Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 3136/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 4622/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 5. September 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch des Klägers auf die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.03.2007 streitig.
Der 1962 geborene, staatenlose Kläger wohnte bis zum 02.01.1991 in H., Johann-Sebastian-Bach- Str. 42 und verzog ausweislich der Abmeldung an diesem Tag nach E., Danzigerstr. 4. Seit dem 26.03.1992 ist er wieder unter der Anschrift Johann-Sebastian-Bach-Str. 42, H. gemeldet und bewohnt dort mit Frau Christiane Kellner eine 83 qm große Drei-Zimmer-Wohnung. Eigentümer der Wohnung ist der Vater von Frau Kellner. Die Kaltmiete beträgt 460,00 EUR monatlich, die Gesamtmiete 554,00 EUR (Heizung/Warmwasser 75,78 EUR, sonst. Nebenkosten 18,46 EUR). Eine Abrechnung der Nebenkosten nach den tatsächlich anfallenden Kosten erfolgt nicht. Ausweislich der Mietbescheinigung vom 02.11.2005 sind an den Kläger 41,5 qm untervermietet, er hat hierfür monatlich 295,00 EUR (Kaltmiete 230,00 EUR, Heizung/Warmwasser 37,02 EUR, sonst. Nebenkosten 27,98 EUR) an Frau Kellner zu entrichten.
Am 02.06.1992 meldete sich der Kläger zum 01.06.1992 in Viernheim unter der Anschrift Am Kleegarten 6 an und teilte hierbei mit, seine bisherige Hauptwohnung in H., Johann-Sebastian-Bach-Str. 42, behalte er als Nebenwohnung.
Der Kläger bezog ab 1994 Arbeitslosengeld und daran anschließend bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Vom 01.01.2005 bis 30.04.2006 bezog er von der Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II in Höhe von monatlich 345 EUR.
Am 10.01.2006 führte der Rhein-Neckar-Kreis als Träger der Kosten der Unterkunft einen Hausbesuch durch. Ausweislich des hierüber angefertigten Berichts zeigte der Kläger lediglich sein Zimmer, nicht jedoch das von Frau Kellner. Auf die Frage, weshalb er für das kleinere Zimmer mehr Miete zahlen müsse, habe der Kläger keine direkte Antwort gegeben. Er habe weiter erklärt, dass er und Frau Kellner früher mal ein Paar gewesen seien, jetzt aber getrennt lebten.
Der Aufforderung der Beklagten vom 06.02.2006, Einkommens- und Vermögensnachweise von Frau Kellner vorzulegen, kam der Kläger nicht nach. Es wurde eine eidesstattliche Versicherung von Frau Kellner vom 22.02.2006 vorgelegt, in welcher diese angab, sie kenne den Kläger schon seit vielen Jahren. Sie seien eng befreundet gewesen und hätten sich im Jahr 1995 getrennt. Aus Kostengründen habe man auf einen Auszug des Partners verzichtet und die Wohnung aufgeteilt, wobei jeder sein eigenes Schlafzimmer erhalten habe. Jeder zahle die Hälfte der Mietkosten. Man führe getrennte Kassen, d.h. keiner erhalte vom anderen eine finanzielle Unterstützung. Sie sei seit mehreren Monaten arbeitslos und ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft, deshalb sei sie auf die Zahlung der Untermiete angewiesen. Sie sehe keine Veranlassung, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenzulegen.
Mit Bescheid vom 07.04.2006 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Leistungen ab dem 01.11.2005 auf.
Den am 12.04.2006 gestellten Antrag des Klägers auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 01.05.2006 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.04.2006 ab mit der Begründung, die Anspruchsvoraussetzungen für die beantragte Leistungen seien nicht nachgewiesen, da die Einkommens- und Vermögensnachweise von Frau Kellner nicht vorgelegt worden seien.
Die hiergegen sowie gegen den Bescheid vom 07.04.2006 eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 18.05.2006 zurück.
Den Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 01.05.2006 im Wege der einstweiligen Anordnung lehnte das Sozialgericht Mannheim (SG) mit Beschluss vom 08.06.2006 ab (S 7 AS 1448/06 ER).
Am 01.09.2006 legte der Kläger der Beklagten eine Entgeltabrechnungen von Frau Kellner für eine am 12.06.2006 aufgenommene Beschäftigung vor und beantragte, den Bescheid vom 18.04.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2006 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu überprüfen. Danach stand Frau Kellner in einem bis zum 31.05.2007 befristeten Arbeitsverhältnis und erzielte hieraus im Juni 2006 ein Nettoentgelt von 696,98 EUR und ab Juli 2006 von 1.235,09 EUR.
Zu seinen Einkünften befragt gab der Kläger unter dem 06.11.2006 an, er habe sich im Mai und Juni 2006 jeweils 600 EUR von seinem Freund Christian Neff geliehen. Außerdem habe er von seinem in den USA wohnenden Schwager im Juli 2006 ein Darlehen über 2.500 EUR erhalten. Hiervon habe er jeden Monat die Miete bezahlt, zeitweise auch die Krankenversicherung. Mit dem Rest habe er seinen Lebensunterhalt bestritten.
Am 18.10.2006 stellte der Kläger einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen.
Mit Bescheid vom 21.05.2007 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 18.10.2006 bis 31.03.2007 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2007 als unbegründet zurück. Hiergegen hat der Kläger am 13.09.2007 Klage zum SG Mannheim erhoben.
Mit Bescheid vom 24.10.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger und Frau Kellner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.05.2006 in Höhe von jeweils 311 EUR und für die Zeit vom 01.06.2006 bis 30.06.2006 in Höhe von jeweils 94,86 EUR. Für die Zeit vom 01.07.2006 bis 17.10.2006 lehnte sie die Gewährung von Leistungen ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch verwarf sie mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2008 als unzulässig. Hiergegen hat der Kläger am 11.02.2008 Klage zum SG erhoben (S 6 AS 420/08). Mit Beschluss vom 04.06.2008 hat das SG die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme am 04.09.2008 hat das SG Frau Kellner und deren Vater, Herrn Johann Kellner, als Zeugen gehört. Die Zeugin Kellner hat angegeben, sie und der Kläger seien früher einmal ein Paar gewesen, sie hätten sich jedoch getrennt. Etwa seit 1995/96 sei der Kläger ihr Untermieter. In ihrem Zimmer befinde sich der Fernseher, im Zimmer des Klägers u.a. der Computer. Diesen benutze sie etwa einmal wöchentlich für Bewerbungen und wenn sie ins Internet gehe. Die Einkäufe würden getrennt abgerechnet. Seit Mitte Dezember 2007 sei sie arbeitslos und beziehe Arbeitslosengeld. Hiervon würden alle Ausgaben bestritten, da der Kläger über keine Einkünfte mehr verfüge. Der Mietanteil des Klägers sei höher als ihr Anteil, da sie auch die Kosten für den Haushaltsstrom trage. Seit Januar habe der Kläger keine Miete mehr bezahlt. Über ihr Konto könne der Kläger nicht verfügen, es bestehe auch kein gemeinsamer Freundes- oder Bekanntenkreis. Auf die Niederschrift wird im Übrigen Bezug genommen. Der Kläger hat angegeben, er und Frau Kellner seien von 1986 bis 1990/1991 ein Paar gewesen. Nach einer Trennung seien sie 1992 wieder zusammen gekommen und wohnten seither gemeinsam in einer Wohnung. 1994/1995 hätten sie sich auseinandergelebt und er sei für wenige Wochen zu seiner Mutter gezogen. Da Frau Kellner eine relativ hohe Miete zu zahlen gehabt habe, sei er wieder bei ihr zur Untermiete eingezogen.
