Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 102 AS 5243/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 24/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 9. Dezember 2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für Bekleidung als Sonderbedarf für Erstausstattung.
Die Klägerin bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II -. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2007 beantragte sie bei dem Beklagten die Kostenübernahme in Höhe von 350,00 EUR für Bekleidungsbedarf als einmalige Beihilfe (Erstausstattung) wegen Änderung der Konfektionsgröße. Dieser Antrag wurde von dem Beklagten mit Bescheid vom 8. November 2007 mit der Begründung abgelehnt, Kosten für Bekleidung würden von der Regelleistung abgedeckt. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Leistungen habe die Klägerin nicht, da weder die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 SGB II noch diejenigen des § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II vorlägen. Der hiergegen von der Klägerin eingelegte Widerspruch wurde von dem Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2008 als unbegründet zurückgewiesen. Ein Anspruch bestehe nicht, weil es sich bei dem von der Klägerin geltend gemachten Bedarf nicht um eine Erstausstattung im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II handle.
Am 12. Februar 2008 hat die Klägerin beim Sozialgericht Berlin hiergegen Klage erhoben. Sie hat einen Bedarf aufgrund "außergewöhnlicher Umstände" in der Form einer erheblichen Gewichtsabnahme in kurzer Zeit um ca. 15 Kilogramm geltend gemacht, durch welche sich ihre Konfektionsgröße um zwei Größen verringert habe. Eine Abänderung der vorhandenen Konfektion sei größtenteils nicht möglich gewesen. In den anderen Fällen hätte die Abänderung die Kosten der Neuanschaffung überstiegen. Es handle sich deshalb nicht um eine Ersatzbeschaffung, sondern um eine Erstausstattung im Sinne des § 23 Abs. 3 SGB II. Auch seien ihr bereits durch die vormals zuständige Arbeitsgemeinschaft B-H Bekleidungskosten gem. § 23 Abs. 3 SGB II gewährt worden, deshalb gebiete der Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes die Übernahme der mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Kosten. Der Bedarf wurde von ihr mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 850,85 EUR beziffert.
Mit Gerichtsbescheid vom 9. Dezember 2008 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Anschaffung der geltend gemachten Bekleidungsstücke sei nicht als Erstausstattung im Sinne von § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II zu qualifizieren, sondern als Ersatzbeschaffung, welche jedoch von der Regelleistung gedeckt werde. Durch die behauptete Veränderung des Körpergewichts der Klägerin sei die vorhandene Konfektion nicht schlechthin unbrauchbar geworden, vielmehr habe es der Klägerin oblegen, die Konfektion ihrer veränderten Konfektionsgröße anpassen zu lassen um so ihrer Selbsthilfeverpflichtung nachzukommen.
Gegen den ihr am 12. Dezember 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 6. Januar 2009 Berufung eingelegt, mit welcher sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie ist der Ansicht, der Gleichbehandlungsgrundsatz gebiete eine Ermessensreduktion auf Null, weshalb der Beklagte keinen Entscheidungsspielraum habe, ob er die Kosten für den geltend gemachten Bedarf übernehme. Die Regelleistung sei zu niedrig bemessen, weshalb in dieser Regelleistung kein laufender Bedarf für Ersatzbeschaffung von Kleidung enthalten sei. Ihr Anspruch auf Bekleidungsbeihilfe ergebe sich deshalb aus § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II. Die Beihilfe sei hilfsweise als verlorener Zuschuss zu gewähren. Jedenfalls aber sei der Beigeladene verpflichtet, die Beihilfe zu gewähren.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 9. Dezember 2008 und den Bescheid des Beklagten vom 8. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen,
ihr Bekleidungsbeihilfe in Höhe von 850,85 EUR zu zahlen,
hilfsweise die Bekleidungsbeihilfe als Darlehen zu gewähren,
hilfsweise den Beigeladenen zu verurteilen, ihr eine Bekleidungsbeihilfe in Höhe von 850,85 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Bekleidungsbeihilfe gem. § 23 Abs. 3 SGB II lägen nicht vor, da die Klägerin zum einen eine Ersatzbeschaffung verlange, welche jedoch von der Regelleistung zu decken sei. Zum anderen lägen auch die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 SGB II nicht vor, da die Klägerin ihren regelmäßigen Bedarf an Kleidung vorrangig durch Selbsthilfemöglichkeiten zu decken habe.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Berichterstatterin hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes mit Schreiben vom 28. Januar 2008 die Klägerin aufgefordert, ihren Gewichtsverlust zu substantiieren. Diese Fragen wurden von der Klägerin nicht beantwortet, vielmehr hat sie sich darauf berufen, diese Fragen nach drei Jahren nicht mehr beantworten zu können. Auch die angeforderte Schweigepflichtentbindungserklärung hat die Klägerin nicht übersandt, da nicht erkennbar sei, inwiefern ihre behandelnden Ärzte einen Bekleidungsbedarf bescheinigen könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten über die Klägerin in vollem Umfang Bezug genommen. Sämtliche Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, in der Sache jedoch unbegründet.
