L 2 B 155/08 AL

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 3 AL 468/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 B 155/08 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Verzicht auf Ermessensleistungen in der Eingliederungsvereinbarung
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren, in dem er einen Anspruch auf Erstattung weiterer Weiterbildungskosten gegen die Beklagte geltend macht.

Der im Jahr 1978 geborene Kläger meldete sich am 2. April 2007 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld ab dem 1. August 2007. Am 6. Juli 2007 beantragte er die Gewährung eines Bildungsgutscheins für die Teilnahme an der Weiterbildung zum Eisenbahnfahrzeugführer bei der AWV A ... - und W ... V L GmbH vom 16. Juli 2007 bis zum 15. Mai 2008. Nach der am 6. Juli 2007 zwischen dem Kläger und der Beklagten abgeschlossenen Ziel-/Eingliederungsvereinbarung war als Zielsetzung genannt: "Aufnahme einer Tätigkeit als Eisenbahner-Lokführer nach erfolgreicher Weiterbildung". Der Kläger solle nach der Vereinbarung aktiv an der Weiterbildung teilnehmen. Weiter heißt es: "Sie übernehmen alle zusätzlich entstehenden Kosten (Fahrtkosten, Unterkunftskosten und Verpflegungskosten) selbst." Diese Vereinbarung wurde in H ... am 6. Juli 2007 von beiden Beteiligten unterzeichnet. Die Beklagte gewährte daraufhin einen Bildungsgutschein mit dem Bildungsziel Eisenbahner–Betriebsdienst-Lokführer und Transport unter dem 6. Juli 2007. Hiernach werden die Weiterbildungskosten bei Vorlage des Gutscheins vor Teilnahmebeginn übernommen. Der Weiterbildungsort sollte nach dem Bildungsgutschein im Tagespendelbereich liegen.

Mit Bescheid vom 16. Juli 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Lehrgangskosten in Höhe von 10.220,00 EUR.

Am 9. August 2007 erhob der Kläger Widerspruch, in dem er ausführte: "Hiermit lege ich gegen den Bildungsgutschein, Betreff Fahrtkostenrückerstattung mit obiger Nummer ein." Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2007 den Widerspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus: Der Kläger sei durch die Bewilligung eines Bildungsgutscheins nicht beschwert. Im Zusammenhang mit dem Bildungsgutschein sei dem Kläger die Übernahme der Lehrgangskosten zugesichert worden. Andere Zusicherungen oder Ablehnungen enthalte der Bildungsgutschein nicht. Auch hinsichtlich der während der beruflichen Weiterbildung entstandenen Fahrtkosten könne der Kläger nicht beschwert sein. Er habe selbst am 6. Juli 2007 eine Eingliederungsvereinbarung unterschrieben, in der vereinbart worden sei, dass er die Fahrtkosten, die Unterkunfts- und Verpflegungskosten selbst übernehme.

Der Kläger hat am 1. Oktober 2007 Klage vor dem Sozialgericht Halle (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die Beklagte habe ihm durch die Erteilung des Bildungsgutscheins bescheinigt, dass die Voraussetzungen für eine Förderung vorliegen. Sie sei daher unter Aufhebung des Bescheids vom 9. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2007 verpflichtet, auch die Fahrtkosten, Unterbringungskosten und Verpflegungskosten als Weiterbildungskosten zu übernehmen.

