L 3 R 295/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 R 732/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 295/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Erwerbsminderung, Stuhlinkontinenz
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind zwischen den Beteiligten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI) streitig.

Der am ... 1963 geborene Kläger durchlief von 1979 bis 1982 eine Berufsausbildung zum Facharbeiter für BMSR-Technik und war danach bis Oktober 1991 als Elektromechaniker versicherungspflichtig beschäftigt. Im Anschluss daran arbeitete er bis April 1992 als Anten-nenbauer, von Juli bis November 1992 als Wachmann und schließlich vom 9. Juni 1993 bis zum 30. September 2004 als Anlagenfahrer/ Schichtführer in einer Firma für Umweltschutz. Nach seinen Angaben handelte es sich um eine schwere körperliche Arbeit in Leichtbauhal-len bzw. im Freien; sie sei mit dem Steigen von Treppen bis 17 Meter Höhe, mit dem Bedienen von Radladern, mit Schipparbeiten und dem Bewegen schwerer Schläuche verbunden gewesen. Das Arbeitsverhältnis wurde betriebsbedingt wegen Insolvenz aufge-löst.

Am 29. März 2005 beantragte der Kläger die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminde-rung. Zur Begründung gab er an, wegen einer seit 2001 bestehenden Inkontinenz des Schließmuskels und seit 2003 bestehender Schmerzen am Bewegungsapparat keinerlei Arbeiten mehr verrichten zu können.

Die Beklagte zog zunächst das Gutachten von Dr. T. vom 2. Dezember 2004 für die Agentur für Arbeit D. bei. Danach seien als Gesundheitsstörungen ein Lumbalsyndrom, eine Kniege-lenksverschleißerscheinung links sowie ein Bluthochdruck zu berücksichtigen. Dr. T. hatte einen Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dr. V. vom 24. September 2004 vorgele-gen, wonach der Kläger sich bei ihm erstmals am 3. Mai 2004 vorgestellt und über Schmer-zen beider Knie und der Lendenwirbelsäule (LWS) geklagt habe. Ferner zog die Beklagte das im Rahmen des Antrags des Klägers auf Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 9. März 2005 erstattete Gutachten der Fachärztin für Orthopädie Dr. H. bei. Sie hatte als Diagnosen ein lumbales lokales Schmerzsyndrom bei Osteochondrose und Spondylarthrose, Dorsalprotrusion der Bandscheibe bei L4/S1 (linksbetont) und ein zervika-les Schmerzsyndrom bei muskulärer Dysbalance und Osteochondrose sowie eine Gonalgie beidseits festgestellt und leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von längeren Bück- oder Zwangshaltungen, von Arbeiten ausschließlich über Kopf sowie von Arbeiten im Knien oder auf Leitern für gesundheitlich zumutbar erachtet; als Anlagenfahrer könne der Kläger noch drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten.