Im Hinblick auf einen möglichen Leistungsanspruch nach § 73 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - war das Land Berlin als zuständiger Träger der örtlichen Sozialhilfe und möglicher Leistungsverpflichteter gem. § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen (vgl. zur notwendigen Beiladung des Sozialhilfeträgers Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 7. November 2006, Az.: B 7b 14/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr. 1).
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte oder der Beigeladene die von ihr für die Anschaffung von Bekleidung geltend gemachten Kosten als Zuschuss übernehmen. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 8. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Ein Anspruch der Klägerin folgt nicht aus § 20 SGB II. Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, § 19 Satz 1 SGB II. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 20 Abs. 1 SGB II umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Hierbei umfasst der durch die Regelleistung abgegoltene Bedarf die gesamte Ausstattung an Bekleidung (vergleiche Schmidt in Oesterreicher, SGB II, § 20 Rn. 25).
Zwar begründet die Klägerin den von ihr geltend gemachten Anspruch auch mit einer Verfassungswidrigkeit der Regelleistung gem. § 20 Abs. 1 SGB II und hieraus folgend einem Anspruch auf höhere Regelleistung. Diesen Anspruch kann sie im vorliegenden Verfahren jedoch nicht mit Erfolg geltend machen, da dieser Anspruch nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Gegenstand des Rechtsstreits ist vielmehr allein der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Leistungen zur Erstausstattung gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II. Denn die Klägerin hatte mit ihrer Klage die Kostenübernahme für eine Bekleidungsbeihilfe nach § 23 SGB II entsprechend ihrem bei dem Beklagten gestellten Antrag vom 17. Oktober 2007 geltend gemacht. Nur dieser Sachverhalt ist dem Sozialgericht mit der Klageschrift vom 12. Februar 2008 unterbreitet worden und nur hierauf bezog sich das im Antrag des Klageschriftsatzes zum Ausdruck gekommene Begehren. Es handelt sich insoweit um einen abtrennbaren eigenständigen Streitgegenstand (vgl. zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Urteil des BSG vom 19. September 2008, Az.: B 14 AS 64/07, zitiert nach Juris - Datenbank). Den Anspruch auf eine höhere Regelleistung hat die Klägerin jedoch erst mit Schriftsatz an das Gericht vom 3. März 2008 gerichtlich geltend gemacht Die Klageerweiterung ist nicht sachdienlich und der Beklagte hat sich hierauf nicht rügelos eingelassen, § 99 SGG, sie ist deshalb unzulässig (vgl. BVerwGE 105, 288).
Soweit die Klägerin mit ihrer Klage nunmehr über den ursprünglich geltend gemachten Beihilfebetrag von 350,00 EUR einen Beihilfebetrag in Höhe von 850,85 EUR begehrt, handelt es sich um eine gem. § 99 Abs. 2 SGG zulässige Klageerweiterung, auf die sich der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren rügelos eingelassen hat.
Für den von der Klägerin mit ihrer Klage geltend gemachten Anspruch auf Bekleidungsbeihilfe in Höhe von 850,85 EUR liegen jedoch weder die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 SGB II noch diejenigen des § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II vor. Nach § 23 Abs. 1 SGB II erbringt der Beklagte, soweit im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann, bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung oder sie gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II sind unter anderem Leistungen für Erstausstattung für Bekleidung nicht von der Regelleistung umfasst und werden gesondert erbracht. Bei der Klägerin besteht jedoch weder ein Sonderbedarf im Sinne des § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II noch ein unabweisbarer Bedarf im Sinne des § 23 Abs. 1 SGB II.
Die Klägerin hat vorgetragen, infolge eines erheblichen Gewichtsverlustes sei ihr ein Sonderbedarf für eine Erstausstattung für Bekleidung entstanden. Zwar kann ein erheblicher Gewichtsverlust in kurzem Zeitraum zu einem Anspruch auf einen Zuschuss für eine Erstausstattung gem. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II führen, denn die Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ist, ebenso wie die Erstausstattung für die Wohnung (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II), im Sinne eines "Startpaketes" im Falle einer grundlegend neuen Lebenssituation zu verstehen (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 23 Rz. 343, 363). Dafür spricht neben dem Begriff Erstausstattung auch die gleichzeitige Erfassung von Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt in derselben Vorschrift. Der Begriff der Erstausstattung setzt deshalb voraus, dass so gut wie keine Ausstattung für die jetzige Bedarfssituation vorhanden ist. Dies kann zum Beispiel nach längerer Haft oder Obdachlosigkeit oder - wie von der Klägerin geltend gemacht - infolge starker Gewichtsveränderung der Fall sein (Hengelhaupt a.a.O. Rn. 364).
Ob ein solcher von der Klägerin behaupteter Gewichtsverlust vorliegt, begegnet erheblichen Zweifeln. Unklar und von der Klägerin trotz Nachfrage durch das Gericht nicht näher dargelegt ist bereits, in welchem Zeitraum sich dieser Gewichtsverlust ereignet haben soll. Unterstellt man den von der Klägerin behaupteten erheblichen Gewichtsverlust, ist aufgrund des im Oktober 2007 bei dem Beklagten gestellten Antrages davon auszugehen, dass zu diesem Zeitpunkt die vorhandene Garderobe nicht mehr passte, mithin zu diesem Zeitpunkt der Sonderbedarf für die Erstausstattung an Kleidung entstanden war.
