S 12 KA 639/09

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 639/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 14/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die KV Hessen ist zur nachträglichen sachlich-rechnerischen Berichtigung des Ausgleichsbetrags nach Ziff. 7.5 HVV berechtigt. Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen nicht entgegen.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Berichtigung des Honorarbescheids für das Quartal III/06 und hierbei ausschließlich um eine Rückforderung des Auffüllbetrages in Höhe von 6.627,78 EUR abzüglich Verwaltungskosten aufgrund der Regelung nach Ziff. 7.5 des Honorarverteilungsvertrags.

Der Kläger ist als Facharzt für Orthopädie mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Die Beklagte setzte mit Honorarbescheid vom 17.03.2007 für das Quartal III/06 das Honorar des Klägers auf netto 34.842,36 EUR fest. Auf den Primär- und Ersatzkassenbereich entfielen bei 896 Behandlungsfällen brutto 34.984,60 EUR. Im Rahmen der Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV betrug der Referenzfallwert 40,6976 EUR, der aktuelle Fallwert 31,2115 EUR und der Auffüllbetrag pro Fall 7,3971 EUR. Dies führte bei 896 Fällen zu einem Ausgleichsbetrag in Höhe von 6.627,78 EUR.

Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 17.03.2008 eine Überprüfung der Regelung nach Ziffer 7.5 Honorarverteilungsvertrag für das Quartal III/06 (sog. Ausgleichsregelung) vor und setzte eine Rückforderung des Auffüllbetrages in Höhe von 6.627,78 EUR abzüglich Verwaltungskosten fest. Zur Begründung führte sie aus, bei einer Fallwertminderung von mehr als 15% sei eine Überprüfung der Ursachen nach dem Honorarverteilungsvertrag im Einzelfall vorgeschrieben. Sie habe bereits in den jeweiligen Begleitschreiben zu den Honorarunterlagen der Quartalen II/05 bis II/06 beziehungsweise der Anmerkung auf dem Nachweisbogen zur Ausgleichsregelung in den Quartalen ab III/06 daraufhingewiesen, dass für den Fall, dass die Fallwertminderungen mehr als 15% im aktuellen Quartal gegenüber dem Reverenzquartal betrage, die geleisteten Zahlungen im Rahmen der so genannten Ausgleichsregelung unter dem Vorbehalt einer einzelfallbezogenen Prüfung stünden. Sie habe festgestellt, dass im aktuellen Quartal gegenüber dem Ausgangsquartal im Bereich der diagnostischen und therapeutischen orthopädischen Leistungen keine Zusatzpauschalen für die Behandlung/Diagnostik für Erkrankungen des Stützt- und Bewegungsapparates beziehungsweise von degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule (Nr. 18311, 18331 EBM 2005) mehr abgerechnet worden seien. Eine Vergleichbarkeit der Leistungsspektren der genannten Quartale sei aufgrund dieses Sachverhalts nicht mehr gegeben. Die Bedingungen, um an der Ausgleichsregelung teilzunehmen, würden somit in dem Quartal III/06 nicht erfüllt werden.