Sodann holte die Beklagte einen Behandlungs- und Befundbericht von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl. med. Sch. vom 21. April 2005 ein. Danach wiege der Kläger bei einer Größe von 174 cm 93 kg. Er beklage unwillkürliche Stuhlabgänge sowie Rückenschmerzen. Bei ihm bestünden Bandscheibenprotrusionen, eine Stuhlinkontinenz sowie eine hypertensi-ve Herzkrankheit. Beigefügt waren der vorläufige Brief des Herz-Zentrums C. vom 26. Mai 2004 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 24. bis zum 26. Mai 2004, bei der eine Koronare Herzkrankheit (KHK) aufgrund einer am 25. Mai 2004 durchgeführten Korona-rangiographie ausgeschlossen werden konnte. Ferner war der Bericht über eine am 1. November 2004 durchgeführte Magnetresonanztomographie (MRT) der LWS beigefügt. Danach habe sich kein Hinweis auf eine knöcherne Enge des Spinalkanallumens ergeben; feststellbar sei eine Dorsalprotrusion der Bandscheiben in Höhe L5/S4 mit Linksbetonung und breitbasig in Höhe L4/L5 sowie in Höhe L2/L3 gewesen. Dipl.-Med. M. war in seinem sozialmedizinischen Gutachten für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Sachsen-Anhalt unter dem 9. Februar 2005 zu dem Ergebnis gelangt, dass im Hinblick auf die bisherigen negativen Untersuchungen zur Stuhlinkontinenz die Vorstellung in einer proktologischen Sprechstunde zu empfehlen sei, wo u.a. manometrische Messungen durchgeführt werden könnten. Aus dem weiterhin beigefügten Entlassungsbericht des Diakonissenkrankenhauses D. vom 16. Februar 2005 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 13. bis zum 15. Februar 2005 ergibt sich die Diagnose einer analen Inkontinenz bei vermutlich vorwiegend sensorisch bedingter Problematik. Dort war eine Analinspektion in Narkose durchgeführt worden, bei der keine Analfissur und ein allenfalls leicht vermindert erscheinender Sphinktertonus festgestellt werden konnte. Die am 15. Oktober 2004 durchge-führte Koloskopie habe einen Normalbefund ergeben, sodass zum jetzigen Zeitpunkt operative Maßnahmen nicht indiziert erschienen. Zur weiteren Diagnostik sollte eine Sphink-termanometrie durchgeführt werden. Daraufhin wurde im St. E. und St. B. Krankenhaus in der Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie (im Weiteren: E. Krankenhaus) eine weitere stationäre Diagnostik vom 21. bis zum 24. März 2005 durchgeführt. Ausweislich der Epikrise vom 29. März 2005 waren eine anorektale Manometrie, eine Proktoskopie/Rektoskopie, eine Endosonografie und eine MRT-Defäkografie durchgeführt worden. Nach Vorliegen aller Befunde müsse bei einer operationswürdigen Intussuszeption des Rektums (Einstülpung eines Darmabschnitts) eine neurogene Ursache vermutet werden. Eine neurologische Abklärung sei durchzuführen. Als Diagnosen seien eine anale Inkontinenz Grad III, eine Intussuszeption des Rektums und eine arterielle Hypertonie zu berücksichtigen. Nachfolgend wurde der Kläger vom 26. bis zum 29. April 2005 in der Neurologischen Klinik und Poliklinik der Martin-Luther-Universität H.-W. stationär behandelt. Dort hatte der Kläger angegeben, fünf bis sechsmal täglich breiige Stühle abzusetzen. Im Entlassungsbericht vom 15. Juni 2005 wird ausgeführt, Ursache der handtellergroßen Hypästhesie, Hypalgesie und Thermhy-pästhesie im Bereich des Anus und der fehlenden Sphinkterkontrolle sei am ehesten eine postoperative Schädigung der Hautnerven im Bereich des Anus rechts und des Musculus sphincter ani rechts. Hinweise für eine Nervenkompression oder Wurzelschädigung fehlten. Therapeutische Konsequenzen ergäben sich nicht.

Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Begutachtung des Klägers durch den Chefarzt der Inneren Klinik des Krankenhauses A.-Z. Dr. L ... Dieser führte in seinem Gutachten vom 1. August 2005 aus, dass nach Angaben des Klägers seit der Durchführung perianaler Abszes-sinzisionen und einer Fistelektomie 2001 eine zunehmende Stuhlinkontinenz mit täglich sechs- bis achtmaligen Stühlen und mindestens einmaliger Verschmutzung der Unterwäsche trotz Vorlagenbenutzung vorliege. Die Objektivierung des Schweregrades der Stuhlinkonti-nenz sei naturgemäß im Rahmen einer ambulanten Begutachtung schwierig. Ausgehend von der Beschwerdeschilderung des Klägers müsse man sich entsprechend der stationären Diagnostik im E. Krankenhaus der Diagnose einer analen Inkontinenz Grad III anschließen. Zudem bestehe eine essentielle arterielle Hypertonie. Der Kläger könne noch leichte körper-liche Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Voraussetzungen für die Einsetzbarkeit seien eine sofortige Erreichbarkeit einer freien Toilette, keine kontinuierliche Präsenz am Arbeitsplatz, keine besonderen Anforderun-gen an die Konzentrationsfähigkeit, kein ständiger Publikumsverkehr, keine hohen psychi-schen Belastungen und keine Arbeiten mit häufigem Bücken, Heben oder Tragen von Lasten.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag des Klägers ab (Bescheid vom 4. Mai 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2005). Dessen Leistungsvermögen sei durch ein lumbales lokales Schmerzsyndrom bei Osteochondrose und Spondylarthrose, eine Dorsalprotrusion linksbetont bei L4/S1, ein zervikales Schmerzsyndrom bei statischer Fehlstellung und eine Osteochondrose, eine Gonalgie beidseits und eine anale Inkontinenz beeinträchtigt. Gleichwohl könne er noch leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Witterungsschutz, ohne starken Zeitdruck, häufiges Bücken, Hocken, Knien, häufige Zwangshaltungen, häufige Überkopfarbeiten, Klettern und Steigen, häufigen Publikumsverkehr, erhöhte psychische Belastungen sowie mit Toilettenzugang sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Im Hinblick auf die schwere spezifische Leistungsein-schränkung durch die festgestellte anale Inkontinenz werde als konkrete Verweisungstätig-keit bzw. Tätigkeitsfeld die Tätigkeit als Bürohilfskraft in der öffentlichen Verwaltung benannt und das Anforderungsprofil beschrieben.