Indessen bedarf es für die Entscheidung des vorliegenden Falles keiner weiteren Ermittlungen bezüglich des Vorliegens des von der Klägerin behaupteten Gewichtsverlustes. Denn es handelt sich bei dem von der Klägerin verfolgten Begehren um die Geltendmachung eines Anspruchs auf rückwirkende Erbringung von Sozialhilfeleistungen, weil es sich bei dem geltend gemachten Bedarf um einen auf den Zeitpunkt der Antragstellung (vergleiche oben) zeitlich fixierten Bedarf handelte. Im Bereich der Sozialhilfe ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Sozialhilfe nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dient (so genanntes Gegenwärtigkeitsprinzip) und nicht als nachträgliche Geldleistung ausgestaltet ist (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05, zitiert nach Juris-Datenbank). Deshalb müssen Sozialhilfeleistungen nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung zum Sozialhilferecht für einen zurückliegenden Zeitraum auch nur dann erbracht werden, wenn die Notlage im Zeitpunkt der beanspruchten Leistung noch besteht, sie also den Bedarf des Hilfebedürftigen noch decken kann ("keine Sozialhilfe für die Vergangenheit" BVerwGE40, 343, 346; 57, 237, 238; 60, 236, 237; 66, 335, 338; 90, 154, 156, Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. September 2009, Az.: B 8 SO 16/08 R, zitiert nach Juris-Datenbank). Dies setzt nicht nur einen punktuellen Bedarf, sondern auch die aktuelle Bedürftigkeit des Hilfesuchenden voraus. Denn das Recht der Existenzsicherung gehört zu den Sozialleistungssystemen, die vom Finalprinzip geprägt sind (BVerwGE 99, 149, 156). Das bedeutet, dass die Leistungen der Sozialhilfe auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet sind, nämlich eine gegenwärtige Notlage eines Menschen abzuwenden. Ist dieses Ziel nicht mehr erreichbar, etwa infolge Zeitablaufs, kann diese Leistung nicht mehr beansprucht werden (vergleiche Beschluss des BSG vom 16. Mai 2007, Az.: B 7b AS 40/06 R, zitiert nach Juris-Datenbank; Grube in Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 2. Auflage, Rn. 34 Einleitung). Das Sozialhilferecht ist ferner auch vom Bedarfsdeckungsprinzip geprägt. Danach ist es Aufgabe der Sozialhilfe, einen konkreten tatsächlichen Bedarf an Waren oder Dienstleistungen, der in der gegenwärtigen Notlage für einen Leistungsberechtigten besteht, zu decken. Daraus, dass es um einen gegenwärtigen Bedarf geht, folgt, dass Hilfe für die Vergangenheit als Notlagenhilfe "denkgesetzlich ausgeschlossen" ist (BVerwGE 26, 217, 220). Aus dem vorgenannten Gegenwärtigkeitsprinzip folgt, dass Leistungen für eine in der Vergangenheit liegende Notlage grundsätzlich nicht mehr in Betracht kommen, da dies der finalen Ausrichtung der Sozialhilfe widersprechen würde. Denn die Sozialhilfeleistungen werden punktuell für die jeweilige konkrete gegenwärtige Notlage gewährt.
Diese von dem Bundesverwaltungsgericht zum BSHG entwickelten Grundsätze gelten auch für Leistungen nach dem SGB II. Hier wie dort handelt es sich um steuerfinanzierte Fürsorgesysteme zur Sicherung des Existenzminimums. Für die beiden Leistungssysteme lassen sich im Grundsatz dieselben Strukturprinzipien feststellen. Der Senat folgt deshalb den Ausführungen des Bundessozialgerichts, wonach eine strukturelle Unterscheidung zwischen SGB II und SGB XII nicht gerechtfertigt ist (BSG NDV-RD 2007, 29). Dies rechtfertigt es, der Rechtssprechung zum SGB II auch weitgehend die bisherigen Strukturprinzipien des (früheren) Sozialhilferechtes zu Grunde zu legen.
