Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
10
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 8 VG 147/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 (7) VG 42/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.08.2006 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der am 00.00.1974 geborene Kläger begehrt Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG)
Die am 00.00.1947 geborene Mutter des Klägers, F T, unterhielt eine inzestuöse Beziehung zu ihrem Vater, B T, aus der zumindest zwei Kinder, der Kläger und sein älterer Bruder E (geb. 00.00.1976) hervorgegangen sind. Bei beiden Kindern ist dessen Vaterschaft festgestellt (N: Urteil Amtsgericht - AG - Bonn vom 25.07.2005, 42 F 689/04). Der Kläger hat drei weitere Geschwister, die - so wird klägerseits vermutet - ebenso aus dieser Beziehung stammen, wie zwei weitere totgeborene Kinder. Die Mutter des Klägers lebt seit 1968 bis heute in der Wohnung ihres Vaters. Zuvor wohnte sie bei ihrer von dem Vater getrennt lebenden Mutter I T. Die Ehe von I und B T wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 03.03.1992 geschieden. Auf das von dem Kläger zu den Akten gereichte Urteil wird Bezug genommen.
Der Betreuer des Klägers F1 X1 beantragte am 5.5.2005 (E-Mail) und mit Schreiben vom 22.5.2005 Leistungen nach dem OEG, insbesondere Heilbehandlung wegen der psychischen Probleme. Aufgrund der Inzestbeziehung zwischen seiner Mutter und ihrem Vater seien als Schädigungsfolgen eine Trichterbrust mittleren Grades, eine starken Kyphose der Wirbelsäule, erhebliche Atemschwierigkeiten, ein Schulterhochstands links, ein um etwa 10 cm verkürzter linker Oberarm, ein posttraumatisches Belastungssyndroms und eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung festzustellen. Der Kläger sei Opfer einer strafbaren Handlung geworden. Es sei wahrscheinlich, dass Kinder aus einer Inzestbeziehung behindert zur Welt kommen würden. Als Tathandlung gab er im Antrag weiterhin an: "Misshandlung durch die Eltern von früher Kindheit an, durch Polizei aus dem Elternhaus geholt". Der Kläger fügte dem Antrag die Abschrift eines psychiatrischen Gutachtens der Fachärztin für Psychiatrie L W vom 05.08.1995 bei. Das Gutachten enthält auch fremdanamnestische Angaben der von der SV gehörten Gruppenleiter des C1-Hause Herrn U und Frau M. Diesen war danach bekannt, dass in der Ursprungsfamilie des Klägers Verwahrlosung geherrscht habe und dass alle Kinder in Heimen untergekommen seien. Des Weiteren enthält das Gutachten die Angaben der ehemaligen Pflegemutter des Klägers, dass die leibliche Mutter mit ihrem Vater und ihrem Bruder sehr isoliert gemeinsam in einer Wohnung gewohnt habe. In diesem Haushalt sei sehr viel Alkohol konsumiert worden, es habe ein umgekehrter Tag-Nacht-Rythmus geherrscht. Die Sachverständige hat beim Kläger als Befund einen Restzustand von geistig-seelischer Entwicklungsverzögerung und Verhaltensgestörtheit aufgrund von frühkindlicher Verwahrlosung und Traumatisierung angenommen. Außerdem liegt ein für das Amtsgericht Königswinter gefertigtes Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie und Nervenheilkunde Dr. X vom 31.10.2000 vor, aus welchem ua hervorgeht, dass der Kläger keine eigene Erinnerung an die Umstände hat, aufgrund derer er 1980 durch das Jugendamt aus der elterlichen Wohnung geholt wurde. Auch dieser Sachverständige hat eine geistig-psychosoziale Entwicklungsretardierung und Verhaltensabnormität auf dem Boden einer frühkindlichen Depravierung sowie einer fortgesetzten psychoemotionalen Traumatisierung angenommen.
Die Versorgungsverwaltung lehnte mit Bescheid vom 20.12.200, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 15.02.2006 den Antrag des Klägers ab, weil dieser nicht Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen täglichen Angriffs iSd § 1 Abs 1 S 1 OEG sei. Ein Kind aus einer Inzestbeziehung habe nur dann einen Anspruch nach dem OEG wegen Erbkrankheiten, wenn der Zeugungsakt eine Gewalttat gewesen sei. Dies sei nur dann der Fall, wenn entweder sexueller Missbrauch einer Minderjährigen oder eine Vergewaltigung, also eine rechtswidrige Tätlichkeit vorgelegen habe. Allein der Inzest in einer Inzestbeziehung begründe keine Ansprüche nach dem OEG. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in dem grundlegenden Urteil vom 16.04.2002, B 9 VG 1/09 R, Juris ausdrücklich auf den Gewaltaspekt bzw. den sexuellen Missbrauch abgestellt. Der Kläger sei jedoch aus einer freiwilligen Beziehung zweier Erwachsener hervorgegangen.
Der Kläger hat am 17.03.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es stelle eine Ungleichbehandlung dar, wenn ein Kind, dass infolge eines Inzests gezeugt worden sei, nur deshalb nicht entschädigt werde, weil zum Zeitpunkt der Zeugung seine Mutter bereits volljährig gewesen sei und eine Gewalttat nicht festgestellt werden könne. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass der sexuelle Missbrauch eines leiblichen Kindes häufig jahrelang andauere mit der Folge, dass das missbrauchte Kind in nicht wenigen Fällen in das Erwachsenenalter gelange und die Inzestbeziehung als eine Selbstverständlichkeit, als Normalität, fortgesetzt werde.
Das Sozialgericht hat die beim Amtsgericht Bonn geführten Betreuungsakten (38 XVII SCH 1149 beigezogen und auszugsweise zu den Akten genommen.
Mit Urteil vom 14.08.2006 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen darauf abgestellt, aus der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.04.2002, B 9 VG 1/09 R, Juris) ergebe sich unmissverständlich, dass ein aus einer Inzestbeziehung beschädigt geborenes Kind nur dann Anspruch auf Versorgung nach dem OEG habe, wenn seine Zeugung Folge einer Gewalttat gewesen sei. Zwar könne nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch der gewaltlose sexuelle Missbrauch eines Kindes eine solche Gewalttat sein. Beide Fallgruppen lägen nicht vor. Die 1947 geborene Mutter des Klägers sei zum Zeitpunkt ihrer Empfängnis bereits 25 Jahre alt gewesen. Sie habe mit ihrem Vater zu diesem Zeitpunkt bereits seit 1968 zusammengelebt. Die Zeugung des Klägers beruhe auf einer freiwilligen Inzestbeziehung unter erwachsenen Menschen. Damit stehe bereits der Kindesmutter kein Anspruch auf Opferentschädigung zu, erst recht nicht dem Kläger.
