Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 50 AS 1321/09
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AS 450/09 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter beim Erlass eines Ordnungsgeldbeschlusses gegen säumige Kläger
I. Auf die Beschwerden werden die Beschlüsse des Sozialgerichts München vom 27. Mai 2009 und vom 17. Juni 2009 aufgehoben.
II. Die Staatskasse hat den Beschwerdeführern die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführer (Bf.) wenden sich gegen die Auferlegung von Ordnungsgeld.
Die Beschwerdeführer machten im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht München zum Az.: S 50 AS 344/08 verschiedene Ansprüche auf Leistungen zur Grundsicherung geltend, u.a. die Übernahme der Kosten für ein Fernstudium der Bf. zu 1). Diese Leistungen hatte die Beklagte mit Bescheid vom 09.10.2007 und Widerspruchsbescheid vom 06.02.2008 abgelehnt, da die angestrebte Weiterbildung zur Ernährungsberaterin nicht für eine Integration in den Arbeitsmarkt erfolgversprechend sei. Über die weiteren mit der Klageschrift vom 08.02.2008 begehrten Leistungen, nämlich Einrichtungsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR, Auszahlung der Unterkunftskosten direkt an die Bf. und nicht an den Vermieter sowie kostenfreie Auszahlung der monatlichen Geldleistungen an die Bedarfsgemeinschaft lag noch keine Entscheidung der Beklagten vor. Auf das beantragte Einrichtungsgeld zahlte die Beklagte einen Teilbetrag bzw. bot sie Sachleistungen an, mit denen sich die Bf. einverstanden erklärten. Die Unterkunftskosten zahlte die Beklagte ab 01.04.2008 wieder direkt an die Bf., die kostenfreie Auszahlung der monatlichen Leistungen zur Grundsicherung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.09.2007 und Widerspruchsbescheid vom 02.04.2008 ab.
Das Sozialgericht lud beide Beschwerdeführer mit Postzustellungsurkunde vom 09.04.2009 zur mündlichen Verhandlung auf den 27.05.2009 und ordnete hierzu das persönliche Erscheinen beider Bf. an. In der Ladung war der Hinweis enthalten, es könne im Falle eines unentschuldigten Fernbleibens Ordnungsgeld auferlegt werden. Mit beim Sozialgericht am 06.05.2009 eingegangenem Schreiben beantragten die Bf., den Termin um vier Wochen aus gesundheitlichen Gründen der Bf. zu 1) zu verschieben. Zugleich beantragten sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH).
Am 11.05.2009 teilte das Sozialgericht mit, der Termin werde nur aufgehoben, wenn durch ein ärztliches Attest nachgewiesen werde. dass ein Erscheinen vor Gericht nicht möglich sei. Zur Bearbeitung des PKH-Antrags forderte es das ausgefüllte Formblatt über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bf. sowie aktuelle Kontenauszüge an. Das Formblatt ging am 22.05.2009 bei der allgemeinen Einlaufstelle der Justizbehörden A-Stadt ein. Mit beim Sozialgericht am 26.05.2009 eingegangenem Fax baten die Bf., den Termin um vier bis sechs Wochen zu verschieben. Die Bf. zu 1) müsse sich einer weiteren Operation unterziehen, außerdem sei über den von ihnen gestellten Antrag auf PKH noch nicht entschieden worden; sie wollten einen Rechtsanwalt beauftragen.
In der mündlichen Verhandlung am 27.05.2009 erschienen die Bf. nicht.
In der Sitzung trennte das Sozialgericht vom Verfahren S 50 AS 344/08 die Klage mit dem Antrag auf Kostenübernahme für ein Fernstudium der Bf. zu 1) (Bescheid vom 09.10.2007 und Widerspruchsbescheid vom 06.02.2008) ab; dieses Verfahren wurde unter dem Az.: S 50 AS 1321/09 weitergeführt.
Bezüglich des Verfahrens S 50 AS 344/08, das die kostenfreie Auszahlung betraf, hob das Sozialgericht die Anordnung des persönlichen Erscheinens beider Bf. auf und wies die Klage mit Urteil ab.