Im Falle der von der Klägerin behaupteten Bedarfslage ist festzustellen, dass diese - unterstellte - Bedarfslage jetzt nicht mehr besteht. Es handelt sich bei dem durch die Bekleidungsbeihilfe zu deckenden Bedarf um einen punktuellen, zeitlich fixierten Bedarf, welcher in einer akuten Situation besteht und nur in dieser Situation gedeckt werden kann. Soweit er nicht gedeckt wird, erledigt sich dieser Bedarf durch Zeitablauf und kann nicht nachträglich gedeckt werden. Denn die akute Notlage ist überwunden, die Sozialhilfe kann ihren Zweck nicht mehr erfüllen.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der grundgesetzlichen Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes. Bereits das Bundesverwaltungsgericht hat vom Grundsatz "Keine Sozialhilfe für die Vergangenheit" eine Reihe von Ausnahmen gemacht. Denn würde dieser Grundsatz als materiell-rechtliches Prinzip uneingeschränkt gelten, wäre der Anspruch auf Sozialhilfe in vielen Fällen allein wegen des eingetretenen Zeitablaufs nicht mehr durchsetzbar. Allein die rechtswidrige Weigerung des Sozialhilfeträgers, eine benötigte Hilfe zu gewähren, würde zum Untergang des Anspruchs führen. Andererseits darf die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittene Leistung nicht zu einer bloßen Entschädigung für erlittenes Unrecht werden (BVerwGE 26, 217, 220). Hierin zeigt sich, dass der Anspruch auf Sozialhilfe sowie das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz in einem Spannungsverhältnis zu dem Strukturprinzip der Sozialhilfe als konkrete, gegenwartsbezogene Notlagenhilfe steht. Aus diesem Grunde ist wie folgt zu differenzieren:
Der Grundsatz "keine Hilfe für die Vergangenheit" wird nicht berührt, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch immer die anfängliche Notlage als gegenwärtige gegeben ist. Um eine solche handelt es sich jedoch vorliegend nicht, denn die Klägerin macht eine Notlage geltend, für deren Abwendung es auf einen bestimmten Zeitpunkt ankam, nämlich den Moment, zu welchem sie festgestellt hatte, dass infolge des vorgetragenen Gewichtsverlustes keine brauchbare Kleidung zur Verfügung stand. Aufgrund des Antragszeitpunktes ist davon auszugehen, dass dieser Zeitpunkt auf den Monat Oktober 2007 zu fixieren ist (vgl. oben). Sie hat jedoch noch nicht einmal vorgetragen und es ist auch nicht den Akten zu entnehmen, dass diese Notlage jetzt (mehr als zwei Jahre nach dem genannten Zeitpunkt) noch fortbesteht. Zudem hat sie auf Nachfrage des Senats, welche Konfektionsgröße sie zur Zeit benötigt, keine Erklärung abgegeben. Es handelte sich deshalb zur Überzeugung des Gerichts um eine zeitpunktbezogene Notlage, die durch Zeitablauf zwangsläufig in die Vergangenheit geriet und die nicht nachträglich gedeckt werden kann. Der damalige – unterstellte – Bedarf kann jetzt nicht mehr abgewendet werden.
In diesen Fällen eines zeitlich erledigten punktuellen Bedarfes ist es aus Gründen der Effektivität der Gewährung des Anspruchs auf Hilfe und der Effektivität des Rechtsschutzes nur dann für den Anspruch unschädlich, wenn der Hilfesuchende den Bedarf mit Hilfe Dritter oder unter Einsatz "eigener" Geldmittel selbst deckt, sofern ein Abwarten auf die Entscheidung nicht mehr zumutbar ist und der Hilfebedürftige zu diesem Zeitpunkt noch alle materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Hilfegewährung erfüllt hätte (BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, Az.: B 9b SO 5/06 R, zitiert nach Juris-Datenbank). Der Wegfall der Notlage ist in diesen Fällen also nicht anspruchsvernichtend, so dass Hilfe für die Vergangenheit zu leisten ist. Der Hilfebedürftige besitzt daher einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen, die infolge der eigenen Bedarfsdeckung entstanden sind. (vgl. hierzu Grube in Grube/Wahrendorf, a.a.O., Einl. Rn. 131 ff.).
Eine eigene Bedarfsdeckung unter Einsatz eigener Geldmittel oder Inanspruchnahme von Krediten oder von Hilfe Dritter hat die Klägerin jedoch trotz Nachfrage durch das Gericht nicht vorgetragen. Ein Anspruch gegen den Beklagten besteht damit nicht, denn an die Stelle des - unterstellten- ursprünglichen Bedarfs ist keine vergleichbare Belastung als Surrogat getreten (vergleiche BSG, Urteil vom 29. September 2009, B 8 SO 16/08 R, a.a.O.).
Der geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Bekleidung ergibt sich schließlich auch nicht aus § 73 SGB XII. Der Anspruch aus § 73 SGB XII richtet sich gegen den Beigeladenen als zuständigen Träger der Sozialhilfe, wobei eine Verurteilung gem. § 75 Abs. 5 SGG grundsätzlich möglich wäre. Indessen sind die Voraussetzungen des § 73 SGB XII nicht erfüllt. Nach § 73 Satz 1 SGB XII können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Bei dieser Vorschrift handelt es sich jedoch nicht um eine Auffangvorschrift für Leistungsempfänger nach dem SGB II im System des SGB II und SGB XII (vergleiche Grube/Warendorf, a. a. O., § 73 Rn. 3). Daher ist eine atypische Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist, notwendig (vergleiche BSG, Urteil vom 25. Juni 2008, Az.: B 11b AS 19/09 R, zitiert nach Juris-Datenbank). Es muss sich dabei um eine besondere atypische Bedarfslage, unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechte, handeln. Diese Besondere Bedarfslage muss eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellen, ohne dabei zu einer allgemeinen Auffangnorm zu mutieren (BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 14/06, zitiert nach Juris-Datenbank). Eine atypische Bedarfslage ist unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles zu verneinen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für Bekleidung als Sonderbedarf für Erstausstattung.