Der Kläger hat gegen das ihm am 17.08.2006 zugestellte Urteil am 13.09.2006 Berufung eingelegt, mit der er an seiner Rechtsauffassung festhält. Der Anspruch auf Opferentschädigung sei nicht unter dem Gesichtspunkt der Körperverletzungsdelikte geprüft worden. So habe er im OEG- Antrag im Rahmen der Schilderung des Tathergangs zum einen auf den Inzest, zum anderen jedoch auch auf die Misshandlungen durch die Eltern hingewiesen. Es habe sich dabei um Körperverletzungsdelikte wie Schläge und Misshandlungen gehandelt. Der Nachweis dieser Taten sei bereits mit den vorliegenden Unterlagen zu führen. Hiernach habe er im Alter von sieben Jahren mit Hilfe der Polizei aus der elterlichen Wohnung heraus geholt werden müssen. Bereits Dr. X habe im Gutachten vom 31.10.2000 ausgeführt, dass nach seinen, des Klägers, seinerzeitigen Angaben die Atmosphäre im Elternhaus immer sehr kalt und immer viel Alkohol im Spiel gewesen sei und dass er des Öfteren von seiner Mutter geschlagen worden sei, die ihn wahrscheinlich auch extrem vernachlässigt habe. Der Kläger könne sich auch noch an ein feindseliges, tyrannisches Familienleben, ausgehend insbesondere von seinem Großvater erinnern. Er hat angeregt, seine Mutter und seinen früheren Lehrer, I H C als Zeugen zu hören. Der Kläger hat im Übrigen umfangreiches Material aus seiner Schulzeit, Unterlagen des Schulamtes für den F-kreis einschließlich psychologischer und sonderpädagogischer Gutachten, weitere ärztliche Befunde des Gesundheitsamtes des S-Kreises, des Prof. Dr. E1 vom 06.11.1991 bzgl. einer fraglichen Missbildung / Traumatisierung des rechtens Armes im Säuglingsalter zu den Akten gereicht. Vorgelegt hat er auch Korrespondenz aus dem beim Amtsgericht Bergheim unter dem Az 14 VII 2829 geführten Vormundschaftsverfahren, hier insbesondere eine Stellungnahme der Sozialarbeiterin Frau T vom 15.03.1982 sowie den Beschluss vom 08.06.1982, mit dem der Mutter des Klägers, F T, das elterliche Sorgerecht für die Kinder E1, N, E und F1 entzogen und das Jugendamt des F-kreises zum Vormund bestellt worden war.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.08.2006 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 20.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.1006 zu verurteilen, sowohl seine in inzestuöser Beziehung erfolgte Zeugung wie auch seine bis etwa zum sechsten Lebensjahr erfolgten körperlichen Misshandlungen durch seine Mutter als schädigende Ereignisse anzuerkennen und ihm Versorgung (Beschädigtenrente und Heilbehandlung) iSd Opferentschädigungsgesetzes iVm dem Bundesversorgungsgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Im Beweisaufnahmetermin am 14.05.2008 hat die Mutter des Klägers, F T, von Ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Es ist Im Weiteren Beweis erhoben worden durch Vernehmung des Zeugen I H C, I, im Wege der Rechtshilfe durch das Sozialgericht Hamburg. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26.08.2008 Bezug genommen.
Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung und bezüglich des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die zahlreichen vom Kläger vorgelegten Unterlagen und den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere konnte der beklagte Landschaftsverband das Verfahren für das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) aufnehmen.
Richtiger Beklagter im Berufungsverfahren ist seit dem 01.01.2008 nunmehr der für den Kläger örtlich zuständige Landschaftsverband Westfalen-Lippe mit Sitz in Münster. Der erkennende Senat in der jetzigen Besetzung gibt die bisherige Rechtsprechung zur Kommunalisierung der Versorgungsämter (vgl. Vorlagebeschluss vom 03.09.2008, L 10 VG 20/03, Az: BVerfG 1 BvL 20/08; vgl. auch Urteil vom 05.03.2008, L 10 SB 40/06) auf. Er teilt, insbesondere nach Ablauf der Überleitungsfrist des Art 125b Abs 2 Grundgesetz, die in og Beschluss bzw. Urteil geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht mehr, sondern schließt sich der Rechtsprechung des 6. Senats dieses Hauses an (Urteile vom 12.02.2008, L 6 SB 101/06 - Rev Az: B 9 SB 1/08 R; vom 26.02.2008, L 6 SB 35/05 - Rev Az: B 9 SB 3/08 R; vom 11.03.2008, L 6 V 28/07 -rechtskräftig -; vom 11.03.2008, L 6 (10) VS 29/07 - Rev Az: B 9 Vs 1/08 R; alle Entscheidungen sind im Internet unter www.sozialgerichtsbarkeit.de abrufbar). Zwischenzeitlich hat das Bundessozialgericht die Rechtsprechung des 6. Senats in Angelegenheit nach dem Soldatenversorgungsgesetz und nach dem Bundesversorgungsgesetz bestätigt (vgl. Urteile vom 11.12.2008, B 9 Vs 1/08 R = L 6 (10) VS 29/07 und B 9 V 3/07 R = L 7 V 45/03 LSG NRW, beide Urteile noch nicht veröffentlicht). Auch nach Auffassung des BSG ist die Übertragung der Zuständigkeit für die Aufgaben der Kriegsopferversorgung auf den beklagten Landschaftsverband mit höherrangigem Recht vereinbar. Das Land Nordrhein-Westfalen habe sich dabei im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art 84 iVm Art 125b Abs 2 GG gehalten, weil diese Maßnahme insgesamt von dem Begriff "Einrichtung der Behörden" im Sinne dieser Bestimmungen erfasst wird. Die landesrechtlichen Vorschriften seien auch sonst mit Bundesrecht vereinbar (vgl. BSG, Terminbericht Nr. 54/08 zur Terminvorschau Nr. 54/08). Nach Ansicht des Senats ist auch in Bezug auf das Opferentschädigungsgesetz die landesgesetzliche Aufgabenübertragung auf die Landschaftsverbände rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit § 24 Abs 2 SGB I Zuständigkeitsbestimmungen enthält, werden diese durch die speziellere Vorschrift des § 6 Abs. 1 OEG verdrängt.
Die Klage ist als verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage iSd § 54 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Der im Klageverfahren und zunächst im Berufungsverfahren gestellte Antrag auf Zahlung von "Entschädigung" ist im wohlverstandenen Interesse des Klägers als auf die Gewährung von Beschädigtenrente und Heilbehandlung gerichtet auszulegen (zur Zulässigkeit eines Antrags auf "Entschädigung" oder "Versorgung" vgl. Urteile des BSG vom 16.04.2002, B 9 VG 1/01 R, Juris Rn 12, sowie vom 02.10.2008, B 9 VG 2/07 R, Juris Rn 12). Entsprechend hat die Bev. des Klägers den Antrag auf Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2009 konkretisiert.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren Ansprüche nach dem § 1 Abs. 1 OEG nicht nur aufgrund der Inzestbeziehung seiner Mutter zu ihrem Vater geltend macht, sondern auch, weil er selbst aufgrund von Misshandlungen und Vernachlässigung durch seine Eltern Opfer einer Gewalttat geworden sei, kann der Senat auch über diesen Anspruch entscheiden, obwohl der Kläger diese Gewalttat im Klageverfahren nicht angesprochen und das SG hierzu entsprechend auch keine Feststellungen getroffen hat. "Misshandlungen durch die Eltern von früher Kindheit an" waren bereits Gegenstand seines Antrags auf Versorgung nach dem OEG.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die angefochtenen Bescheide des Beklagten bestätigt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beschädigtenrente nach § 1 Abs 1 S 1 OEG iVm § 31 Abs 1 BVG oder auf Heilbehandlung gemäß § 1 Abs 1 S 1 OEG iVm § 10 BVG. Die Voraussetzungen liegen in der Person des Klägers nicht vor.
