dazu veranlasst haben, sich auf die Verjährung zu berufen, sind nicht zu beanstanden. Der Grundsatz der ordentlichen Haushaltsführung ist auch im Rahmen der Leistungsgewährung zu berücksichtigen. Auch hier geht § 17 Abs. 1 SGB I nicht soweit, dass jede Art der Leistungsgewährung über einen Verjährungszeitraum hinweg gefördert werden muss. Vielmehr ergibt sich aus der gesetzlichen Systematik, die sich noch verstärkt aus § 44 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) ergibt, dass grundsätzlich Leistungen rückwirkend nicht über den Zeitraum von 4 Jahren hinaus gewährt werden sollen. § 17 Abs. 1 SGB I über diesen Grundsatz zu setzen, würde bedeuten, dass insoweit manifestierte Leitbild des Gesetzes zu konterkarieren (LSG NRW L 4 U 113/08 vom 31.07.2009).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Verletztenrente für den am 30.10.2007 verstorbenen Ehemann der Klägerin für die Zeit auch vor dem 01.01.2001.
Die Klägerin ist die Witwe des am 00.00.1936 geborenen und am 30.10.2007 verstorbenen Versicherten X1 M. Der Versicherte hat in der Zeit von April 1951 bis Juni 1972 in verschiedenen Funktionen unter Tage gearbeitet. Unterbrochen war die Untertagearbeit für die Zeit seines Studiums vom 01.04.1964 bis zu 31.07.1968. Ab dem 01.07.1972 war der Versicherte bis zum 30.11.1990bei der Stadt E als Planungsingenieur beschäftigt.
Am 27.02.1989 äußerte L bezogen auf einen Bericht, den er bereits am 21.11.1988 verfasst hatte, gegenüber der Beklagten den Verdacht einer Silikoseerkrankung beim Kläger. Die Beklagte nahm daraufhin Ermittlungen zur Feststellung einer Berufskrankheit nach der Anlage der Berufskrankheitenverordnung BK 4101 (Feinstaublungenerkrankung der Bergleute) auf. Da nur unklare Befunde bezüglich einer Silikose vorlagen und eine Funktionsbeeinträchtigung noch nicht feststellbar war, lehnte die Beklagte die Feststellung einer Silikose als Berufskrankheit (BK 4101) ab. Der gegen diese Entscheidung eingelegte Widerspruch des Versicherten wurde zurückgewiesen. Die gegen den Widerspruchsbescheid erhobene Klage (SG Düsseldorf S 24 BU 46/89) nahm der Versicherte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.10.1990 zurück.
Fast 15 Jahre später, am 04.03.2005 äußerte S gegenüber der Beklagten erneut den Verdacht einer Berufskrankheit beim Versicherten. Es läge eine Mittelgrade COPD vor und es fänden sich multiple Silikoseherde in beiden Lungen. In der Mitte des Jahres 2005 füllte der Versicherte den entsprechenden Fragebogen zu seiner Berufsausübung und zu den medizinischen Befunden aus, die bei ihm erhoben wurden. In einem Befundbericht von F vom 15.06.2005 teilte dieser folgende Gesundheitsbeeinträchtigungen für den Versicherten mit:
leichte Quarzstaublungenveränderungen deutliches Lungenemphysem Herzinsuffizienz mit Bronchitis.
Die Beklagte nahm daraufhin Ermittlungen bezüglich der Feststellung einer Berufskrankheit nach der Anlage der Berufskrankheitenverordnung BK 4111 auf ("chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlebergbau mit Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren"). Die erste Berechnung des technischen Dienstes bezüglich der Anzahl der Feinstaubjahre vom 03.08.2005 kam für den Versicherten auf das Ergebnis von 19,8 Feinstaubjahren. Eine erneute Untersuchung vom 03.11.2005 ergab sodann für den Zeitraum vom 13.01.1953 bis zum 30.06.1972 eine Feinstaubkummulation von 138,8 Feinstaubjahren.
T1 von der Universitätsklinik E diagnostizierte in einem Befundbericht vom 11.05.2005
Dilatative Kardiomyopathie absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern Zustand nach immunsupressiver Therapie nach Myokarditis 1991, 1992, 1999, 2000 Zustand nach Apoplex Zustand nach Bypassoperation linksseitig 1995 Zustand nach TUR der Prostata 12/03 Hyperurikämie Zustand nach Herniotomie rechts 1980 Zustand nach Schrittmacherimplantation 05/2004 Antrakosilikose mit Lungenfibrose respiratorische Partialinsuffizienz Progrediente Niereninsuffizienz.