Die Klägerin bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II -. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2007 beantragte sie bei dem Beklagten die Kostenübernahme in Höhe von 350,00 EUR für Bekleidungsbedarf als einmalige Beihilfe (Erstausstattung) wegen Änderung der Konfektionsgröße. Dieser Antrag wurde von dem Beklagten mit Bescheid vom 8. November 2007 mit der Begründung abgelehnt, Kosten für Bekleidung würden von der Regelleistung abgedeckt. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Leistungen habe die Klägerin nicht, da weder die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 SGB II noch diejenigen des § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II vorlägen. Der hiergegen von der Klägerin eingelegte Widerspruch wurde von dem Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2008 als unbegründet zurückgewiesen. Ein Anspruch bestehe nicht, weil es sich bei dem von der Klägerin geltend gemachten Bedarf nicht um eine Erstausstattung im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II handle.
Am 12. Februar 2008 hat die Klägerin beim Sozialgericht Berlin hiergegen Klage erhoben. Sie hat einen Bedarf aufgrund "außergewöhnlicher Umstände" in der Form einer erheblichen Gewichtsabnahme in kurzer Zeit um ca. 15 Kilogramm geltend gemacht, durch welche sich ihre Konfektionsgröße um zwei Größen verringert habe. Eine Abänderung der vorhandenen Konfektion sei größtenteils nicht möglich gewesen. In den anderen Fällen hätte die Abänderung die Kosten der Neuanschaffung überstiegen. Es handle sich deshalb nicht um eine Ersatzbeschaffung, sondern um eine Erstausstattung im Sinne des § 23 Abs. 3 SGB II. Auch seien ihr bereits durch die vormals zuständige Arbeitsgemeinschaft B-H Bekleidungskosten gem. § 23 Abs. 3 SGB II gewährt worden, deshalb gebiete der Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes die Übernahme der mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Kosten. Der Bedarf wurde von ihr mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 850,85 EUR beziffert.
Mit Gerichtsbescheid vom 9. Dezember 2008 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Anschaffung der geltend gemachten Bekleidungsstücke sei nicht als Erstausstattung im Sinne von § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II zu qualifizieren, sondern als Ersatzbeschaffung, welche jedoch von der Regelleistung gedeckt werde. Durch die behauptete Veränderung des Körpergewichts der Klägerin sei die vorhandene Konfektion nicht schlechthin unbrauchbar geworden, vielmehr habe es der Klägerin oblegen, die Konfektion ihrer veränderten Konfektionsgröße anpassen zu lassen um so ihrer Selbsthilfeverpflichtung nachzukommen.
Gegen den ihr am 12. Dezember 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 6. Januar 2009 Berufung eingelegt, mit welcher sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie ist der Ansicht, der Gleichbehandlungsgrundsatz gebiete eine Ermessensreduktion auf Null, weshalb der Beklagte keinen Entscheidungsspielraum habe, ob er die Kosten für den geltend gemachten Bedarf übernehme. Die Regelleistung sei zu niedrig bemessen, weshalb in dieser Regelleistung kein laufender Bedarf für Ersatzbeschaffung von Kleidung enthalten sei. Ihr Anspruch auf Bekleidungsbeihilfe ergebe sich deshalb aus § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II. Die Beihilfe sei hilfsweise als verlorener Zuschuss zu gewähren. Jedenfalls aber sei der Beigeladene verpflichtet, die Beihilfe zu gewähren.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 9. Dezember 2008 und den Bescheid des Beklagten vom 8. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen,
ihr Bekleidungsbeihilfe in Höhe von 850,85 EUR zu zahlen,
hilfsweise die Bekleidungsbeihilfe als Darlehen zu gewähren,
hilfsweise den Beigeladenen zu verurteilen, ihr eine Bekleidungsbeihilfe in Höhe von 850,85 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Bekleidungsbeihilfe gem. § 23 Abs. 3 SGB II lägen nicht vor, da die Klägerin zum einen eine Ersatzbeschaffung verlange, welche jedoch von der Regelleistung zu decken sei. Zum anderen lägen auch die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 SGB II nicht vor, da die Klägerin ihren regelmäßigen Bedarf an Kleidung vorrangig durch Selbsthilfemöglichkeiten zu decken habe.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Berichterstatterin hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes mit Schreiben vom 28. Januar 2008 die Klägerin aufgefordert, ihren Gewichtsverlust zu substantiieren. Diese Fragen wurden von der Klägerin nicht beantwortet, vielmehr hat sie sich darauf berufen, diese Fragen nach drei Jahren nicht mehr beantworten zu können. Auch die angeforderte Schweigepflichtentbindungserklärung hat die Klägerin nicht übersandt, da nicht erkennbar sei, inwiefern ihre behandelnden Ärzte einen Bekleidungsbedarf bescheinigen könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten über die Klägerin in vollem Umfang Bezug genommen. Sämtliche Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, in der Sache jedoch unbegründet.