Ein Anspruch auf Entschädigung nach diesen Vorschriften setzt nach dessen § 1 Abs 1 S 1 zunächst voraus, dass eine natürliche Person ("wer") durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.
Der Kläger war, bezogen auf die in den Vordergrund des geltend gemachten Anspruchs gestellte Inzestbeziehung seiner Mutter zu deren Vater selbst nicht Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs. Auch die Mutter ist nicht Opfer einer Gewalttat gewesen, so dass die heutigen, durch die Inzestzeugung mit großer Wahrscheinlichkeit verursachten Gesundheitsstörungen nicht zu entschädigen sind (1). Die im Klageverfahren behaupteten körperlichen Misshandlungen durch seine Mutter und die dadurch eingetretenen Gesundheitsstörungen erfüllen auch nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 1 OEG (2).
1. Die Inzestzeugung des Klägers stellt keinen gegen diesen gerichteten vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff iSd § 1 Abs. 1 S. 1 OEG dar. Diese Vorschrift setzt grundsätzlich voraus, dass der/die Geschädigte im Zeitpunkt des Angriffs bereits gelebt hat, was nicht einmal für den Nasciturus (die Leibesfrucht), geschweige denn für das noch nicht erzeugte Kind ( dem sog. nondum conceptum) gilt. Allerdings unterfällt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.04.2002, aa0, Juris Rn 21 ff) entgegen dem Wortlaut des § 1 OEG auch der "nondum conceptum" dem Schutzbereich dieser Vorschrift, wenn das gewaltsam gezeugte Kind wegen des Inzestes erheblich geschädigt geboren wird. Der Gesetzgeber - so das BSG - habe die Möglichkeit nicht erkannt, dass auch ein gleichzeitig mit oder nach der Gewalt gezeugtes Kind geschädigt werden kann. Im Rahmen der Rechtsfortbildung sei die planwidrige Gesetzeslücke durch eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 1 OEG auf den Fall des gewaltsamen Inzestes zu schließen. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung ausdrücklich an.
Die Mutter des Klägers ist im Zusammenhang mit der Zeugung des Klägers nicht Opfer einer Gewalttat geworden. Das wird ernstlich von dem Kläger auch nicht angeführt. Ob seine Mutter innerhalb der über Jahre andauernden Inzestbeziehung, aus der mit großer Wahrscheinlichkeit fünf Kinder hervorgegangen sind, möglicherweise zum Geschlechtsverkehr gezwungen oder hierzu massiv angehalten worden ist, ist jedenfalls nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht. Die Inzestbeziehung muss zum Zeitpunkt der Zeugung - nur darauf kommt es an - erzwungen worden sein (BSG, Urteil vom 16.04.2002, Juris Rn 30). Die Mutter des Klägers hat insoweit von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, so dass sich verwertbare Feststellungen zu den Umständen im Zusammenhang mit der Zeugung des Klägers vom Senat nicht treffen ließen.
Hinweise darauf, dass das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Mutter so eingeschränkt war, dass von Freiwilligkeit der über Jahre andauernden inzestuösen Beziehung nicht mehr gesprochen werden kann und die Ausnutzung dieser Situation in jedem Einzelfall des Beischlafs quasi einer Vergewaltigung gleichkam, sind nicht ersichtlich. Die Mutter des Klägers hat nie angeführt, Opfer von Missbrauch oder Vergewaltigungshandlungen geworden zu sein. Sie hat ihren Vater nie angeschuldigt oder angezeigt. Ohne konkrete Erkenntnisses, die der Senat sich aus ihrer Befragung erhofft hatte, lässt sich nicht feststellen, ob der Kläger innerhalb der Beziehung der Mutter zu ihrem Vater unter tatsächlicher Gewalt oder möglicherweise - gewaltlos - unter psychischer Beeinflussung, gezeugt worden war. Hinweise die die Annahme nahe legen, die Mutter des Klägers sei wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit der Inzestuösen Beziehung und der konkreten Zeugung ausgeliefert gewesen (§ 179 Abs 1 StGB), sind nicht ersichtlich.
Der Senat folgt nicht der Rechtsansicht des Klägers, dass Inzestkinder schlechthin, und zwar unabhängig davon, ob sie aus einer freiwilligen oder unfreiwilligen Inzestbeziehung stammen, unter den Schutzbereich des § 1 OEG fallen. Ziel des OEG ist es, Opfer von Gewalttaten, die der Staat nicht verhindern konnte oder verhindert hat, zu entschädigen. Der Gesetzgeber hat ersichtlich darauf abgestellt, dass sich ein rechtswidriger tätlicher Angriff gegen eine Person richtet und dadurch ein Gesundheitsschaden verursacht wird. Die Interessenslage ist vergleichbar, wenn sich die Gewalttat auf einen gleichzeitig mit ihr gezeugten oder wenig später geborenen Menschen auswirkt, in dem sie ihn mit Gesundheitsschäden entstehen lässt (BSG, Urteil vom 16.04.2002, Juris Rn 24). Die Interessenlage ist aber nicht mehr vergleichbar, wenn der Zeugung - wie hier - keine Gewalttat vorausgegangen ist. Der Senat hält die Argumentation des BSG, das ausdrücklich auf den "gewaltsamen Inzest" abgestellt hat, für überzeugend. Die von dem Kläger geforderte weitere Lückenschließung ist nicht geboten. Das BSG hat die Frage durchaus gesehen, sonst hätte es den Rechtsstreit damals nicht an das LSG zurückverwiesen, um Feststellungen zu treffen, ob die Inzestbeziehung auch noch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zeugung "erzwungen" war.
