Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 P 54/09 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 38/09 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Sind die Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits, in dem streitig ist, ob Pflegebedürftigkeit vorliegt, allenfalls offen, so kann Pflegegeld nicht im Wege der einstweiligen Anordnung erreicht werden.
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Regensburg vom 31. Juli 2009 wird zurückge-
wiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind
nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob dem Beschwerdeführer im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung in Form von Pflegegeld nach Pflegestufe II zuzusprechen sind.
Der Beschwerdeführer beantragte am 14.02.2009 bei der Beschwerdegegnerin Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe II. Er gab an, die Kombination seiner gesundheitlichen Funktionseinschränkungen, nämlicher beider Handgelenke, beider Schultergelenke, der Hals- und Lendenwirbelsäule, der Kniegelenke und der Augen erforderten Hilfeleistungen über den ganzen Tag und in vielen Bereichen. Ihm sei ein Grad der Behinderung von 50 % zugebilligt worden. Er beziehe Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er legte ein im Rentenstreitverfahren erstattetes Gutachten von Dr. W. vom 28.10.2008, ein Attest der Orthopäden Dres. V. u.a. vom 15.02.2008, der Augenärzte Dres. R. u.a. vom 26.07.2006, der Allgemeinärzte Dres. W. u.a. vom 10.05.2006 und das Aktenlagegutachten des MDK vom 01.12.2005 vor. Die Beschwerdegegnerin beauftragte ihren MDK, ein Gutachten nach Hausbesuch zu erstatten. Den Termin vom 12.05.2009 sagte der Beschwerdeführer ab. Er wünsche eine Begutachtung nach Aktenlage und verweigere dem MDK den Zutritt zu seiner Wohnung. Der Beschwerdegegnerin müsse eine Begutachtung nach Aktenlage genügen. Sie sei nicht berechtigt, eine Begutachtung im Rahmen eines Hausbesuchs vorzunehmen. Er sei nicht verpflichtet, bei einer derartigen Begutachtung mitzuwirken. Leistungen dürften nicht mit der Begründung abgelehnt werden, er habe einen Hausbesuch zu dulden. Die Beschwerdegegnerin wies den Beschwerdeführer am 18.05.2009 auf seine Mitwirkungspflicht hin.
Der Beschwerdeführer erwiderte, er sei seiner Mitwirkungspflicht bereits nachgekommen und habe diverse Befundberichte und Gutachten vorgelegt. Er habe angeboten, sich außerhalb seiner Wohnung untersuchen zu lassen und Fragen selbst bzw. durch seine Pflegeperson zu beantworten. Er schilderte eingehend seine Beschwerden und den seiner Meinung nach erforderlichen Pflegebedarf. Diesen schätzte er im Grundpflegebereich, also für Körperpflege, Ernährung und Mobilität auf 281 bis 350 Minuten und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung auf 257 bis 336 Minuten pro Tag.
Die Beschwerdegegnerin bat den MDK, mitzuteilen, ob aufgrund der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen eine Einstufung nach Aktenlage möglich sei. Der MDK erklärte am 04.06.2009, bei der Erstbegutachtung seien umfangreiche Erhebungen erforderlich, die nicht nach Aktenlage beurteilt werden könnten. Nur in Ausnahmefällen, z.B. bei Palliativpatienten im Finalstadium könne von einem Hausbesuch abgesehen werden.
Mit Bescheid vom 17.06.2009 lehnte es die Beschwerdegegnerin ab, Pflegegeld an den Beschwerdeführer zu zahlen. Eine Beurteilung des Umfangs der Pflegebedürftigkeit sei anhand der Unterlagen nicht möglich. Ob Pflegebedürftigkeit vorliege, könne nicht festgestellt werden. Leistungen könnten deshalb nicht bewilligt werden.
Dagegen legte der Beschwerdeführer Widerspruch ein. Er habe eine lückenlose Dokumentation vorgelegt über Art und Schwere seiner Erkrankung; eine Entscheidung nach Aktenlage sei ohne weiteres möglich. Welche Fragen noch offen seien, hätte ihm mitgeteilt werden müssen, ebenso weswegen dennoch ein Hausbesuch erforderlich sei. Die Angaben über seinen Pflegebedarf könnten von seiner Pflegeperson bestätigt werden.