Beiden Bf. legte es im abgetrennten Verfahren jeweils 50,00 EUR Ordnungsgeld wegen unentschuldigten Fernbleibens auf. Ein ärztliches Attest zum Nachweis, dass das Erscheinen aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen sei, hätten die Bf. nicht vorgelegt. Über ihren Antrag auf PKH habe nicht entschieden werden können, da die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie ein aktueller Kontoauszug nicht vorgelegt worden seien. Die mündliche Verhandlung im Verfahren S 50 AS 1321/09 vertagte es, nachdem die Beklagte zugesagt hatte, innerhalb von vier Wochen einen Nachweis vorzulegen, dass der Träger des angestrebten Fernstudiums nicht zugelassen sei. Die Ordnungsgeldbeschlüsse ergingen nach geheimer Umfrage.
Im Verfahren S 50 AS 1321/09 legte das Sozialgericht beiden Beschwerdeführern durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung am 17.06.2009 Ordnungsgeld in Höhe von 50,00 EUR wegen Ausbleibens im Termin vom 27.05.2009 auf. Zur Begründung wiederholte es die Begründungen der im Termin vom 27.05.2009 erlassenen Ordnungsgeld-Beschlüsse. Die mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Ausfertigungen der Beschlüsse vom 17.06.2009 wurde den Bf. jeweils mit Postzustellungsurkunde vom 20.06.2009 zugestellt.
Dagegen legten beide Bf. Beschwerde ein. Sie hätten die ihnen vom Sozialgericht am 11.05.2009 übersandten Formblätter zur PKH-Gewährung am 12.05.2009 ausgefüllt zurückgesandt, allerdings ohne die erbetenen aktuellen Kontoauszüge, da sie aus Kostengründen kein eigenes Konto führten. Die Formblätter hätten sie in den Sonderbriefkasten der Justizbehörden in A-Stadt eingeworfen. Die Festsetzung von Ordnungsgeld gegen sie sei unbegründet.
Aus den vom Sozialgericht auf Anforderung des Senats übersandten PKH-Beiakten lassen sich die Angaben der Bf. insoweit bestätigen, als die Formblätter den Eingangsstempel der allgemeinen Eingangsstelle der Justizbehörden A-Stadt vom 22.05.2009 tragen.
Die Bf. beantragen,
die Beschlüsse des Sozialgerichts München vom 27.05.2009 und vom 17.06.2009 aufzuheben.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.
II.
Die statthaften und zulässigen Beschwerden (§§ 172, 173 SGG) sind begründet und führen zur Aufhebung der Ordnungsgeldbeschlüsse vom 27.05.2009 und 17.06.2009. Da die in der mündlichen Verhandlung erlassenen Beschlüsse keine Rechtsmittelbelehrung enthalten, bedarf es keiner Feststellung, wann das Protokoll vom 27.05.2009 den Bf. bekannt gegeben wurde. Die Beschwerdefrist des § 173 SGG ist bezüglich der Beschlüsse vom 17.06.2009, soweit diesen eine eigenständige Bedeutung zukommt, in jedem Fall gewahrt, obwohl sich das Eingangsdatum der Beschwerdeschrift aus den vom Sozialgericht übersandten Akten nicht feststellen lässt. Denn die am 29.06. der Vorsitzenden der 50. Kammer des Sozialgerichts vorgelegte Beschwerde ging am 08.07.2009 und damit innerhalb der Monatsfrist des § 173 Abs.1 und 2 SGG bzw. innerhalb der Jahresfrist des § 66 Abs.2 SGG beim Bayer. Landessozialgericht ein.