Hiergegen hat der Kläger am 14. Dezember 2005 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben und geltend gemacht, sein Leistungsvermögen sei so stark herabgesunken, dass er eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben könne.

Das Sozialgericht hat zunächst Behandlungs- und Befundberichte von Dipl.-Med. S. vom 26. Januar 2006, von Dr. V. vom 27. Januar 2006 sowie eine ergänzende Stellungnahme vom 23. März 2006 und einen Befundbericht des Facharztes für Chirurgie Dr. M. vom 30. Juni 2006 eingeholt. Dipl.-Med. S. und Dr. V. haben die bekannten Diagnosen mitgeteilt und Dipl.-Med. S. hat körperlich leichte Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen mit Toilettenzugang in Arbeitsplatznähe (z. B. Bürohilfsarbeiten) täglich mindestens sechs Stunden nicht für möglich gehalten, Dr. V. hat eine Einsetzbarkeit bejaht und dies auch nach Durchführung einer Knochendichtemessung im März 2006 bestätigt. Dr. M. hat auf die Analinkontinenz durch eine operativ bedingte Schädigung des Schließmuskels hingewiesen und stündliche Toilet-tengänge für notwendig beschrieben, wobei aufgrund der Inkontinenz ein sofortiges Aufsu-chen der Toilette ohne lange Wege notwendig und danach eine ausgiebige Wäsche erforder-lich sei.

Auf Veranlassung der Beklagten nahm der Kläger vom 15. November bis zum 6. Dezember 2006 an einer Rehabilitationsmaßnahme in der M.-Klinik I B. B. teil. Dort wurden im Entlas-sungsbericht vom 13. Dezember 2006 als Diagnosen eine postoperative Nervenschädigung mit Sensibilitätsstörungen im Bereich des Anus, eine funktionelle Inkontinenz, der Verdacht auf eine Somatisierungsstörung, eine gemischte Hyperlipoproteinämie und der Verdacht auf eine nutritiv-toxische Fettleberhepatitis angegeben. Der Kläger habe bei einer Körpergröße von 172 cm das Aufnahmegewicht von 93 kg auf 91 kg reduzieren können. Das Beschwer-debild sei durch das angegebene Stuhlverhalten und die Inkontinenz mit stündlichen Stuhl-entleerungen beherrscht gewesen, jedoch nicht mit den objektiven Befunden vereinbar und glaubhaft. Zu keiner Zeit seien perianale Reizungen oder Kotverschmierungen sowie verschmutzte Vorlagen oder die geklagten Abgänge von "extrem blutigen Stühlen" objekti-vierbar gewesen. Es bestehe ein massives Rentenbegehren. Als Anlagenfahrer könne der Kläger nicht mehr als drei Stunden arbeitstäglich arbeiten. Auf dem allgemeinen Arbeits-markt könnten leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten zeitweise im Stehen und Gehen und/oder überwiegend im Sitzen in Tages-, Früh- und Spätschicht sechs Stunden und mehr täglich verrichtet werden. Arbeiten könnten nur in geschlossenen temperierten Räumen mit der Möglichkeit eines ungehinderten Toilettenzugangs ohne Nachtschicht und häufig wechselnde Arbeitszeiten, in überwiegend sitzender Körperhaltung, ohne Steigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Arbeiten mit Bauchpresse, häufige Überkopfarbeit, kniende und bückende Arbeitshaltung, Zwangshaltungen und unter Beachtung einer praktisch funktionellen Einäugigkeit sowie unter Vermeidung von Tätigkeiten mit leichtem Kontakt zu lebertoxischen Substanzen verrichtet werden.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau am 26. Juni 2007 die Klage abgewiesen. Nach Auffassung der Kammer seien dem Kläger noch leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mit weiteren qualitativen Ein-schränkungen, insbesondere unter jederzeitiger Erreichbarkeit einer Toilette, mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Zwar bestehe aufgrund der analen Inkontinenz des Klägers und der Notwendigkeit, in der Nähe einer jederzeit erreichbaren Toilette zu arbeiten, eine schwere spezifische Leistungsbehinderung. Der Kläger könne jedoch in der von der Beklag-ten genannten Verweisungstätigkeit als Bürohilfskraft in der öffentlichen Verwaltung einge-setzt werden. Im Bereich des öffentlichen Dienstes gälten Arbeitszeitunterbrechungen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden nicht als arbeitszeitverkürzende Pausen. Für Bürotätigkeiten sei eine persönliche Verteilzeit von etwa sieben Minuten je Arbeitsstunde anzusetzen, die nicht als zusätzliche Pause im oben genannten Rechtssinne anzusehen sei. Nach Auswertung der medizinischen Unterlagen dürfte der Kläger in der Lage sein, die Toilettengänge in maximal jeweils sechs Minuten zu erledigen. Da nach § 37 Abs. 1 S. 1 der Arbeitsstättenverordnung allen Arbeitnehmern in der Nähe des Arbeitsplatzes Toilettenräu-me zur Verfügung zu stellen seien, sei auch insoweit das Erfordernis hinsichtlich der Verfüg-barkeit einer Toilette erfüllt.