Den Widerspruch wies die Beschwerdegegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2009 zurück. Die angebotene Untersuchung außerhalb des Wohnumfeldes würde zu einer nicht korrekten Pflegeeinstufung führen, da gerade individuelle Wohnumstände Einfluss auf Zeitsätze für die jeweils relevanten Verrichtungen habe bzw. haben könne.
Am 21.07.2009 erhob der Beschwerdeführer Klage beim Sozialgericht Regensburg mit dem Antrag, ihm Pflegegeld zu gewähren. Zugleich beantragte er, ihm im Eilverfahren Pflegegeld zuzusprechen. Er befinde sich in einer existentiellen Notsituation. Er bedürfe der Pflege durch andere Personen, damit sich seine gesundheitliche Situation nicht verschlechtere und irreparable Schäden und Nachteile vermieden würden. Seine Pflegebedürftigkeit gründe sich vor allem darauf, dass seine beiden Hände und beiden Schultern sowie die Halswirbelsäule funktionsunfähig seien. Er verweise auf seine Beschreibung des täglichen Hilfebedarfs. Die Aktenlage sei eindeutig.
Die Beschwerdegegnerin wiederholte ihre Auffassung. Das Sozialgericht forderte die Beschwerdegegnerin auf, eine Stellungnahme des MDK vorzulegen, inwieweit eine ambulante Untersuchung des Beschwerdeführers außerhalb seines Wohnbereichs ausreiche, sofern der Beschwerdeführer seine Wohnsituation durch Fotos belege. Der MDK erläuterte, dem Wohnumfeld komme eine pflegestufenrelevante Bedeutung zu. Ein barrierefreies Umfeld verringere den Hilfebedarf, ungünstige Verhältnisse könnten ihn erhöhen. Darüber hinaus müsse festgestellt werden, ob die Pflege sichergestellt sei. Eine Dokumentation der häuslichen Verhältnisse sei nicht ausreichend.
Mit Beschluss vom 31.07.2009 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Weder Anordnungsanspruch, nämlich Rechtsgrund für die begehrte Leistung, noch Anordnungsgrund, Eilbedürftigkeit, seien ausreichend glaubhaft gemacht. Eine derartig eindeutige Aktenlage, die es zuließe ohne Begutachtung über Pflegegeld zu entscheiden, liege nicht vor. Zwar weise der Beschwerdeführer eine Vielzahl von Beschwerden auf, jedoch könne daraus weder der konkrete Hilfebedarf ermittelt werden noch festgestellt werden, ob die Pflege sicher gestellt sei. Die Auskunft des MDK sei insoweit überzeugend. Die Beschwerdegegnerin sei schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie ihrer Verantwortung gegenüber der Solidargemeinschaft verpflichtet, die Feststellungen zur Beurteilung der Pflegebedürftigkeit sorgsam zu treffen. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht.
Gegen die mit Postzustellungsurkunde vom 08.08.2009 zugestellte Entscheidung legte der Beschwerdeführer beim Bayer. Landessozialgericht am 12.08.2009 Beschwerde ein. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erläutere er nochmals und beantrage, ihm wenigstens Leistungen nach der Pflegestufe I zu gewähren. Die Wohnsituation spiele bei der Art seiner Behinderung, nämlich des Funktionsverlustes beider Hände, keine Rolle. Zudem wohne er in einer ganz normalen Wohnung ohne Treppen. Sein monatliches Einkommen belaufe sich derzeit auf 484,79 Euro Rente. Davon könne er neben den üblichen Lebenshaltungskosten nicht zugleich noch eine Pflegeperson bezahlen. Über Vermögen oder sonstige Einkünfte verfüge er nicht. Art und Schwere seiner Behinderungen seien vermutlich ein Einzelfall, so dass es keine Vergleichsfälle gebe. Zur Glaubhaftmachung legte er eine eigene Erklärung, bezeichnet als eidesstattliche Versicherung, vor und seinen Rentenbescheid. Im Übrigen verwies er auf bereits übersandte Unterlagen. Gegen einen gerichtlichen Gutachter habe er nichts einzuwenden. Im Übrigen könne er selbst am besten beurteilen, ob seine Pflege sichergestellt sei.