Die Ordnungsgeldbeschlüsse vom 17.06.2009 waren zur Klarstellung aufzuheben. Es liegt zwar die Vermutung nahe, dass mit diesen Beschlüssen lediglich eine gesonderte Ausfertigung der zuvor in der mündlichen Verhandlung ergangenen Beschlüsse mit Rechtsmittelbelehrung gewollt war. Jedoch lässt sich dies nicht eindeutig feststellen, weil es in beiden Beschlüssen heißt, das Ordnungsgeld gegen die Bf. werde. "ohne mündliche Verhandlung" verhängt. Wenn die Säumnis in einem Termin zur mündlichen Verhandlung vor der gesamten Kammer eintritt, hat die gesamte Kammer einschließlich der ehrenamtlichen Richter nach geheimer Beratung oder Umfrage über Ordnungsgeld zu entscheiden. Die durchaus zu akzeptierende Möglichkeit, dem säumigen Beteiligten rechtliches Gehör vor der Verhängung von Ordnungsgeld zu gewähren und erst später im Bürowege hierüber zu entscheiden, ist nur dann zulässig, wenn die mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter stattfand und dieser dann im Bürowege entscheidet. Aus § 12 Abs.1 Satz 2 SGG ergibt sich im Umkehrschluss, dass bei Beschlüssen innerhalb der mündlichen Verhandlung die ehrenamtlichen Richter mitwirken müssen. Dies gebietet sich schon deswegen, weil es eine Frage des Ermessens ist, ob überhaupt und in welcher Höhe Ordnungsgeld verhängt wird.
Die Ordnungsgeldbeschlüsse vom 27.05.2009 im abgetrennten Verfahren über Kostenübernahme für eine von der Bf. zu 1) angestrebte Weiterbildung durch Fernstudium waren aufzuheben, weil eine notwendige Sachaufklärung durch den Bf. zu 2) überhaupt nicht erkennbar wird und die Tatsache der Vertagung der mündlichen Verhandlung, um von dem Beklagten weitere - offensichtlich für notwendig gehaltene - Informationen zu erhalten, nicht erklärt, weshalb es ohne die Mitwirkung der Bf. zu 1) zum Verfahrensabschluss gekommen und eine Vertagung entbehrlich gewesen wäre.
Nach §§ 111, 202 SGG in Verbindung mit § 141 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden. Ob der Vorsitzende eine Anordnung nach § 111 SGG treffen will, steht in seinem Ermessen. Hält er die Mitwirkung eines Beteiligten an der Sachaufklärung für notwendig, so kann er hierzu das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens dient der Verfahrensförderung. Der Senat will nicht in Abrede stellen, dass im sozialgerichtlichen Verfahren eine stärkere Mitwirkung der Beteiligten in Betracht zu ziehen ist als im zivilgerichtlichen Verfahren, zumal dann, wenn die Beteiligten nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten sind und Aufklärungsbedarf besteht, der im Schriftverkehr nicht zu bewältigen ist. Andererseits schreibt § 106 Abs.2 SGG vor, dass der Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen ist. Für die Beantwortung der Frage, ob das Ausbleiben eines Beteiligten ursächlich dafür war, dass das Gericht diesem Grundsatz nicht folgen konnte, hängt somit davon ab, ob die Mitwirkung des säumigen Beteiligten den Rechtsstreit entscheidungsreif gemacht hätte.
Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 27.05.2009 vertagte das Sozialgericht, um eine Auskunft der Beklagten zu erhalten. Ob dies der einzige Grund für die Vertagung war oder ob auch die Säumnis der Bf. hierfür einen Beitrag lieferte, kann dahinstehen. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 27.05.2009 Entscheidungsreife vorgelegen hat.
Auf die Frage, ob über den Vertagungsantrag der Bf. und deren Antrag auf PKH-Ge-währung vor der mündlichen Verhandlung zu entscheiden gewesen wäre, um das rechtliche Gehör der Bf. zu gewährleisten, kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Insoweit braucht sich der Senat mit den diesbezüglichen Einwänden der Bf. nicht zu befassen.
Der Senat kommt damit zum Ergebnis, dass die Ordnungsgeldbeschlüsse gegen die Bf. zu 1) und den Bf. zu 2) vom 27.05.2009 und 17.06.2009 aufzuheben waren.
Da die Bf. zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehören, fallen Gerichtskosten nicht an. Es bedurfte jedoch einer Kostenerstattungsentscheidung, da die Beschwerde erfolgreich war. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH/NV 1994, 733), der auch eine Reihe von Landessozialgerichten (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.07.2009 - L 5 AS 1110/09 B, LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.01.2009 - L 13 AS 5633/08 B) folgten an und nicht der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 12.06.2007 - VII ZB 4/07) sowie einer Reihe von Zivilgerichten.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
II. Die Staatskasse hat den Beschwerdeführern die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführer (Bf.) wenden sich gegen die Auferlegung von Ordnungsgeld.
