L 1 R 2/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 RA 504/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 2/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
AAÜG, fiktive Einbeziehung, betriebliche Voraussetzung, Technische Gebäudeausrüstung Wittenberg
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 30. November 2005 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) festzustellen.

Der am 1953 geborenen Klägerin wurde mit Urkunde der Ingenieurschule das Recht verliehen, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Vom 1975 bis 1989 war sie als Technologin und vom 1989 bis 1990 als Mitarbeiterin Projektierung beim VEB Technische Gebäudeausrüstung (TGA) tätig. Eine Zusatzversorgungszusage erhielt sie während des Bestehens der DDR nicht. Der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) gehörte sie ab dem 1977 an und versicherte bis zum 1984 ihr gesamtes Entgelt.

Am 29. August 2002 beantragte die Klägerin die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Juli 2003 mit der Begründung ab, die Klägerin habe am 30. Juni 1990 keine versorgungsberechtigende Tätigkeit ausgeführt, da sie nicht als Ingenieur, sondern als Planer beschäftigt gewesen sei. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 06. August 2003 Widerspruch ein. Sie sei in der Zeit vom 1975 bis 30. Juni 1990 in der Projektierung eingesetzt gewesen und habe insoweit eine ingenieurtechnische Tätigkeit ausgeübt. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2003 mit der Begründung zurück, bei der Beschäftigung als Planer handele es sich nicht um eine ingenieurtechnische Tätigkeit.

Dagegen hat die Klägerin am 12. November 2003 Klage beim Sozialgericht (SG) Dessau erhoben und zur Begründung ausgeführt, sie sei entsprechend ihrer Qualifikation als Ingenieurin beschäftigt gewesen.

Das SG hat einen Auszug aus dem statistischen Betriebsregister der DDR sowie Registerauszüge des VEB TGA beigezogen und eine schriftliche Auskunft des Geschäftsführers des VEB TGA eingeholt. Sodann hat es die Klage mit Urteil vom 30. November 2005 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, soweit die Klägerin die Feststellung der Beschäftigungszeit und der dabei erzielten Arbeitsentgelte vom 01. Januar 1977 bis 31. Dezember 1984 begehre. Das mit der Klage insoweit verfolgte Ziel, nämlich die Berücksichtigung der tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte durch den Rentenversicherungsträger – unabhängig von einer Beitragszahlung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG) – ergebe sich für diese Zeiten bereits daraus, dass die Klägerin ausweislich der Verdienstbescheinigung ihre tatsächlichen Bruttoarbeitsentgelte durch die Sozialpflichtversicherung und die FZR versichert habe. Hinsichtlich der übrigen Beschäftigungszeiten vom 1975 bis 1976 und vom 1985 bis 1990 sei die Klage nicht begründet, da die Klägerin am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens bzw. einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen sei.

Gegen das ihr am 07. Dezember 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03. Januar 2006 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und u. a. ausgeführt, die industrielle Produktion habe dem VEB TGA das Gepräge gegeben. Zudem handele es sich bei dem Urteil des SG um eine Überraschungsentscheidung.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 30. November 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeiträume vom 01. September 1975 bis 31. Dezember 1976 sowie vom 01. Januar 1985 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Alterversorgung der technischen Intelligenz mit den dazugehörigen Entgelten festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend und trägt ergänzend vor, aus der Zuordnung in die Wirtschaftsgruppe 20297 (Ausbaubetriebe/Gebäudeausrüstungen) des Statistischen Betriebsregisters der DDR folge, dass es sich beim Beschäftigungsbetrieb um einen Dienstleistungsbetrieb auf dem Gebiet der Gebäudeausrüstung mit den Aufgaben der Gas-, Wasser- und Elektroinstallation, der Installation von lüftungs-, klima-, heizungs- und sanitärtechnischen Anlagen sowie der Isolierung an Kälte- und Wärmeleitungen gehandelt habe und eine Zuordnung des ehemaligen Arbeitgebers der Klägerin zur industriellen Produktion somit nicht in Betracht komme. Es habe sich auch nicht um einen Baubetrieb gehandelt, denn der betriebliche Hauptzweck habe nicht in der Massenproduktion von Bauwerken bestanden.