Mit Gerichtsbescheid vom 05.09.2008 hat das SG den Bescheid vom 21.05.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2007 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 24.10.2007 sowie des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2008 für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.03.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form der Regelleistung in Höhe von monatlich 345 EUR zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger verfüge über kein eigenes Einkommen oder Vermögen, um seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften oder Mitteln zu sichern. Er lebe auch nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit Frau Kellner. Deshalb sei deren Einkommen und Vermögen bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit des Klägers nicht zu berücksichtigen. Insbesondere greife die Vermutungsregel des § 7 Abs. 3a SGB II für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nicht ein. Diese setze nämlich das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne von § 9 Abs. 5 SGB II zwischen den Mitbewohnern voraus. Eine reine Wohngemeinschaft sei hierfür nicht ausreichend, erforderlich sei vielmehr ein Wirtschaften "aus einem Topf". Hieran fehle es vorliegend. Im streitgegenständlichen Zeitraum habe jeder für sich selbst zu sorgen gehabt und seinen Lebensunterhalt mit eigenen Mitteln bestritten. Allein aus der Untervermietung eines möblierten Zimmers könne nicht auf eine Haushaltsgemeinschaft geschlossen werden. Es sei auch plausibel dargelegt worden, dass der Kläger mit 295 EUR etwas mehr als die Hälfte der Gesamtmiete von 554 EUR zahle, da Frau Kellner die Kosten für den Haushaltsstrom alleine trage. Ein gewichtiges Argument gegen das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft ergebe sich daraus, dass der Kläger zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nicht auf Einkommen oder Vermögen von Frau Kellner zurückgegriffen, sondern bei Dritten Darlehen aufgenommen habe. Der Kläger habe weiter glaubhaft dargelegt, dass er zum Bestreiten seines Lebensunterhalts Haushaltsgegenstände wie Fernseher und Stereoanlage verkauft habe, um vom Verkaufserlös zu leben. Auch habe der Kläger am 05.06.2007 beim Sozialamt der Stadt H. vorgesprochen und um die Vermittlung einer eigenen Wohnung nachgesucht.
Gegen den am 10.09.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 30.09.2008 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, zwischen dem Kläger und Frau Kellner habe im streitigen Zeitraum eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 a SGB II bestanden. In der Wohnung gebe es keine räumliche Trennung zwischen dem Kläger und Frau Kellner; Küche, Bad und Wohnzimmer würden gemeinsam genutzt. Das Zimmer von Frau Kellner sei wie ein normales Schlafzimmer mit breitem Bett eingerichtet. Im Zimmer des Klägers stehe deren PC, den sie jederzeit - auch in Abwesenheit des Klägers - nutzen könne. Die Möbel in der Wohnung gehörten Frau Kellner. Diese zahle auch allein die Miete und das Essen des Klägers sowie dessen Zigaretten. Auch beteilige sich der Kläger nicht an den Telefon- und GEZ-Kosten.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 12.12.2008 vorgetragen, das Darlehen bei seiner Schwester bzw. seinem Schwager belaufe sich inzwischen auf 6.500 EUR. Frau Kellner schulde er für das ganze Jahr 2008 noch die Untermiete, den Verpflegungszuschuss und Zigarettengeld. Seinem Freund Christian Neff schulde er noch 1.500 EUR. Er hat weiter eine Bescheinigung der Gemeinde H. vom 16.05.2006 über eine Wohnungsbewerbung vorgelegt, wonach ihm derzeit eine angemessene Wohnung nicht angeboten werden könne und er in Zukunft als Wohnungssuchender auf der Vormerkungsliste der Gemeinde geführt werde.
Der als Zeuge vernommene Christian Neff hat ausgesagt, er habe dem Kläger im Jahr 2006 ca. 1.000 EUR geliehen, die dieser relativ bald zurückgezahlt habe. In der zweiten Jahreshälfte 2007 habe er dem Kläger nochmals 1.000 EUR und im Jahr 2008 500 EUR geliehen, die bis jetzt nicht zurückgezahlt seien.
Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch Vernehmung von Frau Kellner als Zeugin; auf die Niederschrift vom 20.01.2010 wird insoweit Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 05. September 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der beigezogenen Akten des Landratsamtes Rhein-Neckar-Kreis und des SG Mannheim (S 7 AS 402/06 ER, S 7 AS 403/06 ER, S 7 AS 1708/06 ER, S 10 AS 1614/07 und S 10 AS 1811/07) sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch begründet.
Mit der Klage geltend gemacht ist zwar eine zeitlich nicht begrenzte Leistung. Nachdem das SG die Beklagte zur Gewährung von Leistungen bis zum 31.03.2007 verurteilt hat und der Kläger lediglich die Zurückweisung der Berufung beantragt, ist hierdurch der Streitgegenstand begrenzt und nicht darüber zu entscheiden, ob ihm über den 31.03.2007 hinaus ein Leistungsanspruch gegen die Beklagte zusteht.
Nachdem die Beklagte über die Zeit ab 01.05.2006 mit Bescheid vom 24.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2008 erneut entschieden hat, steht einer Leistungsbewilligung nicht mehr der in Bestandskraft erwachsene ablehnende Bescheid vom 18.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2006 entgegen. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Aufhebung und Rückforderung der Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 01.11.2005 bis 30.04.2006. Insoweit hat die Beklagte noch nicht über den Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) entschieden.
Die so gefasste Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II über die bereits bewilligten Leistungen hinaus.
Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Streitig ist vorliegend allein, ob der Kläger hilfebedürftig ist. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von den Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Der Kläger hat kein zu berücksichtigendes Vermögen und hat im streitigen Zeitraum auch kein zu berücksichtigendes Einkommen erzielt. Insbesondere die von Herrn Neff und seinem in den USA lebenden Schwager gewährten Darlehen sind nicht als Einkommen nach § 11 SGB II zu berücksichtigen. Das von Herrn Neff im Jahr 2006 gewährte Darlehen hat der Kläger wieder zurückgezahlt. Die Darlehen in den Jahren 2007 bzw. 2008 sind nach dem streitigen Zeitraum gewährt worden. Auch das vom Schwager des Kläger gewährte Darlehen, hinsichtlich dessen eine Rückzahlungsverpflichtung des Klägers besteht, ist nicht als Einkommen zu berücksichtigen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.12.2008 - L 7 AS 62/08). Die gegenteilige Auffassung (z.B. SG Reutlingen, Gerichtsbescheid vom 10.06.2009, S 2 AS 1472/08 - in juris) geht bereits von einer falschen Grundannahme aus. Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist dasjenige, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, während Vermögen das ist, was er vor Antragstellung bereits hatte (BSG, Urteil vom 30.07.2008 - B 14 AS 26/07 R). Durch die Gewährung eines Darlehens erhält der Betreffende wertmäßig nichts dazu. Dem Zufluss des Geldbetrages steht nämlich wertmäßig die Begründung der entsprechenden Darlehensverbindlichkeit gegenüber. In letzter Konsequenz würde die hier abgelehnte Auffassung nämlich dazu führen, dass die Bedürftigkeit verneint werden müsste, wenn der Lebensunterhalt durch Überziehung eines Girokontos bestritten wird, weil dies gleichfalls eine Darlehensgewährung darstellt.
Einem Anspruch des Klägers über die bewilligten Leistungen hinaus steht jedoch das anrechenbare Einkommen von Frau Kellner entgegen, mit der der Kläger im streitigen Zeitraum in einer Bedarfsgemeinschaft gelebt hat, und zwar sowohl in der Zeit bis zum 31.07.2006 (1.) als auch danach (2.). Unter Berücksichtigung des Einkommens von Frau Kellner steht dem Kläger kein über die bewilligten Leistungen hinausgehender Anspruch gegen die Beklagte zu (3.).
1.) Zur Überzeugung des Senats hat bereits unter der bis zum 31.07.2006 geltenden Rechtslage eine Bedarfsgemeinschaft zwischen dem Kläger und Frau Kellner bestanden. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung (a.F.) hat zur Bedarfsgemeinschaft als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die Person gehört, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt.
Bis zu der zum 01.08.2007 erfolgten Neuregelung durch das Gesetz zur Fortentwickelung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706) ist der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft durch die Rechtsprechung ausgeformt worden. Darunter wurde eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft im Sinn einer über eine bloße Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehende Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft verstanden (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in BVerfGE 87,234, 264 f., Beschluss vom 2. September 2004 - 1 BvR 1962/04 - veröffentlicht in juris); die auf Dauer angelegte Verbindung zweier Personen unterschiedlichen Geschlechts durfte daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulassen und musste sich durch innere Bindungen auszeichnen, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner in den Not- und Wechselfällen des Lebens begründete. Maßgebend war grundsätzlich die Gesamtheit der feststellbaren (äußeren) Tatsachen, die einen Rückschluss auf das Bestehen einer solchen Gemeinschaft zugelassen haben. Bei der Beurteilung, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, galt vor allem die Dauer des Zusammenlebens als gewichtigste Hinweistatsache, wobei eine die Dauerhaftigkeit und Kontinuität belegende Verfestigung einer Gemeinschaft jedenfalls bei einem Zusammenleben von mehr als drei Jahren angenommen worden ist.
Der Kläger und Frau Kellner sind bereits Ende der 80er Jahre zusammengezogen und wohnen zumindest seit 1992 ohne längere Unterbrechung zusammen in einer Wohnung. Sie waren nach ihren übereinstimmenden Angaben in der Vergangenheit bis 1995 auch ein Paar und haben eine Lebensgemeinschaft gebildet, welche die vom BVerfG aufgestellten Kriterien für eine eheähnliche Gemeinschaft erfüllt hat.
Zur Überzeugung des Senats haben sich der Kläger und Frau Kellner nicht getrennt. Denn zunächst sind die Angaben des Klägers zum zeitlichen Ablauf des Zusammenlebens mit Frau Kellner nicht mit den objektiven Daten in Übereinstimmung zu bringen. Nach der Mietbescheinigung von Johann Kellner wohnt seine Tochter, bereits seit Oktober 1986 in der Johann-Sebastian-Bach-Str. 42 in H ... Der Kläger war dort bis zum 02.01.1991 gemeldet und zog dann ausweislich der Abmeldung nach E., Danzigerstr. 4. Seit dem 26.03.1992 ist er wieder unter der alten Anschrift in H. gemeldet. Er ist dann jedoch ausweislich der Anmeldung bereits am 01.06.1992 wieder verzogen nach Viernheim, Am Kleegarten 6, unter Beibehaltung der bisherigen Hauptwohnung in H. als Nebenwohnung, wie der Anmeldung entnommen werden kann, die der Kläger mit der Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 12.06.2006 im Verfahren S 7 AS 1708/06 ER vorgelegt hat. Unter dieser Anschrift ist auch die Arbeitslosmeldung im November 1994 erfolgt und der Alhi-Antrag im August 1995 gestellt worden. Erst mit der Veränderungsmitteilung vom 12.01.1996 hat der Kläger dem Arbeitsamt seinen Umzug zum 10.01.1996 nach H. mitgeteilt, wie gleichfalls dem angeführten Beschluss entnommen werden kann. Der Kläger hat danach bereits im Jahr 1992 zwei Wohnsitze unterhalten und schon zum damaligen Zeitpunkt seinen Hauptwohnsitz nicht mehr bei Frau Kellner, zu der er erst im Januar 1996 wieder gezogen ist. Dies lässt sich nur schwerlich mit einer angeblich erst 1995 erfolgten Trennung vereinbaren und legt die vom SG im angeführten Beschluss geäußerte Vermutung näher, der bereits 1992 erfolgte Wohnungswechsel habe in Zusammenhang mit der Beantragung künftiger Sozialleistungen gestanden.
Der Senat hält auch die Aussage der Zeugin Kellner, sie wohne mit dem Kläger seit 1995 nur noch zusammen, um ihre Mietkosten zu senken und habe aus rein finanziellen Gründen einen Untermieter gesucht, nicht für glaubhaft. Dagegen spricht nämlich, dass der Kläger auch weiterhin in einem ungekündigten Untermietverhältnis steht, obwohl er nach den Angaben der Zeugin Kellner zwischenzeitlich mit 25 Monatsmieten in Rückstand ist und diese nach ihren Angaben dringend auf die Zahlung der Miete angewiesen ist. Der Kläger hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angegeben, er sei, nachdem er und Frau Kellner sich auseinander gelebt hätten, für etwa zwei Wochen zu seiner Mutter gezogen. Seine Kleidung und Einrichtungsgegenstände wie die Couch und das Fernsehgerät hätten sich weiterhin bei Frau Kellner befunden. Der Senat hält es nicht für glaubhaft, dass der Kläger zu seiner Mutter gezogen ist, um eine neue Wohnung zu suchen. Denn entweder haben sich der Kläger und Frau Kellner "in Freundschaft getrennt", wie die Zeugin bei ihrer Vernehmung durch den Senat angegeben hat. Dann hätte für den Kläger aber keine Veranlassung bestanden, unter Zurücklassen seiner Haushaltsgegenstände zu seiner Mutter zu ziehen, um von dort aus eine eigene Wohnung zu suchen. Oder er hat sich von Frau Kellner nicht "in Freundschaft" getrennt und zunächst eine räumliche Trennung gesucht, ohne seine Einrichtungsgegenstände mitzunehmen. Dann ist jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb er zwei Wochen später wieder in die gemeinsame Wohnung eingezogen ist.