Die Beschwerdeführer machten im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht München zum Az.: S 50 AS 344/08 verschiedene Ansprüche auf Leistungen zur Grundsicherung geltend, u.a. die Übernahme der Kosten für ein Fernstudium der Bf. zu 1). Diese Leistungen hatte die Beklagte mit Bescheid vom 09.10.2007 und Widerspruchsbescheid vom 06.02.2008 abgelehnt, da die angestrebte Weiterbildung zur Ernährungsberaterin nicht für eine Integration in den Arbeitsmarkt erfolgversprechend sei. Über die weiteren mit der Klageschrift vom 08.02.2008 begehrten Leistungen, nämlich Einrichtungsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR, Auszahlung der Unterkunftskosten direkt an die Bf. und nicht an den Vermieter sowie kostenfreie Auszahlung der monatlichen Geldleistungen an die Bedarfsgemeinschaft lag noch keine Entscheidung der Beklagten vor. Auf das beantragte Einrichtungsgeld zahlte die Beklagte einen Teilbetrag bzw. bot sie Sachleistungen an, mit denen sich die Bf. einverstanden erklärten. Die Unterkunftskosten zahlte die Beklagte ab 01.04.2008 wieder direkt an die Bf., die kostenfreie Auszahlung der monatlichen Leistungen zur Grundsicherung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.09.2007 und Widerspruchsbescheid vom 02.04.2008 ab.
Das Sozialgericht lud beide Beschwerdeführer mit Postzustellungsurkunde vom 09.04.2009 zur mündlichen Verhandlung auf den 27.05.2009 und ordnete hierzu das persönliche Erscheinen beider Bf. an. In der Ladung war der Hinweis enthalten, es könne im Falle eines unentschuldigten Fernbleibens Ordnungsgeld auferlegt werden. Mit beim Sozialgericht am 06.05.2009 eingegangenem Schreiben beantragten die Bf., den Termin um vier Wochen aus gesundheitlichen Gründen der Bf. zu 1) zu verschieben. Zugleich beantragten sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH).
Am 11.05.2009 teilte das Sozialgericht mit, der Termin werde nur aufgehoben, wenn durch ein ärztliches Attest nachgewiesen werde. dass ein Erscheinen vor Gericht nicht möglich sei. Zur Bearbeitung des PKH-Antrags forderte es das ausgefüllte Formblatt über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bf. sowie aktuelle Kontenauszüge an. Das Formblatt ging am 22.05.2009 bei der allgemeinen Einlaufstelle der Justizbehörden A-Stadt ein. Mit beim Sozialgericht am 26.05.2009 eingegangenem Fax baten die Bf., den Termin um vier bis sechs Wochen zu verschieben. Die Bf. zu 1) müsse sich einer weiteren Operation unterziehen, außerdem sei über den von ihnen gestellten Antrag auf PKH noch nicht entschieden worden; sie wollten einen Rechtsanwalt beauftragen.
In der mündlichen Verhandlung am 27.05.2009 erschienen die Bf. nicht.
In der Sitzung trennte das Sozialgericht vom Verfahren S 50 AS 344/08 die Klage mit dem Antrag auf Kostenübernahme für ein Fernstudium der Bf. zu 1) (Bescheid vom 09.10.2007 und Widerspruchsbescheid vom 06.02.2008) ab; dieses Verfahren wurde unter dem Az.: S 50 AS 1321/09 weitergeführt.
Bezüglich des Verfahrens S 50 AS 344/08, das die kostenfreie Auszahlung betraf, hob das Sozialgericht die Anordnung des persönlichen Erscheinens beider Bf. auf und wies die Klage mit Urteil ab.
