L 22 LW 2/10 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 16 LW 11/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 LW 2/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 13. Januar 2010 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 28. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Dezember 2009 wird angeordnet, soweit eine Mahngebühr in Höhe von 51,10 Euro gefordert wird. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches gegen den Bescheid vom 28. Juli 2009.

Der im Dezember 1951 geborene Antragsteller ist seit Oktober 2001 mit R P verheiratet, die ein Unternehmen der Landwirtschaft betreibt.

Mit Bescheid vom 17. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2008 stellte die Antragsgegnerin für den Antragsteller als Ehegatte eines Landwirts Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse ab Oktober 2001 fest. Sie wies außerdem auf die monatliche Beitragshöhe und einen Beitragsrückstand hin. Dagegen hat der Antragsteller am 24. September 2008 Klage erhoben, die beim Sozialgericht Potsdam (S 16 LW 6/08) anhängig ist.

Mit Bescheid vom 03. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2009 stellte die Antragsgegnerin fest, dass die Beitragsforderung für den Zeitraum vom 08. Oktober 2001 bis 31. Dezember 2003 verjährt ist. Dagegen hat der Antragsteller am 26. Juni 2009 beim Sozialgericht Potsdam Klage erhoben (S 16 LW 6/09).

Mit Bescheid vom 31. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Februar 2009 lehnte die Antragsgegnerin die Befreiung von der Versicherungspflicht zur Alterssicherung der Landwirte ab. Sie wies außerdem auf die monatliche Beitragshöhe und einen Beitragsrückstand hin. Dagegen hat der Antragsteller am 20. Februar 2009 beim Sozialgericht Potsdam Klage erhoben (S 16 LW 5/09).

Über den am 29. April 2009 gestellten Antrag des Antragstellers auf Beitragszuschuss für die Jahre 2005 bis 2007 hat die Antragsgegnerin bisher nicht entschieden.

Im Schreiben vom 05. Mai 2009 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller u. a. mit, ein Forderungsbescheid sei bisher nicht erlassen worden.

Mit Mahnung vom 28. Juli 2009 wies die Antragsgegnerin auf einen Rückstand der Beiträge vom 01. Januar 2004 bis 31. Juli 2009 in Höhe von 11.613,00 Euro und einen Säumniszuschlag von 1.579,50 Euro hin, verfügte, dass für diese Mahnung eine Mahngebühr von 51,10 Euro anfällt, und bat um Überweisung von insgesamt 13.243,60 Euro innerhalb einer Woche. Ansonsten werde die noch offene Forderung kostenpflichtig eingezogen.

Diesem Schreiben widersprach der Antragsteller. Er wies darauf hin, dass die Höhe und der Grund der Forderung streitig seien. Da keine Fälligkeit vorliege, sei auch für die Erhebung von Mahngebühren kein Raum.

Mit Forderungsbescheid vom 24. September 2009 verlangte die Antragsgegnerin Zahlung von 13.243,60 Euro, bestehend aus einer Beitragsforderung vom 01. Januar 2004 bis 31. Juli 2009 von 11.613,00 Euro, Säumniszuschlägen bis 16. Juli 2009 von 1.579,50 Euro und Mahngebühren von 51,10 Euro.

Diesem Forderungsbescheid widersprach der Antragsteller ebenfalls.

Am 07. Oktober 2007 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Potsdam (S 16 LW 7/09 ER), die aufschiebende Wirkung sämtlicher Widersprüche gegen sämtliche Forderungsbescheide wieder herzustellen. Dieses Verfahren endete am 28. Oktober 2009 durch Erledigterklärung des Antragstellers, verbunden mit der Ankündigung, erneut Antrag zu stellen, sofern ab Januar 2010 erneut Vollstreckung angedroht werden sollte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04. Dezember 2009 verwarf die Antragsgegnerin den Widerspruch gegen die Mahnung vom 28. Juli 2009 als unzulässig, da es sich nicht um einen Verwaltungsakt handele. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. September 2009 wies sie zurück, da die Gesamtforderung zu Recht bestehe.

Mit der am 09. Dezember 2009 beim Sozialgericht Potsdam erhobenen Klage (S 16 LW 10/09) begehrt der Antragsteller, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den angegriffenen Bescheid vom 28. Juli 2009 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 04. Dezember 2009 aufzuheben. Er meint, die Antragsgegnerin dürfe nicht über einen einheitlichen Widerspruch als unzulässig und zum anderen als zulässig aber unbegründet entscheiden. Dass der Charakter als Verwaltungsakt gegeben sein dürfte, ergebe sich schon aus der Vollstreckungsandrohung.