Die Beschwerdegegnerin wandte ein, Grad und Dauer der Hilfestellung seien ohne persönlichen Besuch des Gutachters im häuslichen Umfeld nicht feststellbar. Die Angaben des Beschwerdeführers im von ihm erstellten "Pflegetagebuch" seien nicht nachvollziehbar. Aus den vorgelegten Gutachten ergäben sich lediglich unpräzise Hinweise über die Beweglichkeit des Bewegungsapparates, nämlich der Arme und der Hände. Ein konkreter Hilfebedarf lasse sich daraus nicht ableiten.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 31.07.2009 aufzuheben und ihm vorläufig Pflegegeld mindestens nach Stufe I zugewähren.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akte Bezug genommen.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist unbegründet.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ist § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dass ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, der insbesondere in der Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung besteht (Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 27 ff.) und das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, nämlich eines materiell-rechtlichen Anspruchs, auf den der Antragsteller sein Begehren stützt, voraus. Die Angaben hierzu hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers zu entscheiden (BVerfG vom 12.05.2005, Breithaupt 2005, 803 und BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06). Insoweit ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern muss abschließend geprüft werden.
Die Erfolgsaussichten im vorliegenden Rechtsstreit, nämlich ob Pflegebedürftigkeit mindestens im Umfang der Pflegestufe I vorliegt, sind allenfalls offen. Das Sozialgericht zitiert in der angefochtenen Entscheidung ausführlich die gesetzlichen Bestimmungen, die für die Gewährung von Pflegegeld maßgeblich sind, nämlich die §§ 14 und 15 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat hierauf Bezug. Es kann insoweit offenbleiben, ob ausschließlich eine Begutachtung im Rahmen eines Hausbesuchs die notwendigen Erkenntnisse liefern kann oder ob eine Untersuchung des Beschwerdeführers außerhalb seiner Wohnung genügen würde. Denn in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat der Antragsteller, hier der Beschwerdeführer, seinen Anspruch glaubhaft zu machen. Die von ihm vorgelegten Unterlagen, nämlich ein Gutachten des Dr. W. vom 28.10.2008 zur Beurteilung des verbliebenen Leistungsvermögens, Atteste der Orthopäden Dres. V. vom 15.02.2008, der Augenärzte Dres. R. vom 26.07.2006 und der Allgemeinärzte Dr. W. vom 10.05.2006 sowie das Aktenlagegutachten des MDK vom 01.12.2005 sind nicht geeignet, den Umfang der Pflegebedürftigkeit ab Antragstellung, ab Februar 2009 zu belegen. Dr. W. diagnostizierte lediglich eine Gebrauchsminderung beider Hände, Bewegungseinschränkung in den Schultergelenken, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Sehstörungen als Funktionseinschränkungen. Inwieweit Hände und Arme noch für die täglich wiederkehrenden Verrichtungen der Pflege eingesetzt werden können, wird daraus nicht erkennbar. Der Sachverständige beschrieb lediglich, das Aus- und Anziehen habe dem Beschwerdeführer sichtlich Mühe bereitet. Im Übrigen machte er Ausführungen zur Frage, welche Arbeitsleistungen von wirtschaftlichem Wert noch abverlangt werden könnten. Über diese Feststellung hinausgehende Erkenntnisse liefern die Atteste der Orthopäden Dres. V. vom 15.02.2008 und der Dres. W. vom 10.05.2006 nicht. Allein das Datum der vorgenannten medizinischen Unterlagen macht deutlich, dass es sich um keine aktuellen, auf den Antragszeitpunkt, nämlich Februar 2009 abgestellte Befunde handelt. Ein Anordnungsanspruch ist somit nicht glaubhaft gemacht.
Ebenso wenig vermag der Senat besondere Eilbedürftigkeit zu erkennen. Denn der Beschwerdeführer erklärt nicht, ob und auf welche Weise sich sein Gesundheitszustand im Februar 2009 so verschlechtert hat, dass Hilfe für die Verrichtungen im Grundpflegebereich notwendig sei. Auch diesbezüglich fehlt es an der Glaubhaftmachung. Insgesamt kommt der Senat damit zum Ergebnis, dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Sozialgerichts Regensburg vom 31. Juli 2009 wird zurückge-
wiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind
nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob dem Beschwerdeführer im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung in Form von Pflegegeld nach Pflegestufe II zuzusprechen sind.