Auf der Basis eines computertomographischen Befundes von H vom 12.11.2004 begutachtete T2 unter dem 18.01.2006 für die Beklagte den Versicherten. Beim Versicherten bestehe ein Lungenemphysem bei bekannter Silikose. Es zeigten sich silikotische Ballen, die von kleineren Karzinomen nicht zu unterscheiden seien. Eine ständige Verlaufskontrolle sei angebracht. Das Vorliegen einer BK 4103 (Pleuralungenasbethose) sei fraglich. Die medizinischen Voraussetzungen für eine BK 4101 und/oder 4111 lägen jedoch vor. Die MdE sei mit 20 % zu bewerten. Im Auftrag der Beklagten verifizierte O mit einem Gutachten vom 29.12.2006 den Befund. Anhand des Bildmaterials lasse sich eine höhergradige Silikose ausschließen. Einige Parameter seien insoweit fehlgedeutet worden.
Die Beklagte beauftragte daraufhin T3-X2 mit der Begutachtung des Versicherten. Der Sachverständige erstattete unter dem 11.04.2007 sein Gutachten. Anhand der Röntgenverlaufsserie sei seit dem 13.03.1990 das Vorliegen eines Lungenemphysems beim Versicherten wahrscheinlich. Die nachfolgende Untersuchung vom 06.04.1994 zeige erstmals zweifelsfrei das Vorliegen einer Atemwegsobstruktion. Trotz anders lautender Dokumentationen sei bereits zu diesem Zeitpunkt von einer ausgeprägten Störung auszugehen. Die MdE zu diesem Zeitpunkt betrage 20 %. Aufgrund einer Folgeuntersuchung vom 20.07.2004 sei von einer fortgeschrittenen Obstruktion auszugehen, so dass ab diesem Zeitpunkt die MdE mit 30 % zu bewerten sei. Eine weitere Nachfolgeuntersuchung vom 13.10.2004 zeige zweifelsfrei eine Zunahme der Beschwerdesymptomatik, so dass ab diesem Zeitpunkt eine MdE von 50 % anzunehmen sei.
Am 30.10.2007 ist der Versicherte verstorben. U erstattete unter dem 28.11.2007 ein pathologisches Gutachten aufgrund der Leichenöffnung. Er stellte eine
schwergradige komplexe Lungenerkrankung mit hochgradigem obstruktivem Lungenemphysem und chronisch obstruktiver Bronchitis globale Herzvergrößerung mit überschreiten des kritischen Herzgewichtes dilative Kardiomyopathie
fest. Als Todesursache sah der Sachverständige beim Versicherten eine globale respiratorische Insuffizienz mit globalem Herzversagen und Versagen der deutlich vorgeschädigten Lungen. Silikotische Veränderungen seien nur leichtgradig zu finden gewesen. Eine BK 4101 sei nicht gegeben gewesen. Die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 4111 seien jedoch gegeben. Die Folgen dieser BK hätten eine MdE von 50 % verursacht. Diese Erkrankung sei jedenfalls eine wesentliche Teilursache des Todeseintritts des Versicherten gewesen.
Mit Bescheid vom 01.02.2008 erkannte die Beklagte das Vorliegen einer BK 4111 beim Versicherten an. Der Versicherungsfall sei am 06.04.1994 eingetreten. Der Beginn der Rentenzahlung sei auf den 01.01.2001 festzulegen, da gemäß § 45 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) im Übrigen Verjährung eingetreten sei. Ab dem 01.01.2001 betrage die MdE 20 %, ab dem 20.07.2004 30 % und ab dem 13.10.2004 50 %. Als Folgen der BK wurde anerkannt:
"Einschränkung der Lungenfunktion infolge einer chronischen obstruktiven Bronchitis und eines Lungenemphysems".