Im Hinblick auf einen möglichen Leistungsanspruch nach § 73 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - war das Land Berlin als zuständiger Träger der örtlichen Sozialhilfe und möglicher Leistungsverpflichteter gem. § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen (vgl. zur notwendigen Beiladung des Sozialhilfeträgers Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 7. November 2006, Az.: B 7b 14/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr. 1).
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte oder der Beigeladene die von ihr für die Anschaffung von Bekleidung geltend gemachten Kosten als Zuschuss übernehmen. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 8. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Ein Anspruch der Klägerin folgt nicht aus § 20 SGB II. Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, § 19 Satz 1 SGB II. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 20 Abs. 1 SGB II umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Hierbei umfasst der durch die Regelleistung abgegoltene Bedarf die gesamte Ausstattung an Bekleidung (vergleiche Schmidt in Oesterreicher, SGB II, § 20 Rn. 25).
Zwar begründet die Klägerin den von ihr geltend gemachten Anspruch auch mit einer Verfassungswidrigkeit der Regelleistung gem. § 20 Abs. 1 SGB II und hieraus folgend einem Anspruch auf höhere Regelleistung. Diesen Anspruch kann sie im vorliegenden Verfahren jedoch nicht mit Erfolg geltend machen, da dieser Anspruch nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Gegenstand des Rechtsstreits ist vielmehr allein der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Leistungen zur Erstausstattung gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II. Denn die Klägerin hatte mit ihrer Klage die Kostenübernahme für eine Bekleidungsbeihilfe nach § 23 SGB II entsprechend ihrem bei dem Beklagten gestellten Antrag vom 17. Oktober 2007 geltend gemacht. Nur dieser Sachverhalt ist dem Sozialgericht mit der Klageschrift vom 12. Februar 2008 unterbreitet worden und nur hierauf bezog sich das im Antrag des Klageschriftsatzes zum Ausdruck gekommene Begehren. Es handelt sich insoweit um einen abtrennbaren eigenständigen Streitgegenstand (vgl. zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Urteil des BSG vom 19. September 2008, Az.: B 14 AS 64/07, zitiert nach Juris - Datenbank). Den Anspruch auf eine höhere Regelleistung hat die Klägerin jedoch erst mit Schriftsatz an das Gericht vom 3. März 2008 gerichtlich geltend gemacht Die Klageerweiterung ist nicht sachdienlich und der Beklagte hat sich hierauf nicht rügelos eingelassen, § 99 SGG, sie ist deshalb unzulässig (vgl. BVerwGE 105, 288).
Soweit die Klägerin mit ihrer Klage nunmehr über den ursprünglich geltend gemachten Beihilfebetrag von 350,00 EUR einen Beihilfebetrag in Höhe von 850,85 EUR begehrt, handelt es sich um eine gem. § 99 Abs. 2 SGG zulässige Klageerweiterung, auf die sich der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren rügelos eingelassen hat.
Für den von der Klägerin mit ihrer Klage geltend gemachten Anspruch auf Bekleidungsbeihilfe in Höhe von 850,85 EUR liegen jedoch weder die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 SGB II noch diejenigen des § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II vor. Nach § 23 Abs. 1 SGB II erbringt der Beklagte, soweit im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann, bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung oder sie gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II sind unter anderem Leistungen für Erstausstattung für Bekleidung nicht von der Regelleistung umfasst und werden gesondert erbracht. Bei der Klägerin besteht jedoch weder ein Sonderbedarf im Sinne des § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II noch ein unabweisbarer Bedarf im Sinne des § 23 Abs. 1 SGB II.
Die Klägerin hat vorgetragen, infolge eines erheblichen Gewichtsverlustes sei ihr ein Sonderbedarf für eine Erstausstattung für Bekleidung entstanden. Zwar kann ein erheblicher Gewichtsverlust in kurzem Zeitraum zu einem Anspruch auf einen Zuschuss für eine Erstausstattung gem. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II führen, denn die Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ist, ebenso wie die Erstausstattung für die Wohnung (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II), im Sinne eines "Startpaketes" im Falle einer grundlegend neuen Lebenssituation zu verstehen (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 23 Rz. 343, 363). Dafür spricht neben dem Begriff Erstausstattung auch die gleichzeitige Erfassung von Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt in derselben Vorschrift. Der Begriff der Erstausstattung setzt deshalb voraus, dass so gut wie keine Ausstattung für die jetzige Bedarfssituation vorhanden ist. Dies kann zum Beispiel nach längerer Haft oder Obdachlosigkeit oder - wie von der Klägerin geltend gemacht - infolge starker Gewichtsveränderung der Fall sein (Hengelhaupt a.a.O. Rn. 364).
Ob ein solcher von der Klägerin behaupteter Gewichtsverlust vorliegt, begegnet erheblichen Zweifeln. Unklar und von der Klägerin trotz Nachfrage durch das Gericht nicht näher dargelegt ist bereits, in welchem Zeitraum sich dieser Gewichtsverlust ereignet haben soll. Unterstellt man den von der Klägerin behaupteten erheblichen Gewichtsverlust, ist aufgrund des im Oktober 2007 bei dem Beklagten gestellten Antrages davon auszugehen, dass zu diesem Zeitpunkt die vorhandene Garderobe nicht mehr passte, mithin zu diesem Zeitpunkt der Sonderbedarf für die Erstausstattung an Kleidung entstanden war.