Soweit der Kläger eine Ungleichbehandlung darin sieht, das Inzestbeziehungen mit Kindern ohne Weiteres als Gewalttat bewertet werden, Inzestbeziehungen mit Erwachsenen hingegen nicht, so trifft dies nicht zu. Bei den §§ 176 und 177 StGB handelt es sich um Straftaten, die an die fehlende sexuelle Selbstbestimmung des Kindes anknüpfen. Die Inzestbeziehung mit seinem Kind stellt allein wegen Missachtung der sexuellen Selbstbestimmung des Kindes ohne weiteres eine Gewalttat dar. Dieser Beziehung ist das Gewaltmoment, anders als bei einer Inzestbeziehung zwischen Erwachsenen, immanent. Bei der Mutter des Klägers war das sexuelle Selbstbestimmungsrecht - wie ausgeführt - nicht eingeschränkt. Die Vorschrift des § 173 StGB (Beischlaf zwischen Verwandten - Inzest -) knüpft im Übrigen nicht an das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des in der Inzestbeziehung lebenden Partners an. Nach der Systematik des StGB ist Schutzzweck dieses Straftatbestandes der Personenstand, die Ehe und die Familie, wobei auch der Gefahr eugenischer und genetischer Schäden bei Zeugung durch genetisch belastete Eltern entgegengewirkt werden soll (Tröndle/Fischer, Kommentar zum StGB, 53. Aufl 2006, Rdnr 2 zu § 173), nicht jedoch die sexuelle Selbstbestimmung oder körperliche Integrität eines der Partner des Beischlafs
2. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Kläger in seiner Kindheit (bis zum sechsten Lebensjahr) aufgrund von Misshandlungen und Vernachlässigung durch seine Eltern Opfer einer Gewalttat geworden ist. Er kann entsprechende Misshandlungen und Vernachlässigungen aus eigener Erinnerung nicht darlegen. Derartiges ergibt sich auch nicht aus der Anamnese der Fachärztin für Psychiatrie L W bzw. der Anamnese des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie und Nervenheilkunde Dr. X. Vielmehr wird der Anspruch auf Vermutungen des Betreuers des Klägers gestützt. Ob der Kläger sich bei dieser Ausgangslage überhaupt auf die Beweiserleichterung des § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (Verwaltungsverfahren KOV) berufen kann, braucht der Senat nicht zu entscheiden, denn dass die Eltern ihn misshandelt und massiv vernachlässigt haben, ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Anhaltspunkte hierfür ergeben sich nicht aus der Tatsache, dass er wie auch seine Geschwister unter die Vormundschaft des Jugendamtes gestellt worden waren. Nach dem Beschluss des Amtsgerichts Bergheim vom 08.06.1982 (14 VII 2829) hat sich dieses als Vormundschaftsgericht bei seiner Entscheidung maßgeblich davon leiten lassen, dass die Kinder seinerzeit weder beschult noch zum Kindergarten geschickt und von der Umwelt isoliert worden waren. Grund für den Sorgerechtsentzug war weiterhin, dass der mit der Erziehung der Kinder ebenfalls betraute Großvater (und Vater) des Klägers zwischenzeitlich wegen Schizophrenie entmündigt worden war und auch Bedenken wegen des Geisteszustandes der Mutter im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren angesprochen worden sind. Extreme Vernachlässigungen und Misshandlungen durch die Mutter werden in dem Beschluss des Amtsgerichts Bergheim vom 08.06.1982 auch nicht ansatzweise angesprochen. Dem Bericht der Sozialarbeiterin T vom 15.03.1982 ist zu entnehmen, dass das Jugendamt die Kinder, wie auch den Kläger selbst, damals als altersgerecht entwickelt angesehen haben. Frau T hat dem Vormundschaftsgericht bestätigt, dass die Kinder auf sie einen sauberen und gepflegten Eindruck gemacht hätten und sie sich davon bei verschiedenen Besuchen und Treffen mit der Familie auch überzeugt. Jugendfürsorgerische Maßnahmen seien gerade auch wegen der Schulversäumnisse angeraten. Der Umstand, dass der Kläger sowie seine Geschwister sich ab etwa dem siebten Lebensjahr des Klägers nicht mehr in der Familie der Mutter, sondern in Kinderheimen aufgehalten haben, lässt für sich gesehen nicht auf Misshandlungen und extreme Vernachlässigungen schließen. In dem Bericht der Frau T wird ein diesbezüglicher Verdacht auch nicht angesprochen. Sonstige Anhaltspunkte, die die klägerischen Vermutungen der Misshandlungen und Vernachlässigen stützen, ergeben sich für den Senat auch nicht aus den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Berichte und verschiedentlichen psychologischen und sonderpädagogischen Gutachten. Soweit der Kläger die Verletzung seines linken Armes auf körperliche Misshandlungen in früher Kindheit zurückführt, ist dies ebenfalls nur eine Vermutung Dritter, für die sich keine Anhaltspunkte ergeben. Vielmehr ist dem ärztliche Bericht des Prof. Dr. E1 vom 06.11.1991 zu entnehmen, dass die linke obere Extremität des Klägers möglicherweise durch die Folgen eines Traumas im Säuglingsalter oder den ersten Lebensjahren geschädigt sei, dieses Trauma jedoch durchaus abgelaufen sein kann, ohne dass die Eltern des Klägers dies bemerkt hätten. Schließlich hat auch der Zeuge C als früherer Lehrer des Klägers keine Beobachtungen gemacht, die die Annahme des Klägers von Misshandlungen bestätigen. Er hat den Kläger erst im Jahr 1990 kennen gelernt, als er ihn bis 1992/93 an der Sonderschule für Körperbehinderte unterrichtet hatte. Damals war der Kläger bereits sechzehn Jahre alt und er wohnte schon lange nicht mehr bei den Eltern. Der Zeuge hat weiter ausgeführt, dass ihm offiziell über das Elternhaus des Klägers nichts bekannt sei und er allenfalls Gerüchte über dessen Behandlung durch die Eltern gehört habe. Der Zeuge hat ausdrücklich ausgeführt, er wisse nicht, ob der Kläger von seinen Eltern oder einem Elternteil misshandelt worden sei. Da der Kläger insoweit auch nicht ansatzweise über Erinnerungen verfügt, entsprechendes augenscheinlich weder dem Zeugen C, noch seiner früheren Pflegemutter oder dem Bediensteten des C-Hauses, Herrn U oder Frau M (Fremdanamnese durch Frau W) erzählt hat, kann der Senat nichts Verwertbares, das das Vorbringen des Klägers belegt, feststellen. Dass der Umgang der Eltern mit dem Kläger in Misshandlungen und außerordentliche Vernachlässigung ausgeartet war, die einem tätlichen Angriff iSe Gewalttat gleichkam, ist danach nicht überwiegend wahrscheinlich.
Der Senat braucht deshalb auch nicht aufzuklären, welche Gesundheitsschäden auf die Zeugung in der Inzestbeziehung und welche auf die angeführten Misshandlungen und Vernachlässigungen zurückzuführen sind. Jedenfalls können die genetischen Schäden nur Folge der Inzests sein. Worauf die Armschädigung zurückzuführen ist, ist unklar. Sie kann ebenso Folge der Inzestschädigung sein, wie Folge einer Misshandlung oder Folge eines Unfalls.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). Die Rechtsache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die von dem Kläger aufgeworfenen Fragen sind durch die Entscheidung des BSG vom 16.04.2002, B 9 VG 1//01R umfassend geklärt.