Hiergegen legte die Klägerin am 12.4.2008 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, der Honorarverteilungsvertrag entspreche nicht den Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V, ebenso wenig wie den Vorgaben des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004. Er verweise insoweit auf das Urteil des SG Stuttgart vom 27.02.2008 – S 5 KA 2804/06 -, das inzwischen vom Landessozialgericht Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 29.10.2008 – L 5 KA 2054/08 - bestätigt worden sei. Der Honorarvertrag sehe nicht die von § 85 Abs. 4 S. 7 geforderten arztgruppenspezifischen Grenzwerte vor. Es fehle auch an einer Restleistungsvergütungregelung für von verschiedenen Töpfen nicht umfasste sonstige Leistungen. Lediglich in Ziffer 7.3 finde sich eine Regelung, wie Nachzahlungen für bereits abgerechnete Quartalen verteilt werden sollten. Da der Honorarverteilungsvertrag der Beklagten, der dem Rückforderungsverlangen zu Grunde liege, rechtswidrig sei, könne der geltend gemachte Rückforderungsanspruch nicht auf dessen Ziffer 7 Nr. 5 gestützt werden.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2009 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie darin aus, sie habe die Vorgaben des Bewertungsausschusses in dem Honorarverteilungsvertrag umgesetzt. Gemäß Ziffer 7.5.1 Honorarverteilungsvertrag könne zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen die im HVV vorgesehene Regelung zur Vermeidung von Fallwertverlusten zur Anwendung kommen. Insoweit werde nach Vorlage des Abrechnungsergebnisses im aktuellen Quartal eine fallbezogene Überprüfung, soweit es sich um Leistungen nach dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung handele, im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal vorgenommen. Weiche der Fallwert dabei um mehr als 5% nach oben oder nach unten ab, könne ein Ausgleich im Sinne der Auffüllung bei Abweichungen von mehr als 5% nach unten (bis zu einer Differenz von 5%) beziehungsweise alternativ einer Kappung des Fallwertzuwachses bei einem Wachstum von mehr als 5% nach oben erfolgen. Ein Ausgleich von Fallwertminderungen erfolge grundsätzlich nur auf Basis vergleichbarer Praxisstrukturen. Ein Ausgleich sei auch dann ausgeschlossen, wenn im aktuellen Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal erkennbar (ausgewählte) Leistungsbereiche nicht mehr erbracht würden oder sich das Leistungsspektrum der Praxis u. a. aufgrund Änderung einer personellen Zusammensetzung der Praxis, verändert habe. Er sei des Weiteren ausgeschlossen, wenn sich die Kooperationsform der Praxis entsprechend Ziffer 5.2 g) HVV im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal geändert habe. Betrage die Fallwertminderung mehr als 15%, sei eine auf die einzelne Praxis bezogene Prüfung im Hinblick auf diese Kriterien durchzuführen, bevor eine Ausgleichszahlung erfolge. Ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15% müssten vollständig ihre Ursache in der Einführung des EBM 2005 haben. Bei dem Kläger liege eine Änderung des Leistungsspektrums vor, da die Leistungen nach Nr. 18311 und 18331 EBM 2005 im Quartal III/06 von ihm nicht mehr erbracht worden seien. Dies entspreche einem Anteil am Gesamtpunktzahlvolumen von 14,6%. Daneben sei der Fallwertverlust auch auf die Reduzierung von diversen anderen Leistungen zurückzuführen. So seien Briefe (Nr. 01601 EBM 2005) im Ausgangsquartal III/05 709-mal, im aktuellen Quartal III/06 214-mal abgerechnet worden. Damit habe sich die Anzahl der abgerechneten Briefe im Quartal III/06 im Vergleich zum Ausgangsquartal um 70% verringert. Dies stelle einen Anteil am Gesamtpunktzahlvolumen von 5,8% dar. Des Weiteren sei ein Rückgang im Leistungsbereich der konventionellen Radiologie zu verzeichnen. So habe der Kläger im Quartal III/05 82-mal Leistungen der konventionellen Radiologie abgerechnet, im Quartal III/06 dagegen lediglich 15-mal. Dies entspreche einem Rückgang von 82%. Aufgrund dieses Sachverhalts seien die Voraussetzungen zur Teilnahme an der so genannten Ausgangsregelung nicht erfüllt.