Indessen bedarf es für die Entscheidung des vorliegenden Falles keiner weiteren Ermittlungen bezüglich des Vorliegens des von der Klägerin behaupteten Gewichtsverlustes. Denn es handelt sich bei dem von der Klägerin verfolgten Begehren um die Geltendmachung eines Anspruchs auf rückwirkende Erbringung von Sozialhilfeleistungen, weil es sich bei dem geltend gemachten Bedarf um einen auf den Zeitpunkt der Antragstellung (vergleiche oben) zeitlich fixierten Bedarf handelte. Im Bereich der Sozialhilfe ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Sozialhilfe nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dient (so genanntes Gegenwärtigkeitsprinzip) und nicht als nachträgliche Geldleistung ausgestaltet ist (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05, zitiert nach Juris-Datenbank). Deshalb müssen Sozialhilfeleistungen nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung zum Sozialhilferecht für einen zurückliegenden Zeitraum auch nur dann erbracht werden, wenn die Notlage im Zeitpunkt der beanspruchten Leistung noch besteht, sie also den Bedarf des Hilfebedürftigen noch decken kann ("keine Sozialhilfe für die Vergangenheit" BVerwGE40, 343, 346; 57, 237, 238; 60, 236, 237; 66, 335, 338; 90, 154, 156, Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. September 2009, Az.: B 8 SO 16/08 R, zitiert nach Juris-Datenbank). Dies setzt nicht nur einen punktuellen Bedarf, sondern auch die aktuelle Bedürftigkeit des Hilfesuchenden voraus. Denn das Recht der Existenzsicherung gehört zu den Sozialleistungssystemen, die vom Finalprinzip geprägt sind (BVerwGE 99, 149, 156). Das bedeutet, dass die Leistungen der Sozialhilfe auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet sind, nämlich eine gegenwärtige Notlage eines Menschen abzuwenden. Ist dieses Ziel nicht mehr erreichbar, etwa infolge Zeitablaufs, kann diese Leistung nicht mehr beansprucht werden (vergleiche Beschluss des BSG vom 16. Mai 2007, Az.: B 7b AS 40/06 R, zitiert nach Juris-Datenbank; Grube in Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 2. Auflage, Rn. 34 Einleitung). Das Sozialhilferecht ist ferner auch vom Bedarfsdeckungsprinzip geprägt. Danach ist es Aufgabe der Sozialhilfe, einen konkreten tatsächlichen Bedarf an Waren oder Dienstleistungen, der in der gegenwärtigen Notlage für einen Leistungsberechtigten besteht, zu decken. Daraus, dass es um einen gegenwärtigen Bedarf geht, folgt, dass Hilfe für die Vergangenheit als Notlagenhilfe "denkgesetzlich ausgeschlossen" ist (BVerwGE 26, 217, 220). Aus dem vorgenannten Gegenwärtigkeitsprinzip folgt, dass Leistungen für eine in der Vergangenheit liegende Notlage grundsätzlich nicht mehr in Betracht kommen, da dies der finalen Ausrichtung der Sozialhilfe widersprechen würde. Denn die Sozialhilfeleistungen werden punktuell für die jeweilige konkrete gegenwärtige Notlage gewährt.
Diese von dem Bundesverwaltungsgericht zum BSHG entwickelten Grundsätze gelten auch für Leistungen nach dem SGB II. Hier wie dort handelt es sich um steuerfinanzierte Fürsorgesysteme zur Sicherung des Existenzminimums. Für die beiden Leistungssysteme lassen sich im Grundsatz dieselben Strukturprinzipien feststellen. Der Senat folgt deshalb den Ausführungen des Bundessozialgerichts, wonach eine strukturelle Unterscheidung zwischen SGB II und SGB XII nicht gerechtfertigt ist (BSG NDV-RD 2007, 29). Dies rechtfertigt es, der Rechtssprechung zum SGB II auch weitgehend die bisherigen Strukturprinzipien des (früheren) Sozialhilferechtes zu Grunde zu legen.