Nachdem die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 28. Dezember 2009 angekündigt hatte, dass sie die Vollstreckung offener Forderungen über den 31. Dezember 2009 hinaus nicht aussetzen werde, weil immer noch keine vollständigen Unterlagen zum Antrag auf Gewährung von Beitragszuschüssen vorlägen, hat der Antragsteller am 28. Dezember 2009 beim Sozialgericht Potsdam Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend begehrt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 31. Juli 2009 gegen den Bescheid vom 28. Juli 2009 anzuordnen.

Der Antragsteller ist der Ansicht, die Vollstreckung sei unzulässig. Er habe sämtliche relevanten Unterlagen bereitgestellt. Demgegenüber habe die Antragsgegnerin den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, weil nicht zu erkennen sei, dass sie überhaupt an der Sachverhaltsermittlung teilgenommen habe. Ungeklärt sei die Versicherungspflicht. Ein Teil der Forderung sei verjährt. Für das Jahr 2004 bestehe keine Versicherungspflicht. Die geltend gemachte Forderung könne also nicht richtig sein. Die Vollstreckung einer offensichtlich rechtswidrigen Forderung sei nicht zulässig, so dass die Abwägung nur zu Lasten der Antragsgegnerin ausgehen könne.

Mit Beschluss vom 13. Januar 2010 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt: Die Mahnung vom 28. Juli 2009 sei mangels eigenständigen Regelungsgehaltes nicht als anfechtbarer Verwaltungsakt zu qualifizieren.

Gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 19. Januar 2010 zugestellten Beschluss richtet sich die am selben Tag eingelegte Beschwerde des Antragstellers.

Er meint, dass das Schreiben vom 28. Juli 2009 als Mahnung tituliert sei, sei nicht entscheidend. Zudem habe das Sozialgericht übersehen, dass die Frage, ob ein solcher Verwaltungsakt gegeben sei, zwischen den Parteien nie in der Diskussion gewesen sei. Der Widerspruchsbescheid vom 04. Dezember 2009 stelle zu Ziffer 2 eindeutig fest, dass die Mahnung als Bescheid verstanden worden sei. Dies sei auch konsequent, da die Mahnung nicht nur Regelungen zur Verzinsung enthalten, sondern auch noch die Vollstreckung angekündigt habe. Dies sei aber ohne Belang, da über den Widerspruch entschieden worden sei.

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Potsdam vom 13. Januar 2010 die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 28. Juli 2009 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält ein Rechtsschutzbedürfnis nicht für gegeben, da über den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid entschieden worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Verfahrensstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin (AKB ), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist zu einem geringen Teil begründet.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches (bei verständiger Auslegung: der Klage) zu Unrecht in vollem Umfang abgelehnt. Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 28. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Dezember 2009, soweit eine Mahngebühr von 51,10 Euro gefordert wird.

Im Übrigen ist der angefochtene Beschluss zutreffend, so dass insoweit die Beschwerde keinen Erfolg hat.

Der Antrag des Antragstellers bedarf allerdings einer Auslegung, denn nach seinem Wortlaut wäre er mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs kommt nur solange in Betracht, solange über diesen Widerspruch nicht mit Widerspruchsbescheid entschieden ist. Nach Erteilung des Widerspruchsbescheides und der Erhebung der Klage ist ausschließlich ein Antrag gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zulässig. Soweit ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides beim Sozialgericht oder beim Beschwerdegericht anhängig war, ist dieses anhängige Verfahren mit dem geänderten Antrag in entsprechender Anwendung des § 99 Abs. 3 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach es als eine Änderung der Klage nicht anzusehen ist, wenn ohne Änderung des Klagegrundes statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird, fortzusetzen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 9. Auflage, § 86 b Rdnr. 9 b; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 12. September 2002 - L 4 KR 138/02 ER, abgedruckt in NZS 2003, 168; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. April 2006 - L 3 B 1138/05 U ER, zitiert nach juris).