Tatbestand:
Der am 00.00.1974 geborene Kläger begehrt Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG)
Die am 00.00.1947 geborene Mutter des Klägers, F T, unterhielt eine inzestuöse Beziehung zu ihrem Vater, B T, aus der zumindest zwei Kinder, der Kläger und sein älterer Bruder E (geb. 00.00.1976) hervorgegangen sind. Bei beiden Kindern ist dessen Vaterschaft festgestellt (N: Urteil Amtsgericht - AG - Bonn vom 25.07.2005, 42 F 689/04). Der Kläger hat drei weitere Geschwister, die - so wird klägerseits vermutet - ebenso aus dieser Beziehung stammen, wie zwei weitere totgeborene Kinder. Die Mutter des Klägers lebt seit 1968 bis heute in der Wohnung ihres Vaters. Zuvor wohnte sie bei ihrer von dem Vater getrennt lebenden Mutter I T. Die Ehe von I und B T wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 03.03.1992 geschieden. Auf das von dem Kläger zu den Akten gereichte Urteil wird Bezug genommen.
Der Betreuer des Klägers F1 X1 beantragte am 5.5.2005 (E-Mail) und mit Schreiben vom 22.5.2005 Leistungen nach dem OEG, insbesondere Heilbehandlung wegen der psychischen Probleme. Aufgrund der Inzestbeziehung zwischen seiner Mutter und ihrem Vater seien als Schädigungsfolgen eine Trichterbrust mittleren Grades, eine starken Kyphose der Wirbelsäule, erhebliche Atemschwierigkeiten, ein Schulterhochstands links, ein um etwa 10 cm verkürzter linker Oberarm, ein posttraumatisches Belastungssyndroms und eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung festzustellen. Der Kläger sei Opfer einer strafbaren Handlung geworden. Es sei wahrscheinlich, dass Kinder aus einer Inzestbeziehung behindert zur Welt kommen würden. Als Tathandlung gab er im Antrag weiterhin an: "Misshandlung durch die Eltern von früher Kindheit an, durch Polizei aus dem Elternhaus geholt". Der Kläger fügte dem Antrag die Abschrift eines psychiatrischen Gutachtens der Fachärztin für Psychiatrie L W vom 05.08.1995 bei. Das Gutachten enthält auch fremdanamnestische Angaben der von der SV gehörten Gruppenleiter des C1-Hause Herrn U und Frau M. Diesen war danach bekannt, dass in der Ursprungsfamilie des Klägers Verwahrlosung geherrscht habe und dass alle Kinder in Heimen untergekommen seien. Des Weiteren enthält das Gutachten die Angaben der ehemaligen Pflegemutter des Klägers, dass die leibliche Mutter mit ihrem Vater und ihrem Bruder sehr isoliert gemeinsam in einer Wohnung gewohnt habe. In diesem Haushalt sei sehr viel Alkohol konsumiert worden, es habe ein umgekehrter Tag-Nacht-Rythmus geherrscht. Die Sachverständige hat beim Kläger als Befund einen Restzustand von geistig-seelischer Entwicklungsverzögerung und Verhaltensgestörtheit aufgrund von frühkindlicher Verwahrlosung und Traumatisierung angenommen. Außerdem liegt ein für das Amtsgericht Königswinter gefertigtes Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie und Nervenheilkunde Dr. X vom 31.10.2000 vor, aus welchem ua hervorgeht, dass der Kläger keine eigene Erinnerung an die Umstände hat, aufgrund derer er 1980 durch das Jugendamt aus der elterlichen Wohnung geholt wurde. Auch dieser Sachverständige hat eine geistig-psychosoziale Entwicklungsretardierung und Verhaltensabnormität auf dem Boden einer frühkindlichen Depravierung sowie einer fortgesetzten psychoemotionalen Traumatisierung angenommen.
Die Versorgungsverwaltung lehnte mit Bescheid vom 20.12.200, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 15.02.2006 den Antrag des Klägers ab, weil dieser nicht Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen täglichen Angriffs iSd § 1 Abs 1 S 1 OEG sei. Ein Kind aus einer Inzestbeziehung habe nur dann einen Anspruch nach dem OEG wegen Erbkrankheiten, wenn der Zeugungsakt eine Gewalttat gewesen sei. Dies sei nur dann der Fall, wenn entweder sexueller Missbrauch einer Minderjährigen oder eine Vergewaltigung, also eine rechtswidrige Tätlichkeit vorgelegen habe. Allein der Inzest in einer Inzestbeziehung begründe keine Ansprüche nach dem OEG. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in dem grundlegenden Urteil vom 16.04.2002, B 9 VG 1/09 R, Juris ausdrücklich auf den Gewaltaspekt bzw. den sexuellen Missbrauch abgestellt. Der Kläger sei jedoch aus einer freiwilligen Beziehung zweier Erwachsener hervorgegangen.
Der Kläger hat am 17.03.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es stelle eine Ungleichbehandlung dar, wenn ein Kind, dass infolge eines Inzests gezeugt worden sei, nur deshalb nicht entschädigt werde, weil zum Zeitpunkt der Zeugung seine Mutter bereits volljährig gewesen sei und eine Gewalttat nicht festgestellt werden könne. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass der sexuelle Missbrauch eines leiblichen Kindes häufig jahrelang andauere mit der Folge, dass das missbrauchte Kind in nicht wenigen Fällen in das Erwachsenenalter gelange und die Inzestbeziehung als eine Selbstverständlichkeit, als Normalität, fortgesetzt werde.
Das Sozialgericht hat die beim Amtsgericht Bonn geführten Betreuungsakten (38 XVII SCH 1149 beigezogen und auszugsweise zu den Akten genommen.
Mit Urteil vom 14.08.2006 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen darauf abgestellt, aus der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.04.2002, B 9 VG 1/09 R, Juris) ergebe sich unmissverständlich, dass ein aus einer Inzestbeziehung beschädigt geborenes Kind nur dann Anspruch auf Versorgung nach dem OEG habe, wenn seine Zeugung Folge einer Gewalttat gewesen sei. Zwar könne nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch der gewaltlose sexuelle Missbrauch eines Kindes eine solche Gewalttat sein. Beide Fallgruppen lägen nicht vor. Die 1947 geborene Mutter des Klägers sei zum Zeitpunkt ihrer Empfängnis bereits 25 Jahre alt gewesen. Sie habe mit ihrem Vater zu diesem Zeitpunkt bereits seit 1968 zusammengelebt. Die Zeugung des Klägers beruhe auf einer freiwilligen Inzestbeziehung unter erwachsenen Menschen. Damit stehe bereits der Kindesmutter kein Anspruch auf Opferentschädigung zu, erst recht nicht dem Kläger.