Gegen das ihm am 17. Juli 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25. Juli 2007 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Nach mehrfacher Operation eines perianalen Abszesses bestehe jetzt eine anale Stuhlinkontinenz mit häufigen unkontrollierba-ren Stuhlabgängen. Aufgrund dessen liege eine spezifische Leistungseinschränkung vor, die eine Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht zulasse. Während eines achtstündigen Arbeitstages müsse er etwa acht Toilettengänge erledigen. Pro Toilettengang benötige er hierfür wenigstens zehn, meistens sogar mehr als zehn Minuten, sodass die Toilettengänge nicht mehr in der persönlichen Verteilzeit getätigt werden könnten. Wegen des erforderlichen Wechselns der Einlagen inklusive Intimhygiene, des Entsorgens der Vorlagen sowie des Weges zur Toilette fielen Pausen von wenigstens 15 Minuten an. Das Sozialgericht sei darüber hinaus von einem unzutreffenden Leistungsbild ausgegangen. Er könne nur noch körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen mit weiteren qualitativen Einschränkungen verrichten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 26. Juni 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. März 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend. Vorsorglich hat sie als weitere Verweisungstätigkeit die des Verpackers von Kleinteilen benannt und das Tätigkeits-feld im Einzelnen beschrieben.

Der Senat hat Behandlungs- und Befundberichte von Dipl.-Med. S. vom 16. Juli 2008 und von der Fachärztin für Augenheilkunde I. vom 29. September 2008 eingeholt. Nach den Angaben von Dipl.-Med. S. hätten keine weiteren klinischen Behandlungen oder Untersu-chungen stattgefunden und es sei eine Beschwerdepersistenz angegeben worden. Als weitere Behinderung seien eine hochgradige Visusminderung rechts sowie ein Glaukomver-dacht zu berücksichtigen. Dipl.-Med. S. hat an sie gerichtete Arztbriefe des Dr. V. vom 21. Februar 2006, 10. April 2006 und 1. Oktober 2007 beigefügt. Im Brief vom 10. April 2006 hat Dr. V. darauf hingewiesen, den Kläger zum Psychologen überwiesen zu haben, um eine Schmerzursache auszuschließen. Im Bericht vom 11. Oktober 2007 hat er ein flüssiges Gangbild und einen kräftigen Oberkörper mit meteoristisch geblähten Bauchdecken be-schrieben; operationspflichtige Radikulopathien seien nicht nachweisbar gewesen. Im Arztbrief vom 17. Mai 2006 weist er darauf hin, dass der Kläger trotz intensiver Bemühungen keine Vorstellung beim Psychologen habe erzielen können. Ausweislich eines nicht datierten Arztbriefes von dem Augenfacharzt Dr. F. sei der Kläger zu ihm zur Kontrolle erschienen, da er als Bürohilfskraft habe arbeiten sollen und sich dies nicht zugetraut habe. Dr. F. habe die Diagnosen einer Myopie rechts mehr als links, einer Amblyopie III. Grades rechts und eines Glaukomverdachtes gestellt und keine Bedenken gegen eine Bürotätigkeit geäußert. Die Augenärztin I. hat einen Visus rechts mit 1/15 und links mit 1,0 festgestellt und auf eine Gesichtsfelduntersuchung aus 2007 rechts mit Ausfällen der oberen Hemisphäre und links ohne Befund hingewiesen.

Sodann ist ein Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin und Betriebsme-dizin Dr. H. vom 24. Februar 2009 eingeholt worden. Dort hat der Kläger angegeben, er leide unter dem Absetzen breiiger Stühle mit Blutbeimengungen ca. zehnmal täglich und zweimal nachts.