Die übrigen beim Versicherten vorliegenden schwerwiegenden Erkrankungen seien BK-fremd. Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass schon 1989 ein Antrag auf Feststellung einer Berufskrankheit gestellt worden sei. Das Verfahren sei 1990 durch Klagerücknahme beendet worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Berufskrankheitenanzeige bezüglich einer BK 4111 von S sei am 04.03.2005 bei der Beklagten eingegangen. Der diesbezügliche Fragebogen des Versicherten sei am 13.07.2005 eingegangen. Mit Bescheid vom 01.02.2008 habe man die BK 4111 mit einem Leistungsfall vom 06.04.1994 anerkannt. Da die Antragstellung im Jahre 2005 erfolgt sei, sei für Leistungszeiträume vor dem 01.01.2001 Verjährung gemäß § 45 SGB I eingetreten. Eine Zahlung sei deshalb für den Zeitraum vom 01.01.2001 bis zum 30.10.2007, dem Tag des Todes des Versicherten zu gewähren. Das Ermessen habe die Beklagte in der Weise ausgeübt, dass man sich wegen des Gebots sparsamer Haushaltsführung auf die Verjährung habe berufen müssen. Besondere Umstände, die es geboten hätten, sich nicht auf die Verjährung zu berufen, insbesondere Umstände, die gegen Treue und Glauben verstoßen würden, seien nicht ersichtlich.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 22.08.2008. Sie trägt dazu vor, dass die Beklagte die Einrede der Verjährung nicht hätte erheben dürfen, dies sei treuwidrig gewesen. Bereits seit dem Jahre 1989 sei der Beklagte die Lungenerkrankung des Versicherten bekannt gewesen. Deshalb habe sie sich nicht auf Verjährung berufen dürfen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 01.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2008 zu verurteilen, ihr als Sonderrechtsnachfolgerin des am 30.10.2007 verstorbenen Versicherten X1 M wegen der Folgen seiner anerkannten Berufskrankheit nach der Anlage der Berufskrankheitenverordnung BK 4111 ab dem Leistungsfall 06.04.1994 auch vor dem 01.01.2001 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
Die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig. Sie habe sich auf die Verjährung berufen dürfen. Verstöße gegen das Gebot von Treue und Glauben seien nicht ersichtlich.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin wird durch die angefochtene Entscheidung vom 01.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2008 nicht in ihren Rechten beschwert. Die Entscheidung ist rechtmäßig. Zu Recht hat die Beklagte sich bezüglich der Leistungserbringung für den Zeitraum vor dem 01.01.2001 auf die Verjährung gemäß § 45 Abs. 1 SGB I berufen.
Die Klägerin ist Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten X1 M, der am 00.00.1936 geboren wurde und am 30.10.2007 verstorben ist. Sie kann allein die Ansprüche geltend machen, die dem Versicherten zu Lebzeiten zu gewähren waren.
Mit der insoweit bestandskräftigen gewordenen Entscheidung der Beklagten am 01.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2008 hat die Beklagte beim Kläger eine BK 4111 anerkannt. Die BK 4111 hat folgenden Wortlaut:
"chronisch obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlebergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren".
Unangefochten ist auch mit dieser Entscheidung ein Versicherungsfall für diese Berufskrankheit vom 6. April 1994 festgestellt worden. Ebenso unangefochten ist grundsätzlich die Gewährung einer Verletztenrente wegen der anerkannten Folgen der BK 4111 für die die Zeit bis zum 19.07.2004 mit 20 %, bis zum 12.10.2004 mit 30 % und ab dem 13.10.2004 mit 50 %. Der Leistungsanspruch des Versicherten besteht damit grundsätzlich ab dem 06.04.1994. Dies hat die Beklagte mit dem insoweit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 01.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2008 festgestellt. Daran ist die Kammer gebunden. Denn die Verjährung vernichtet nicht einen bestehenden Rentenanspruch. Die Verjährung bewirkt nur, dass dieser grundsätzlich bestehende Rentenanspruch für einen Zeitraum, für den Verjährung eingetreten ist, nicht mehr ausgezahlt werden muss. Allein der Eintritt der Verjährung ist Streitgegenstand dieses Verfahrens.
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, Leistungen bezüglich des oben genannten Rentenanspruchs vor dem 01.01.2001 zu erhalten. Zu Recht hat die Beklagte sich auf die Verjährung des Anspruchs berufen. Die Verjährungsfristen sind richtig berechnet. Das Berufen auf die Verjährung ist weder treuwierig noch ermessensfehlerhaft.
Erstmals mit der angefochtenen Entscheidung hat die Beklagte das Vorliegen einer BK 4111 beim Versicherten entschieden. Gleichzeitig mit der Anerkennung der Berufskrankheit und der Anerkennung der gesundheitlichen Folgen hat sie den Leistungsbeginn mit dem 06.04.1994 festgestellt. Bezüglich des Beginns der Zahlung der Rente hat sich die Beklagte auf § 45 Abs. 1 SGB I berufen und Leistungen vor dem 01.01.2001 abgelehnt.