Hiergegen hat der Kläger am 03.09.2009 die Klage erhoben. Er trägt vor, zur Begründung beziehe er sich auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29.04.2009 – L 4 KA 80/08 -. Danach verstoße die in Ziffer 7.5 HVV geregelte Befugnis zur Honorarkürzung gegen die zwingenden Vorgaben des Bewertungsausschusses. Im Übrigen verhalte sich die Beklagte widersprüchlich. Sie hätte vor der Vornahme einer Ausgleichszahlung eine auf die einzelne Praxis bezogene Prüfung vornehmen müssen. Die Beklagte habe diese Überprüfung augenscheinlich unterlassen und ungeprüft eine Zahlung an ihn veranlasst. Diese Umstände könnten nicht zu seinen Lasten gehen. Er habe darauf vertrauen dürfen, den nunmehr zurückgeforderten Betrag behalten zu dürfen. Die Beklagte verhalte sich widersprüchlich und damit treuwidrig.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 17.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Ein, wie vom Kläger vorgeschlagen, Ruhen des Verfahrens komme für sie nicht in Betracht. Gegenstand des vom Kläger angeführten Revisionsverfahrens sei ausschließlich die Frage, inwieweit die Beklagte befugt sei, Honorarkürzungen nach Ziffer 7.5 HVV vorzunehmen. Nicht Gegenstand dieses Verfahrens sei dagegen die Frage, inwieweit die Gewährung von Ausgleichsbeträgen im Rahmen der Ziffer 7.5 HVV rechtmäßig sei. In dem hier streitgegenständlichen Verfahren gehe es um die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Beklagten vom 17.03.2008, mit dem von dem Kläger der ursprünglich im Quartal III/06 gewährte Ausgleichsbetrag in Höhe von 6.627,78 EUR vollständig abzüglich Verwaltungskosten zurückgefordert worden sei. Damit sei streitgegenständlichen hier nicht eine unmittelbare Honorarkürzungen nach Ziffer 7.5 HVV, sondern eine Rückforderung des nach Ziffer 7.5 HVV gewährten Ausgleichsbetrages. Sie verweise auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Psychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 17.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2009 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben.

Die Beklagte hat eine sachlich-rechnerische Berichtigung vorgenommen (so bereits SG Marburg, Gerichtsbescheid vom 31.03.2009 - S 12 KA 303/08 verbunden mit S 12 KA 303/08 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 40/09 -).

Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen.

Vorrangiges Anwendungsfeld der Berichtigungsbefugnis einer KV sind Fehler aus der Sphäre des Vertragsarztes. Die Berichtigungsbefugnis ist jedoch nicht auf derartige Konstellationen beschränkt. Die bundesmantelvertraglichen Vorschriften berechtigen die KV vielmehr generell zur Rücknahme rechtswidriger Honorarbescheide; die einzige tatbestandliche Voraussetzung für das Berichtigungsrecht der KV ist schon nach dem Wortlaut der Vorschriften die Unrichtigkeit des Honorarbescheides. Die Regelungen differenzieren nicht danach, in wessen Verantwortungsbereich die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt. Ein Fehler der sachlich-rechnerischen Richtigkeit des Honorarbescheides und damit seine Unrichtigkeit im Sinne der genannten Vorschriften ist daher auch gegeben, wenn diese auf Gründen beruht, die nicht dem Verantwortungsbereich des Vertragsarztes zuzurechnen sind (vgl. BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 11 = BSGE 93, 69 = SGb 2004, 474 = GesR 2004, 522 = MedR 2005, 52 = NZS 2005, 549 = USK 2004-124, juris Rdnr. 19).

Der ursprüngliche Honorarbescheid für das Quartal III/06 war rechtswidrig, soweit die Beklagte die sog. Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den Verbänden der Krankenkassen zur Honorarverteilung für die Quartale 2/2005 bis 4/2005, bekannt gemacht als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 10.11.2005 (HVV), die insoweit bis zum Quartal I/07 fortgeführt wurde, angewandt hat.

Im Einzelnen bestimmt Ziffer 7.5 HVV:

7.5.1 Zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000plus erfolgt nach Feststellung der Punktwerte und Quoten gemäß Ziffer 7.2 ein Vergleich des für das aktuelle Abrechnungsquartal berechneten fallbezogenen Honoraranspruches (Fallwert in EUR) der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung in EUR im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2004 ausschließlich beschränkt auf Leistungen, die dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung unterliegen und mit Ausnahme der zeitbezogenen genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen. Bei der Ermittlung des Fallwertes bleiben Fälle, die gemäß Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.1 zur Honorierung kommen, unberücksichtigt. Zeigt der Fallwertvergleich eine Fallwertminderung oder Fallwerterhöhung von jeweils mehr als 5% (bezogen auf den Ausgangswert des Jahres 2004), so erfolgt eine Begrenzung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5%. Die für eine Stützung bei Fallwertminderungen – Einzelheiten siehe Ziffer 7.5.2 – notwendigen Honoraranteile gehen zu Lasten der jeweiligen Honorar(unter)gruppe, der die Praxis im aktuellen Quartal zugeordnet ist, und sind gegebenenfalls durch weitergehende Quotierung der Bewertungen bzw. Punktwerte zu generieren, falls die aus der Begrenzung der Fallwerte auf einen Zuwachs von 5% resultierende Honoraranteile hierfür nicht ausreichend sein sollten. Sollte durch eine solche Quotierung die Fallwertminderung (wieder) auf einen Wert oberhalb von 5% steigen, führt dies zu keinem weitergehenden Ausgleich.