Der Kläger hat gegen das ihm am 17.08.2006 zugestellte Urteil am 13.09.2006 Berufung eingelegt, mit der er an seiner Rechtsauffassung festhält. Der Anspruch auf Opferentschädigung sei nicht unter dem Gesichtspunkt der Körperverletzungsdelikte geprüft worden. So habe er im OEG- Antrag im Rahmen der Schilderung des Tathergangs zum einen auf den Inzest, zum anderen jedoch auch auf die Misshandlungen durch die Eltern hingewiesen. Es habe sich dabei um Körperverletzungsdelikte wie Schläge und Misshandlungen gehandelt. Der Nachweis dieser Taten sei bereits mit den vorliegenden Unterlagen zu führen. Hiernach habe er im Alter von sieben Jahren mit Hilfe der Polizei aus der elterlichen Wohnung heraus geholt werden müssen. Bereits Dr. X habe im Gutachten vom 31.10.2000 ausgeführt, dass nach seinen, des Klägers, seinerzeitigen Angaben die Atmosphäre im Elternhaus immer sehr kalt und immer viel Alkohol im Spiel gewesen sei und dass er des Öfteren von seiner Mutter geschlagen worden sei, die ihn wahrscheinlich auch extrem vernachlässigt habe. Der Kläger könne sich auch noch an ein feindseliges, tyrannisches Familienleben, ausgehend insbesondere von seinem Großvater erinnern. Er hat angeregt, seine Mutter und seinen früheren Lehrer, I H C als Zeugen zu hören. Der Kläger hat im Übrigen umfangreiches Material aus seiner Schulzeit, Unterlagen des Schulamtes für den F-kreis einschließlich psychologischer und sonderpädagogischer Gutachten, weitere ärztliche Befunde des Gesundheitsamtes des S-Kreises, des Prof. Dr. E1 vom 06.11.1991 bzgl. einer fraglichen Missbildung / Traumatisierung des rechtens Armes im Säuglingsalter zu den Akten gereicht. Vorgelegt hat er auch Korrespondenz aus dem beim Amtsgericht Bergheim unter dem Az 14 VII 2829 geführten Vormundschaftsverfahren, hier insbesondere eine Stellungnahme der Sozialarbeiterin Frau T vom 15.03.1982 sowie den Beschluss vom 08.06.1982, mit dem der Mutter des Klägers, F T, das elterliche Sorgerecht für die Kinder E1, N, E und F1 entzogen und das Jugendamt des F-kreises zum Vormund bestellt worden war.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.08.2006 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 20.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.1006 zu verurteilen, sowohl seine in inzestuöser Beziehung erfolgte Zeugung wie auch seine bis etwa zum sechsten Lebensjahr erfolgten körperlichen Misshandlungen durch seine Mutter als schädigende Ereignisse anzuerkennen und ihm Versorgung (Beschädigtenrente und Heilbehandlung) iSd Opferentschädigungsgesetzes iVm dem Bundesversorgungsgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Im Beweisaufnahmetermin am 14.05.2008 hat die Mutter des Klägers, F T, von Ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Es ist Im Weiteren Beweis erhoben worden durch Vernehmung des Zeugen I H C, I, im Wege der Rechtshilfe durch das Sozialgericht Hamburg. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26.08.2008 Bezug genommen.
Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung und bezüglich des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die zahlreichen vom Kläger vorgelegten Unterlagen und den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere konnte der beklagte Landschaftsverband das Verfahren für das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) aufnehmen.
Richtiger Beklagter im Berufungsverfahren ist seit dem 01.01.2008 nunmehr der für den Kläger örtlich zuständige Landschaftsverband Westfalen-Lippe mit Sitz in Münster. Der erkennende Senat in der jetzigen Besetzung gibt die bisherige Rechtsprechung zur Kommunalisierung der Versorgungsämter (vgl. Vorlagebeschluss vom 03.09.2008, L 10 VG 20/03, Az: BVerfG 1 BvL 20/08; vgl. auch Urteil vom 05.03.2008, L 10 SB 40/06) auf. Er teilt, insbesondere nach Ablauf der Überleitungsfrist des Art 125b Abs 2 Grundgesetz, die in og Beschluss bzw. Urteil geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht mehr, sondern schließt sich der Rechtsprechung des 6. Senats dieses Hauses an (Urteile vom 12.02.2008, L 6 SB 101/06 - Rev Az: B 9 SB 1/08 R; vom 26.02.2008, L 6 SB 35/05 - Rev Az: B 9 SB 3/08 R; vom 11.03.2008, L 6 V 28/07 -rechtskräftig -; vom 11.03.2008, L 6 (10) VS 29/07 - Rev Az: B 9 Vs 1/08 R; alle Entscheidungen sind im Internet unter www.sozialgerichtsbarkeit.de abrufbar). Zwischenzeitlich hat das Bundessozialgericht die Rechtsprechung des 6. Senats in Angelegenheit nach dem Soldatenversorgungsgesetz und nach dem Bundesversorgungsgesetz bestätigt (vgl. Urteile vom 11.12.2008, B 9 Vs 1/08 R = L 6 (10) VS 29/07 und B 9 V 3/07 R = L 7 V 45/03 LSG NRW, beide Urteile noch nicht veröffentlicht). Auch nach Auffassung des BSG ist die Übertragung der Zuständigkeit für die Aufgaben der Kriegsopferversorgung auf den beklagten Landschaftsverband mit höherrangigem Recht vereinbar. Das Land Nordrhein-Westfalen habe sich dabei im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art 84 iVm Art 125b Abs 2 GG gehalten, weil diese Maßnahme insgesamt von dem Begriff "Einrichtung der Behörden" im Sinne dieser Bestimmungen erfasst wird. Die landesrechtlichen Vorschriften seien auch sonst mit Bundesrecht vereinbar (vgl. BSG, Terminbericht Nr. 54/08 zur Terminvorschau Nr. 54/08). Nach Ansicht des Senats ist auch in Bezug auf das Opferentschädigungsgesetz die landesgesetzliche Aufgabenübertragung auf die Landschaftsverbände rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit § 24 Abs 2 SGB I Zuständigkeitsbestimmungen enthält, werden diese durch die speziellere Vorschrift des § 6 Abs. 1 OEG verdrängt.
Die Klage ist als verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage iSd § 54 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Der im Klageverfahren und zunächst im Berufungsverfahren gestellte Antrag auf Zahlung von "Entschädigung" ist im wohlverstandenen Interesse des Klägers als auf die Gewährung von Beschädigtenrente und Heilbehandlung gerichtet auszulegen (zur Zulässigkeit eines Antrags auf "Entschädigung" oder "Versorgung" vgl. Urteile des BSG vom 16.04.2002, B 9 VG 1/01 R, Juris Rn 12, sowie vom 02.10.2008, B 9 VG 2/07 R, Juris Rn 12). Entsprechend hat die Bev. des Klägers den Antrag auf Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2009 konkretisiert.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren Ansprüche nach dem § 1 Abs. 1 OEG nicht nur aufgrund der Inzestbeziehung seiner Mutter zu ihrem Vater geltend macht, sondern auch, weil er selbst aufgrund von Misshandlungen und Vernachlässigung durch seine Eltern Opfer einer Gewalttat geworden sei, kann der Senat auch über diesen Anspruch entscheiden, obwohl der Kläger diese Gewalttat im Klageverfahren nicht angesprochen und das SG hierzu entsprechend auch keine Feststellungen getroffen hat. "Misshandlungen durch die Eltern von früher Kindheit an" waren bereits Gegenstand seines Antrags auf Versorgung nach dem OEG.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die angefochtenen Bescheide des Beklagten bestätigt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beschädigtenrente nach § 1 Abs 1 S 1 OEG iVm § 31 Abs 1 BVG oder auf Heilbehandlung gemäß § 1 Abs 1 S 1 OEG iVm § 10 BVG. Die Voraussetzungen liegen in der Person des Klägers nicht vor.