Würde das Untermietverhältnis mit dem Kläger nur aus Gründen der Kostensenkung bestehen, läge es zudem nahe, bei einem Rückstand von mehr als 2 Jahresmieten zumindest ein Kündigungs- bzw. Räumungsverfahren einzuleiten, zumal der Kläger zwischenzeitlich keine Haushaltsgegenstände mehr besitzt und die für das Räumungsverfahren ggf. anfallenden Kosten durch Einkünfte aus einem neuen Untermietverhältnis gedeckt werden könnten. Frau Kellner hat bisher jedoch noch nicht einmal ein Kündigung ausgesprochen.
Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht der Umstand, dass der Kläger über das Sozialamt H. als wohnungssuchend gemeldet ist. Entgegen der Auffassung des SG ist dies nicht "die einzige Möglichkeit für den Kläger, eine eigene Wohnung zu erhalten"; ihm steht vielmehr auch die Suche auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt offen.
Für ein gegenseitiges Füreinandereinstehen spricht weiter, dass die Haushaltsgegenstände und -geräte, die zwischenzeitlich allein von Frau Kellner eingebracht werden, von beiden benutzt werden. Der Kläger kann z.B. den Computer, den Fernseher und die Waschmaschine von Frau Kellner benutzen, ohne sich an den Kosten zu beteiligen, die insbesondere dann anfallen, wenn Haushaltsgeräte repariert oder ersetzt werden müssen. Soweit der Kläger hierzu vorgetragen hat, er habe seine Haushaltsgegenstände - insbesondere Fernseher und Stereoanlage - verkaufen müssen, um vom Verkaufserlös leben zu können, war dies nur deshalb möglich, weil er die Haushaltsgegenstände von Frau Kellner mit benutzen kann. Dies spricht gerade für das Bestehen einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft, in der die Haushaltsgegenstände gemeinsam genutzt werden.
Auch der Umstand, dass der Kläger und Frau Kellner nach ihren Angaben getrennt einkaufen bzw. bei gemeinsamen Einkäufen getrennt abrechnen, spricht nicht gegen das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts, zumal dies nach Aussage der Zeugin Kellner schon immer so war, also auch bereits in der Zeit der - eingeräumten - Partnerschaft. Überdies bezahlt Frau Kellner nach der Angabe des Klägers seit Januar 2008 sowohl seine Miete und gewährt ihm monatlich 140,00 EUR für Essen.
2.) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören gem. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II in der ab dem 01.08.2006 geltenden Fassung als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser wechselseitige Wille wird gem. § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II u.a. vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben.
Diese Vermutung ist eine gesetzliche Tatsachenvermutung (Spellbrink NZS 2007, S. 121, 126), die im Ergebnis eine Beweislastumkehr bewirkt (vgl. BT-Drucks. 16/1410, S. 19: Zukünftig wird vermutet, dass eine Bedarfsgemeinschaft besteht, wenn nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille der Partner anzunehmen ist, dass sie Verantwortung füreinander tragen und füreinander einstehen ... Der Zeitraum des Zusammenlebens, der die Vermutung für das Vorliegen einer Einstehensgemeinschaft begründet, wird auf ein Jahr festgelegt). Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II vor, sind diese also nachgewiesen, kehrt sich im Ergebnis die objektive Beweislast zu Lasten des Arbeitsuchenden um. Denn der Arbeitsuchende muss dann den Beweis des Gegenteils führen (§ 202 SGG i. V. m. § 292 Zivilprozessordnung - ZPO -). Will der Arbeitsuchende die gesetzliche Vermutung widerlegen, muss er einen Vollbeweis dahingehend erbringen, dass entweder die von der Vermutungsregelung vorausgesetzten Hinweistatsachen nicht vorliegen oder aber andere Hinweistatsachen vorliegen, die die Vermutung entkräften, es sei der wechselseitige Wille vorhanden, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (vgl. Wenner, Soziale Sicherheit 2006, S. 146, 149; Wersig, info also 2006, S. 246, 248; Spellbrink, a.a.O. ).
Der Kläger und Frau Kellner haben im streitigen Zeitraum - wie oben dargelegt - einen gemeinsamen Haushalt geführt. Da der Kläger und Frau Kellner auch länger als ein Jahr in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben, wird gem. § 7 Abs. 3a SGB II vermutet, dass der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen mit der weiteren Folge, dass zwischen ihnen eine Bedarfsgemeinschaft besteht. Dem Kläger ist es nach Auffassung des Senats nicht gelungen, den Beweis des Gegenteils zu führen, insbesondere verbliebene Zweifel auszuräumen, was ebenfalls zu seinen Lasten geht. Damit ist das Einkommen von Frau Kellner gem. § 11 SGB II als Einkommen anzurechnen.
3.) Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, das Einkommen und das Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Unter Anrechnung des Einkommens von Frau Kellner hat der Kläger keinen die bereits bewilligten Leistungen übersteigenden Anspruch gegen die Beklagte.
Für den Monat Mai 2006 hat die Beklagte die Regelleistung gem. § 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II in voller Höhe bewilligt.
Im Juni 2006 hat Frau Kellner ein Nettoeinkommen i.H.v. 696,98 EUR erzielt. Hiervon sind gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II 100 EUR und gem. § 30 SGB II ein weiterer Freibetrag von 140,00 EUR abzusetzen. Danach verbleibt ein anzurechnendes Einkommen der Bedarfsgemeinschaft von 456,98 EUR, das gem. § 19 Satz 2 SGB II zunächst die Geldleistungen der Agentur für Arbeit mindert und das zur Hälfte dem Kläger zuzurechnen ist. Danach ist gem. § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II auf den Bedarf des Klägers i.H.v. 311,00 EUR Einkommen i.H.v. 228,49 EUR anzurechnen, so dass ein Anspruch i.H.v. 82,81 EUR gegeben ist. Die Beklagte hat dem Kläger für den Monat Juni 2006 bereits den übersteigenden Betrag von 94,86 EUR gewährt.
In den Folgemonaten hat Frau Kellner im gesamten streitigen Zeitraum ein monatliches Nettoeinkommen von zumindest 1.200,00 EUR erzielt. Nach Abzug der Freibeträge gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II i.H.v. 100 EUR und § 30 SGB II i.H.v. 180 EUR übersteigt das zu berücksichtigende Einkommen, das gem. § 19 Satz 3 SGB II zunächst die Geldleistungen der Agentur für Arbeit mindert, den Bedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft i.H.v. monatlich 622,00 EUR, so dass der Kläger keinen Anspruch auf die Regelleistung nach § 20 Abs. 3 SGB II hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch des Klägers auf die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.03.2007 streitig.