7.5.2 Ein Ausgleich von Fallwertminderungen bis zur Grenze von 5% erfolgt grundsätzlich auf der Basis vergleichbarer Praxisstrukturen und maximal bis zu der Fallzahl, die im entsprechenden Quartal des Jahres 2004 zur Abrechnung gekommen ist. Ein Ausgleich ist in diesem Sinne u. a. dann ausgeschlossen, wenn im aktuellen Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal erkennbar (ausgewählte) Leistungsbereiche nicht mehr erbracht wurden oder sich das Leistungsspektrum der Praxis, u. a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung der Praxis, verändert hat. Er ist des weiteren ausgeschlossen, wenn sich die Kooperationsform der Praxis entsprechend Ziffer 5.2 Buchstabe g) im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal geändert hat. Beträgt die Fallwertminderung mehr als 15%, ist eine auf die einzelne Praxis bezogene Prüfung im Hinblick auf vorstehend aufgeführte Kriterien durchzuführen, bevor eine Ausgleichszahlung erfolgt. Ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15% müssen vollständig ihre Ursache in der Einführung des EBM 2000plus haben.

7.5.3 Die vorstehende Ausgleichsvorschrift steht im Übrigen unter dem Vorbehalt, dass von Seiten der Verbände der Krankenkassen mindestens eine gegenüber dem Ausgangsquartal vergleichbare budgetierte Gesamtvergütungszahlung geleistet wird und die aufgrund der Beschlussfassung des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 vorzunehmenden Honorarverschiebungen nach Abschluss des Abrechnungsquartals – siehe Ziffer 2.5 der Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.2 – noch ein ausreichendes Honorarvolumen für diese Maßnahme in der einzelnen Honorar(unter)gruppe belassen.

Nach der Rechtsprechung des LSG Hessen, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, ist Ziffer 7.5 HVV grundsätzlich rechtmäßig, soweit sie im Sinne einer Härtefallregelung zur Begünstigung eines Vertragsarztes führt (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 04.11.2009 – L 4 KA 99/08 –; LSG Hessen, Urt. v. 11.02.2009 – L 4 KA 82/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris). Lediglich soweit die sog. Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV bei Überschreiten des Fallwerts des Vorjahresquartals von mehr als 5 % u. U. zu einer Honorarkürzung führt, ist die Regelung zu beanstanden (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 29.04.2009 – L 4 KA 80/08 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision anhängig: BSG - B 6 KA 16/09 R –; LSG Hessen, Urt. v. 24.06.2009 – L 4 KA 110/08 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision anhängig: BSG - B 6 KA 26/09 R -; LSG Hessen, Urt. v. 24.06.2009 – L 4 KA 85 u. 86/08 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision anhängig: BSG - B 6 KA 27/09 R bzw. B 6 KA 28/09 R -). Ziffer 7.5 HVV ist ferner rechtswidrig, soweit er junge Praxen, die erst mit oder nach Inkrafttreten des EBM 2005 gegründet wurden, mangels Referenzquartal nicht an der Ausgleichsregelung hat teilnehmen lassen (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 26.11.2008 – L 4 KA 14/08 – Revision zurückgewiesen durch BSG, Urt. v. 03.02.2010 - B 6 KA 1/09 R -, zitiert nach Terminbericht Nr. 5/10 v. 04.02.2010; LSG Hessen, Urt. v. 29.04.2009– L 4 KA 76/08 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision anhängig: BSG - B 6 KA 17/09 R -).