Der Beschwerdeführer beantragte am 14.02.2009 bei der Beschwerdegegnerin Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe II. Er gab an, die Kombination seiner gesundheitlichen Funktionseinschränkungen, nämlicher beider Handgelenke, beider Schultergelenke, der Hals- und Lendenwirbelsäule, der Kniegelenke und der Augen erforderten Hilfeleistungen über den ganzen Tag und in vielen Bereichen. Ihm sei ein Grad der Behinderung von 50 % zugebilligt worden. Er beziehe Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er legte ein im Rentenstreitverfahren erstattetes Gutachten von Dr. W. vom 28.10.2008, ein Attest der Orthopäden Dres. V. u.a. vom 15.02.2008, der Augenärzte Dres. R. u.a. vom 26.07.2006, der Allgemeinärzte Dres. W. u.a. vom 10.05.2006 und das Aktenlagegutachten des MDK vom 01.12.2005 vor. Die Beschwerdegegnerin beauftragte ihren MDK, ein Gutachten nach Hausbesuch zu erstatten. Den Termin vom 12.05.2009 sagte der Beschwerdeführer ab. Er wünsche eine Begutachtung nach Aktenlage und verweigere dem MDK den Zutritt zu seiner Wohnung. Der Beschwerdegegnerin müsse eine Begutachtung nach Aktenlage genügen. Sie sei nicht berechtigt, eine Begutachtung im Rahmen eines Hausbesuchs vorzunehmen. Er sei nicht verpflichtet, bei einer derartigen Begutachtung mitzuwirken. Leistungen dürften nicht mit der Begründung abgelehnt werden, er habe einen Hausbesuch zu dulden. Die Beschwerdegegnerin wies den Beschwerdeführer am 18.05.2009 auf seine Mitwirkungspflicht hin.
Der Beschwerdeführer erwiderte, er sei seiner Mitwirkungspflicht bereits nachgekommen und habe diverse Befundberichte und Gutachten vorgelegt. Er habe angeboten, sich außerhalb seiner Wohnung untersuchen zu lassen und Fragen selbst bzw. durch seine Pflegeperson zu beantworten. Er schilderte eingehend seine Beschwerden und den seiner Meinung nach erforderlichen Pflegebedarf. Diesen schätzte er im Grundpflegebereich, also für Körperpflege, Ernährung und Mobilität auf 281 bis 350 Minuten und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung auf 257 bis 336 Minuten pro Tag.
Die Beschwerdegegnerin bat den MDK, mitzuteilen, ob aufgrund der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen eine Einstufung nach Aktenlage möglich sei. Der MDK erklärte am 04.06.2009, bei der Erstbegutachtung seien umfangreiche Erhebungen erforderlich, die nicht nach Aktenlage beurteilt werden könnten. Nur in Ausnahmefällen, z.B. bei Palliativpatienten im Finalstadium könne von einem Hausbesuch abgesehen werden.
Mit Bescheid vom 17.06.2009 lehnte es die Beschwerdegegnerin ab, Pflegegeld an den Beschwerdeführer zu zahlen. Eine Beurteilung des Umfangs der Pflegebedürftigkeit sei anhand der Unterlagen nicht möglich. Ob Pflegebedürftigkeit vorliege, könne nicht festgestellt werden. Leistungen könnten deshalb nicht bewilligt werden.
Dagegen legte der Beschwerdeführer Widerspruch ein. Er habe eine lückenlose Dokumentation vorgelegt über Art und Schwere seiner Erkrankung; eine Entscheidung nach Aktenlage sei ohne weiteres möglich. Welche Fragen noch offen seien, hätte ihm mitgeteilt werden müssen, ebenso weswegen dennoch ein Hausbesuch erforderlich sei. Die Angaben über seinen Pflegebedarf könnten von seiner Pflegeperson bestätigt werden.