Der 1962 geborene, staatenlose Kläger wohnte bis zum 02.01.1991 in H., Johann-Sebastian-Bach- Str. 42 und verzog ausweislich der Abmeldung an diesem Tag nach E., Danzigerstr. 4. Seit dem 26.03.1992 ist er wieder unter der Anschrift Johann-Sebastian-Bach-Str. 42, H. gemeldet und bewohnt dort mit Frau Christiane Kellner eine 83 qm große Drei-Zimmer-Wohnung. Eigentümer der Wohnung ist der Vater von Frau Kellner. Die Kaltmiete beträgt 460,00 EUR monatlich, die Gesamtmiete 554,00 EUR (Heizung/Warmwasser 75,78 EUR, sonst. Nebenkosten 18,46 EUR). Eine Abrechnung der Nebenkosten nach den tatsächlich anfallenden Kosten erfolgt nicht. Ausweislich der Mietbescheinigung vom 02.11.2005 sind an den Kläger 41,5 qm untervermietet, er hat hierfür monatlich 295,00 EUR (Kaltmiete 230,00 EUR, Heizung/Warmwasser 37,02 EUR, sonst. Nebenkosten 27,98 EUR) an Frau Kellner zu entrichten.
Am 02.06.1992 meldete sich der Kläger zum 01.06.1992 in Viernheim unter der Anschrift Am Kleegarten 6 an und teilte hierbei mit, seine bisherige Hauptwohnung in H., Johann-Sebastian-Bach-Str. 42, behalte er als Nebenwohnung.
Der Kläger bezog ab 1994 Arbeitslosengeld und daran anschließend bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Vom 01.01.2005 bis 30.04.2006 bezog er von der Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II in Höhe von monatlich 345 EUR.
Am 10.01.2006 führte der Rhein-Neckar-Kreis als Träger der Kosten der Unterkunft einen Hausbesuch durch. Ausweislich des hierüber angefertigten Berichts zeigte der Kläger lediglich sein Zimmer, nicht jedoch das von Frau Kellner. Auf die Frage, weshalb er für das kleinere Zimmer mehr Miete zahlen müsse, habe der Kläger keine direkte Antwort gegeben. Er habe weiter erklärt, dass er und Frau Kellner früher mal ein Paar gewesen seien, jetzt aber getrennt lebten.
Der Aufforderung der Beklagten vom 06.02.2006, Einkommens- und Vermögensnachweise von Frau Kellner vorzulegen, kam der Kläger nicht nach. Es wurde eine eidesstattliche Versicherung von Frau Kellner vom 22.02.2006 vorgelegt, in welcher diese angab, sie kenne den Kläger schon seit vielen Jahren. Sie seien eng befreundet gewesen und hätten sich im Jahr 1995 getrennt. Aus Kostengründen habe man auf einen Auszug des Partners verzichtet und die Wohnung aufgeteilt, wobei jeder sein eigenes Schlafzimmer erhalten habe. Jeder zahle die Hälfte der Mietkosten. Man führe getrennte Kassen, d.h. keiner erhalte vom anderen eine finanzielle Unterstützung. Sie sei seit mehreren Monaten arbeitslos und ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft, deshalb sei sie auf die Zahlung der Untermiete angewiesen. Sie sehe keine Veranlassung, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenzulegen.
Mit Bescheid vom 07.04.2006 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Leistungen ab dem 01.11.2005 auf.
Den am 12.04.2006 gestellten Antrag des Klägers auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 01.05.2006 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.04.2006 ab mit der Begründung, die Anspruchsvoraussetzungen für die beantragte Leistungen seien nicht nachgewiesen, da die Einkommens- und Vermögensnachweise von Frau Kellner nicht vorgelegt worden seien.
Die hiergegen sowie gegen den Bescheid vom 07.04.2006 eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 18.05.2006 zurück.
Den Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 01.05.2006 im Wege der einstweiligen Anordnung lehnte das Sozialgericht Mannheim (SG) mit Beschluss vom 08.06.2006 ab (S 7 AS 1448/06 ER).
Am 01.09.2006 legte der Kläger der Beklagten eine Entgeltabrechnungen von Frau Kellner für eine am 12.06.2006 aufgenommene Beschäftigung vor und beantragte, den Bescheid vom 18.04.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2006 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu überprüfen. Danach stand Frau Kellner in einem bis zum 31.05.2007 befristeten Arbeitsverhältnis und erzielte hieraus im Juni 2006 ein Nettoentgelt von 696,98 EUR und ab Juli 2006 von 1.235,09 EUR.
Zu seinen Einkünften befragt gab der Kläger unter dem 06.11.2006 an, er habe sich im Mai und Juni 2006 jeweils 600 EUR von seinem Freund Christian Neff geliehen. Außerdem habe er von seinem in den USA wohnenden Schwager im Juli 2006 ein Darlehen über 2.500 EUR erhalten. Hiervon habe er jeden Monat die Miete bezahlt, zeitweise auch die Krankenversicherung. Mit dem Rest habe er seinen Lebensunterhalt bestritten.
Am 18.10.2006 stellte der Kläger einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen.
Mit Bescheid vom 21.05.2007 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 18.10.2006 bis 31.03.2007 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2007 als unbegründet zurück. Hiergegen hat der Kläger am 13.09.2007 Klage zum SG Mannheim erhoben.
Mit Bescheid vom 24.10.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger und Frau Kellner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.05.2006 in Höhe von jeweils 311 EUR und für die Zeit vom 01.06.2006 bis 30.06.2006 in Höhe von jeweils 94,86 EUR. Für die Zeit vom 01.07.2006 bis 17.10.2006 lehnte sie die Gewährung von Leistungen ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch verwarf sie mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2008 als unzulässig. Hiergegen hat der Kläger am 11.02.2008 Klage zum SG erhoben (S 6 AS 420/08). Mit Beschluss vom 04.06.2008 hat das SG die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme am 04.09.2008 hat das SG Frau Kellner und deren Vater, Herrn Johann Kellner, als Zeugen gehört. Die Zeugin Kellner hat angegeben, sie und der Kläger seien früher einmal ein Paar gewesen, sie hätten sich jedoch getrennt. Etwa seit 1995/96 sei der Kläger ihr Untermieter. In ihrem Zimmer befinde sich der Fernseher, im Zimmer des Klägers u.a. der Computer. Diesen benutze sie etwa einmal wöchentlich für Bewerbungen und wenn sie ins Internet gehe. Die Einkäufe würden getrennt abgerechnet. Seit Mitte Dezember 2007 sei sie arbeitslos und beziehe Arbeitslosengeld. Hiervon würden alle Ausgaben bestritten, da der Kläger über keine Einkünfte mehr verfüge. Der Mietanteil des Klägers sei höher als ihr Anteil, da sie auch die Kosten für den Haushaltsstrom trage. Seit Januar habe der Kläger keine Miete mehr bezahlt. Über ihr Konto könne der Kläger nicht verfügen, es bestehe auch kein gemeinsamer Freundes- oder Bekanntenkreis. Auf die Niederschrift wird im Übrigen Bezug genommen. Der Kläger hat angegeben, er und Frau Kellner seien von 1986 bis 1990/1991 ein Paar gewesen. Nach einer Trennung seien sie 1992 wieder zusammen gekommen und wohnten seither gemeinsam in einer Wohnung. 1994/1995 hätten sie sich auseinandergelebt und er sei für wenige Wochen zu seiner Mutter gezogen. Da Frau Kellner eine relativ hohe Miete zu zahlen gehabt habe, sei er wieder bei ihr zur Untermiete eingezogen.