Eine solche Antragsänderung scheidet vorliegend allerdings aus, denn der Antragsteller hat, obwohl bereits der Widerspruchsbescheid vom 04. Dezember 2009 erlassen war und er dagegen am 09. Dezember 2009 Klage beim Sozialgericht erhoben hat, mit seinem einstweiligen Rechtsschutzverfahren noch am 28. Dezember 2009 begehrt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruches anzuordnen. Dieser unzulässige Antrag ist jedoch der Auslegung im Sinne einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zugänglich.

Für die Frage, welches Begehren der Antragsteller verfolgt, kommt es entsprechend § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zunächst auf dessen wirklichen Willen und auf dessen erkennbares Prozessziel an. Entscheidend ist, welchen Sinn die Erklärung aus der Sicht des Gerichts und des Prozessgegners hat. Dabei ist der Antragsteller nicht allein am Wortlaut festzuhalten.

Bei verständiger Würdigung des Antrages wird deutlich, dass sich der Antragsteller dagegen wendet, dass aus dem Bescheid vom 28. Juli 2009 Folgerungen gezogen werden, bevor darüber abschließend im Hauptsacheverfahren entschieden ist. Dieses Begehren lässt sich nach Erlass des Widerspruchsbescheides nicht mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches, sondern allein mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage erreichen. Es ist daher zulässig und geboten, den Antrag im letztgenannten Sinne auszulegen.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 28. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Dezember 2009 ist jedoch nur insoweit begründet, als eine Mahngebühr durch Verwaltungsakt gefordert wird, denn dafür sind ersichtlich die Voraussetzungen nicht erfüllt. Im Übrigen ist der Antrag bereits unzulässig, denn eine Mahnung stellt weder einen Verwaltungsakt dar, noch ist sie sonst gesondert mit einem Rechtsbehelf angreifbar.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Zwar haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung (§ 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG). Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG jedoch bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten.

Danach hat die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 28. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Dezember 2009 keine aufschiebende Wirkung, denn damit wird eine Mahngebühr als Nebenkosten zu den angemahnten Beiträgen und Säumniszuschlägen angefordert.

Es bedarf daher der Anordnung der aufschiebenden Wirkung, um zu erreichen, dass der angefochtene Verwaltungsakt nicht vollzogen wird. Bei der Entscheidung über diese Anordnung hat das Gericht zwischen dem privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen. Wegen des mit dem Verwaltungsakt verbundenen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen hat diese Abwägung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) in besonderem Maße Rechnung zu tragen. Die für den Regelfall vorgeschriebene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage ist insoweit eine adäquate Ausprägung dieser Garantie und ein fundamentaler Grundsatz öffentlich-rechtlicher Streitverfahren in Anfechtungssachen. Allerdings gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe nicht schlechthin. Überwiegende öffentliche Belange können es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Für die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes ist daher ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Der Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers ist dabei umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die dem Einzelnen auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken. Geltung und Inhalt dieser Leitlinien sind nicht davon abhängig, ob der Sofortvollzug eines Verwaltungsaktes einer gesetzlichen oder einer behördlichen Anordnung entspringt (so BVerfG, Beschluss vom 21. März 1985 2 BvR 1642/83 , abgedruckt in BVerfGE 69, 220; Beschluss vom 10. April 2001 1 BvR 1577/00 m. w. N., zitiert nach juris).

In den Fällen des § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung regelmäßig jedoch nur in Betracht, wenn so § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn nach summarischer Prüfung des Verwaltungsaktes neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unsicherheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (so Bundesfinanzhof BFH , Beschluss vom 02. November 2004 XI S 15/04 ), also im Hauptsacheverfahren ein Erfolg wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Dafür spricht die Erwägung, dass durch § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bewusst auf den Adressaten verlagert worden ist, um die notwendigen Einnahmen der öffentlichen Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben sicherzustellen. Diese gesetzliche Risikoverteilung würde unterlaufen, wenn bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens die Vollziehung ausgesetzt würde (Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 9. Auflage, § 86 a Rdnr. 27 a). Eine unbillige Härte ist anzunehmen, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung des Verwaltungsaktes Nachteile entstehen oder ernsthaft drohen, die nicht oder nur schwer wieder gutgemacht werden können, sofern sie über die eigentliche Zahlung hinausgehen, denn Nachteile, die mit dem Vollzug eines nicht rechtskräftigen Verwaltungsaktes allgemein verbunden sind, sind regelmäßig zumutbar. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung wegen unbilliger Härte kommt allerdings nur in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht ausgeschlossen werden können. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig, ist eine unbillige Härte ausgeschlossen, denn die Vollziehung zur Verwirklichung eines vom Gesetz vorgeschriebenen Rechtszustandes bedeutet lediglich die Durchsetzung der Rechtspflichten, die jedem anderen Betroffenen in derselben Situation obliegen (vgl. Meyer Ladewig, a. a. O., § 86 a Rdnr. 27 b; BFH, Beschluss vom 02. November 2004 XI S 15/04 ; Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 01. November 2005 4 EO 871/05 , zitiert nach juris).

Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 28. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Dezember 2009, soweit damit eine Mahngebühr gefordert wird.

Während Beiträge zur Alterssicherung der Landwirte einschließlich der darauf entfallenden Säumniszuschläge ihre Rechtsgrundlage im materiellen Sozialversicherungsrecht haben (§ 70, § 71 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte - ALG - , § 1 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV - ), ist der Anspruch auf eine Mahngebühr dem Verwaltungsvollstreckungsrecht zugeordnet. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG), auf den § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB X verweist, wonach für die Vollstreckung zugunsten u. a. der Bundes unmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts das VwVG gilt, wird für die Mahnung nach § 3 Abs. 3 VwVG eine Mahngebühr erhoben.

Soweit daher im Bescheid vom 28. Juli 2009 neben der Mahnung der rückständigen Beiträge und Säumniszuschläge eine Mahngebühr festgesetzt wurde, zählt diese nicht, entgegen der dortigen Darstellung, zu den rückständigen Zahlungen. Vielmehr wird der Rechtsgrund für das Entstehen der Mahngebühr erst durch die Mahnung selbst begründet. Als von der Mahnung unabhängig teilt die Mahngebühr folglich nicht den Rechtscharakter der Mahnung. Die Festsetzung und Forderung der Mahngebühr erfüllt den Tatbestand eines Verwaltungsaktes, denn es handelt sich um eine Verfügung, die die Antragsgegnerin zur Regelung eines Einzelfalls getroffen hat und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die Regelung besteht darin, dass der Antragsteller unmittelbar dadurch verpflichtet wird, die Mahngebühr zu zahlen.

An der Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Mahngebühr im Bescheid vom 28. Juli 2009 bestehen allerdings ernsthafte Zweifel, denn es ist nicht ersichtlich, dass die für eine Mahnung nach § 3 Abs. 3 VwVG erforderlichen Voraussetzungen vorgelegen haben.

Nach § 3 Abs. 3 VwVG soll der Schuldner vor Anordnung der Vollstreckung ferner mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gemahnt werden. Diese Vorschrift knüpft an § 3 Abs. 2 VwVG an, der bestimmt: Voraussetzungen für die Einleitung der Vollstreckung sind: a) der Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist; b) die Fälligkeit der Leistung, c) der Ablauf einer Frist von einer Woche seit Bekanntgabe des Leistungsbescheides oder, wenn die Leistung erst danach fällig wird, der Ablauf einer Frist von einer Woche nach Eintritt der Fälligkeit.

Ein Leistungsbescheid, der der Mahnung vom 28. Juli 2009 vorausging, fehlt offenkundig.

Der Anspruch auf die Beiträge und der Anspruch auf die Säumniszuschläge entstehen zwar kraft Gesetzes mit deren Fälligkeit (§ 71 Abs. 1 ALG, § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Der Beitrag ist danach jeweils am 15. eines Kalendermonats fällig. Für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag zu zahlen, es sei denn (so § 24 Abs. 2 SGB IV), es wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Die Verpflichtung zu deren Zahlung entsteht mithin ebenfalls kraft Gesetzes. Grundlage einer Vollstreckung ist jedoch ein Leistungsbescheid, mit dem diese Verpflichtung konkret im Sinne einer Regelung, also durch Verwaltungsakt festgestellt wird.

Daran mangelt es.

Die Antragsgegnerin selbst teilte dem Antragsteller im Schreiben vom 05. Mai 2009 mit, dass ein Forderungsbescheid (über die Beiträge und die Säumniszuschläge) bislang nicht erlassen wurde.

Ein solcher Forderungsbescheid liegt tatsächlich auch nicht vor. Soweit die Antragsgegnerin im Bescheid vom 17. Januar 2008 und im Bescheid vom 31. Juli 2008 Angaben zur monatlichen Beitragshöhe und zum Beitragsrückstand machte, handelt es sich lediglich, wie es dort ausdrücklich heißt, um Hinweise. In den beiden Verfügungssätzen, also in der Regelung vor der Begründung, wurden solche Beiträge nicht festgesetzt und verlangt.