Danach war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, Ziff. 7.5 HVV im Sinne einer begünstigenden Regelung anzuwenden. Die Beklagte hat aber, was gerichtsbekannt ist, nicht nur im Falle des Klägers bei Erlass des Honorarbescheids Ziff. 7.5 HVV lediglich schematisch angewandt, ohne in die von Ziff. 7.5 HVV gebotene Einzelfallprüfung bei Überschreiten der 15 %-Grenze einzutreten. Nach Ziff. 7.5.2 Satz 4 und 5 HVV ist, wenn die Fallwertminderung mehr als 15%, beträgt, eine auf die einzelne Praxis bezogene Prüfung im Hinblick auf vorstehend aufgeführte Kriterien durchzuführen, bevor eine Ausgleichszahlung erfolgt. Dabei müssen ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15% vollständig ihre Ursache in der Einführung des EBM 2005 haben. Als maßgebliche Kriterien nennt Ziff. 7.5.2 Satz 1 bis 3 HVV vergleichbare Praxisstrukturen; ausgeschlossen ist ein Ausgleich bei Nichterbringung (ausgewählter) Leistungsbereiche oder Veränderung des Leistungsspektrums der Praxis, u. a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung der Praxis sowie der Kooperationsform der Praxis entsprechend Ziff. 5.2 Buchstabe g). Ziff. 5.2.1 Buchstabe g) HVV nennt u. a. den Wechsel von der Praxisgemeinschaft zur Gemeinschaftspraxis und umgekehrt.

Die Kammer hält diese Regelung, soweit bisher die Regelung nach Ziff. 7.5 HVV als zulässig angesehen wurde, ebf. für zulässig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen tragen dafür Sorge, dass nur EBM-bedingte, nicht aber solche Honorarverluste, für die der Vertragsarzt die Verantwortung selbst zu tragen hat, ausgeglichen werden. Der aktuelle Fallwert und der Fallwert des Vorjahresquartals müssen miteinander vergleichbar sein. Bei verändertem Leistungsspektrum der Praxis ist dies nicht mehr der Fall. Ebenso können veränderte Kooperationsformen eine Vergleichbarkeit ausschließen. Gleiches gilt für veränderte Berechnung des Honorars durch Einschließung oder Ausschließung von Vergütungsanteilen, insbesondere sog. extrabudgetären Leistungen, im Vergleich zum Vorjahresquartal. Im Gegensatz zu der von den Sozialgerichten beanstandeten Honorarkürzungen nach Ziff. 7.5.1 Satz 3 HVV wird nicht das regulär nach dem HVV zustehende Honorar gekürzt, sondern erfolgt lediglich eine genauere Ursachenforschung und Berechnung der den Vertragsarzt begünstigenden Ausgleichsregelung. Die Regelung zur Beschränkung der Ausgleichsregelung ist damit
selbst unmittelbarer Teil der Ausgleichsregelung im Sinne einer Härteregelung. Ihr Inhalt ist aus den genannten Gründen nicht zu beanstanden und ist vom Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien des HVV gedeckt.

Von daher war der Auffassung des Klägers nicht zu folgen, die in Ziffer 7.5 HVV geregelte Befugnis zur Honorarkürzung verstoße gegen die zwingenden Vorgaben des Bewertungsausschusses.

Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Berichtigungsbescheid die ursprünglich fehlerhafte Festsetzung des Ausgleichsbetrags zutreffend korrigiert. Sie hat im Einzelnen im angefochtenen Widerspruchsbescheid dargelegt, dass bei dem Kläger eine Änderung des Leistungsspektrums eingetreten ist, da die Leistungen nach Nr. 18311 und 18331 EBM 2005 im Quartal III/06 von ihm nicht mehr erbracht wurden und diverse andere Leistungen (Briefe, Nr. 01601 EBM 2005 und konventionelle Radiologie) wesentlich weniger abgerechnet wurden. Dieser Feststellung und der Berechnung des Berichtigungsbetrags ist der Kläger weder im Widerspruchs- noch Gerichtsverfahren entgegengetreten. Ein fehlerhaftes Vorgehen vermochte auch die Kammer nicht zu erkennen.

Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen der Berichtigung nicht entgegen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die umfassende Berichtigungsbefugnis der KV, die den Besonderheiten und Erfordernissen der Honorarverteilung Rechnung trägt, im Hinblick auf den gebotenen Vertrauensschutz der Vertragsärzte zu begrenzen. Das gilt sowohl für Unrichtigkeiten, die ihre Ursache in der Sphäre des Vertragsarztes finden, wie auch bei solchen, die auf Fehlern bei den generellen Grundlagen der Honorarverteilung, insbesondere der Unwirksamkeit der ihr zu Grunde liegenden Vorschriften, beruhen. Insbesondere im letztgenannten Fall müssen die Interessen des einzelnen Arztes an der Kalkulierbarkeit seiner Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit einerseits und die Angewiesenheit der KV auf die Weitergabe nachträglicher Änderungen der rechtlichen Grundlagen der Honorarverteilung an alle Vertragsärzte andererseits zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht werden (vgl. BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R -, aaO., Rdnr. 21). Die Befugnis der KV zur nachträglichen Honorarberichtigung auf der Grundlage der bundesmantelvertraglichen Vorschriften endet nicht nur mit dem Ablauf der dazu vorgesehenen Fristen, sondern auch dann, wenn die KV eine sachlich-rechnerische Berichtigung durchgeführt und diese auf Rechtsbehelfe des Vertragsarztes hin ohne jegliche Einschränkung rückgängig gemacht hat. In diesem Fall wird die jedem Honorarbescheid innewohnende Vorläufigkeit im Verhältnis zum Vertragsarzt insoweit aufgehoben, und die KV kann einen Honorarbescheid wegen anfänglicher Fehlerhaftigkeit nur noch unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zurücknehmen. Unabhängig davon hat das Bundessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen das Vertrauen des Vertragsarztes auf die Rechtmäßigkeit einer bestimmten Abrechnungsweise gegenüber rückwirkenden Bescheidkorrekturen im Zusammenhang mit der Erbringung fachfremder Leistungen für schutzwürdig gehalten (vgl. BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R -, aaO., Rdnr. 27). Soweit die anfängliche Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides auf Fehlern bei den generellen Grundlagen der Honorarverteilung beruht, wird der Vertrauensschutz des Arztes durch die Grundsätze über die Anbringung von Vorläufigkeitshinweisen und deren inhaltliche und umfangmäßige Begrenzung realisiert (vgl. BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R -, aaO., Rdnr. 28) (BSGE 89, 62, 72 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 42 S 352). In der Konstellation einer individuell fehlerhaften Rechtsanwendung der KV bei Erlass des ursprünglichen Honorarbescheides können Honorarberichtigungen nach den einschlägigen bundesmantelvertraglichen Vorschriften über die nachträgliche Korrektur von anfänglich rechtswidrigen Honorarbescheiden durchgeführt werden, im Rahmen des Berichtigungsverfahrens sind aber die speziellen Vertrauensschutztatbestände des § 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 SGB X entsprechend heranzuziehen (vgl. zur Begründung im Einzelnen BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R -, aaO., Rdnr. 30-36).

Es kann hier letztlich dahinstehen, ob die speziellen Vertrauensschutztatbestände des § 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 SGB X entsprechend heranzuziehen sind. Danach entfällt Vertrauen u. a. dann, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).

Jedenfalls kann dann kein Vertrauen auf den Bestand oder Teile des Honorarbescheids bestehen, wenn der Vertragsarzt ausdrücklich unter Nennung der Gründe auf die Vorläufigkeit der Festsetzung hingewiesen wird.