Beiden Bf. legte es im abgetrennten Verfahren jeweils 50,00 EUR Ordnungsgeld wegen unentschuldigten Fernbleibens auf. Ein ärztliches Attest zum Nachweis, dass das Erscheinen aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen sei, hätten die Bf. nicht vorgelegt. Über ihren Antrag auf PKH habe nicht entschieden werden können, da die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie ein aktueller Kontoauszug nicht vorgelegt worden seien. Die mündliche Verhandlung im Verfahren S 50 AS 1321/09 vertagte es, nachdem die Beklagte zugesagt hatte, innerhalb von vier Wochen einen Nachweis vorzulegen, dass der Träger des angestrebten Fernstudiums nicht zugelassen sei. Die Ordnungsgeldbeschlüsse ergingen nach geheimer Umfrage.
Im Verfahren S 50 AS 1321/09 legte das Sozialgericht beiden Beschwerdeführern durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung am 17.06.2009 Ordnungsgeld in Höhe von 50,00 EUR wegen Ausbleibens im Termin vom 27.05.2009 auf. Zur Begründung wiederholte es die Begründungen der im Termin vom 27.05.2009 erlassenen Ordnungsgeld-Beschlüsse. Die mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Ausfertigungen der Beschlüsse vom 17.06.2009 wurde den Bf. jeweils mit Postzustellungsurkunde vom 20.06.2009 zugestellt.
Dagegen legten beide Bf. Beschwerde ein. Sie hätten die ihnen vom Sozialgericht am 11.05.2009 übersandten Formblätter zur PKH-Gewährung am 12.05.2009 ausgefüllt zurückgesandt, allerdings ohne die erbetenen aktuellen Kontoauszüge, da sie aus Kostengründen kein eigenes Konto führten. Die Formblätter hätten sie in den Sonderbriefkasten der Justizbehörden in A-Stadt eingeworfen. Die Festsetzung von Ordnungsgeld gegen sie sei unbegründet.
Aus den vom Sozialgericht auf Anforderung des Senats übersandten PKH-Beiakten lassen sich die Angaben der Bf. insoweit bestätigen, als die Formblätter den Eingangsstempel der allgemeinen Eingangsstelle der Justizbehörden A-Stadt vom 22.05.2009 tragen.
Die Bf. beantragen,
die Beschlüsse des Sozialgerichts München vom 27.05.2009 und vom 17.06.2009 aufzuheben.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.
II.
Die statthaften und zulässigen Beschwerden (§§ 172, 173 SGG) sind begründet und führen zur Aufhebung der Ordnungsgeldbeschlüsse vom 27.05.2009 und 17.06.2009. Da die in der mündlichen Verhandlung erlassenen Beschlüsse keine Rechtsmittelbelehrung enthalten, bedarf es keiner Feststellung, wann das Protokoll vom 27.05.2009 den Bf. bekannt gegeben wurde. Die Beschwerdefrist des § 173 SGG ist bezüglich der Beschlüsse vom 17.06.2009, soweit diesen eine eigenständige Bedeutung zukommt, in jedem Fall gewahrt, obwohl sich das Eingangsdatum der Beschwerdeschrift aus den vom Sozialgericht übersandten Akten nicht feststellen lässt. Denn die am 29.06. der Vorsitzenden der 50. Kammer des Sozialgerichts vorgelegte Beschwerde ging am 08.07.2009 und damit innerhalb der Monatsfrist des § 173 Abs.1 und 2 SGG bzw. innerhalb der Jahresfrist des § 66 Abs.2 SGG beim Bayer. Landessozialgericht ein.
