L 8 SO 10/09 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 10 SO 37/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 10/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Mietschulden - besondere Lebensverhältnisse - Gegenwärtigkeitsprüfung
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 4. März 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau, das ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein erstinstanzlich betriebenes Klageverfahren abgelehnt hat. In der Sache begehrt sie die Übernahme von Miet- und Energieschulden für vier Monate sowie die Kosten der Wohnungsberäumung.

Für die am ... 1978 geborene Klägerin ist mit Bestellungsurkunde vom 24. April 2006 des Amtsgerichts Bitterfeld die Berufsbetreuerin S. St. für die Aufgabenkreise Einwilligung in ärztliche Heilmaßnahmen, Vermögenssorge sowie Regelung von Behörden- und Gerichtsangelegenheiten - ohne Einwilligungsvorbehalt - bestimmt worden. Die Klägerin bezog bis zum 31. Oktober 2007 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Sie bewohnte ab dem 16. Januar 1997 eine 38,45 m² große Wohnung in B.-W., für die zuletzt eine Gesamtmiete von 242,44 EUR/Monat und ein Abschlag für die Stromversorgung i.H.v. 26,00 EUR/Monat zu entrichten waren. Die Klägerin trat am 15. Oktober 2007 eine Haftstrafe an, die bis zum 14. Oktober 2009 dauern sollte. Die Betreuerin der Klägerin kündigte daraufhin unter dem 20. November 2007 das Mietverhältnis zum 29. Februar 2008.

Am 15. November 2007 beantragte die Betreuerin der Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Mietkosten sowie der Energiekosten bis zur Kündigung der Wohnung. Des Weiteren machte sie auch Beräumungskosten geltend, welche sie bislang nicht beziffert hat. Zur Begründung gab sie an, die bis zur wirksamen Kündigung des Mietvertrags entstandenen Mietschulden stünden der späteren Wiederbeschaffung einer Wohnung entgegen. Es bestehe daher ein Anspruch auf Leistungen zur Überwindung von sozialen Schwierigkeiten nach § 67, 68 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII).

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 14. Januar 2008 ab. Ein Anspruch auf Hilfen zum Erhalt der Wohnung gemäß § 68 SGB XII bestehe, wenn dies wirtschaftlich sinnvoll und vertretbar sei. Dies sei bei einer Haftdauer von bis zu sechs Monaten anzunehmen. Hier lägen keine Hinweise auf eine Verkürzung der auf zwei Jahre angesetzten Haftzeit vor. Mit der Kündigung sei die Notwendigkeit der Sicherung des Wohnraums entfallen. Die begehrte Übernahme von Energieschulden sei schon deshalb ausgeschlossen, da diese nicht zu den Unterkunftskosten gehörten.

Dagegen legte die Klägerin fristgerecht Widerspruch ein. Die beantragte Hilfe richte sich auf die Überwindung einer sozialen Schwierigkeit infolge der rechtmäßigen Wohnungsauflösung. Sie könne aus eigenen Mitteln die Mietschulden nicht übernehmen. Die Wiedereingliederung nach der Haftentlassung wäre sehr erschwert.

Nachdem sich die Klägerin vom 27. Februar bis 15. April 2008 in stationärer Behandlung befunden hatte, wurde wegen Haftunfähigkeit der Vollzug der Freiheitsstrafe gemäß § 455 Abs. 4 Strafprozessordnung (StPO) bis zum 8. September 2008 unterbrochen (Schreiben der Staatsanwaltschaft D. –R. vom 10. März und 16. April 2008). Daraufhin wurde die Klägerin ab dem 17. April 2008 in eine Notunterkunft der Stadt B.-W. eingewiesen. Sie erhielt ab dem 25. April 2008 - nach einem vorangegangenen Zuständigkeitsstreit - Leistungen nach dem SGB II. Nach Mitteilung der Beklagten hat ein Feststellungsverfahren nach § 44a SGB II das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit ergeben.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2008 als unbegründet zurück. Ziel von § 67 SGB XII sei die Überwindung sozialer Schwierigkeiten und nicht die Schuldentilgung. Der Einsatz von Sozialhilfe zur Schuldenvermeidung durch die Regulierung der Verbindlichkeiten widerspreche den Strukturprinzipien des Sozialhilferechts. Sozialhilfe werde nur für aktuelle Bedarfslagen erbracht. Die Beklagte habe bei Ihrer Entscheidung kein Ermessen gehabt, da der geltend gemachte Anspruch schon am Fehlen einer Rechtsgrundlage scheitere.