Den Widerspruch wies die Beschwerdegegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2009 zurück. Die angebotene Untersuchung außerhalb des Wohnumfeldes würde zu einer nicht korrekten Pflegeeinstufung führen, da gerade individuelle Wohnumstände Einfluss auf Zeitsätze für die jeweils relevanten Verrichtungen habe bzw. haben könne.
Am 21.07.2009 erhob der Beschwerdeführer Klage beim Sozialgericht Regensburg mit dem Antrag, ihm Pflegegeld zu gewähren. Zugleich beantragte er, ihm im Eilverfahren Pflegegeld zuzusprechen. Er befinde sich in einer existentiellen Notsituation. Er bedürfe der Pflege durch andere Personen, damit sich seine gesundheitliche Situation nicht verschlechtere und irreparable Schäden und Nachteile vermieden würden. Seine Pflegebedürftigkeit gründe sich vor allem darauf, dass seine beiden Hände und beiden Schultern sowie die Halswirbelsäule funktionsunfähig seien. Er verweise auf seine Beschreibung des täglichen Hilfebedarfs. Die Aktenlage sei eindeutig.
Die Beschwerdegegnerin wiederholte ihre Auffassung. Das Sozialgericht forderte die Beschwerdegegnerin auf, eine Stellungnahme des MDK vorzulegen, inwieweit eine ambulante Untersuchung des Beschwerdeführers außerhalb seines Wohnbereichs ausreiche, sofern der Beschwerdeführer seine Wohnsituation durch Fotos belege. Der MDK erläuterte, dem Wohnumfeld komme eine pflegestufenrelevante Bedeutung zu. Ein barrierefreies Umfeld verringere den Hilfebedarf, ungünstige Verhältnisse könnten ihn erhöhen. Darüber hinaus müsse festgestellt werden, ob die Pflege sichergestellt sei. Eine Dokumentation der häuslichen Verhältnisse sei nicht ausreichend.
Mit Beschluss vom 31.07.2009 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Weder Anordnungsanspruch, nämlich Rechtsgrund für die begehrte Leistung, noch Anordnungsgrund, Eilbedürftigkeit, seien ausreichend glaubhaft gemacht. Eine derartig eindeutige Aktenlage, die es zuließe ohne Begutachtung über Pflegegeld zu entscheiden, liege nicht vor. Zwar weise der Beschwerdeführer eine Vielzahl von Beschwerden auf, jedoch könne daraus weder der konkrete Hilfebedarf ermittelt werden noch festgestellt werden, ob die Pflege sicher gestellt sei. Die Auskunft des MDK sei insoweit überzeugend. Die Beschwerdegegnerin sei schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie ihrer Verantwortung gegenüber der Solidargemeinschaft verpflichtet, die Feststellungen zur Beurteilung der Pflegebedürftigkeit sorgsam zu treffen. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht.
Gegen die mit Postzustellungsurkunde vom 08.08.2009 zugestellte Entscheidung legte der Beschwerdeführer beim Bayer. Landessozialgericht am 12.08.2009 Beschwerde ein. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erläutere er nochmals und beantrage, ihm wenigstens Leistungen nach der Pflegestufe I zu gewähren. Die Wohnsituation spiele bei der Art seiner Behinderung, nämlich des Funktionsverlustes beider Hände, keine Rolle. Zudem wohne er in einer ganz normalen Wohnung ohne Treppen. Sein monatliches Einkommen belaufe sich derzeit auf 484,79 Euro Rente. Davon könne er neben den üblichen Lebenshaltungskosten nicht zugleich noch eine Pflegeperson bezahlen. Über Vermögen oder sonstige Einkünfte verfüge er nicht. Art und Schwere seiner Behinderungen seien vermutlich ein Einzelfall, so dass es keine Vergleichsfälle gebe. Zur Glaubhaftmachung legte er eine eigene Erklärung, bezeichnet als eidesstattliche Versicherung, vor und seinen Rentenbescheid. Im Übrigen verwies er auf bereits übersandte Unterlagen. Gegen einen gerichtlichen Gutachter habe er nichts einzuwenden. Im Übrigen könne er selbst am besten beurteilen, ob seine Pflege sichergestellt sei.