Die Ordnungsgeldbeschlüsse vom 17.06.2009 waren zur Klarstellung aufzuheben. Es liegt zwar die Vermutung nahe, dass mit diesen Beschlüssen lediglich eine gesonderte Ausfertigung der zuvor in der mündlichen Verhandlung ergangenen Beschlüsse mit Rechtsmittelbelehrung gewollt war. Jedoch lässt sich dies nicht eindeutig feststellen, weil es in beiden Beschlüssen heißt, das Ordnungsgeld gegen die Bf. werde. "ohne mündliche Verhandlung" verhängt. Wenn die Säumnis in einem Termin zur mündlichen Verhandlung vor der gesamten Kammer eintritt, hat die gesamte Kammer einschließlich der ehrenamtlichen Richter nach geheimer Beratung oder Umfrage über Ordnungsgeld zu entscheiden. Die durchaus zu akzeptierende Möglichkeit, dem säumigen Beteiligten rechtliches Gehör vor der Verhängung von Ordnungsgeld zu gewähren und erst später im Bürowege hierüber zu entscheiden, ist nur dann zulässig, wenn die mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter stattfand und dieser dann im Bürowege entscheidet. Aus § 12 Abs.1 Satz 2 SGG ergibt sich im Umkehrschluss, dass bei Beschlüssen innerhalb der mündlichen Verhandlung die ehrenamtlichen Richter mitwirken müssen. Dies gebietet sich schon deswegen, weil es eine Frage des Ermessens ist, ob überhaupt und in welcher Höhe Ordnungsgeld verhängt wird.
Die Ordnungsgeldbeschlüsse vom 27.05.2009 im abgetrennten Verfahren über Kostenübernahme für eine von der Bf. zu 1) angestrebte Weiterbildung durch Fernstudium waren aufzuheben, weil eine notwendige Sachaufklärung durch den Bf. zu 2) überhaupt nicht erkennbar wird und die Tatsache der Vertagung der mündlichen Verhandlung, um von dem Beklagten weitere - offensichtlich für notwendig gehaltene - Informationen zu erhalten, nicht erklärt, weshalb es ohne die Mitwirkung der Bf. zu 1) zum Verfahrensabschluss gekommen und eine Vertagung entbehrlich gewesen wäre.
Nach §§ 111, 202 SGG in Verbindung mit § 141 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden. Ob der Vorsitzende eine Anordnung nach § 111 SGG treffen will, steht in seinem Ermessen. Hält er die Mitwirkung eines Beteiligten an der Sachaufklärung für notwendig, so kann er hierzu das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens dient der Verfahrensförderung. Der Senat will nicht in Abrede stellen, dass im sozialgerichtlichen Verfahren eine stärkere Mitwirkung der Beteiligten in Betracht zu ziehen ist als im zivilgerichtlichen Verfahren, zumal dann, wenn die Beteiligten nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten sind und Aufklärungsbedarf besteht, der im Schriftverkehr nicht zu bewältigen ist. Andererseits schreibt § 106 Abs.2 SGG vor, dass der Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen ist. Für die Beantwortung der Frage, ob das Ausbleiben eines Beteiligten ursächlich dafür war, dass das Gericht diesem Grundsatz nicht folgen konnte, hängt somit davon ab, ob die Mitwirkung des säumigen Beteiligten den Rechtsstreit entscheidungsreif gemacht hätte.
Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 27.05.2009 vertagte das Sozialgericht, um eine Auskunft der Beklagten zu erhalten. Ob dies der einzige Grund für die Vertagung war oder ob auch die Säumnis der Bf. hierfür einen Beitrag lieferte, kann dahinstehen. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 27.05.2009 Entscheidungsreife vorgelegen hat.
Auf die Frage, ob über den Vertagungsantrag der Bf. und deren Antrag auf PKH-Ge-währung vor der mündlichen Verhandlung zu entscheiden gewesen wäre, um das rechtliche Gehör der Bf. zu gewährleisten, kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Insoweit braucht sich der Senat mit den diesbezüglichen Einwänden der Bf. nicht zu befassen.
Der Senat kommt damit zum Ergebnis, dass die Ordnungsgeldbeschlüsse gegen die Bf. zu 1) und den Bf. zu 2) vom 27.05.2009 und 17.06.2009 aufzuheben waren.
Da die Bf. zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehören, fallen Gerichtskosten nicht an. Es bedurfte jedoch einer Kostenerstattungsentscheidung, da die Beschwerde erfolgreich war. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH/NV 1994, 733), der auch eine Reihe von Landessozialgerichten (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.07.2009 - L 5 AS 1110/09 B, LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.01.2009 - L 13 AS 5633/08 B) folgten an und nicht der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 12.06.2007 - VII ZB 4/07) sowie einer Reihe von Zivilgerichten.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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