Mit Gerichtsbescheid vom 05.09.2008 hat das SG den Bescheid vom 21.05.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2007 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 24.10.2007 sowie des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2008 für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.03.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form der Regelleistung in Höhe von monatlich 345 EUR zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger verfüge über kein eigenes Einkommen oder Vermögen, um seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften oder Mitteln zu sichern. Er lebe auch nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit Frau Kellner. Deshalb sei deren Einkommen und Vermögen bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit des Klägers nicht zu berücksichtigen. Insbesondere greife die Vermutungsregel des § 7 Abs. 3a SGB II für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nicht ein. Diese setze nämlich das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne von § 9 Abs. 5 SGB II zwischen den Mitbewohnern voraus. Eine reine Wohngemeinschaft sei hierfür nicht ausreichend, erforderlich sei vielmehr ein Wirtschaften "aus einem Topf". Hieran fehle es vorliegend. Im streitgegenständlichen Zeitraum habe jeder für sich selbst zu sorgen gehabt und seinen Lebensunterhalt mit eigenen Mitteln bestritten. Allein aus der Untervermietung eines möblierten Zimmers könne nicht auf eine Haushaltsgemeinschaft geschlossen werden. Es sei auch plausibel dargelegt worden, dass der Kläger mit 295 EUR etwas mehr als die Hälfte der Gesamtmiete von 554 EUR zahle, da Frau Kellner die Kosten für den Haushaltsstrom alleine trage. Ein gewichtiges Argument gegen das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft ergebe sich daraus, dass der Kläger zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nicht auf Einkommen oder Vermögen von Frau Kellner zurückgegriffen, sondern bei Dritten Darlehen aufgenommen habe. Der Kläger habe weiter glaubhaft dargelegt, dass er zum Bestreiten seines Lebensunterhalts Haushaltsgegenstände wie Fernseher und Stereoanlage verkauft habe, um vom Verkaufserlös zu leben. Auch habe der Kläger am 05.06.2007 beim Sozialamt der Stadt H. vorgesprochen und um die Vermittlung einer eigenen Wohnung nachgesucht.
Gegen den am 10.09.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 30.09.2008 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, zwischen dem Kläger und Frau Kellner habe im streitigen Zeitraum eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 a SGB II bestanden. In der Wohnung gebe es keine räumliche Trennung zwischen dem Kläger und Frau Kellner; Küche, Bad und Wohnzimmer würden gemeinsam genutzt. Das Zimmer von Frau Kellner sei wie ein normales Schlafzimmer mit breitem Bett eingerichtet. Im Zimmer des Klägers stehe deren PC, den sie jederzeit - auch in Abwesenheit des Klägers - nutzen könne. Die Möbel in der Wohnung gehörten Frau Kellner. Diese zahle auch allein die Miete und das Essen des Klägers sowie dessen Zigaretten. Auch beteilige sich der Kläger nicht an den Telefon- und GEZ-Kosten.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 12.12.2008 vorgetragen, das Darlehen bei seiner Schwester bzw. seinem Schwager belaufe sich inzwischen auf 6.500 EUR. Frau Kellner schulde er für das ganze Jahr 2008 noch die Untermiete, den Verpflegungszuschuss und Zigarettengeld. Seinem Freund Christian Neff schulde er noch 1.500 EUR. Er hat weiter eine Bescheinigung der Gemeinde H. vom 16.05.2006 über eine Wohnungsbewerbung vorgelegt, wonach ihm derzeit eine angemessene Wohnung nicht angeboten werden könne und er in Zukunft als Wohnungssuchender auf der Vormerkungsliste der Gemeinde geführt werde.
Der als Zeuge vernommene Christian Neff hat ausgesagt, er habe dem Kläger im Jahr 2006 ca. 1.000 EUR geliehen, die dieser relativ bald zurückgezahlt habe. In der zweiten Jahreshälfte 2007 habe er dem Kläger nochmals 1.000 EUR und im Jahr 2008 500 EUR geliehen, die bis jetzt nicht zurückgezahlt seien.
Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch Vernehmung von Frau Kellner als Zeugin; auf die Niederschrift vom 20.01.2010 wird insoweit Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 05. September 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der beigezogenen Akten des Landratsamtes Rhein-Neckar-Kreis und des SG Mannheim (S 7 AS 402/06 ER, S 7 AS 403/06 ER, S 7 AS 1708/06 ER, S 10 AS 1614/07 und S 10 AS 1811/07) sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch begründet.
Mit der Klage geltend gemacht ist zwar eine zeitlich nicht begrenzte Leistung. Nachdem das SG die Beklagte zur Gewährung von Leistungen bis zum 31.03.2007 verurteilt hat und der Kläger lediglich die Zurückweisung der Berufung beantragt, ist hierdurch der Streitgegenstand begrenzt und nicht darüber zu entscheiden, ob ihm über den 31.03.2007 hinaus ein Leistungsanspruch gegen die Beklagte zusteht.
Nachdem die Beklagte über die Zeit ab 01.05.2006 mit Bescheid vom 24.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2008 erneut entschieden hat, steht einer Leistungsbewilligung nicht mehr der in Bestandskraft erwachsene ablehnende Bescheid vom 18.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2006 entgegen. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Aufhebung und Rückforderung der Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 01.11.2005 bis 30.04.2006. Insoweit hat die Beklagte noch nicht über den Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) entschieden.
Die so gefasste Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II über die bereits bewilligten Leistungen hinaus.
Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Streitig ist vorliegend allein, ob der Kläger hilfebedürftig ist. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von den Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Der Kläger hat kein zu berücksichtigendes Vermögen und hat im streitigen Zeitraum auch kein zu berücksichtigendes Einkommen erzielt. Insbesondere die von Herrn Neff und seinem in den USA lebenden Schwager gewährten Darlehen sind nicht als Einkommen nach § 11 SGB II zu berücksichtigen. Das von Herrn Neff im Jahr 2006 gewährte Darlehen hat der Kläger wieder zurückgezahlt. Die Darlehen in den Jahren 2007 bzw. 2008 sind nach dem streitigen Zeitraum gewährt worden. Auch das vom Schwager des Kläger gewährte Darlehen, hinsichtlich dessen eine Rückzahlungsverpflichtung des Klägers besteht, ist nicht als Einkommen zu berücksichtigen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.12.2008 - L 7 AS 62/08). Die gegenteilige Auffassung (z.B. SG Reutlingen, Gerichtsbescheid vom 10.06.2009, S 2 AS 1472/08 - in juris) geht bereits von einer falschen Grundannahme aus. Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist dasjenige, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, während Vermögen das ist, was er vor Antragstellung bereits hatte (BSG, Urteil vom 30.07.2008 - B 14 AS 26/07 R). Durch die Gewährung eines Darlehens erhält der Betreffende wertmäßig nichts dazu. Dem Zufluss des Geldbetrages steht nämlich wertmäßig die Begründung der entsprechenden Darlehensverbindlichkeit gegenüber. In letzter Konsequenz würde die hier abgelehnte Auffassung nämlich dazu führen, dass die Bedürftigkeit verneint werden müsste, wenn der Lebensunterhalt durch Überziehung eines Girokontos bestritten wird, weil dies gleichfalls eine Darlehensgewährung darstellt.
Einem Anspruch des Klägers über die bewilligten Leistungen hinaus steht jedoch das anrechenbare Einkommen von Frau Kellner entgegen, mit der der Kläger im streitigen Zeitraum in einer Bedarfsgemeinschaft gelebt hat, und zwar sowohl in der Zeit bis zum 31.07.2006 (1.) als auch danach (2.). Unter Berücksichtigung des Einkommens von Frau Kellner steht dem Kläger kein über die bewilligten Leistungen hinausgehender Anspruch gegen die Beklagte zu (3.).
1.) Zur Überzeugung des Senats hat bereits unter der bis zum 31.07.2006 geltenden Rechtslage eine Bedarfsgemeinschaft zwischen dem Kläger und Frau Kellner bestanden. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung (a.F.) hat zur Bedarfsgemeinschaft als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die Person gehört, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt.
Bis zu der zum 01.08.2007 erfolgten Neuregelung durch das Gesetz zur Fortentwickelung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706) ist der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft durch die Rechtsprechung ausgeformt worden. Darunter wurde eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft im Sinn einer über eine bloße Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehende Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft verstanden (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in BVerfGE 87,234, 264 f., Beschluss vom 2. September 2004 - 1 BvR 1962/04 - veröffentlicht in juris); die auf Dauer angelegte Verbindung zweier Personen unterschiedlichen Geschlechts durfte daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulassen und musste sich durch innere Bindungen auszeichnen, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner in den Not- und Wechselfällen des Lebens begründete. Maßgebend war grundsätzlich die Gesamtheit der feststellbaren (äußeren) Tatsachen, die einen Rückschluss auf das Bestehen einer solchen Gemeinschaft zugelassen haben. Bei der Beurteilung, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, galt vor allem die Dauer des Zusammenlebens als gewichtigste Hinweistatsache, wobei eine die Dauerhaftigkeit und Kontinuität belegende Verfestigung einer Gemeinschaft jedenfalls bei einem Zusammenleben von mehr als drei Jahren angenommen worden ist.
Der Kläger und Frau Kellner sind bereits Ende der 80er Jahre zusammengezogen und wohnen zumindest seit 1992 ohne längere Unterbrechung zusammen in einer Wohnung. Sie waren nach ihren übereinstimmenden Angaben in der Vergangenheit bis 1995 auch ein Paar und haben eine Lebensgemeinschaft gebildet, welche die vom BVerfG aufgestellten Kriterien für eine eheähnliche Gemeinschaft erfüllt hat.
Zur Überzeugung des Senats haben sich der Kläger und Frau Kellner nicht getrennt. Denn zunächst sind die Angaben des Klägers zum zeitlichen Ablauf des Zusammenlebens mit Frau Kellner nicht mit den objektiven Daten in Übereinstimmung zu bringen. Nach der Mietbescheinigung von Johann Kellner wohnt seine Tochter, bereits seit Oktober 1986 in der Johann-Sebastian-Bach-Str. 42 in H ... Der Kläger war dort bis zum 02.01.1991 gemeldet und zog dann ausweislich der Abmeldung nach E., Danzigerstr. 4. Seit dem 26.03.1992 ist er wieder unter der alten Anschrift in H. gemeldet. Er ist dann jedoch ausweislich der Anmeldung bereits am 01.06.1992 wieder verzogen nach Viernheim, Am Kleegarten 6, unter Beibehaltung der bisherigen Hauptwohnung in H. als Nebenwohnung, wie der Anmeldung entnommen werden kann, die der Kläger mit der Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 12.06.2006 im Verfahren S 7 AS 1708/06 ER vorgelegt hat. Unter dieser Anschrift ist auch die Arbeitslosmeldung im November 1994 erfolgt und der Alhi-Antrag im August 1995 gestellt worden. Erst mit der Veränderungsmitteilung vom 12.01.1996 hat der Kläger dem Arbeitsamt seinen Umzug zum 10.01.1996 nach H. mitgeteilt, wie gleichfalls dem angeführten Beschluss entnommen werden kann. Der Kläger hat danach bereits im Jahr 1992 zwei Wohnsitze unterhalten und schon zum damaligen Zeitpunkt seinen Hauptwohnsitz nicht mehr bei Frau Kellner, zu der er erst im Januar 1996 wieder gezogen ist. Dies lässt sich nur schwerlich mit einer angeblich erst 1995 erfolgten Trennung vereinbaren und legt die vom SG im angeführten Beschluss geäußerte Vermutung näher, der bereits 1992 erfolgte Wohnungswechsel habe in Zusammenhang mit der Beantragung künftiger Sozialleistungen gestanden.
Der Senat hält auch die Aussage der Zeugin Kellner, sie wohne mit dem Kläger seit 1995 nur noch zusammen, um ihre Mietkosten zu senken und habe aus rein finanziellen Gründen einen Untermieter gesucht, nicht für glaubhaft. Dagegen spricht nämlich, dass der Kläger auch weiterhin in einem ungekündigten Untermietverhältnis steht, obwohl er nach den Angaben der Zeugin Kellner zwischenzeitlich mit 25 Monatsmieten in Rückstand ist und diese nach ihren Angaben dringend auf die Zahlung der Miete angewiesen ist. Der Kläger hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angegeben, er sei, nachdem er und Frau Kellner sich auseinander gelebt hätten, für etwa zwei Wochen zu seiner Mutter gezogen. Seine Kleidung und Einrichtungsgegenstände wie die Couch und das Fernsehgerät hätten sich weiterhin bei Frau Kellner befunden. Der Senat hält es nicht für glaubhaft, dass der Kläger zu seiner Mutter gezogen ist, um eine neue Wohnung zu suchen. Denn entweder haben sich der Kläger und Frau Kellner "in Freundschaft getrennt", wie die Zeugin bei ihrer Vernehmung durch den Senat angegeben hat. Dann hätte für den Kläger aber keine Veranlassung bestanden, unter Zurücklassen seiner Haushaltsgegenstände zu seiner Mutter zu ziehen, um von dort aus eine eigene Wohnung zu suchen. Oder er hat sich von Frau Kellner nicht "in Freundschaft" getrennt und zunächst eine räumliche Trennung gesucht, ohne seine Einrichtungsgegenstände mitzunehmen. Dann ist jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb er zwei Wochen später wieder in die gemeinsame Wohnung eingezogen ist.