Dagegen hat die Klägerin am 24. Juli 2008 Klage vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Sie ist der Auffassung, Ansprüche nach § 67 SGB XII seien auch präventiv zu gewähren. Jeder Vermieter prüfe das Bestehen alter Mietschulden und verweigere dann einen Vertragsabschluss. Derzeit seien allerdings auch andere Gründe für die Nichtanmietung einer Wohnung mitursächlich; die Haftverschonung werde nur auf Zeit gewährt. Nach der Entlassung aus der Strafhaft werde aber die gleiche Situation vorliegen. Im weiteren Verlauf hat die Klägerin vorgetragen, sie habe die Mietschulden nicht verursacht, da sie die Wohnung wegen des Haftantritts habe kündigen müssen. Die Betreuerin habe auch nicht früher kündigen können, da dies der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedurft habe. Die Zinsansprüche aus den Mietschulden erhöhten sich ständig. Ziel der begehrten Schuldenübernahme sei die Vermeidung künftiger Obdachlosigkeit.

Unter dem 25. Juli 2008 hat die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beantragt.

Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, die begehrte Schuldenregulierung verstoße gegen das Gegenwärtigkeitsprinzip. Nach der Haftentlassung werde - bei bestehender Hilfebedürftigkeit - ein Anspruch auf Beschaffung einer Wohnung nach dem SGB II oder dem SGB XII bestehen. Hier gehe es auch nicht um den Erhalt einer vorhandenen Wohnung. Es sei nicht glaubhaft, dass alle Vermieter den Abschluss eines Mietvertrags wegen alter Mietschulden verweigerten. Eine Schuldenübernahme nach § 34 SGB XII scheide aus, da diese nur zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit gewährt werden könne. Die Schulden seien teilweise selbst verursacht, da die Kündigung zu spät erfolgt sei.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 4. März 2009 mangels Erfolgsaussicht abgelehnt und zunächst auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides verwiesen. Ferner hat es ausgeführt, die Klägerin gehöre grundsätzlich zum Personenkreis nach § 67 SGB XII. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass eine Übernahme der Miet- und Energieschulden notwendig oder auch nur geeignet sei, um die Schwierigkeiten zu mildern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten. Es sei schon ungewiss, wann die Klägerin wieder eine eigene Wohnung beziehen werde. Zwar könnten Leistungen nach den §§ 67, 68 SGB XII grundsätzlich präventiv erbracht werden. Dies gelte aber nur, wenn es zur Abwendung von Schwierigkeiten im Vorfeld notwendig sei; etwa wenn die Maßnahmen der Erhaltung der Wohnung dienten. Die Klägerin habe aber keine zu erhaltende Wohnung und es sei auch nicht ersichtlich, dass sie sich derzeit um die Beschaffung einer neuen Wohnung bemühe. Sollten nach der endgültigen Haftentlassung Schwierigkeiten bei der Beschaffung einer neuen Wohnung auftreten, wäre dem zeitnah durch Übernahme der Energie- und Mietschulden zu begegnen. Allerdings seien mietschuldenbedingte besondere soziale Schwierigkeiten beim Bezug von Leistungen nach dem SGB XII oder dem SGB II nicht zu erwarten, wenn die Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung der Unterkunft und Heizung gegen den Leistungsträger an den Vermieter abgetreten würden.