Die Sachverständige hat folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Diskrete, minimale ventrale Rektumzele und Intussuszeption des Rektums mit Zustand nach Abszessentfernungen 1998/2000, Fistelentfernung 2001 und postoperativer sensibler Nervenschädigung im Anal-Bereich. 2. Somatisierungsstörung mit subjektiver Stuhlhalteschwäche. 3. Lumbales, pseudoradikuläres Schmerzsyndrom bei Osteochondrose L4-S1 ohne morphologischen oder klinischen Hinweis auf Bandscheibenprolaps, Nervenwurzelkompres-sion, Spinalkanalenge oder Instabilität der LWS. 4. Initiale Gonarthrose beidseits mit Gonalgie rechts ohne Funktionsstörung, Zustand nach Arthroskopie rechts 2003 bei Meniskusschaden. 5. Essentielle arterielle Hypertonie Stadium II WHO mit Linksherzhypertrophie, ohne Einschränkung der Pumpfunktion. 6. Funktionelle Sehschwäche des rechten Auges (Amblyopie III. Grades) mit Gesichts-feldausfall der oberen Hemisphäre, Kurzsichtigkeit beidseits. 7. Rezidivierendes zervikales Schmerzsyndrom bei muskulärer Dysbalance und Osteochondrose.

Hinsichtlich der vom Kläger behaupteten Stuhlinkontinenz sprächen sämtliche objektiv erhobenen Befunde dagegen. Zwar sei bei der Entfernung der Perianalfistel vermutlich ein Hautnerv geschädigt worden. Die Messung der Schließmuskelaktivität habe zumindest für den rechten Anteil des Musculus sphincter ani eine fehlende Spontanaktivität und keine Reaktion auf Husten und Pressen nachgewiesen. Dies belege der neurologische Bericht der Uniklinik H.-W. vom 15. Juni 2005. Bei der Druckmessung im Analkanal (Manometrie) zur Untersuchung der Schließmuskelfunktion habe keine Empfindung bei dem im Enddarm liegenden 60-ml-Ballonkatheter bestanden. Dieser Befund besitze allerdings nur im Rahmen von Verlaufskontrollen Aussagekraft, da er Schwankungen unterliege. Demgegenüber habe die Ultraschalluntersuchung des Schließmuskels (Endosonografie) die Intaktheit der drei Schließmuskeln bestätigt. Bei der Simulation der Darmentleerung durch Füllung des End-darms mit Kontrastmittel und Röntgenaufnahmen in verschiedenen Funktionszuständen (MRT-Defäkografie) habe sich eine bei starkem Pressen allenfalls diskrete ventrale Rektoze-le, d.h. eine seitliche Aussackung des Darmes ohne krankhafte Bedeutung, gezeigt; ein Mastdarmvorfall sei ausgeschlossen worden. Darüber hinaus hätte die derart hohe Stuhlfre-quenz seit Jahren, wie der Kläger sie vorgebe, auf jeden Fall Auswirkungen auf den Ernäh-rungszustand gehabt. Der Kläger habe jedoch einen guten Allgemein- und Ernährungszu-stand mit gleichbleibendem Körpergewicht aufgewiesen. Auch Flüssigkeits-, Mineral- und Eiweißhaushalt seien ohne Abweichungen geblieben. Schließlich hätten die Untersuchungen während der Begutachtung für eine normale Depot- und Entleerungsfunktion des Enddarmes gesprochen. Der Kläger habe keine Vorlagen benutzt. Er sei jeweils nach dem "demonstrati-ven" Aufsuchen der Toilette untersucht worden. Dabei seien weder Stuhlverschmutzungen noch Entzündungen sichtbar gewesen, wie sie bei den angegebenen stündlichen Stuhlent-leerungen zu erwarten gewesen wären. In der Ampulle habe sich geformter, fester Stuhl ohne Blut- oder Schleimbeimengungen gefunden. Bereits die Rehabilitationseinrichtung habe auf die Diskrepanz zwischen dem Beschwerdebild und den objektiven Befunden hingewiesen und auch Dr. L. habe die Schwierigkeit der Objektivierung der subjektiv ange-gebenen Stuhlfrequenz aufgezeigt. Insgesamt seien bei der Untersuchung Zeichen einer bewusstseinsnah gesteuerten Verdeutlichung bei der Beschwerdeschilderung unübersehbar gewesen. Zusammenfassend könne der Kläger noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten, auch mit Publikumsverkehr, verrichten. Eine Toilettennähe am Arbeitsplatz sollte gewährleistet sein. Zeitliche Einschränkungen der Arbeitszeit oder zusätzliche, betriebsu-nübliche Pausen seien nicht erforderlich. Eine schwere spezifische Leistungsminderung liege aus medizinischer Sicht nicht vor.