Die Verjährungsfrist ist zutreffend berechnet. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB I beträgt die Verjährungsfrist 4 Jahre bezogen auf das Datum der Antragstellung. Die Antragstellung bezüglich der Feststellung einer BK 4111 ist im vorliegenden Fall jedenfalls im Jahr 2005 erfolgt. Nach den Berechnungsregeln des Verjährungsbeginns ist deshalb auf den 01.01.2005 zurückzurechnen und sodann 4 Jahre in die Vergangenheit zu rechnen. Das ist der 01.01.2001. Darüber hinaus zurückliegende Zeiträume unterfallen grundsätzlich der Verjährung.
Die Berufung der Beklagten auf die Verjährung ist nicht treuwidrig. Die Beklagte hat weder durch ein Tun noch durch ein Unterlassen Umstände gesetzt, die den Verjährungseintritt provoziert haben. Die Berufung auf die Verjährung ist deshalb nicht ausgeschlossen.
Die anzuwendende Verjährungsvorschrift des § 45 SGB I verweist in § 45 Abs. 2 SGB I auch für die Wirkung der Verjährung auf die zivilrechtlichen Vorschriften. § 214 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmt für die Wirkung der Verjährung, dass nach deren Eintritt der Schuldner berechtigt ist, die Leistung zu verweigern. Diese Berechtigung charakterisiert die Verjährung als Einrede, die der Schuldner geltend machen muss um vom Zahlungsanspruch gegenüber dem Gläubiger frei zu werden. Wendet er den Eintritt der Verjährung nicht ein oder darf er den Eintritt der Verjährung aus Rechtsgründen nicht einwenden, so muss er - auch für grundsätzlich verjährte Zeitabschnitte - zahlen (vergl. Prütting - wegen Weinreich/Kesseler § 214 BGB Randnr. 2). Die Berufung auf die Verjährung ist der Beklagten hier nicht verwehrt. Zwar gehört es zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die auch in § 242 BGB ihren Niederschlag gefunden haben, dass derjenige, der Umstände setzt, die den Gläubiger davon abhalten, das Eintreten der Verjährung zu verhindern, sich nicht auf den Eintritt der Verjährung berufen darf (Prütting - wegen Weinreich/Schmidt - Kessel § 242 BGB Randnr. 47 mit Bezug auf BGHZ 93,64 ff und BGHZ 123, 394 ff). Doch liegen Umstände, die der Beklagten eine Verantwortung für den Eintritt der Verjährung hier zuweisen könnten nicht vor.
Weder sind der Beklagten insoweit ein aktives Tun noch ein pflichtwidriges Unterlassen vorzuwerfen.
Hinsichtlich eines aktiven Tuns lassen sich keine Anhaltspunkte im Sachverhalt erkennen. Die Beklagte hat jeweils die Anzeigen der behandelnden Ärzte bezüglich des Vorliegens einer Berufskrankheit aktiv unterstützt, den Sachverhalt ermittelt und aufgeklärt.
Auch hat die Beklagte es nicht pflichtwidrig unterlassen, Ansprüche des Versicherten zu fördern und so die Verjährung zu vermeiden. Anders als im Entscheidungsfall der Kammer vom 25.08.2008 (S 1 U 84/07) kann im vorliegenden Fall der Beklagten keine aktive Handlungspflicht auferlegt werden. In dem auch von dem Klägerbevollmächtigten erwähnten Entscheidungsfall der Kammer lag der Sachverhalt anders. Dort hat die Beklagte, obwohl Anhaltspunkte für das Vorliegen einer konkreten BK-vorlagen, die jährlich vorzunehmenden Kontrolluntersuchungen beim Versicherten wegen einer Fehleinschätzung der medizinischen Sachlage abgebrochen, so dass dem Versicherten aus eigener Kraft keine Informationsquelle zugänglich waren, das Vorliegen bzw. das Entstehen einer BK zu erkennen.
Hier liegt der Fall anders. Zwar ist dem Versicherungsträger gemäß § 17 Abs. 1 SGB I grundsätzlich eine Handlungspflicht auferlegt, alles dafür zu tun, dass einem Versicherten, der Anspruch auf eine Leistung hat, ihm diese auch gewährt werden kann. Diese allgemeine Handlungs- und Unterstützungspflicht des Sozialleistungsträgers geht aber nicht soweit, dass er "ins Blaue hinein" jeden Versicherten auf jede Möglichkeit einer BK hinweisen muss.