Gegen den ihr am 11. März 2009 zugegangenen Beschluss hat die Klägerin am 14. April 2009, dem Tag nach Ostermontag, Beschwerde beim Sozialgericht Dessau-Roßlau eingelegt. Sie macht ergänzend zum bisherigen Vorbringen geltend, alle Vermieter forderten heute Auskünfte über die Bonität und das Vorliegen von Mietschulden. Üblicherweise erhielten Interessierte keine neue Wohnung, wenn Miet- oder Energieschulden aus der Vergangenheit bestünden. Im Übrigen widerriefen Leistungsbezieher häufig nach kurzer Zeit die Abtretungserklärungen, was den Vermietern bekannt sei. Das Sozialgericht sei nicht sachverständig für die These, dass Mieter jedenfalls dann eine Wohnung erhielten, wenn sie die Leistungen dafür abträten. Insoweit müsse Beweis durch Zeugenvernehmung von verschiedenen Geschäftsführern/Vorständen von Wohnungsbaugenossenschaften sowie durch Einholung eines marktanalytischen Sachverständigengutachtens erhoben werden.

Die Klägerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 4. März 2009 aufzuheben, ihr für die Durchführung des Klageverfahrens S 10 SO 37/08 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung zu bewilligen und Rechtsanwalt B. aus B. zur Vertretung im Verfahren beizuordnen.

Die Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie führt aus, in der Vergangenheit vielfach Leistungsberechtigten trotz Mietschulden zum Abschluss eines neuen Mietvertrags verholfen zu haben. Besonders kommunale Wohnungsgesellschaften seien bereit, in diesen Fällen nach einer Lösung zu suchen. Günstig wirkten sich direkte Mietzahlungen durch den Leistungsträger an den Vermieter aus. Es widerspreche den Strukturprinzipien des Sozialhilferechts, Sozialhilfe ohne gegenwärtigen sozialhilferechtlichen Hintergrund zum Zwecke der Schuldenregulierung zu gewähren. Außerdem existierten zwei gemeinnützige Organisationen in B., welche die Klägerin bei der Wiederherstellung der Mietfähigkeit unterstützen könnten.

Daraufhin hat die Klägerin erwidert, maßgeblich seien nicht Betrachtungen in der Vergangenheit. Vielmehr müssten die Geschäftsführer der Wohnungsunternehmen zu ihrer aktuellen Geschäftspolitik angehört werden. Die genannten gemeinnützigen Organisationen hätten nicht die Aufgabe, Personen mit Mietschulden finanzierbare Wohnungsmöglichkeiten zu suchen. Wegen der weiteren Einzelheiten des bisherigen Gerichtsverfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegen hat und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist, verwiesen.

II.

1.a. Die Beschwerde der Klägerin ist form- und fristgerecht erhoben gemäß § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Insbesondere ist die Monatsfrist gewahrt. Der angefochtene Beschluss ist der Klägerin am 11. März 2009 zugegangen. Fristablauf wäre gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG der 11. April 2009 gewesen. Da dies jedoch ein Samstag war, endete die Beschwerdefrist gemäß § 64 Abs. 3 SGG am 14. April 2009, dem Tag nach Ostermontag.

b. Die Beschwerde ist auch statthaft. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Beschwerde gegen die Ablehnung von Anträgen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe richtet sich nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO); die Regelungen sind durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) mit Wirkung vom 1. April 2008 durch Einfügung von § 172 Abs. 3 Ziffer 2 SGG modifiziert worden. Seitdem ist die Beschwerde bei einem Wert des Beschwerdegegenstandes über 750,00 EUR nur noch zulässig, wenn Prozesskostenhilfe (auch) wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt worden ist. Dies folgt aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz ZPO. Das Gleiche gilt, wenn wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG im Streit sind. Die Beschwerde ist hingegen ausgeschlossen, wenn das Gericht in diesen Fällen ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint (vgl. zur zutreffenden Begründung ausführlich den Beschluss des 5 Senats vom 20. Februar 2009, L 5 B 305/08 AS und L 5 B 304/08 AS).