Ein Verwaltungsakt über die Festsetzung und Forderung von Beiträgen und Säumniszuschlägen lag mithin vor dem Bescheid vom 28. Juli 2009 nicht vor, so dass die Festsetzung und Forderung einer Mahngebühr ersichtlich nicht zulässig war.

Bestehen mithin im genannten Umfang ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 28. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Dezember 2009, muss bezogen auf die Festsetzung und Forderung einer Mahngebühr von 51,10 Euro die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet werden.

Im Übrigen scheidet dies jedoch aus, denn der Widerspruch gegen die Mahnung im Bescheid vom 28. Juli 2009 hat keine aufschiebende Wirkung, da die Mahnung keinen Verwaltungsakt darstellt.

Über die Frage, ob ein Verwaltungsakt gegeben ist, können sich die Beteiligten nicht einigen, denn sie können dem Gericht nicht vorgeben, wie das Gesetz, hier also § 31 Satz 1 SGB X, auszulegen ist. Es ist daher irrelevant, ob zwischen den Parteien nie in der Diskussion gewesen sei, dass eine Mahnung ein solcher Verwaltungsakt sei. Soweit der Antragsteller meint, aus dem Widerspruchsbescheid vom 04. Dezember 2009 ableiten zu können, dort sei die Mahnung als Bescheid verstanden worden, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Die von ihm genannte Ziffer 2 im Entscheidungstenor des Widerspruchsbescheides vom 04. Dezember 2009 betrifft den Bescheid vom 24. September 2009. Demgegenüber wird die Mahnung allein unter Ziffer 1 des Entscheidungstenors dieses Widerspruchsbescheides insoweit angesprochen, als der Widerspruch dagegen als unzulässig verworfen wird. Der Begründung ist dazu zu entnehmen, dass es sich bei einer Mahnung nicht um einen Verwaltungsakt handelt.

Dies entspricht der Rechtsauffassung auch des Bundessozialgerichts (BSG). Danach stellt eine Mahnung als Zahlungsaufforderung keinen Leistungsbescheid im Sinne des § 3 Abs. 2 Bst. a VwVG dar. Die Mahnung ist vielmehr als unselbständige Vorbereitungshandlung zur Vollstreckungsanordnung (§ 3 Abs. 4 VwVG) oder zu den eigentlichen Vollstreckungshandlungen nicht anfechtbar (BSG, Beschluss vom 05. August 1997 - 11 BAr 95/97; BSG, Beschluss vom 07. Juni 1999 - B 7 AL 264/98 B; Urteil vom 07. Oktober 2004 - B 11 AL 43/03 R; alle zitiert nach juris).

Dies schließt zwar nicht aus, dass eine Zahlungsaufforderung im Einzelfall auch einmal als Leistungsbescheid auszulegen sein kann. Dies könnte erwogen werden, wenn in einem Schreiben zur Zahlung aufgefordert und daraus deutlich wird, dass damit eine verbindliche Entscheidung getroffen wird (BSG, Urteil vom 07. Oktober 2004 – B 11 AL 43/03 R). Eine (bloße) Zahlungsaufforderung kann nämlich durchaus mehrdeutig sein. Wird die Zahlungsaufforderung hingegen eindeutig als Mahnung bezeichnet, begründet dies regelmäßig keinen Zweifel am Charakter der Zahlungsaufforderung als Handlung im Hinblick auf eine Vollstreckung. Eine solche Mahnung erinnert lediglich an die zu zahlenden Beiträge und Säumniszuschläge verbunden mit der Aufforderung, diese zur Vermeidung einer Vollstreckung zu zahlen. Ein Verwaltungsakt ist damit ausgeschlossen.

Im Hinblick darauf, dass die Mahnung als unselbständige Vorbereitungshandlung zur Vollstreckungsanordnung nicht anfechtbar ist, scheidet auch eine darüber hinausgehende Auslegung des klägerischen Antrages im Sinne einer Sicherungs- oder Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGG aus.

Die Beschwerde hat daher nur in einem geringen Umfang Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Verfahrens. Das geringfügige Obsiegen des Antragstellers hat der Senat unberücksichtigt gelassen, da es nicht wesentlich ins Gewicht fällt.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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