Ein Anspruch auf Entschädigung nach diesen Vorschriften setzt nach dessen § 1 Abs 1 S 1 zunächst voraus, dass eine natürliche Person ("wer") durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.
Der Kläger war, bezogen auf die in den Vordergrund des geltend gemachten Anspruchs gestellte Inzestbeziehung seiner Mutter zu deren Vater selbst nicht Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs. Auch die Mutter ist nicht Opfer einer Gewalttat gewesen, so dass die heutigen, durch die Inzestzeugung mit großer Wahrscheinlichkeit verursachten Gesundheitsstörungen nicht zu entschädigen sind (1). Die im Klageverfahren behaupteten körperlichen Misshandlungen durch seine Mutter und die dadurch eingetretenen Gesundheitsstörungen erfüllen auch nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 1 OEG (2).
1. Die Inzestzeugung des Klägers stellt keinen gegen diesen gerichteten vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff iSd § 1 Abs. 1 S. 1 OEG dar. Diese Vorschrift setzt grundsätzlich voraus, dass der/die Geschädigte im Zeitpunkt des Angriffs bereits gelebt hat, was nicht einmal für den Nasciturus (die Leibesfrucht), geschweige denn für das noch nicht erzeugte Kind ( dem sog. nondum conceptum) gilt. Allerdings unterfällt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.04.2002, aa0, Juris Rn 21 ff) entgegen dem Wortlaut des § 1 OEG auch der "nondum conceptum" dem Schutzbereich dieser Vorschrift, wenn das gewaltsam gezeugte Kind wegen des Inzestes erheblich geschädigt geboren wird. Der Gesetzgeber - so das BSG - habe die Möglichkeit nicht erkannt, dass auch ein gleichzeitig mit oder nach der Gewalt gezeugtes Kind geschädigt werden kann. Im Rahmen der Rechtsfortbildung sei die planwidrige Gesetzeslücke durch eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 1 OEG auf den Fall des gewaltsamen Inzestes zu schließen. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung ausdrücklich an.
Die Mutter des Klägers ist im Zusammenhang mit der Zeugung des Klägers nicht Opfer einer Gewalttat geworden. Das wird ernstlich von dem Kläger auch nicht angeführt. Ob seine Mutter innerhalb der über Jahre andauernden Inzestbeziehung, aus der mit großer Wahrscheinlichkeit fünf Kinder hervorgegangen sind, möglicherweise zum Geschlechtsverkehr gezwungen oder hierzu massiv angehalten worden ist, ist jedenfalls nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht. Die Inzestbeziehung muss zum Zeitpunkt der Zeugung - nur darauf kommt es an - erzwungen worden sein (BSG, Urteil vom 16.04.2002, Juris Rn 30). Die Mutter des Klägers hat insoweit von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, so dass sich verwertbare Feststellungen zu den Umständen im Zusammenhang mit der Zeugung des Klägers vom Senat nicht treffen ließen.
Hinweise darauf, dass das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Mutter so eingeschränkt war, dass von Freiwilligkeit der über Jahre andauernden inzestuösen Beziehung nicht mehr gesprochen werden kann und die Ausnutzung dieser Situation in jedem Einzelfall des Beischlafs quasi einer Vergewaltigung gleichkam, sind nicht ersichtlich. Die Mutter des Klägers hat nie angeführt, Opfer von Missbrauch oder Vergewaltigungshandlungen geworden zu sein. Sie hat ihren Vater nie angeschuldigt oder angezeigt. Ohne konkrete Erkenntnisses, die der Senat sich aus ihrer Befragung erhofft hatte, lässt sich nicht feststellen, ob der Kläger innerhalb der Beziehung der Mutter zu ihrem Vater unter tatsächlicher Gewalt oder möglicherweise - gewaltlos - unter psychischer Beeinflussung, gezeugt worden war. Hinweise die die Annahme nahe legen, die Mutter des Klägers sei wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit der Inzestuösen Beziehung und der konkreten Zeugung ausgeliefert gewesen (§ 179 Abs 1 StGB), sind nicht ersichtlich.
Der Senat folgt nicht der Rechtsansicht des Klägers, dass Inzestkinder schlechthin, und zwar unabhängig davon, ob sie aus einer freiwilligen oder unfreiwilligen Inzestbeziehung stammen, unter den Schutzbereich des § 1 OEG fallen. Ziel des OEG ist es, Opfer von Gewalttaten, die der Staat nicht verhindern konnte oder verhindert hat, zu entschädigen. Der Gesetzgeber hat ersichtlich darauf abgestellt, dass sich ein rechtswidriger tätlicher Angriff gegen eine Person richtet und dadurch ein Gesundheitsschaden verursacht wird. Die Interessenslage ist vergleichbar, wenn sich die Gewalttat auf einen gleichzeitig mit ihr gezeugten oder wenig später geborenen Menschen auswirkt, in dem sie ihn mit Gesundheitsschäden entstehen lässt (BSG, Urteil vom 16.04.2002, Juris Rn 24). Die Interessenlage ist aber nicht mehr vergleichbar, wenn der Zeugung - wie hier - keine Gewalttat vorausgegangen ist. Der Senat hält die Argumentation des BSG, das ausdrücklich auf den "gewaltsamen Inzest" abgestellt hat, für überzeugend. Die von dem Kläger geforderte weitere Lückenschließung ist nicht geboten. Das BSG hat die Frage durchaus gesehen, sonst hätte es den Rechtsstreit damals nicht an das LSG zurückverwiesen, um Feststellungen zu treffen, ob die Inzestbeziehung auch noch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zeugung "erzwungen" war.