Der Senat hat Unterlagen zum VEB TGA beigezogen und eine schriftliche Äußerung des Zeugen, des ehemaligen Direktors Produktion des VEB TGA, eingeholt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben bei der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf deren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die das Begehren der Klägerin ablehnenden Bescheide der Beklagten und das sie bestätigende Urteil des SG sind rechtmäßig und im Ergebnis nicht zu beanstanden, so dass die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert ist.

Zwar hat das SG verfahrensfehlerhaft ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden. Die für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG erforderlichen Einverständniserklärungen der Beteiligten wurden von diesen zwar im Erörterungstermin am 25. Juli 2005 erteilt, sie waren aber infolge der nach diesem Termin durch den Vorsitzenden betriebenen weiteren Sachverhaltsaufklärung durch Einholung einer schriftlichen Auskunft des Geschäftsführers der TGA Energietechnik vom 26. September 2005 verbraucht. Neue Einverständniserklärungen wurden nicht eingeholt. Der Senat hat aber von einer Zurückverweisung der Sache an das SG abgesehen. Im Rahmen seines nach § 159 SGG auszuübenden Ermessens hat er das Interesse der Klägerin an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits stärker gewichtet als die durch die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung entstandenen Nachteile. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Sache entscheidungsreif ist.

Die Klägerin hat gemäß § 8 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG, in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007, BGBl. I S. 3024) keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem. Sie unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG, weil sie weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz – AVItech (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte.

1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, zitiert nach Juris, Rdnr. 19).

Die Klägerin erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihr von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden noch ist sie aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in ihrem Falle nicht stattgefunden.

Der Senat schließt sich nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG an, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann (nachfolgend 2.). Im Ergebnis kommt es darauf aber nicht an, da auch die dafür vom BSG aufgestellten Voraussetzungen hier nicht vorliegen (nachfolgend 3.).

2. Der Senat ist zum Einen nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potentiell vom AAÜG ab 01. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber: BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O.). Erst diese Annahme führt jedoch zu einer vom BSG behaupteten Ungleichbehandlung ("Wertungswiderspruch"), die durch eine verfassungskonforme (erweiternde) Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu korrigieren sei. Zum Anderen ist der Senat der Ansicht, dass – wenn die Ansicht des BSG tatsächlich zutreffen sollte und mit dem AAÜG der einbezogene Personenkreis erweitert worden ist – zumindest keine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, da die behauptete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre. Im Übrigen hätte das BSG wegen des von ihm unterstellten "Wertungswiderspruchs" keine erweiternde, über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehende Auslegung vornehmen dürfen, sondern durch Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eine konkrete Normenkontrolle veranlassen müssen. Denn die vom BSG vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der eindeutige Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die vom BSG vorgenommene Interpretation nicht hergibt. Es ist deshalb schon nicht möglich, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 EG 1/08 R –, zitiert nach Juris, Rdnr. 19). Auch für eine richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie fehlt es – wie noch auszuführen sein wird – an der erforderlichen Regelungslücke.

a) In den Gesetzesmaterialien finden sich keine Hinweise dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BT-Drs. 12/405, S. 113, 146; BT-Drs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BT-Drs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dort dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BT-Drs. 12/405, S. 113). Jedoch ist aus der weiteren Gesetzesbegründung ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelfallprüfung und der Kostenerstattungen durch den Bund beziehen (a.a.O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Zur Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (a.a.O., S. 146).

Auch überzeugt den Senat nicht, dass aus dem Wortlauf von § 1 Abs. 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O., S. 12). In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a.a.O., S. 12), den Terminus "Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BT-Drs. 12/826, S. 21).

Der Gesetzgeber ging auch – soweit erkennbar – nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochenen Personengruppen eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 01. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BT-Drs. 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BT-Drs. 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BT-Drs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.

b) Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG lässt sich ein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung nicht begründen (so aber BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., S. 12).

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird jedoch verletzt, wenn eine Gruppe von Rechtsanwendungsbetroffenen anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z. B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 – u. a., dokumentiert in Juris, Rdnr. 36).