Die Funktionalität der Wirbelsäule und Gelenke sei wie in den Vorgutachten nicht wesentlich beeinträchtigt gewesen. Ein sensomotorisches Defizit habe nicht bestanden. Die Diskrepanz zwischen Finger-Boden-Abstand aus dem Stand von 44 cm und nur 15 cm für den Finger-Zehen-Abstand aus dem Langsitz sei auf die Verdeutlichungstendenz zurückzuführen. Eine gute Entfaltbarkeit der Wirbelsäule sei in unbeobachteten Situationen, z.B. beim Ausziehen von Schuhen/Strümpfen und Aufrichten aus der Liege, gut zu beobachten gewesen. Wegen des unspezifischen Lumbalsyndroms seien schwere körperliche Arbeiten mit häufigen monotonen und Zwangshaltungen ausgeschlossen. Wegen der beidseitigen beginnenden Gonarthrose seien häufiges Knien und Hocken zu vermeiden. Bei der Untersuchung sei der Kniebandapparat stabil gewesen und positive Meniskuszeichen hätten nicht erhoben werden können.

Bei der ergometrischen Belastungsuntersuchung habe der Kläger 75 Watt ohne Hinweise für eine Belastungskoronarinsuffizienz erreicht, wobei bei besserer Mitarbeit eine höhere Leistung möglich gewesen wäre. Auch insoweit sei der Kläger leichten bis mittelschweren körperlichen Anforderungen gewachsen.

Die schon seit der Kindheit bestehende funktionelle Sehschwäche des rechten Auges sei seit 2007 mit einem Gesichtsfeldausfall der oberen Hemisphäre verbunden. Die Kurzsichtig-keit sei mittels Brille korrigierbar. Arbeiten mit erhöhten Anforderungen des Sehvermögens könnten nicht abverlangt werden.

Der Kläger könne unter Berücksichtigung aller bestehenden Gesundheitsstörungen leichte bis mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen oder wechselweise im Gehen, Stehen und/oder Sitzen in geschlossenen Räumen unter Witterungsschutz verrichten. Die Körperhaltung müsse nicht frei wählbar sein, es genüge ein gelegentlicher Haltungswechsel. Zwangshaltungen sowie Einwirkung von Kälte, Nässe und Zugluft seien zu vermeiden. Insbesondere körperliche Arbeiten wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen, wie sie in ungelernten Tätigkeiten in der Regel gefordert würden, seien zumutbar.

Der Kläger hat sich mit dem Gutachten von Dr. H. nicht einverstanden erklärt und auf die erneute Überweisung zur proktologischen Sprechstunde in das E. Krankenhaus verwiesen. Ausweislich des Berichtes dieser Klinik vom 5. Mai 2009 hat sich der Kläger dort am 4. Mai 2009 aufgrund einer fortbestehenden Stuhlinkontinenz vorgestellt. Hierzu sei bereits im März 2005 eine umfangreiche Diagnostik erfolgt und durch eine neurologische Diagnostik komplet-tiert worden. Als Diagnosen seien eine anale Inkontinenz III. Grades, eine Nervenschädigung mit Sensibilitätsstörungen im Bereich des Anus sowie eine Schädigung des Musculus sphincter ani festgestellt worden. Der Kläger habe angegeben, weiterhin sechs bis acht Stuhlgänge täglich mit breiiger bis geformter Konsistenz abzusetzen. Flüssiger Stuhl und Gas könnten nicht kontrolliert werden. Somit seien die bereits genannten Diagnosen bei bislang nicht weitergeführter Therapie fortbestehend. Dem Kläger sei die Sakralnervenstimu-lation erklärt und empfohlen worden; er wolle sich gegebenenfalls wieder vorstellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwal-tungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau die Klage abgewiesen. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung zu.

Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemei-ne Wartezeit erfüllt haben.

Der Kläger ist zur Überzeugung des Senats weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstä-tig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und/oder Sitzen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Zu vermeiden sind Arbeiten mit häufigen Zwangshaltungen oder überwiegend einseitigen Körperhaltungen, mit Gefährdung durch Kälte, Nässe und Zugluft. Besondere Anforderungen an das Sehvermögen können nicht gestellt werden. Deshalb scheiden Arbeiten mit Eigen- und Fremdgefährdung, auf Leitern und Gerüsten und an laufenden Maschinen aus. Es besteht eine volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände. Ein-schränkungen des Hörvermögens liegen nicht vor. Der Kläger ist zumindest durchschnittli-chen Anforderungen an das geistige Leistungsvermögen und an Reaktionsfähigkeit, Über-sicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit gewachsen. Er kann auch Arbeiten mit häufigem Publikumsverkehr durchführen. Die Erreichbarkeit einer Toilette muss gewährleistet sein.