Würde das Untermietverhältnis mit dem Kläger nur aus Gründen der Kostensenkung bestehen, läge es zudem nahe, bei einem Rückstand von mehr als 2 Jahresmieten zumindest ein Kündigungs- bzw. Räumungsverfahren einzuleiten, zumal der Kläger zwischenzeitlich keine Haushaltsgegenstände mehr besitzt und die für das Räumungsverfahren ggf. anfallenden Kosten durch Einkünfte aus einem neuen Untermietverhältnis gedeckt werden könnten. Frau Kellner hat bisher jedoch noch nicht einmal ein Kündigung ausgesprochen.
Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht der Umstand, dass der Kläger über das Sozialamt H. als wohnungssuchend gemeldet ist. Entgegen der Auffassung des SG ist dies nicht "die einzige Möglichkeit für den Kläger, eine eigene Wohnung zu erhalten"; ihm steht vielmehr auch die Suche auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt offen.
Für ein gegenseitiges Füreinandereinstehen spricht weiter, dass die Haushaltsgegenstände und -geräte, die zwischenzeitlich allein von Frau Kellner eingebracht werden, von beiden benutzt werden. Der Kläger kann z.B. den Computer, den Fernseher und die Waschmaschine von Frau Kellner benutzen, ohne sich an den Kosten zu beteiligen, die insbesondere dann anfallen, wenn Haushaltsgeräte repariert oder ersetzt werden müssen. Soweit der Kläger hierzu vorgetragen hat, er habe seine Haushaltsgegenstände - insbesondere Fernseher und Stereoanlage - verkaufen müssen, um vom Verkaufserlös leben zu können, war dies nur deshalb möglich, weil er die Haushaltsgegenstände von Frau Kellner mit benutzen kann. Dies spricht gerade für das Bestehen einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft, in der die Haushaltsgegenstände gemeinsam genutzt werden.
Auch der Umstand, dass der Kläger und Frau Kellner nach ihren Angaben getrennt einkaufen bzw. bei gemeinsamen Einkäufen getrennt abrechnen, spricht nicht gegen das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts, zumal dies nach Aussage der Zeugin Kellner schon immer so war, also auch bereits in der Zeit der - eingeräumten - Partnerschaft. Überdies bezahlt Frau Kellner nach der Angabe des Klägers seit Januar 2008 sowohl seine Miete und gewährt ihm monatlich 140,00 EUR für Essen.
2.) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören gem. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II in der ab dem 01.08.2006 geltenden Fassung als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser wechselseitige Wille wird gem. § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II u.a. vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben.
Diese Vermutung ist eine gesetzliche Tatsachenvermutung (Spellbrink NZS 2007, S. 121, 126), die im Ergebnis eine Beweislastumkehr bewirkt (vgl. BT-Drucks. 16/1410, S. 19: Zukünftig wird vermutet, dass eine Bedarfsgemeinschaft besteht, wenn nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille der Partner anzunehmen ist, dass sie Verantwortung füreinander tragen und füreinander einstehen ... Der Zeitraum des Zusammenlebens, der die Vermutung für das Vorliegen einer Einstehensgemeinschaft begründet, wird auf ein Jahr festgelegt). Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II vor, sind diese also nachgewiesen, kehrt sich im Ergebnis die objektive Beweislast zu Lasten des Arbeitsuchenden um. Denn der Arbeitsuchende muss dann den Beweis des Gegenteils führen (§ 202 SGG i. V. m. § 292 Zivilprozessordnung - ZPO -). Will der Arbeitsuchende die gesetzliche Vermutung widerlegen, muss er einen Vollbeweis dahingehend erbringen, dass entweder die von der Vermutungsregelung vorausgesetzten Hinweistatsachen nicht vorliegen oder aber andere Hinweistatsachen vorliegen, die die Vermutung entkräften, es sei der wechselseitige Wille vorhanden, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (vgl. Wenner, Soziale Sicherheit 2006, S. 146, 149; Wersig, info also 2006, S. 246, 248; Spellbrink, a.a.O. ).
Der Kläger und Frau Kellner haben im streitigen Zeitraum - wie oben dargelegt - einen gemeinsamen Haushalt geführt. Da der Kläger und Frau Kellner auch länger als ein Jahr in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben, wird gem. § 7 Abs. 3a SGB II vermutet, dass der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen mit der weiteren Folge, dass zwischen ihnen eine Bedarfsgemeinschaft besteht. Dem Kläger ist es nach Auffassung des Senats nicht gelungen, den Beweis des Gegenteils zu führen, insbesondere verbliebene Zweifel auszuräumen, was ebenfalls zu seinen Lasten geht. Damit ist das Einkommen von Frau Kellner gem. § 11 SGB II als Einkommen anzurechnen.
3.) Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, das Einkommen und das Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Unter Anrechnung des Einkommens von Frau Kellner hat der Kläger keinen die bereits bewilligten Leistungen übersteigenden Anspruch gegen die Beklagte.
Für den Monat Mai 2006 hat die Beklagte die Regelleistung gem. § 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II in voller Höhe bewilligt.
Im Juni 2006 hat Frau Kellner ein Nettoeinkommen i.H.v. 696,98 EUR erzielt. Hiervon sind gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II 100 EUR und gem. § 30 SGB II ein weiterer Freibetrag von 140,00 EUR abzusetzen. Danach verbleibt ein anzurechnendes Einkommen der Bedarfsgemeinschaft von 456,98 EUR, das gem. § 19 Satz 2 SGB II zunächst die Geldleistungen der Agentur für Arbeit mindert und das zur Hälfte dem Kläger zuzurechnen ist. Danach ist gem. § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II auf den Bedarf des Klägers i.H.v. 311,00 EUR Einkommen i.H.v. 228,49 EUR anzurechnen, so dass ein Anspruch i.H.v. 82,81 EUR gegeben ist. Die Beklagte hat dem Kläger für den Monat Juni 2006 bereits den übersteigenden Betrag von 94,86 EUR gewährt.
In den Folgemonaten hat Frau Kellner im gesamten streitigen Zeitraum ein monatliches Nettoeinkommen von zumindest 1.200,00 EUR erzielt. Nach Abzug der Freibeträge gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II i.H.v. 100 EUR und § 30 SGB II i.H.v. 180 EUR übersteigt das zu berücksichtigende Einkommen, das gem. § 19 Satz 3 SGB II zunächst die Geldleistungen der Agentur für Arbeit mindert, den Bedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft i.H.v. monatlich 622,00 EUR, so dass der Kläger keinen Anspruch auf die Regelleistung nach § 20 Abs. 3 SGB II hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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