Hier ist für den Senat bereits nicht nachvollziehbar, wieso das BSG der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also der Personen, die irgendwann vor dem 30. Juni 1990 (aber nicht am 30. Juni 1990) konkret einbezogen waren (BSG, a. a. O.), die Personengruppe gegenüberstellt, die nie konkret einbezogen war, aber zumindest am 30. Juni 1990 nach den Regeln der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatte. Verfassungsrechtlich relevant ist nämlich nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (z. B. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 – 1 BvF 1/05 –, dokumentiert in Juris, Rdnr. 89). Hier unterscheiden sich jedoch die Tatbestände in wesentlichen Gesichtspunkten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG knüpft nämlich an ein in der Vergangenheit verliehenes Versorgungsprivileg an, welches ein Bedürfnis nach der im AAÜG vorgesehenen Sonderprüfung der Rentenwirksamkeit erzielter Arbeitsentgelte anzeigt. Bei Personen, die nie in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen waren, besteht ein solches Bedürfnis hingegen nicht.

Richtiger wäre es nach Ansicht des Senats ohnehin, der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als Vergleichsgruppe die Personen gegenüberzustellen, die nicht konkret einbezogen waren, irgendwann vor dem – aber nicht am – 30. Juni 1990, jedoch alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten. Das Bundesverfassungsgericht führt zum Vergleich dieser Personengruppen aus (Beschluss vom 26. Oktober 2005, a. a. O., Rdnr. 45):

"Der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfasste Personenkreis hat seine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem als Folge eines Ausscheidens vor dem Leistungsfall verloren. Es bestanden also zunächst nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik rechtlich gesicherte Anwartschaften. Diese wollte der gesamtdeutsche Gesetzgeber erhalten (vgl. BT-Drs. 12/826, S. 21). Der hier in Frage stehende Personenkreis (gemeint ist der Personenkreis, der irgendwann vor dem 30. Juni 1990, aber nicht am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatte) hatte dagegen solche Rechtspositionen im Recht der Deutschen Demokratischen Republik zu keinem Zeitpunkt inne. Für eine rechtlich gesicherte Verbesserung der Altersversorgung über die Leistungen der Sozialpflichtversicherung hinaus stand dem betroffenen Personenkreis im Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik der Beitritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung offen, war dort allerdings - anders als in vielen Systemen der Zusatzversorgung - mit eigenen Beitragsleistungen verbunden. Es bestand daher keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der gesamtdeutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung, diesen Personenkreis den durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG begünstigten Personen gleichzustellen und insoweit die Grundentscheidung des Gesetzgebers abzuschwächen, eine Einbeziehung von Sozialpflichtversicherten in die Zusatzversorgungssysteme über den 30. Juni 1990 hinaus im Interesse einer schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Renteneinheit zu untersagen."

Die gleichen Überlegungen gelten für einen Vergleich zwischen den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG betroffenen Personen und denjenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen. Auch die fiktiv in den Anwendungsbereich des AAÜG Einbezogenen hatten zu Zeiten der DDR keine Rechtsposition inne, die ihnen einen Zugang zu einer zusätzlichen Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem ermöglicht hätte. Auch ihnen stand die Möglichkeit offen, der FZR beizutreten. Diese Punkte lässt das BVerfG genügen, um eine Ungleichbehandlung mit den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen zu rechtfertigen. Dasselbe muss dann auch bei einem Vergleich der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen und den Personen gelten, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem erfüllt hatten.

Aus diesen Gründen liegt auch keine Gesetzeslücke vor, die möglicherweise im Wege einer Analogie zu schließen gewesen wäre.

3. Aber auch wenn man der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG folgen würde, hat das Begehren der Klägerin keinen Erfolg. Danach hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR I, Nr. 93 S. 844 – im Folgenden: VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR I, Nr. 62 S. 487 – im Folgenden: 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für (1.) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und (2.) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar (3.) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

In Anwendung dieser Maßstäbe hat die Klägerin gemäß § 8 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 AAÜG keinen Anspruch auf die Feststellung der Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem für den zuletzt noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 01. September 1975 bis 31. Dezember 1976 und 01. Januar 1985 bis 30. Juni 1990, da sie am 30. Juni 1990 die betrieblichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem nicht erfüllte. Eine Versorgungsanwartschaft konnte nur bei einer Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (oder in einem gleichgestellten Betrieb) erworben werden (BSG, Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 10/02 R –, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 5, S. 30). Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nur solche Betriebe, die auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sind und denen die Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gegeben hat (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S. 47; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R –, dokumentiert in Juris). Inwieweit die Massenproduktion von Sachgütern dem jeweiligen VEB das Gepräge gegeben hat, kann allein aufgrund der konkreten tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen VEB beurteilt werden (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 14/03 R – ; BSG, Urteil vom 06. Mai 2004 – B 4 RA 44/03 R –).