Die Beschwerdegegnerin wandte ein, Grad und Dauer der Hilfestellung seien ohne persönlichen Besuch des Gutachters im häuslichen Umfeld nicht feststellbar. Die Angaben des Beschwerdeführers im von ihm erstellten "Pflegetagebuch" seien nicht nachvollziehbar. Aus den vorgelegten Gutachten ergäben sich lediglich unpräzise Hinweise über die Beweglichkeit des Bewegungsapparates, nämlich der Arme und der Hände. Ein konkreter Hilfebedarf lasse sich daraus nicht ableiten.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 31.07.2009 aufzuheben und ihm vorläufig Pflegegeld mindestens nach Stufe I zugewähren.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akte Bezug genommen.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist unbegründet.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ist § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dass ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, der insbesondere in der Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung besteht (Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 27 ff.) und das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, nämlich eines materiell-rechtlichen Anspruchs, auf den der Antragsteller sein Begehren stützt, voraus. Die Angaben hierzu hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers zu entscheiden (BVerfG vom 12.05.2005, Breithaupt 2005, 803 und BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06). Insoweit ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern muss abschließend geprüft werden.
Die Erfolgsaussichten im vorliegenden Rechtsstreit, nämlich ob Pflegebedürftigkeit mindestens im Umfang der Pflegestufe I vorliegt, sind allenfalls offen. Das Sozialgericht zitiert in der angefochtenen Entscheidung ausführlich die gesetzlichen Bestimmungen, die für die Gewährung von Pflegegeld maßgeblich sind, nämlich die §§ 14 und 15 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat hierauf Bezug. Es kann insoweit offenbleiben, ob ausschließlich eine Begutachtung im Rahmen eines Hausbesuchs die notwendigen Erkenntnisse liefern kann oder ob eine Untersuchung des Beschwerdeführers außerhalb seiner Wohnung genügen würde. Denn in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat der Antragsteller, hier der Beschwerdeführer, seinen Anspruch glaubhaft zu machen. Die von ihm vorgelegten Unterlagen, nämlich ein Gutachten des Dr. W. vom 28.10.2008 zur Beurteilung des verbliebenen Leistungsvermögens, Atteste der Orthopäden Dres. V. vom 15.02.2008, der Augenärzte Dres. R. vom 26.07.2006 und der Allgemeinärzte Dr. W. vom 10.05.2006 sowie das Aktenlagegutachten des MDK vom 01.12.2005 sind nicht geeignet, den Umfang der Pflegebedürftigkeit ab Antragstellung, ab Februar 2009 zu belegen. Dr. W. diagnostizierte lediglich eine Gebrauchsminderung beider Hände, Bewegungseinschränkung in den Schultergelenken, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Sehstörungen als Funktionseinschränkungen. Inwieweit Hände und Arme noch für die täglich wiederkehrenden Verrichtungen der Pflege eingesetzt werden können, wird daraus nicht erkennbar. Der Sachverständige beschrieb lediglich, das Aus- und Anziehen habe dem Beschwerdeführer sichtlich Mühe bereitet. Im Übrigen machte er Ausführungen zur Frage, welche Arbeitsleistungen von wirtschaftlichem Wert noch abverlangt werden könnten. Über diese Feststellung hinausgehende Erkenntnisse liefern die Atteste der Orthopäden Dres. V. vom 15.02.2008 und der Dres. W. vom 10.05.2006 nicht. Allein das Datum der vorgenannten medizinischen Unterlagen macht deutlich, dass es sich um keine aktuellen, auf den Antragszeitpunkt, nämlich Februar 2009 abgestellte Befunde handelt. Ein Anordnungsanspruch ist somit nicht glaubhaft gemacht.
Ebenso wenig vermag der Senat besondere Eilbedürftigkeit zu erkennen. Denn der Beschwerdeführer erklärt nicht, ob und auf welche Weise sich sein Gesundheitszustand im Februar 2009 so verschlechtert hat, dass Hilfe für die Verrichtungen im Grundpflegebereich notwendig sei. Auch diesbezüglich fehlt es an der Glaubhaftmachung. Insgesamt kommt der Senat damit zum Ergebnis, dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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