Hier liegt der Fall so, dass das auch von der Klägerin angegebene BK-Verfahren aus dem Jahre 1989 sich auf eine BK 4101 bezog. Bezüglich dieser BK hat die Beklagte alle notwendigen Untersuchungen durchgeführt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine BK 4101 nicht vorliegt. Schlussendlich ist dies auch durch das Obduktionsgutachten von U vom 28.11.2007 bestätigt worden. Dieses BK-Verfahren ist durch die Rücknahme der Klage durch den Versicherten selbst am 29.10.1990 beendet worden. Bezüglich dieser BK bestand keine Handlungspflicht der Beklagten.
Auch bezüglich der BK, die schließlich mit einem Versicherungsfall vom 06.04.1994 anerkannt wurde, bestand keine aktive Handlungspflicht zur Unterstützung des Versicherten oder der Klägerin. Die BK 4111 wird nach den maßgeblichen Verwaltungsvorschriften nur entschädigt, wenn ein entsprechender Leistungsantrag nach dem 01.12.1997 gestellt wurde und der Leistungsfall nach dem 31.12.1992 eingetreten ist.
Zum Zeitpunkt der Beendigung des BK-Verfahrens der BK 4101 waren schon aus diesem Grund die Voraussetzungen für die Prüfung oder gar Anerkennung einer BK 4111 überhaupt noch nicht gegeben. Eine Handlungspflicht der Beklagten dahingehend zu formulieren, dass mit Einführung der neuen BK 4111 an alle Versicherten die Aufforderung hätte ergehen müssen, sich bezüglich einer BK 4111 um eine Anerkennung zu bemühen, würde bedeuten, den grundsätzlichen Unterstüzungs- und Hilfestellungsanspruch nach § 17 Abs. 1 SGB I übergebührlich auszudehnen. Um eine Handlungspflicht der Beklagten zu überzeugen müssen zumindest Anhaltspunkte dafür vorhanden sein, dass eine BK 4111 hätte vorhanden sein bzw. entstehen können. Aus der Tatsache allein, dass der Versicherte als Bergmann unter Tage tätig war, lassen sich diese Anhaltspunkte nicht ableiten.
Zum Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens zu BK 4101 lagen nicht einmal aus der exante Betrachtung irgendwelche Tatsachen vor, die auf eine funktionsbeeinträchtigende Lungenerkrankung beim Versicherten hätte schließen lassen können. Das Gutachten von T3-X2 vom 11.04.2007 stellt fest, dass erst bei einer Nachfolgeuntersuchung am 06.04.1994, also nach Beendigung des Verwaltungs- und Klageverfahren zur BK 4101 erstmals eine funktionsbeeinträchtigende Lungenerkrankung beim Kläger festgestellt werden konnte. Diese Erkenntnis hat die Beklagte erst durch das Gutachten von T3-X2 vom 11.04.2007 erhalten. Der Sachverständige musste zudem darauf hinweisen, dass die Befunde, die ihn zum Zeitpunkt der Erstellung seines Gutachtens dazu bewegt haben, von einer Atemwegsobstruktion zu diesem Zeitpunkt bereits auszugehen, in vorangegangener Zeit missdeutet worden sind. Ein vorwerfbares Unterlassen auf Seiten der Beklagten lässt sich von daher nicht feststellen.
Auch die Ermessenserwägungen die die Beklagte dazu veranlasst haben, sich auf die Verjährung zu berufen, sind nicht zu beanstanden. Der Grundsatz der ordentlichen Haushaltsführung ist auch im Rahmen der Leistungsgewährung zu berücksichtigen. Auch hier geht § 17 Abs. 1 SGB I nicht soweit, dass jede Art der Leistungsgewährung über einen Verjährungszeitraum hinweg gefördert werden muss. Vielmehr ergibt sich aus der gesetzlichen Systematik, die sich noch verstärkt aus § 44 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) ergibt, dass grundsätzlich Leistungen rückwirkend nicht über den Zeitraum von 4 Jahren hinaus gewährt werden sollen. § 17 Abs. 1 SGB I über diesen Grundsatz zu setzen, würde bedeuten, dass insoweit manifestierte Leitbild des Gesetzes zu konterkarieren (LSG NRW L 4 U 113/08 vom 31.07.2009).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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