Eine schnelle und möglichst umfassende Auskehrung der für die Honorarverteilung zur Verfügung stehenden Beträge entspricht vor allem auch der Interessenlage der Vertragsärzte; denn sie sind zum einen – insbesondere wegen der Bestreitung der Praxiskosten - regelmäßig auf eine möglichst kurze Zeitspanne zwischen Leistungserbringung und Leistungshonorierung angewiesen. Zum anderen widerspräche die Zahlung lediglich von Abschlägen auf das voraussichtliche Quartalshonorar über einen längeren Zeitraum hinweg dem berechtigten Interesse der Ärzte an einer Kalkulierbarkeit ihrer Einnahmen (vgl. BSG, Urt. v. 31.10.2001 - B 6 KA 16/00 R -, SozR 3-2500 § 85 Nr. 42 = BSGE 89, 62 = Breith 2002, 392 = NZS 2002, 552 = USK 2001-216, juris Rdnr. 26). Im Hinblick auf den Aufwand der Einzelfallprüfung zahlreicher Bescheide, die wegen des Rückkoppelungseffekts auf den Punktwert dann vor Erlass sämtlicher Honorarbescheide hätte durchgeführt werden müssen, hätte dies zu – weiteren – erheblichen Verzögerung der Honorarbescheide geführt. Auch begrenzt auf die lediglich betroffenen Ärzte, hätte dies bei diesen zu einer erheblichen Verzögerung geführt. Insofern war die Ausgangslage hier, da sie die gesamte Honorarbescheidung betraf, vergleichbar mit Fehlern bei den generellen Grundlagen der Honorarverteilung.

Die Beklagte hat aber von Anfang an, das heißt seit Geltung der Regelung nach Ziff. 7.5 HVV, die Vertragsärzte ausdrücklich auf die nachträgliche Überprüfung hingewiesen. In den Quartalen II/05 bis II/06 hat sie in Begleitschreiben zu den Honorarbescheiden jeweils darauf hingewiesen, dass sie die Überprüfung aufgrund der 15 %-Regelung erst nachträglich vornehmen werde. Ab dem Quartal III/06 hat sie an den mit "Nachweis zur Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5 des Honorarverteilungsvertrages" überschrieben Teil des Honorarbescheids den "Hinweis" angefügt: "Honorarzahlungen aus der sog. ‚Ausgleichsregelung’ stehen ausschließlich bei den Praxen bzw. MVZ unter einem Vorbehalt, bei denen (vor Durchführung der sog. ‚Ausgleichsregelung’) die Fallwertminderung mehr als 15 % beträgt."

Die Beklagte war auch berechtigt, die Berichtigung nachträglich vorzunehmen. Insofern steht der nachträglichen Berichtigung auch nicht Ziff. 7.5.2 Satz 4 HVV entgegen. Zwar soll danach die Prüfung erfolgen, "bevor eine Ausgleichszahlung erfolgt". Der Sinn der Regelung liegt insbesondere im Rückkoppelungseffekt auf den Punktwert bei einer fehlerhaften Festsetzung, da im Regelfall der Ausgleichsbetrag dem Honorartopf der Fachgruppe zu entnehmen ist und so zu einer Senkung des Punktwertes führt. Nur mittelbar dient diese Vorschrift dem Schutz des einzelnen Vertragsarztes. Im Übrigen kann davon ausgegangen werden, dass der Vertragsarzt wenigstens im Ansatz die Veränderungen der Leistungsstruktur oder die Einschließung oder Ausschließung von Vergütungsanteilen bei der Berechnung der zu vergleichenden Fallwerte kennt.

Von daher kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen nach Ziff. 7.5.3 HVV vorlagen. Danach steht die Ausgleichsvorschrift insb. unter dem Vorbehalt, dass eine gegenüber dem Ausgangsquartal vergleichbare budgetierte Gesamtvergütungszahlung geleistet wird. Danach ist nicht maßgeblich, dass zum Zeitpunkt der Honorarfestsetzung bereits der Umfang der Gesamtvergütung feststeht, sondern nur die letztlich gezahlte Höhe. Diese Regelung trifft insofern Vorsorge im Sinne eines "Wegfalls der Geschäftsgrundlage", nämlich für den Fall, dass die erwartete Gesamtvergütung geringer ausfällt und von daher die Ausgleichsregelung nicht als finanzierbar angesehen wird. Für diesen Fall sieht Ziff. 7.5.3 HVV eine Neuberechnung vor. Dies betrifft aber alle Honorarbescheide mit begünstigenden Ausgleichszahlungen und nicht lediglich Ausgleichszahlungen bei Fallwertverlusten mit 15 % oder mehr. Im Übrigen ist von der Beklagten auch nicht vorgetragen worden, dass Gesamtvergütungszahlung hinter dem Vorjahresquartal zurückgeblieben sei.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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