Hier ist der Antrag auf Prozesskostenhilfe wegen des Fehlens der hinreichenden Aussicht der Klage auf Erfolg abgelehnt worden. Der Beschwerdewert beträgt auch mehr als 750,00 EUR. Nach der Berechnung der Beklagten handelt es sich bei der geforderten Schuldenübernahme für Mietschulden sowie der Stromabschlagszahlungen in der Zeit von November 2007 bis Februar 2008 um einen Betrag von 1.073,76 EUR. Der Senat kann daher offen lassen, welcher wirtschaftliche Wert den - bislang nicht bezifferten - Räumungskosten zukommt.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg der Klage abgelehnt hat.

Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 115 ZPO für die Prozessführung sein Einkommen und Vermögen einzusetzen, soweit ihm dies nicht aufgrund der dort genannten Tatbestände unzumutbar ist.

Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990 - 1 BvR 94/88 -, NJW 1991, S. 413 f.). Prozesskostenhilfe kommt hingegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R -, SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).

Hier hat die Verfolgung des Klageverfahrens nach der im Beschwerdeverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im oben genannten Sinne. Nach Auffassung des Senats steht der Klägerin unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt die begehrte Übernahme der zwischen November 2007 und Februar 2008 angefallenen Miet- und Energiekosten sowie die Kosten der Beräumung der bis zum Haftantritt bewohnten Wohnung zu.

a. Ein Anspruch auf Übernahme der Miet- und Energieschulden ergibt sich nicht aus § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Danach umfasst der notwendige Lebensunterhalt u.a. die Unterkunft.

Die Klägerin befand sich jedoch ab dem 15. Oktober 2007 in Haft beziehungsweise ab dem 27. Februar 2008 in stationärer Krankenhausbehandlung. In diesem Zeitraum war ihr tatsächlicher Unterkunftsbedarf gedeckt, da sie eine Unterkunft hatte. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine zusätzliche Unterkunft ergibt sich aus § 27 Abs. 1 SGB XII nicht (vgl. zu § 12 Abs. 1 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG): Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt, Urteil vom 20.1.2003, 7 E 6044/00 m.w.H. zur Rechtsprechung, juris). Im Übrigen ist Voraussetzung für eine Leistungsgewährung nach den §§ 27, 29 SGB XII die tatsächliche Nutzung einer Unterkunft. Zwar sind zeitlich überschaubare Abwesenheitszeiten wie Urlaub oder Krankenhausaufenthalte unschädlich. Ist aber - wie hier - der Unterkunftsbedarf nicht nur kurzfristig anderweitig gedeckt, etwa durch die Verbüßung einer Freiheitsstrafe oder längerfristige stationäre Unterbringung, besteht kein Anspruch auf Leistungen nach § 29 SGB XII (vgl. Berlit in: LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2007, § 29 RN 16).

b. Ein Anspruch auf Übernahme der Miet- und Energieschulden kann auch nicht aus § 34 Abs. 1 SGB XII abgeleitet werden. Danach können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.

Es geht hier nicht um die Sicherung der Wohnung für eine nicht nur vorübergehende Zeit. Der Anwendungsbereich der Norm ist nicht eröffnet. Die Klägerin hat im streitigen Zeitraum die Wohnung nicht als Unterkunft genutzt; das Mietverhältnis war gekündigt. Sinn der Mietschuldenübernahme ist nicht die Befreiung des Hilfesuchenden von Forderungen Dritter (Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein Westfalen, Beschluss vom 30.6.2005, L 20 B 2/05 SO ER, juris).

c. Die geltend gemachte Kostenübernahme der Miet- und Energieschulden sowie der Beräumungskosten ergibt sich auch nicht aus einem Anspruch auf Hilfe zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten gemäß §§ 67, 68 SGB XII. Danach sind Leistungen zu erbringen für Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, wenn sie aus eigener Kraft nicht zu deren Überwindung fähig sind. Die Leistungen umfassen alle Maßnahmen, die notwendig sind, um die Schwierigkeiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mildern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere Beratung und persönliche Betreuung für die Leistungsberechtigten sowie Maßnahmen bei der Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung.

a.a. Hier liegen - im Bezug auf die streitbefangenen Miet- und Energieschulden sowie Beräumungskosten - schon keine besonderen Lebensverhältnisse verbunden mit sozialen Schwierigkeiten i.S.v. § 67 Satz 1 SGB XII vor.