Dieses Leistungsbild ergibt sich für den Senat aus dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. H. vom 24. Februar 2009. Der Senat hat ebenfalls die im Wege des Urkundsbeweises beigezogenen Gutachten von Dr. H. vom 9. März 2005 und von Dr. L. vom 1. August 2005 sowie den Rehabilitationsentlassungsbericht B. B. vom 13. Dezember 2006 und die Befundberichte der behandelnden Ärzte berücksichtigt. Danach besteht beim Kläger ein lumbales, pseudoradikuläres Schmerzsyndrom der LWS bei Osteochondrose L4-S1 ohne morphologische oder klinische Hinweise auf einen Bandscheibenprolaps, eine Ner-venwurzelkompression, eine Spinalkanalenge oder eine Instabilität der LWS. Dies ergibt sich aus den Befunderhebungen von Dr. H., des behandelnden Orthopäden Dr. V., der Gutachte-rin Dr. H. und aus dem MRT-Befund vom 5. November 2004. Insbesondere Dr. V. hat während der im Verfahren dokumentierten Behandlungsdauer von 2004 bis Ende 2007 lediglich leichte Funktionsstörungen und keinen operationswürdigen Befund festgestellt und eine psychologische Mitbehandlung zur Aufklärung der Ursache der geklagten Schmerzen, für die er offensichtlich kein organisches Korrelat hatte feststellen können, empfohlen.

Die schon seit der Kindheit bestehende funktionelle Sehschwäche des rechten Auges mit Gesichtsfeldausfall der oberen Hemisphäre und der Kurzsichtigkeit ist durch eine Brille teilweise ausgeglichen. Der Kläger hat sein gesamtes Berufsleben mit dieser Beeinträchti-gung absolviert; eine Verschlechterung ist aufgrund des im Berufungsverfahren eingeholten Befundberichtes von Dr. I. nicht nachgewiesen. Insoweit können einfache Anforderungen an das Sehvermögen gestellt werden.

Auf internistischem Fachgebiet besteht ein Bluthochdruck ohne Einschränkung der Pump-funktion. Dies steht der Verrichtung von leichten bis mittelschweren körperlichen Arbeiten nicht entgegen. Eine KHK hat aufgrund der Koronarangiographie am 25. Mai 2004 ausge-schlossen werden können. Die Untersuchung bei der Sachverständigen Dr. H. hat keine weiteren Auffälligkeiten ergeben.