Im Falle der von der Klägerin behaupteten Bedarfslage ist festzustellen, dass diese - unterstellte - Bedarfslage jetzt nicht mehr besteht. Es handelt sich bei dem durch die Bekleidungsbeihilfe zu deckenden Bedarf um einen punktuellen, zeitlich fixierten Bedarf, welcher in einer akuten Situation besteht und nur in dieser Situation gedeckt werden kann. Soweit er nicht gedeckt wird, erledigt sich dieser Bedarf durch Zeitablauf und kann nicht nachträglich gedeckt werden. Denn die akute Notlage ist überwunden, die Sozialhilfe kann ihren Zweck nicht mehr erfüllen.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der grundgesetzlichen Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes. Bereits das Bundesverwaltungsgericht hat vom Grundsatz "Keine Sozialhilfe für die Vergangenheit" eine Reihe von Ausnahmen gemacht. Denn würde dieser Grundsatz als materiell-rechtliches Prinzip uneingeschränkt gelten, wäre der Anspruch auf Sozialhilfe in vielen Fällen allein wegen des eingetretenen Zeitablaufs nicht mehr durchsetzbar. Allein die rechtswidrige Weigerung des Sozialhilfeträgers, eine benötigte Hilfe zu gewähren, würde zum Untergang des Anspruchs führen. Andererseits darf die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittene Leistung nicht zu einer bloßen Entschädigung für erlittenes Unrecht werden (BVerwGE 26, 217, 220). Hierin zeigt sich, dass der Anspruch auf Sozialhilfe sowie das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz in einem Spannungsverhältnis zu dem Strukturprinzip der Sozialhilfe als konkrete, gegenwartsbezogene Notlagenhilfe steht. Aus diesem Grunde ist wie folgt zu differenzieren:
Der Grundsatz "keine Hilfe für die Vergangenheit" wird nicht berührt, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch immer die anfängliche Notlage als gegenwärtige gegeben ist. Um eine solche handelt es sich jedoch vorliegend nicht, denn die Klägerin macht eine Notlage geltend, für deren Abwendung es auf einen bestimmten Zeitpunkt ankam, nämlich den Moment, zu welchem sie festgestellt hatte, dass infolge des vorgetragenen Gewichtsverlustes keine brauchbare Kleidung zur Verfügung stand. Aufgrund des Antragszeitpunktes ist davon auszugehen, dass dieser Zeitpunkt auf den Monat Oktober 2007 zu fixieren ist (vgl. oben). Sie hat jedoch noch nicht einmal vorgetragen und es ist auch nicht den Akten zu entnehmen, dass diese Notlage jetzt (mehr als zwei Jahre nach dem genannten Zeitpunkt) noch fortbesteht. Zudem hat sie auf Nachfrage des Senats, welche Konfektionsgröße sie zur Zeit benötigt, keine Erklärung abgegeben. Es handelte sich deshalb zur Überzeugung des Gerichts um eine zeitpunktbezogene Notlage, die durch Zeitablauf zwangsläufig in die Vergangenheit geriet und die nicht nachträglich gedeckt werden kann. Der damalige – unterstellte – Bedarf kann jetzt nicht mehr abgewendet werden.
In diesen Fällen eines zeitlich erledigten punktuellen Bedarfes ist es aus Gründen der Effektivität der Gewährung des Anspruchs auf Hilfe und der Effektivität des Rechtsschutzes nur dann für den Anspruch unschädlich, wenn der Hilfesuchende den Bedarf mit Hilfe Dritter oder unter Einsatz "eigener" Geldmittel selbst deckt, sofern ein Abwarten auf die Entscheidung nicht mehr zumutbar ist und der Hilfebedürftige zu diesem Zeitpunkt noch alle materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Hilfegewährung erfüllt hätte (BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, Az.: B 9b SO 5/06 R, zitiert nach Juris-Datenbank). Der Wegfall der Notlage ist in diesen Fällen also nicht anspruchsvernichtend, so dass Hilfe für die Vergangenheit zu leisten ist. Der Hilfebedürftige besitzt daher einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen, die infolge der eigenen Bedarfsdeckung entstanden sind. (vgl. hierzu Grube in Grube/Wahrendorf, a.a.O., Einl. Rn. 131 ff.).
Eine eigene Bedarfsdeckung unter Einsatz eigener Geldmittel oder Inanspruchnahme von Krediten oder von Hilfe Dritter hat die Klägerin jedoch trotz Nachfrage durch das Gericht nicht vorgetragen. Ein Anspruch gegen den Beklagten besteht damit nicht, denn an die Stelle des - unterstellten- ursprünglichen Bedarfs ist keine vergleichbare Belastung als Surrogat getreten (vergleiche BSG, Urteil vom 29. September 2009, B 8 SO 16/08 R, a.a.O.).
Der geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Bekleidung ergibt sich schließlich auch nicht aus § 73 SGB XII. Der Anspruch aus § 73 SGB XII richtet sich gegen den Beigeladenen als zuständigen Träger der Sozialhilfe, wobei eine Verurteilung gem. § 75 Abs. 5 SGG grundsätzlich möglich wäre. Indessen sind die Voraussetzungen des § 73 SGB XII nicht erfüllt. Nach § 73 Satz 1 SGB XII können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Bei dieser Vorschrift handelt es sich jedoch nicht um eine Auffangvorschrift für Leistungsempfänger nach dem SGB II im System des SGB II und SGB XII (vergleiche Grube/Warendorf, a. a. O., § 73 Rn. 3). Daher ist eine atypische Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist, notwendig (vergleiche BSG, Urteil vom 25. Juni 2008, Az.: B 11b AS 19/09 R, zitiert nach Juris-Datenbank). Es muss sich dabei um eine besondere atypische Bedarfslage, unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechte, handeln. Diese Besondere Bedarfslage muss eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellen, ohne dabei zu einer allgemeinen Auffangnorm zu mutieren (BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 14/06, zitiert nach Juris-Datenbank). Eine atypische Bedarfslage ist unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles zu verneinen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
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