Aus dem in § 5 Abs. 1, § 18 SGB XII normierten Gegenwärtigkeitsprinzip ergibt sich, dass die Sozialhilfe (erst) dann einzusetzen hat, wenn es um die Abwendung einer gegenwärtigen Notlage geht. Die Bewilligung von Sozialhilfe ist grundsätzlich von einem aktuellen Hilfebedarf abhängig (vgl. BSG, Urteil vom 29. 9. 2009, B 8 SO 16/08 R, Rn.13). Erforderlich ist also für den geltend gemachten Hilfeanspruch, dass soziale Schwierigkeiten schon vorliegen oder aber deren Eintritt unmittelbar droht. Dem entsprechend setzt ein Leistungsanspruch nach § 67 SGB XII einen Hilfebedarf zum Zeitpunkt der Antragstellung voraus. Aktuell muss sich aus dem Zusammenwirken von sozialer Lage und individueller Schwierigkeit ein konkreter Hilfebedarf ergeben (vgl. Roscher in: LPK-SGB XII, a.a.O., RN 7).

Für den streitgegenständlichen Zeitraum seit November 2007 kann ein derartiger Hilfebedarf nicht festgestellt werden. Die Klägerin befand sich zunächst in Haft; für ihre Unterkunft war gesorgt. Während der Haftunterbrechung ist sie in einer Notunterkunft untergebracht. Nach deren Ende wird sie die Haftstrafe fortsetzen.

Soziale Schwierigkeiten aufgrund besonderer Lebensverhältnisse sind für diesen Zeitraum nicht erkennbar. Nach § 1 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besondere sozialer Schwierigkeiten i.d.F. vom 27. 12. 2003 (BGBl. I, S. 179) (im Folgenden: Verordnung) bestehen besondere Lebensverhältnisse u.a. bei Fehlen oder Nichtausreichen der Wohnung oder bei Entlassung aus einer geschlossenen Einrichtung.

Der Senat kann offen lassen, ob die Haftunterbrechung mit vorläufiger Unterbringung in einer Notunterkunft einer Wohnungslosigkeit bzw. Entlassung aus einer geschlossenen Einrichtung i.S.d. Verordnung gleichsteht. Jedenfalls begründen diese Umstände erst dann eine Situation, in der eine Leistungsgewährung nach § 67 SGB XII möglich ist, wenn die Klägerin sich um die Anmietung einer Wohnung bemüht, ihr dies jedoch aus eigener Kraft wegen der bestehenden Schulden nicht möglich ist. Auch für die Zeit ab April 2008 ist eine soziale Schwierigkeit, welche mit der begehrten Schuldenübernahme beseitigt werden müsste, nicht dargelegt worden. Der Umstand, dass die Klägerin bei dem ehemaligen Vermieter verschuldet ist, hat keine Auswirkungen auf ihre derzeitige Lebens- und finanzielle Situation. Soweit sie in der Klageschrift angedeutet hat, sie habe aktuell keine Möglichkeit einer Wohnungsanmietung, folgt daraus für den Senat kein abweichendes Ergebnis. Denn sie selbst hat eingeräumt, die derzeitige vorübergehende Haftverschonung auf Zeit hinderte sie an einer Wohnungssuche. Sie hat nicht einmal behauptet, bei einer Wohnungssuche aufgrund ihrer Schulden erfolglos gewesen zu sein. Deshalb sind die bestehenden Verbindlichkeiten nicht ursächlich für die unterbliebene Anmietung einer Wohnung für die Zeit der Haftunterbrechung. Die begehrte Schuldenübernahme ist demnach kein Mittel zur Beseitigung eines aktuellen Hilfebedarfs.

Soweit die Klägerin die Schuldenübernahme im Hinblick auf ihre zeitlich noch nicht bestimmbare Entlassung aus der Haft begehrt, kann ein Hilfebedarf erst ab dem Zeitpunkt der Haftentlassung bei Fehlen einer Wohnung - auch aus ihrer Sicht - zu sozialhilferechtlich relevanten besonderen Lebensverhältnissen führen.

Zwar kann nach der Rechtsprechung ausnahmsweise eine Hilfe nach § 67 SGB XII nicht nur nachgehend, sondern auch präventiv gewährt werden, wenn sie schon während der Haftzeit erforderlich wird. Dies betrifft jedoch Fälle einer kurzfristigen Haftstrafe, wenn die Übernahme der Miete zum Erhalt der bislang bewohnten Unterkunft erforderlich ist (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. 5. 2005, L 9 B 9/05 SO ER; Beschluss vom 30. 6. 2005, L 20 B 2/05 SO ER). Hier liegt der Fall jedoch anders, da die Klägerin ihre Wohnung fristgerecht gekündigt hat. Die Übernahme ihrer Schulden hätte keinen Einfluss auf das schon beendete Mietvertragsverhältnis. Ein Verlust der Wohnung aufgrund der unterbleibenden Mietzahlungen während der Haftzeit kann hier nicht eintreten.

Für die von der Klägerin geforderte präventive Übernahme von Mietschulden im Hinblick auf eine - derzeit noch nicht konkretisierte - drohende Obdachlosigkeit besteht hingegen kein Raum. Insoweit fehlt es an einer bereits gegenwärtigen bzw. unmittelbar drohenden sozialen Schwierigkeit. Deren Eintritt nach der Entlassung aus der Haft hängt von verschiedensten, derzeit nicht beurteilbaren Voraussetzungen ab (z.B. Umzug in eine andere Stadt, Wegfall der Hilfebedürftigkeit, Einzug in die Wohnung eines Dritten). Anders als bei innegehaltener Wohnung und kurzer Haftdauer ist demnach derzeit nicht feststellbar, ob eine besondere soziale Schwierigkeit unmittelbar droht, und ob die verlangten Hilfen zu deren Überwindung erforderlich sind.

b.b. Darüber hinaus würde sich - eine unmittelbar drohende soziale Schwierigkeit unterstellt - aus den geltend gemachten Hilfeleistungen nach §§ 67, 68 SGB XII die Erforderlichkeit der begehrten Schuldenübernahme nicht ergeben.

Welche Hilfen im Einzelnen zur Überwindung der besonderen sozialen Schwierigkeiten erforderlich sind, regelt die o.g. Verordnung. Nach § 4 Abs. 1 der Verordnung sind als Maßnahmen zur Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung vorrangig die erforderliche Beratung und persönliche Unterstützung. Lediglich gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung kann die Hilfe auch sonstige Leistungen zur Erhaltung und Beschaffung der Wohnung nach dem 3. Kapitel des SGB XII, insbesondere nach § 34, umfassen, soweit es Maßnahmen nach Abs. 1 erfordern.

Der Senat kann hier offen lassen, ob es sich dabei um eine Rechtsgrund- oder -folgenverweisung handelt (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 17. 9. 2009, L 18 SO 111/09 B ER; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. 6. 2005, L 20 B 2/05 SO ER). Denn es ist nicht ersichtlich, dass Leistungen der Schuldenübernahme erforderlich wären.

Zur Unterstützung der Selbsthilfe gehört zunächst, auf Leistungen anderer Stellen, die im Sinne dieser Verordnung geeignet sind, hinzuwirken (§ 2 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung). Nach dem derzeitigen Kenntnisstand ist die Klägerin erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB II. Für den Fall der Entlassung aus der Haft wird - bei Vorliegen von Hilfebedürftigkeit - ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehen. In diesem Rahmen können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist (§ 22 Abs. 5 SGB II). Sollte die Klägerin also ohne eine Schuldenübernahme keine Wohnung erhalten können, wäre wegen des Grundsatzes des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II vorrangig. Der Anspruch gegenüber der Beklagten erschöpfte sich deshalb auf Beratung und persönlicher Unterstützung bei der Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.

Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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