Gemessen hieran handelte es sich bei dem VEB TGA nicht um einen Produktionsbetrieb der Industrie, denn diesem Betrieb hat die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern nicht das Gepräge gegeben. Dies folgt bereits aus der Einordnung des Betriebes im Statistischen Betriebsregister der DDR, wonach der VEB TGA zur Wirtschaftsgruppe 20297 und damit zu den Ausbaubetrieben gehörte. Nach dieser Zuordnung im Rahmen der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR handelte es sich beim VEB TGA um einen Betrieb auf dem Gebiet der Gebäudeausrüstung mit den Aufgaben der Gas-, Wasser- und Elektroinstallation, der Installation von lüftungs-, klima-, heizungs- und sanitärtechnischen Anlage sowie der Isolierung an Kälte- und Wärmeleitungen. Die Tätigkeitsbereiche der Technischen Gebäudeausrüstung GmbH, in die der VEB TGA umgewandelt wurde, weisen ebenfalls keinen eindeutigen Schwerpunkt in der Industrieproduktion auf. Ausweislich des Handelsregistereintrages vom 1990 waren Gegenstand des Unternehmens neben der Industrieproduktion auch Montageleistungen der Bauproduktion sowie Elektromontageleistungen. Der Umstand, dass die industrielle Massenproduktion der Nachfolgegesellschaft nicht das Gepräge gab, ist ein weiteres Indiz dafür, dass der Hauptzweck der Vorgängergesellschaft ebenfalls nicht in der Massenproduktion von Sachgütern bestand. Dieses Ergebnis wird weiterhin durch die Übersicht über die Beschäftigungsstruktur des Unternehmens zum 01. Juli 1990 gestützt. Danach waren von insgesamt 846 Beschäftigten maximal 300 Arbeitnehmer in der Industrieproduktion tätig (130 Mitarbeiter Industrieproduktion zzgl. 170 Mitarbeiter Bau- und Industrieproduktion ELAS). Angesichts dieser Vielzahl von Indizien gebietet auch der Umstand keine abweichende Beurteilung, dass die Aufstellung über die Umsätze im ersten Halbjahr 1990 ein Übergewicht der in der Industrieproduktion in den Betrieben ELS und ELAS erzielten Umsätze ausweist. Denn es ist schon nicht ersichtlich, dass diese Umsätze ausschließlich oder auch nur überwiegend gerade mit der Massenproduktion von industriellen Sachgütern erzielt wurden. Vielmehr hat der ehemalige Direktor Produktion des Betriebes im Rahmen seiner schriftlichen Äußerung vom 30. November 2006 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die produzierten Sachgüter je nach Bedarf sowohl in Groß- als auch ggf. in Kleinserien oder als Einzelstücke gefertigt wurden.

Der VEB TGA war auch kein volkseigener Produktionsbetrieb des Bauwesens. Im Bereich des Bauwesens erfasst der Begriff des Produktionsbetriebes nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, deren Hauptzweck in der Massenproduktion von Bauwerken liegt, die dabei standardisierte Produkte massenhaft ausstoßen und eine komplette Serienfertigung von gleichartigen Bauwerken zum Gegenstand haben (BSG, Urteil vom 08. Juni 2004 – B 4 RA 57/03 R –, zitiert nach Juris). Der VEB TGA war kein Produktionsbetrieb in diesem Sinne, denn er hat nicht massenhaft Bauwerke errichtet, sondern war nur für Teilgewerke innerhalb eines Bauwerkes zuständig. Dies folgt bereits aus der Bezeichnung des Betriebes als Technische Gebäudeausrüstung. Ein Betrieb, der Gebäude ausrüstet, stellt keine Bauwerke (Gebäude) her. Es kann dahinstehen, ob der Beschäftigungsbetrieb des Klägers diese Teilgewerke in Gebäuden, die ihrerseits in Form einer massenhaften Produktion errichtet wurden, erbracht hat, denn dies reicht nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 08. Juni 2004 – B 4 RA 57/03 R –, zitiert nach Juris) nicht aus, um die betriebliche Voraussetzung zu bejahen. Dass nur eine derartige Massenproduktion im Bereich des Bauwesens und nicht das Erbringen von Bauleistungen jeglicher Art für die DDR von maßgeblicher Bedeutung war, spiegelt sich nach Auffassung des BSG auch in dem Beschluss über die Anwendung der Grundsätze des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft im Bauwesen vom 14. Juni 1963 (GBl. DDR II S. 437) wider. Dort wurde auf die besondere Bedeutung des Bauwesens nach dem Produktionsbetrieb u. a. unter der Zuständigkeit des Ministeriums für Bauwesen hingewiesen. Mit der Konzentration der Baukapazitäten in großen Bau- und Montagekombinaten sollte ein neuer, selbständiger Zweig der Volkswirtschaft geschaffen werden, der die Organisierung und Durchführung der kompletten Serienfertigung von gleichartigen Bauwerken zum Gegenstand hatte. Die Bau- und Montagekombinate sollten danach u. a. den Bau kompletter Produktionsanlagen einschließlich der dazugehörigen Wohnkomplexe und Nebenanlagen durchführen und jeweils die betriebsfertigen Anlagen und schlüsselfertigen Bauwerke bei Anwendung der komplexen Fließfertigung und des kombinierten und kompakten Bauens übergeben. Von wesentlicher Bedeutung war somit das (Massen-) "Produktionsprinzip" in der Bauwirtschaft. Demgemäß wurde in dem o. g. Beschluss u. a. zwischen der von den Bau- und Montagekombinaten durchzuführenden Erstellung von Bauwerken in Massenproduktion einerseits und andererseits den Baureparaturbetrieben, die im Wesentlichen für die Erhaltung der Bausubstanz, die Durchführung von Um- und Ausbauten sowie von kleineren Neubauten zuständig waren – letztere waren im Übrigen Baudirektionen unterstellt &9472;, unterschieden. Damit sollten nur die Bau- und Montagebetriebe zu Produktionsbetrieben des Bauwesens gehören, die massenhaft Bauwerke errichteten. Von daher zählen nach Auffassung des BSG nicht bereits die Betriebe zu Produktionsbetrieben des Bauwesens, die massenhaft Teilgewerke für ein Bauwerk, wie z. B. Rohbauten errichteten, denn auch der Rohbauer produziert noch kein Bauwerk, so dass sich daraus keine Ungleichbehandlung zu den anderen an der Errichtung von Gebäuden beteiligten Gewerken ergibt. Vielmehr setzt die (massenhafte) Produktion von Bauwerken voraus, dass die Gebäude schlüsselfertig erstellt werden, mithin insgesamt für die Auftraggeber nutzbar sind. Deshalb zählen zu den Produktionsbetrieben des Bauwesens nur die Betriebe, die sämtliche Gewerke, die erforderlich sind, um ein Bauwerk zu errichten, selbst erbringen, wie dies möglicherweise die Wohnungsbaukombinate getan haben. Zudem beinhaltet die technische Gebäudeausrüstung nicht die standardisierte massenhafte Produktion, sondern typischerweise handwerkliche Ausbauleistungen, die vor Ort unter den gegebenen Bedingungen ausgeführt werden. Dies betrifft insbesondere die Herstellung der Anschlüsse an die verschiedenen Versorgungsleitungen, die gerade nicht massenhaft gefertigt werden können, sondern in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten beim konkreten Objekt individuell erstellt werden müssen. Dementsprechend war der Betrieb auch im Statistischen Betriebsregister der DDR der Wirtschaftsgruppe 20279 Ausbaubetriebe (Gebäudeausrüstungen) zugeordnet. Auch daraus wird deutlich, dass bei dem VEB TGA Wittenberg jedenfalls nicht die Massenproduktion von Bauwerken im Vordergrund stand.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht. Insbesondere weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des BSG ab.
Rechtskraft
Aus
Saved