Schließlich geht der Senat davon aus, dass eine subjektive Stuhlhalteschwäche und keine Stuhlinkontinenz III. Grades vorliegt. Auch dies ergibt sich aus den überzeugenden Ausfüh-rungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. H., die im Einzelnen die im E. Krankenhaus im März 2005 und in der Neurologischen Klinik der Uniklinik H.-W. im Juni 2005 erhobenen Befunde ausgewertet hat. Danach haben sich eine diskrete, minimale ventrale Rektumzele und eine Intussuszeption des Rektums bei Zustand nach Abszessentfernungen 1998/2000, Fistelentfernung 2001 und eine postoperative sensible Nervenschädigung im Anal-Bereich feststellen lassen. Bereits im Diakonissenkrankenhaus D. war im Februar 2005 nur ein allenfalls leicht verminderter Sphinktertonus festgestellt worden. Bei den nachfolgenden Untersuchungen und Diagnosestellungen in den Kliniken und bei den behandelnden Ärzten sind die Angaben des Klägers zur Stuhlfrequenz zugrunde gelegt worden, ohne dass objektive diese Angaben stützende Befunde erhoben worden sind. Insbesondere während des Rehabilitationsverfahrens konnten Verschmutzungen durch unwillkürliche Stuhlabgänge oder blutige Stühle nicht beobachtet werden. Schließlich hat die gerichtliche Sachverständi-ge Dr. H. bei ihrer Untersuchung geformten festen Stuhl ohne Blut- oder Schleimbeimengun-gen gefunden und nach der erneuten digital-rektalen Untersuchung nach Ergometrie und dem dritten Aufsuchen der Toilette nichts mehr feststellen können. Auch bei ihr waren weder Stuhlverschmutzungen bei fehlender Vorlagenbenutzung noch Entzündungen sichtbar, wie sie bei den behaupteten stündlichen Stuhlentleerungen zu erwarten gewesen wären. Dr. L. hatte ebenfalls seine Diagnosestellung ausschließlich auf die Angaben des Klägers gestützt und seinerzeit bereits darauf hingewiesen, dass dies im Rahmen einer ambulanten Untersu-chung problematisch erscheine. Der Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers steht bereits entgegen, dass die Stuhlinkontinenz schon seit 2001 bestehen soll. Zu dieser Zeit und bis zum 30. September 2004 war der Kläger aber noch als Anlagenfahrer/Schichtführer in einer Firma für Umweltschutz tätig und verrichtete schwere körperliche Arbeiten, verbunden mit dem Steigen von Treppen bis 17 Meter Höhe, mit dem Bedienen von Radladern, mit Schipp-arbeiten und dem Bewegen schwerer Schläuche, wobei das Arbeitsverhältnis dann betriebs-bedingt wegen Insolvenz und nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgelöst worden ist. Eine solche Tätigkeit wäre mit den angegebenen häufigen unkontrollierten Stuhlabgängen nicht möglich gewesen. Zudem ist die behauptete Stuhlinkontinenz in den Berichten des Orthopä-den Dr. V. vor 2005 nicht erwähnt, sondern hierüber wird erstmals im Arztbrief vom 17. August 2005 berichtet. Schließlich sind die Angaben zu den behaupteten Stuhlabgängen und zur Vorlagenbenutzung stark wechselnd und deshalb nicht glaubhaft. Einerseits behauptet der Kläger, sechs bis acht Stuhlgänge breiiger Konsistenz abzusetzen, andererseits beklagt er stündliche Stühle mit Blutbeimengungen. Auf der einen Seite wird eine mindestens einmalige Verschmutzung der Unterwäsche behauptet, auf der anderen Seite soll bei jeder stündlichen Entleerung eine bis zu 15-minütige Reinigung erforderlich sein. Trotz der Behauptung, ständig Vorlagen zu tragen, ist er bei Dr. H. ohne Vorlagen zur Untersuchung erschienen.

Der Senat berücksichtigt in Übereinstimmung mit Dr. H. eine Somatisierungsstörung mit subjektiver Stuhlhalteschwäche. Die Einholung eines nervenfachärztlichen Gutachtens zur Feststellung der Auswirkungen auf das Leistungsvermögen hat der Senat nicht für erforder-lich gehalten. Denn nach den übereinstimmenden Angaben im Rehabilitationsentlassungs-bericht und von Dr. H. sind die behaupteten häufigen Stuhlentleerungen auf das beim Kläger bestehende starke Rentenbegehren zurückzuführen, das zu bewusstseinsnahen Verdeutli-chungstendenzen geführt hat und nicht Ausdruck einer psychiatrischen Grunderkrankung ist. Dementsprechend hat Dr. H. die ausdrücklich gestellte Frage nach der Notwendigkeit der Einholung weiterer Fachgutachten verneint.

Bei dem Kläger liegen deshalb auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Das Restleistungsvermögen des Klägers reicht vielmehr noch für zumindest leichte bis mittelschwere körperliche Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.). Darüber hinaus hat die Beklagte als gesundheitlich jedenfalls zumutbare Tätigkeit die der Bürohilfskraft in der öffentlichen Verwaltung benannt. Auf dieses Tätigkeitsfeld kann der Kläger unter Zugrunde-legung des oben genannten Leistungsbildes verwiesen werden. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Entscheidungsgründe des Sozialgerichts, macht sich diese zu Eigen und verzichtet insoweit auf die Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch liegt im Falle des Klägers kein Seltenheits- oder Katalogfall vor, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes führen würde (vgl. BSG, Großer Senat, a.a.O., Seite 35). Der Arbeitsmarkt gilt unter anderem als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BSG ein abstrak-ter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 Meter mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehender Mobilitätshil-fen benutzen kann. Dann gilt die Erwerbsfähigkeit als nicht in beachtlichem Maße ein-schränkt und die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht erforderlich. Sind Arbeitsplätze auf andere Art als zu Fuß erreichbar, zum Beispiel mit dem eigenen Kraftfahr-zeug bzw. mit einem Fahrrad, ist der Arbeitmarkt ebenfalls nicht verschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10). Die Gehfähigkeit des Klägers ist nach übereinstimmender Beurteilung aller gehörten Ärzte nicht wesentlich eingeschränkt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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