Das SG hat mit Beschluss vom 3. April 2008 den Antrag auf Gewährung von PKH abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die Beklagte habe den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen. Aus dem Bescheid vom 16. Juli 2007 ergebe sich keine Beschwer, sondern die Bewilligung von Lehrgangskosten in Höhe von 10.220,00 EUR zugunsten des Klägers. Über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Fahrtkostenerstattungsanspruches des Klägers gegen die Beklagte sei mit dem genannten Bescheid nicht entschieden worden. Einer Entscheidung über diese Kosten habe es seitens der Beklagten nicht bedurft. Denn aufgrund der Erklärung des Klägers vom 6. Juli 2007 konnte die Beklagte davon ausgehen, dass dieser die Fahrt-, Unterkunfts- und Verpflegungskosten selbst trage. Inwieweit die Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 9. August 2007 als Antrag auf Erstattung von Fahrtkosten zu werten und gegebenenfalls zu verbescheiden habe, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Der Kläger hat gegen diesen, ihm am 10. April 2008 zugestellten Beschluss am 11. April 2008 Beschwerde eingelegt und ausgeführt: Er habe zu Beginn der Maßnahme die Erstattung von Fahrtkosten, Unterbringungskosten und Verpflegungskosten beantragt, die im Zusammenhang mit dem Lehrgang stehen würden. Diesen Antrag habe die Beklagte abgelehnt. Hiergegen habe der Kläger am 9. August 2007 Widerspruch eingelegt, über den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2007 ablehnend entschieden habe. Der Kläger habe hiergegen Klage erhoben und ausweislich der Klageschrift ausdrücklich die Aufhebung des Bescheides vom 9. August 2007 und des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2007 sowie die Verpflichtung der Beklagten begehrt, die Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten zu erstatten. Es gehe dem Kläger nicht um den positiven Bescheid vom 16. Juli 2007, sondern um seinen Antrag auf Erstattung von Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten. Wenn die Beklagte dem Kläger einen Bildungsgutschein erteile, seien die Weiterbildungskosten nach dem Prinzip der Unmittelbarkeit der Verursachung zwingend zu ersetzen. Die Beklagte dürfe sich nicht auf die Eingliederungsvereinbarung berufen. Diese sei unwirksam, da keinerlei Vertragsverhandlungen geführt worden seien, sondern die Eingliederungsvereinbarung dem Kläger zwangsweise "aufgedrückt" worden sei und die Beklagte ihre Machtposition ausgenutzt habe. Die Eingliederungsvereinbarung sei nicht maßgeblich, da sie durch den Bildungsgutschein ersetzt worden sei, der einen selbständigen Verwaltungsakt darstelle und ohne jegliche Einschränkung erteilt worden sei. Der Bildungsgutschein enthalte keine Einschränkung im Hinblick auf die weiteren Weiterbildungskosten, sodass auch hieraus ein Anspruch bestehe. Auf Nachfrage des Berichterstatters, der Kläger möge den Bescheid vom 9. August 2007 vorlegen, hat dieser mitgeteilt: Er habe am 9. August 2007 anlässlich einer Vorsprache bei der Beklagten die Erstattung von Fahrtkosten beantragt. Diesen Antrag habe die Beklagte "postwendend" abgelehnt, weshalb der Kläger "wiederum postwendend am gleichen Tag" Widerspruch eingelegt habe. Dieser Widerspruch richte sich selbstverständlich nicht gegen den, den Kläger ausschließlich begünstigenden Bildungsgutschein. Es stehe fest, dass der Kläger einen entsprechenden Antrag auf weitere Weiterbildungskosten gestellt habe. Es sei auch nicht zweifelhaft, dass die Beklagte über die Erstattung zusätzlicher Kosten entschieden habe. Deshalb gehe es dem Kläger nun um den Bescheid vom 9. August 2007. Auf die Frage des Berichterstatters, ob es sich bei dem in der Beschwerdeschrift genannten Bescheid vom 9. August 2007 um einen Schreibfehler handele, teilte der Kläger mit, dass es sich nicht um einen Schreibfehler handele. Vielmehr sei im Rahmen seines Widerspruchs "postwendend" auch entschieden worden.

In der Akte findet sich kein schriftlicher Bescheid vom 9. August 2007, sondern nur der Widerspruch gegen den Bildungsgutschein.

Das SG hat mit Beschluss vom 13. April 2008 der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.

II.

Die gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 127 Abs 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig.

Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Bewilligung von PKH abgelehnt.

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit den §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 13. März 1990, 1 BvR 94/98, in: NJW 1991, S. 413 ff.). Prozesskostenhilfe kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 17. Februar 1989, B 13 RJ 83/97 R, SozR 1500, § 72 Nr. 19).

Vor dem Hintergrund dieses Prüfungsmaßstabes ist das Klagebegehren, das hier darauf gerichtet ist, einen etwaigen Bescheid vom 9. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2007 aufzuheben und Fahrtkosten zu bewilligen, nicht Erfolg versprechend.

Denn ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen hier unterstellten Antrag auf Erstattung weiterer Weiterbildungskosten besteht nicht. Danach sind Weiterbildungskosten die durch die Weiterbildung unmittelbar entstehenden Fahrtkosten. Gemäß § 77 SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten unter bestimmten Voraussetzungen gefördert werden.

Vorliegend hat der Kläger jedoch auf die Erstattung der Fahrtkosten mit Eingliederungsvereinbarung vom 6. Juli 2007 wirksam verzichtet. Er hat erklärt, dass er die über die Weiterbildungskosten selbst hinausgehenden Kosten (Fahrtkosten, Unterkunftskosten und Verpflegungskosten) selbst trägt.

Der Senat hat keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass der Kläger in einer Eingliederungsvereinbarung mit der Beklagten eine solche Disposition treffen kann. Denn die Beklagte hätte vorliegend auch unabhängig von der geschlossenen Eingliederungsvereinbarung ermessensfehlerfrei eine Entscheidung dahingehend treffen können, dass dem Kläger die direkten Weiterbildungskosten, nicht aber die weiteren Kosten, insbesondere Fahrtkosten bewilligt werden. Dies ergibt sich unter anderem daraus, dass die Fortbildung im Tagespendelbereich liegen sollte und der Kläger offensichtlich aufgrund seiner finanziellen Situation in der Lage ist, die Fahrtkosten selbst zu tragen. Dies hat er auch getan; er hat im gesamten Verfahren nicht vorgetragen, dass er wegen der Fahrtkosten die Weiterbildung nicht habe durchführen können. Die Eingliederungsvereinbarung hat eben diesen Zweck, gemeinsam mit dem Kläger zu regeln, inwieweit er Unterstützung benötigt, um erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt wieder eingegliedert zu werden. Dies ist hier erfolgt.

Soweit der Kläger in der Beschwerde vorträgt, die Eingliederungsvereinbarung sei ihm "zwangsweise aufgedrückt worden" und die Beklagte habe ihre "Machtposition" ausgenutzt, ist dieser Vortrag zu pauschal und nicht so konkret, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen sich aufdrängen würden. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte Zwang ausgeübt oder den Kläger unter Druck gesetzte hätte.

Kosten sind nicht zu erstatten, § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved