L 21 R 129/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 97 R 4134/05
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 21 R 129/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungs-verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten, den Zeitraum vom 17. Juli 1970 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz - AVItech - (Anlage 1 zum Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets AAÜG ) und die während dieses Zeitraums tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Der 1944 geborene Kläger ist mit Urkunde vom 17. Juli 1970 berechtigt, den Titel "Ingenieur" zu führen. Vom 15. November 1967 bis zum 19. Februar 1980 arbeitete er beim VEB W f F, vom 20. Februar 1980 bis zum 30. Juni 1990 war er bei der Staatlichen Energieinspektion beim Ministerrat der DDR (SEI) beschäftigt. Beiträge zur freiwilligen zusätzlichen Rentenversicherung im Beitrittsgebiet - FZR - entrichtete er von Januar 1977 bis 30. Juni 1990, und zwar vom 1. März 1977 bis 31. Dezember 1982 nach dem vollen tatsächlichen Entgelt, ab 1. Januar 1983 bis zu einem Verdienst von 1200 Mark/DDR; eine konkrete Versorgungszusage aus einem Zusatz- oder Versorgungssystem hat er nicht erhalten.

Am 28. Februar 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Überführung von Zusatzversorgungs-anwartschaften. Mit Bescheid vom 08. März 2005 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass er als Mitarbeiter Inspektion nicht unmittelbar in den Produktionsprozess eingegliedert gewesen sei bzw. nicht aktiv den Produktionsprozess beeinflusst habe. Mit seinem hiergegen am 14. März 2005 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass bei anderen Ingenieuren der Abteilung Inspektion die Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem AVItech anerkannt worden sei. Im Widerspruchsverfahren reichte er Zeugnisse seiner Arbeitgeber ein. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2005 mit der Begründung zurück, dass der Kläger zwar berechtigt gewesen sei, den Titel eines Ingenieurs zu führen, jedoch keine ingenieurtechnische Beschäftigung im Sinne der Versorgungsordnung, sondern eine Beschäftigung als Mitarbeiter Inspektion/Abrechnung, Planung, Koordinierung und Vorbereitung rechnergestützter Bearbeitung ausgeübt habe.

Hiergegen hat der Kläger am 29. August 2005 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt hat. Zur Begründung hat er im Wesentlichen angegeben, eine produktionsbezogene ingenieurtechnische Tätigkeit ausgeübt zu haben. Hierzu hat er eine schriftliche Stellungnahme des ehemaligen Leiters des Bereichs Inspektion der SEI, Herrn D S, vom 1. Juli 2006 zur Akte gereicht. Aufgabe der Abteilung Planung und Koordinierung der SEI, der er angehört habe, sei neben organisatorischen Aufgaben die Optimierung der Energieerzeugung, umwandlung und anwendung in der Produktion gewesen. Zu planen und inspizieren gewesen seien insbesondere Prozesse der Kraftwerkstechnik, der Fernwärmeerzeugung, aber auch Energieanwendungsprozesse wie Antriebs- und Beleuchtungstechnik, Heizung und Gebäudeklimatisierung. Diese Tätigkeit habe Kenntnisse der industriellen Energiewirtschaft und spezifisches Fachwissen zu energietechnischen Prozessen erfordert. Dasselbe gelte für die Bearbeitung der Planung und Koordinierung der energiewirtschaftlichen Inspektionstätigkeit und ihre Umsetzung auf den computergestützten Einsatz. Aufgabe der SEI sei es gewesen, den rationellen Energieeinsatz in der Industrie zu gewährleisten. Aufgabe seiner Abteilung sei es gewesen, betriebsbezogen den Einsatz der Energieträger zu planen und zu kontrollieren. Bei der SEI habe es sich um einen gleichgestellten Betrieb gehandelt, dessen Zweck auf die unmittelbare Förderung der Produktionsprozesse durch Optimierung der Energieanwendungsprozesse gerichtet gewesen sei. Hinsichtlich der Aufgabeninhalte habe die Energieinspektion einer Struktureinheit in einem produzierenden Unternehmen mit produktionsbetreuenden/ kontrollierenden Aufgaben entsprochen. Die Energieinspektion sei der Zentralen Energiekommission beim Ministerrat zugeordnet gewesen und habe als Organ der Zentralen Energiekommission fungiert. Aufgabe der Energieinspektion sei es gewesen, u. a. die Weisungen des Leiters der Zentralen Energiekommission beim Ministerrat durchzuführen (§ 25 Abs. 2 Satz 2 Energieverordnung vom 30. Oktober 1980). Vor ihrer Zuordnung zur Zentralen Energiekommission beim Ministerrat sei sie dem Ministerium für Kohle und Energie zugeordnet gewesen. Mit der Zuordnung zur Zentralen Energiekommission beim Ministerrat sei die zentrale, den einzelnen Ministerien vorgeordnete Abstimmung von Energiefragen bezweckt gewesen, die die Zentrale Energiekommission dergestalt organisiert habe, dass sie monatliche Treffen der wirtschaftlichen Fachministerien einberufen habe. Die Zentrale Energiekommission beim Ministerrat habe den Fachministerien Anweisungen erteilt und habe nur aus deren Leiter und dessen kleinem Sekretariat bestanden und keinen eigenen Haushalt gehabt. Kontrollausführendes Organ für die Zentrale Energiekommission beim Ministerrat sei die Energieinspektion gewesen. Hinsichtlich der Befugnisse (Auflagen, Sanktionen) habe die Energieinspektion einem wirtschaftlichen Fachministerium entsprochen. Sie sei keine bloße nachgeordnete Einrichtung der Zentralen Energiekommission gewesen, sondern deren ausführendes, aber eigenständiges Organ und habe den Status eines Ministeriums gehabt. Wenn die Energieinspektion wegen ihres Namens nicht als Ministerium angesehen werden könne, sei sie jedenfalls "Hauptverwaltung" im Sinne der Zweiten Durchführungsbestimmung zur AVItech (2. DB).

Die Beklagte hat erstinstanzlich geltend gemacht, die Tätigkeit des Klägers sei nach der Rahmenrichtlinie für die Gliederung der Beschäftigten der Industrie und des Bauwesens (GBl. DDR I 1975, 1) in den Arbeitsbereich 40 (Leitungs- und produktionssichernde Bereiche) einzuordnen. Dieser Arbeitsbereich könne nicht zu den produktionsdurchführenden, Produktionshilfs- bzw. produktionsvorbereitenden Bereichen (Ziffern 10, 20, 30) gezählt werden. Die SEI sei auch kein volkseigener Produktionsbetrieb oder gleichgestellter Betrieb gewesen. Als Organ der Zentralen Energiekommission sei sie weder ein Ministerium noch ein Versorgungsbetrieb der Energie gewesen, sondern eine nachgeordnete Einrichtung der Zentralen Energiekommission beim Ministerrat. Bei der SEI habe es sich auch nicht um eine Hauptverwaltung gehandelt. Soweit "Hauptverwaltungen" gleichgestellt waren, habe es sich um wirtschaftsleitende staatliche Organe der DDR gehandelt. Da die SEI auch Staatsorgane und wirtschaftsleitende Organe kontrolliert habe (§§ 25 f. der Energieverordnung), könne es sich bei ihr selbst nicht um ein "wirtschaftsleitendes" Organ gehandelt haben.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. Oktober 2007 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb gearbeitet habe. Die SEI sei eine staatliche Einrichtung und kein volkseigener Betrieb gewesen. Sie habe bereits nicht die Bezeichnung "VEB" im Namen geführt. Darüber hinaus habe ihr Hauptzweck auch nicht in der industriellen Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation bzw. Produktion von Sachgütern oder Bauwerken bestanden. Die SEI unterfalle ferner keinem der in der 2. DB genannten Begriffe, insbesondere sei sie weder ein Ministerium noch eine Hauptverwaltung. Das für die Energieversorgung zuständige Ministerium in der ehemaligen DDR sei das Ministerium für Kohle und Energie gewesen. Die SEI sei auch nicht etwa eine Abteilung des Ministeriums für Kohle und Energie gewesen, sondern ein Organ der Zentralen Energiekommission beim Ministerrat. Die SEI sei auch keine Hauptverwaltung im Sinne der VO AVItech. Soweit in § 1 Abs. 2 der 2. DB zur VO AVItech Hauptverwaltungen genannt seien, handele es sich um wirtschaftsleitende Organe (BSG vom 09. April 2002, Az.: B 4 RA 31/01 R). Bei der SEI habe es sich nicht um ein wirtschaftsleitendes Organ gehandelt. Die in den §§ 25 ff. genannten Aufgaben der SEI entsprächen jedenfalls nicht denen eines wirtschaftsleitenden Organs. Unerheblich sei, ob die SEI eine "Hauptverwaltung" im sprachlichen Sinne einer zentralen Verwaltungseinheit gewesen sei.

Der Kläger hat gegen das ihm am 17. Dezember 2007 zugestellte Urteil am 14. Januar 2008 Berufung eingelegt, mit der er geltend macht, dass es sich bei der SEI um eine gleichgestellte staatliche Einrichtung gehandelt habe, nämlich um eine aus dem Ministerium für Kohle und Energie im Jahre 1980 ausgegliederte wirtschaftsleitende Hauptverwaltung. Als Organ der Zentralen Energiekommission beim Ministerrat habe sie die in § 3 Abs. 1 der Energieverordnung genannten Aufgaben zu erfüllen gehabt. Die Ausgliederung der SEI aus dem Ministerium für Kohle und Energie sei erfolgt, weil die Aufgabenstellung, wie sie in den §§ 3 Abs. 1 und 25 Abs. 1 der Energieverordnung beschrieben wurden, eine Überordnung über alle Ministerien, auch über das Ministerium für Kohle und Energie, beinhaltet habe. Die Zentrale Energiekommission habe nur aus ihrem Leiter und einer Sekretärin bestanden, Haushaltsmittel hätten nicht zur Verfügung gestanden. Die Zentrale Energiekommission habe nur mittels ihres Organs, der SEI, tätig werden können. Die SEI sei folglich keine nachgeordnete Einrichtung der Zentralen Energiekommission, sondern ihr handelndes Organ gewesen. Aufgabe der SEI sei neben organisatorischen Aufgaben die Optimierung der Energieerzeugung, umwandlung und anwendung in der Produktion gewesen um den rationellen Energieeinsatz in der Industrie zu gewährleisten. Aufgabe seiner Abteilung sei es gewesen, betriebsbezogen den Einsatz der Energieträger zu planen und zu kontrollieren. Die Argumentation der Beklagten und des Sozialgerichts bei der Einschätzung, dass die SEI weder ein Ministerium noch eine Hauptverwaltung gewesen sei, laufe der Entscheidung des BSG vom 12. Juni 2001 (B 4 RA 117/00 R) zuwider. Das BSG verlange, die Versorgungsordnungen der DDR nach Bundesrecht unter Beachtung des Gleichheitssatzes objektiv auszulegen, wobei es auf die praktische Durchführung in der DDR gerade nicht ankomme. Die danach gebotene objektive Auslegung der 2. DB ergebe, dass es sich bei der SEI als Organ der Zentralen Energiekommission um eine wirtschaftsleitende Hauptverwaltung gehandelt habe. Die Zentrale Energiekommission beim Ministerrat und ihr Organ, die SEI, seien nach der allgemeingültigen Definition von Verwaltung als staatlicher Tätigkeit, die nicht Gesetzgebung oder Rechtsprechung sei, "Verwaltung" gewesen. Die Zentrale Energiekommission sei insbesondere handelnd durch die SEI, planmäßig mit der Sicherung und Gestaltung der Energieversorgung in den Kraftwerken und im industriellen Produktionsprozess auf dem speziellen Gebiet der rationellen Energieumwandlung und Energieanwendung befasst gewesen, und zwar im Rahmen der durch die Energieverordnung vorgegebenen politischen Leitentscheidungen des Ministerrates. Es habe sich um eine "Hauptverwaltung" gehandelt, nämlich befasst mit der zentralen Ordnung und Gestaltung der Energieumwandlung und Energieanwendung in den Kraftwerken und in den Produktionsbetrieben, und zwar mittels Planung, Erörterung, Lenkung durch verbindliche Vorgaben und Kontrollmaßnahmen. Die Tätigkeit habe im gestaltenden Gesetzesvollzug bestanden. Die Zentrale Energiekommission und ihr Organ, die SEI, seien auch im Sinne der Rechtsprechung des BSG wirtschaftsleitend gewesen. Die Auffassung des Sozialgerichts, dass die in den §§ 25 ff. Energieverordnung genannten Aufgaben der SEI nicht denen eines wirtschaftsleitenden Organs entsprochen hätten, stehe im Widerspruch zu dieser Vorschrift. Dort heiße es, die Erfüllung der energiewirtschaftlichen Aufgaben der Staatsorgane etc. werde durch die Energieinspektion kontrolliert. Diese Aufgabe sei eine wirtschaftsleitende Aufgabe. Die wirtschaftsleitende Aufgabe habe darin bestanden, die rationelle Energieumwandlung und anwendung sicherzustellen. Die SEI werde aufgrund ihrer Aufgabenstellung und ihrer Organisation vom Begriff der Hauptverwaltung erfasst. Darauf, dass die SEI nicht "Staatliche Energieverwaltung" heiße, komme es nicht an. Nach der Rechtsprechung des BSG sei vielmehr die potentielle Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem anhand der Frage zu entscheiden, ob eine tatsächlich ausgeübte Beschäftigung ihrer Art nach abstrakt-generell zu denjenigen gehörte, deretwegen entsprechend der nach objektiven Auslegungskriterien des Bundesrechts zu verstehenden Zielsetzung die Versorgungsordnung errichtet worden war.

Seine Abteilung habe zur Aufgabe gehabt, die Betriebe herauszusuchen, die entsprechend der Zielsetzung zu kontrollieren waren. Dabei sei es erforderlich gewesen, die Produktionsabläufe der entsprechenden Betriebe zu kennen und zu verstehen, um zu wissen, wo Energie im Produktionsablauf benötigt und wo sie rationell eingesetzt wurde. Hierzu sei eine ingenieurtechnische Ausbildung erforderlich gewesen. Die Zielsetzung habe darin bestanden, Diskrepanzen zwischen vorhandener und abgeforderter Energie zu beseitigen.

Der Kläger hat zum Beweis dafür, dass die Ausgliederung der SEI aus dem Ministerium für Kohle und Energie erfolgt war, weil die Aufgabenstellung, wie sie in § 3 Abs.1 und § 25 Abs. 1 der Energie-Verordnung beschrieben wurde, eine Überordnung über alle Ministerien, auch über das Ministerium für Kohle und Energie, beinhaltete, und zum Beweis des ingenieurtechnischen Inhalts seiner, des Klägers, Tätigkeit die Vernehmung des Herrn D S als Zeugen beantragt.

Der Kläger beantragt ferner, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Oktober 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 08. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 17. Juli 1970 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungs-system nach Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Staatliche Energieinspektion kein gleichgestellter Betrieb, insbesondere keine wirtschaftsleitende Hauptverwaltung, gewesen sei. Die in §§ 25 ff. der Energieverordnung vom 30. Oktober 1980 genannten Aufgaben entsprächen nicht denen eines wirtschaftsleitenden Organs.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten (Az.: ), die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässsig aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte den streitigen Zeitraum als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz AVItech feststellt. Die Vorschriften des AAÜG finden auf den Kläger bereits keine Anwendung, da die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AAÜG nicht vorliegen.

Der Kläger war nicht Inhaber einer bei In Kraft Treten des AAÜG am 01. August 1991 bestehenden Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm zum 01. August 1991 eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden ist, liegt nicht vor. Der Kläger hatte nach dem am 01. August 1991 gültigen Bundesrecht und aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen tatsächlichen Umstände aus bundesrechtlicher Sicht auch keinen Anspruch auf Erteilung einer fiktiven Versorgungszusage im Sinne der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (vgl. hierzu BSG, SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 S. 12 Nr. 4 S. 24 f., Nr. 5 S. 32 f., Nr. 6 S. 39 f., Nr. 8 S. 72 ff.). Ein derartiger fiktiver bundesrechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Zusage im Bereich der AVItech hängt nach der Rechtsprechung des BSG gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1990 - VOAVItech - in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VOAVItech vom 24. Mai 1951 2. DB von folgenden Voraussetzungen ab, nämlich von

1. der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), 2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Ob der Kläger mit seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit - entgegen der Auffassung der Beklagten - die zweite Voraussetzung (sog. sachliche Voraussetzung) erfüllte, konnte der Senat dahin stehen lassen. Denn jedenfalls lag bei ihm die dritte, die betriebliche Voraussetzung nicht vor. Er war am 30. Juni 1990 weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb noch einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt.

Dass die SEI ein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen wäre, behauptet auch der Kläger nicht. Der Senat nimmt insofern auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil sowie den angefochtenen Bescheiden Bezug (§ 153 Abs. 2, Abs. 1 i. V. m. § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG ).

Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers, die SEI, war auch nicht nach § 1 Abs. 2 2. DB einem Produktionsbetrieb gleichgestellt. Sie ist in der abschließenden Aufzählung nicht aufgeführt; die SEI hat auch keine Betriebstätigkeit ausgeübt, die in der Aufzählung genannt ist. Es handelte sich insbesondere nicht um eine "Hauptverwaltung" i.S. der 2. DB.

Ob die SEI eine "Hauptverwaltung" im sprachlichen Sinne einer "zentralen Verwaltungseinheit" (vgl. BSG, B 4 RA 31/01 R - vom 09. April 2002, juris) war, hat das Sozialgericht zu Recht als unerhebliche bezeichnet. Denn soweit in § 1 Abs. 2 der 2. DB "Hauptverwaltungen" genannt sind, handelt es sich jedenfalls um wirtschaftsleitende Organe (BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R). Die SEI war aber kein wirtschaftsleitendes, sondern lediglich ein wirtschaftskontrollierendes Organ.

Nach § 25 der Verordnung über die Energiewirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik - Energieverordnung - EnVO - vom 30. Oktober 1980 (GBl. DDR I Seite 321) war Aufgabe der Energieinspektion - SEI -, die Erfüllung der energiewirtschaftlichen Aufgaben der Staatsorgane, wirtschaftsleitenden Organe, Kombinate, Betriebe, Einrichtungen und Genossenschaften einschließlich ihrer kooperativen Einrichtungen, vorrangig auf dem Gebiet der rationellen Energieumwandlung und anwendung, zu kontrollieren. § 1 der EnVO bestimmte den Geltungsbereich der Verordnung dahin, dass diese "für die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Staatsorgane, wirtschaftsleitenden Organe, Kombinate, Betriebe, Einrichtungen, Genossenschaften einschließlich ihrer kooperativen Einrichtungen und gesellschaftlichen Organisationen [gilt]". Die §§ 4 Abs. 4 und 5 EnVO regelten ausdrücklich spezielle Aufgaben der "wirtschaftsleitenden Organe".

Nach Wortlaut und Systematik der EnVO wurde somit zwischen der SEI und "wirtschaftsleitenden Organen" unterschieden und die SEI nicht selbst als wirtschaftsleitendes Organ bezeichnet. Bereits nach dem objektiven staatlichen Sprachgebrauch der DDR, wie er in der einschlägigen Verordnung zum Ausdruck gekommen ist, hat es sich somit bei der SEI nicht um ein wirtschaftsleitendes, sondern lediglich um ein wirtschaftskontrollierendes Organ gehandelt, welches zudem selbst weisungsunterworfen war. Davon, dass sich diese Kontrolle auf der Grundlage der § 25 Abs. 1 (und § 3 Abs. 1) EnVO auch auf das Ministerium für Kohle und Energie und die anderen Ministerien bezog, geht der Senat nach dem Wortlaut der Verordnung aus. Die Angabe des Klägers, dass die Ausgliederung der SEI aus dem Ministerium für Kohle und Energie erfolgt sei, weil die Aufgabenstellung, wie sie in § 3 Abs.1 und § 25 Abs. 1 der Energie-Verordnung beschrieben wurden, eine "Überordnung" über alle Ministerien, auch über das Ministerium, beinhaltete, konnte daher als wahr unterstellt werden; dem Beweisantrag des Klägers brauchte der Senat daher nicht nachzukommen.

Die Energieinspektion unterstand gemäß § 25 Abs. 2 EnVO den Weisungen des Leiters der Zentralen Energiekommission beim Ministerrat. Die SEI war juristische Person und Haushaltsorganisation; sie gliederte sich in die Hauptinspektion und die Bezirksinspektionen (§ 25 Abs. 3 EnVO). Die Energieinspektoren waren berechtigt, Objekte zur Kontrolle zu betreten (§ 25 Abs. 6), Informationen vom Leiter und sonstigem Personal des Kontrollierten zu verlangen (§ 25 Abs. 7 EnVO) sowie schriftliche Auflagen zu erteilen, wenn festgestellt wurde, dass der Kontrollierte seine energiewirtschaftlichen Pflichten schwerwiegend verletzt hat (§ 26 EnVO), und zur Durchsetzung der Auflagen Zwangsgelder anzudrohen (§ 27). Dass diese gesetzlichen Vorgaben auch den tatsächlichen Tätigkeiten der Energieinspektion entsprachen, bestätigt der ehemalige Leiter des Bereich Inspektion der Staatlichen Energieinspektion, Herr D S, in seiner Stellungnahme vom 01. Juli 2006. Dieser hat angegeben, dass die Staatliche Energieinspektion "kontrollausführende Einrichtung" der Zentralen Energiekommission beim Ministerrat der DDR gewesen sei, wobei Aufgabe der Abteilung, der der Kläger angehörte, die Vor- und Nachbereitung der in der Industrie durchzuführenden ingenieurtechnischen Vorort Kontrollen gewesen sei. Die Aufgabe habe in der Aufdeckung von Mängeln und Schwachstellen in der Energieerzeugung, umwandlung und anwendung in der Volkswirtschaft bestanden.

Entgegen der Auffassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat macht nicht schon der Einfluss auf die kontrollierte Einrichtung durch die Befugnis, Auflagen zur Gewährleistung energiewirtschaftlicher Pflichten zu erteilen und deren Erfüllung zu kontrollieren (vgl. §§ 26, 27 EnVO), die SEI zu einem "wirtschaftsleitenden" Organ. Insoweit besteht lediglich ein mittelbarer Einfluss auf die wirtschaftliche Betätigung der kontrollierten Einrichtungen; etwa vergleichbar demjenigen eines staatlichen Gesundheitsamtes, das die Einhaltung der Hygienevorschriften in Gaststätten kontrolliert und hierbei auch befugt ist, Auflagen zu erteilen und Zwangsgelder zu verhängen und somit mittelbar auch betriebswirtschaftliche Auswirkungen auf die Gaststätte hat. Es ist aber nach objektiven Auslegungskriterien des Bundesrechts unter Berücksichtigung der DDR Vorschriften als faktische Anknüpfungspunkte nicht ersichtlich, dass sämtliche zentralen Verwaltungseinheiten, die im weitesten Sinne Einfluss auf die Volkswirtschaft hatten, von der Gleichstellungsregelung des § 1 Abs. 2 der 2. DB erfasst wurden.

Auch die Argumentation des Klägers, bei der SEI habe es sich um das ausführende Organ der Zentralen Energiekommission beim Ministerrat gehandelt, welche ohne die SEI handlungsunfähig gewesen sei, ist nicht geeignet, den geltend gemachten Anspruch zu begründen. Zum einen ist bei der Beurteilung, ob die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind, auf den "Beschäftigungsbetrieb" abzustellen. Zu dessen Bestimmung ist allein daran anzuknüpfen, wer Arbeitgeber im rechtlichen Sinne war (BSG Urteil v. 18. Dezember 2003 B 4 RA 20/03 R , juris); hier also nicht die Zentrale Energiekommission, sondern die juristisch selbständige SEI. Zum anderen handelte es sich auch bei der Zentralen Energiekommission nicht um eine "wirtschaftsleitende" (Haupt)Verwaltung im Sinne der 2. DB.

Die Zentrale Energiekommission war nach der Anlage zum Beschluss vom 05. Juli 1979 das Organ des Ministerrates zur Koordinierung, Anleitung und Kontrolle der Aufgaben und Maßnahmen zur Gewährleistung des Ausbaus der energetischen Basis der DDR und der rationellen Energieanwendung in der Volkswirtschaft "sowie in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens" (Anlage II.1.). Dem Leiter der Zentralen Energiekommission wurden direkt unterstellt: 1. der Leiter der Arbeitsgruppe Rationelle Energieanwendung beim Ministerrat und 2. die Energieinspektion. Aufgaben der Zentralen Energiekommission beim Ministerrat waren nach dem Beschluss über die Aufgabenstellung, Arbeitsweise, Pflichten und Rechte sowie Zusammensetzung der Zentralen Energiekommission beim Ministerrat vom 05. Juli 1979 (GBl. DDR I Seite 379 ff.) 1. die Einflussnahme auf die Herausarbeitung der Grundlinie zur Entwicklung der energetischen Basis der DDR sowie die Durchführung der sich daraus ergebenden volkswirtschaftlichen Aufgaben in allen Bereichen der Volkswirtschaft, 2. die Durchsetzung aller Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs und der sparsamsten Verwendung aller Energieträger in der Volkswirtschaft und in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Hierzu gehörte neben der Verbesserung des energetischen Wirkungsgrades in den Energieumwandlungsprozessen der Wärme- und Elektroenergie sowie Gaserzeugung, Erdölverarbeitung und Brikettierung, die energetische Rationalisierung industrieller Hauptprozesse, die effektivere Gestaltung der Raumheizprozesse in Wohn-, Gesellschafts- und Industriebauten, vor allem durch Verbesserung der Wärmedämmung und regulierung, Senkung des spezifischen Energieverbrauchs in der Land- und Nahrungsgüterwirtschaft, Senkung des spezifischen Energieverbrauchs für Transportprozesse, die Abwärmenutzung, die Senkung des spezifischen Energieverbrauchs bei elektrischen Geräten für Haushalte und Dienstleistungseinrichtungen, die effektivere Gestaltung der Beleuchtung und die Sicherung des rationellsten Energieeinsatzes im gesellschaftlichen Bereich, wie Handel und Versorgung, Gesundheitswesen, Volksbildung, Kultur und im kommunalen Bereich. Bereits diese Aufgabenstellung verdeutlicht, dass es sich auch bei der Zentralen Energiekommission nicht um eine "wirtschaftsleitende" (Haupt)Verwaltung im Sinne der Zusatzversorgungssysteme handelte, sondern um eine zentrale staatliche Einrichtung, deren Aufgaben sich auf sämtliche Bereiche des Staates bezogen.

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine Einbeziehung des Beschäftigungsbetriebes des Klägers unter die nach der 2. DB gleichgestellten Betriebe und Einrichtungen als "Hauptverwaltung" auch daran scheitert, dass der Begriff "Hauptverwaltung" im Sinne der Versorgungsordnung nicht bereits jede zentrale Verwaltungseinheit erfasst. Nach Wortlaut und Systematik von § 1 der 2. DB war nicht jede zentrale wirtschaftsleitende Verwaltungseinheit unter dem Begriff der "Hauptverwaltung" gleichgestellt, sondern nur diejenigen wirtschaftsleitenden zentralen Verwaltungseinheiten, die die Bezeichnung Hauptverwaltung - HV - auch im Namen führten, z.B. die HV Holz und Kulturwaren, die HV Funkwesen, die HV Eisen-, Blech- und Metallwaren sowie die HV Seeverkehr und Hafenwirtschaft (Urteil des Senats vom 19. Dezember 2006 - L 21 RA 127/04, juris).

Kennzeichnend für die in der ehemaligen DDR existierenden "Hauptverwaltungen", die auch diesen Namen führten, neben den genannten wirtschaftsleitenden Hauptverwaltungen die HV Deutsche Volkspolizei, HV Film, HV Schutz des Volkseigentums, HV Verlage und Buchhandlungen, HV Wasserstraßen, HV für die Deutsche Volkspolizei (HVDVP), HV Sicherung (HVS) und HV Aufklärung (HVA) war, dass es sich jeweils um Organisationseinheiten der jeweiligen Ministerien handelte, die aber anders als die Hauptabeilungen des Ministeriums eine Verselbständigung besaßen und in der Regel nicht vom Minister selbst, sondern von dessen Stellvertreter geleitet wurden und wiederum selbst in Hauptabteilungen gegliedert waren.

Dieser verselbständigten Struktur trägt die 2. DB in § 1 Abs. 1 Rechnung, der bestimmt, dass die Einordnung bestimmter Personen in den Kreis der technischen Intelligenz "durch das zuständige Fachministerium bzw. die zuständige Hauptverwaltung" erfolgen konnte. § 1 Abs. 1 der 2. DB spiegelt hierbei die Organisationsstrukturen der DDR wider, wonach Hauptverwaltungen dem jeweiligen Fachministerium nur angegliedert, nicht aber eingegliedert waren. Dies erklärt auch, warum in § 1 Abs. 2 der 2. DB, bei der Gleichstellung mit den volkseigenen Produktionsbetrieben die Hauptverwaltungen neben den Ministerien genannt werden (mussten). Eine Einstufung der SEI als Hauptverwaltung im Sinne der 2. DB scheitert somit auch daran, dass diese nicht, wie die Hauptverwaltungen, die diesen Namen führten, selbständig tätig war. Die SEI war vielmehr nach der einschlägigen Verordnung - wie bereits ausgeführt - den Weisungen des Leiters der Zentralen Energiekommission unterworfen (§ 25 Abs. 2 EnVO).

Da bei dem Kläger die betriebliche Voraussetzung der Versorgungsordnung nicht erfüllt war, kam es auf die sachliche Voraussetzung nicht an, so dass der Senat dem Beweisantrag des Klägers zum Inhalt der ausgeübten Tätigkeit nicht nachkommen musste.

Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor (§ 161 Abs. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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