Soweit der Kläger eine Ungleichbehandlung darin sieht, das Inzestbeziehungen mit Kindern ohne Weiteres als Gewalttat bewertet werden, Inzestbeziehungen mit Erwachsenen hingegen nicht, so trifft dies nicht zu. Bei den §§ 176 und 177 StGB handelt es sich um Straftaten, die an die fehlende sexuelle Selbstbestimmung des Kindes anknüpfen. Die Inzestbeziehung mit seinem Kind stellt allein wegen Missachtung der sexuellen Selbstbestimmung des Kindes ohne weiteres eine Gewalttat dar. Dieser Beziehung ist das Gewaltmoment, anders als bei einer Inzestbeziehung zwischen Erwachsenen, immanent. Bei der Mutter des Klägers war das sexuelle Selbstbestimmungsrecht - wie ausgeführt - nicht eingeschränkt. Die Vorschrift des § 173 StGB (Beischlaf zwischen Verwandten - Inzest -) knüpft im Übrigen nicht an das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des in der Inzestbeziehung lebenden Partners an. Nach der Systematik des StGB ist Schutzzweck dieses Straftatbestandes der Personenstand, die Ehe und die Familie, wobei auch der Gefahr eugenischer und genetischer Schäden bei Zeugung durch genetisch belastete Eltern entgegengewirkt werden soll (Tröndle/Fischer, Kommentar zum StGB, 53. Aufl 2006, Rdnr 2 zu § 173), nicht jedoch die sexuelle Selbstbestimmung oder körperliche Integrität eines der Partner des Beischlafs
2. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Kläger in seiner Kindheit (bis zum sechsten Lebensjahr) aufgrund von Misshandlungen und Vernachlässigung durch seine Eltern Opfer einer Gewalttat geworden ist. Er kann entsprechende Misshandlungen und Vernachlässigungen aus eigener Erinnerung nicht darlegen. Derartiges ergibt sich auch nicht aus der Anamnese der Fachärztin für Psychiatrie L W bzw. der Anamnese des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie und Nervenheilkunde Dr. X. Vielmehr wird der Anspruch auf Vermutungen des Betreuers des Klägers gestützt. Ob der Kläger sich bei dieser Ausgangslage überhaupt auf die Beweiserleichterung des § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (Verwaltungsverfahren KOV) berufen kann, braucht der Senat nicht zu entscheiden, denn dass die Eltern ihn misshandelt und massiv vernachlässigt haben, ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Anhaltspunkte hierfür ergeben sich nicht aus der Tatsache, dass er wie auch seine Geschwister unter die Vormundschaft des Jugendamtes gestellt worden waren. Nach dem Beschluss des Amtsgerichts Bergheim vom 08.06.1982 (14 VII 2829) hat sich dieses als Vormundschaftsgericht bei seiner Entscheidung maßgeblich davon leiten lassen, dass die Kinder seinerzeit weder beschult noch zum Kindergarten geschickt und von der Umwelt isoliert worden waren. Grund für den Sorgerechtsentzug war weiterhin, dass der mit der Erziehung der Kinder ebenfalls betraute Großvater (und Vater) des Klägers zwischenzeitlich wegen Schizophrenie entmündigt worden war und auch Bedenken wegen des Geisteszustandes der Mutter im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren angesprochen worden sind. Extreme Vernachlässigungen und Misshandlungen durch die Mutter werden in dem Beschluss des Amtsgerichts Bergheim vom 08.06.1982 auch nicht ansatzweise angesprochen. Dem Bericht der Sozialarbeiterin T vom 15.03.1982 ist zu entnehmen, dass das Jugendamt die Kinder, wie auch den Kläger selbst, damals als altersgerecht entwickelt angesehen haben. Frau T hat dem Vormundschaftsgericht bestätigt, dass die Kinder auf sie einen sauberen und gepflegten Eindruck gemacht hätten und sie sich davon bei verschiedenen Besuchen und Treffen mit der Familie auch überzeugt. Jugendfürsorgerische Maßnahmen seien gerade auch wegen der Schulversäumnisse angeraten. Der Umstand, dass der Kläger sowie seine Geschwister sich ab etwa dem siebten Lebensjahr des Klägers nicht mehr in der Familie der Mutter, sondern in Kinderheimen aufgehalten haben, lässt für sich gesehen nicht auf Misshandlungen und extreme Vernachlässigungen schließen. In dem Bericht der Frau T wird ein diesbezüglicher Verdacht auch nicht angesprochen. Sonstige Anhaltspunkte, die die klägerischen Vermutungen der Misshandlungen und Vernachlässigen stützen, ergeben sich für den Senat auch nicht aus den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Berichte und verschiedentlichen psychologischen und sonderpädagogischen Gutachten. Soweit der Kläger die Verletzung seines linken Armes auf körperliche Misshandlungen in früher Kindheit zurückführt, ist dies ebenfalls nur eine Vermutung Dritter, für die sich keine Anhaltspunkte ergeben. Vielmehr ist dem ärztliche Bericht des Prof. Dr. E1 vom 06.11.1991 zu entnehmen, dass die linke obere Extremität des Klägers möglicherweise durch die Folgen eines Traumas im Säuglingsalter oder den ersten Lebensjahren geschädigt sei, dieses Trauma jedoch durchaus abgelaufen sein kann, ohne dass die Eltern des Klägers dies bemerkt hätten. Schließlich hat auch der Zeuge C als früherer Lehrer des Klägers keine Beobachtungen gemacht, die die Annahme des Klägers von Misshandlungen bestätigen. Er hat den Kläger erst im Jahr 1990 kennen gelernt, als er ihn bis 1992/93 an der Sonderschule für Körperbehinderte unterrichtet hatte. Damals war der Kläger bereits sechzehn Jahre alt und er wohnte schon lange nicht mehr bei den Eltern. Der Zeuge hat weiter ausgeführt, dass ihm offiziell über das Elternhaus des Klägers nichts bekannt sei und er allenfalls Gerüchte über dessen Behandlung durch die Eltern gehört habe. Der Zeuge hat ausdrücklich ausgeführt, er wisse nicht, ob der Kläger von seinen Eltern oder einem Elternteil misshandelt worden sei. Da der Kläger insoweit auch nicht ansatzweise über Erinnerungen verfügt, entsprechendes augenscheinlich weder dem Zeugen C, noch seiner früheren Pflegemutter oder dem Bediensteten des C-Hauses, Herrn U oder Frau M (Fremdanamnese durch Frau W) erzählt hat, kann der Senat nichts Verwertbares, das das Vorbringen des Klägers belegt, feststellen. Dass der Umgang der Eltern mit dem Kläger in Misshandlungen und außerordentliche Vernachlässigung ausgeartet war, die einem tätlichen Angriff iSe Gewalttat gleichkam, ist danach nicht überwiegend wahrscheinlich.
Der Senat braucht deshalb auch nicht aufzuklären, welche Gesundheitsschäden auf die Zeugung in der Inzestbeziehung und welche auf die angeführten Misshandlungen und Vernachlässigungen zurückzuführen sind. Jedenfalls können die genetischen Schäden nur Folge der Inzests sein. Worauf die Armschädigung zurückzuführen ist, ist unklar. Sie kann ebenso Folge der Inzestschädigung sein, wie Folge einer Misshandlung oder Folge eines Unfalls.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). Die Rechtsache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die von dem Kläger aufgeworfenen Fragen sind durch die Entscheidung des BSG vom 16.04.2002, B 9 VG 1//01R umfassend geklärt.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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