L 4 KR 766/90

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 2204/86
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 766/90
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. Juni 1989 abgeändert und festgestellt, daß der Kläger seit 1. April 1986 beitragspflichtig zur Bundesanstalt für Arbeit ist.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger ein Drittel der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) unterliegt.

Der am 1953 geborene Kläger wurde durch seit 14. Juni 1978 rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Mannheim vom 29. Dezember 1977 (Aktenzeichen 4 KLs 3/77) u.a. wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Wegen einer aufgrund cerebraler Schädigung bestehenden Neigung zu impulsiven und unbedachten Handlungen wurde zudem seine Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus als Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet. Seit dem 26. Juli 1978 befindet er sich deshalb zur Durchführung dieser Maßregel im Psychiatrischen Landeskrankenhaus (PLK) W.; die Fortdauer der Unterbringung des Klägers wurde vom Landgericht H. wiederholt beschlossen.

Seit Mai 1979 ist der Kläger zu Arbeiten in verschiedenen Abteilungen des PLK eingesetzt, seit April 1986 ununterbrochen in der PLK-eigenen Gärtnerei (ab Mai 1979 in der Küche, ab August 1979 in der Gärtnerei, von November 1982 bis Juni 1983 in der "Therapiehalle"/Verschraubung von Kleinmetallen, seit Juli 1983 wieder in der Gärtnerei, zwischenzeitlich 1984 Reinigungsarbeiten). Er erbringt hierbei Leistungen, die einer gut eingearbeiteten Hilfskraft in anderen Gärtnereien entsprechen, jedoch würde - wäre nicht der Kläger in der Gärtnerei beschäftigt - an seiner Stelle vom PLK kein anderer Gärtner eingestellt. Die vom PLK vorgesehene wöchentliche Arbeitszeit von 22 Stunden überschreitet der Kläger durch freiwillige Mehrarbeit, die er - auf Wunsch des PLK - teilweise auch samstags und sonntags erbringt; insgesamt entspricht sein Arbeitsumfang etwa 60 v.H. des Arbeitsumfangs einer (vollen) Arbeitskraft in einer Gärtnerei. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Der Kläger erhielt für seine Arbeitsleistung durchgängig den maximal erzielbaren Betrag von 120 DM im Monat, wobei diese Obergrenze vom PLK in Übereinstimmung mit einer Dienstanweisung des Sozialministeriums für alle im Maßregelvollzug befindlichen Personen festgesetzt wurde.

Am 26. August 1986 hat der Kläger gegen das Land Baden-Württemberg Klage zum Sozial- gericht (SG) Mannheim erhoben und die Feststellung beantragt, daß er hinsichtlich der von ihm als Maßregelpatient im PLK W. erbrachten Arbeiten der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Arbeiterrentenversicherung und der Beitragspflicht zur BA (Arbeitslosenversicherung) unterliegt. Das SG hat mit Beschluss vom 9. Februar 1988 die Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden, Beigeladene zu 1), und die BA, Beigeladene zu 2), zum Rechtsstreit beigeladen und die Klage nach Einholung einer Auskunft der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K., Oberärztin im PLK W., mit Urteil vom 23. Juni 1989 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im wesentlichen ausgeführt, die im Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung vom 16. März 1976 (StVollzG, BGB1. 1 S. 581) vorgesehenen Vorschriften über die Versicherungspflicht von Gefangenen in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung seien - entgegen der Ansicht des Klägers - bislang nicht in Kraft getreten. Hierin liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), da es sich um gewährende Staatstätigkeit handle, bei der es dem Gesetzgeber freistehe, ob und wann er einen bestimmten Zustand aus sozialpolitischen Motiven i.S. einer gesetzlichen Neuregelung verbessere. Da der Gesetzgeber von der Möglichkeit des § 190 Abs. 3 StVollzG bislang keinen Gebrauch gemacht und die im StVollzG vorgesehenen Vorschriften über die Versicherungspflicht nicht in Kraft gesetzt habe, liege insoweit auch keine planwidrige Gesetzeslücke vor, die durch Richterrecht zu schließen sei. Eine Beitragspflicht nach § 168 Abs. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für Gefangene scheide aus, weil der Kläger für seine Tätigkeit im PLK lediglich eine (gesetzlich nicht geregelte) Arbeitsbelohnung, nicht aber - was § 168 Abs. 3 AFG voraussetze - Arbeitsentgelt erhalte. Nach den allgemeinen, nicht auf den besonderen Status als Gefangene abstellenden Vorschriften des Sozialversicherungsrechts bestehe ebenfalls keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und keine Beitragspflicht zur BA (Arbeitslosenversicherung), weil der Kläger nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe; insoweit fehle es seitens des PLK am rechtsgeschäftlichen Willen, mit dem Kläger ein arbeitsrechtliches Verhältnis einzugehen. Vielmehr sei dessen Beschäftigung Ausfluß der ihm nach § 41 StVollzG und nach Landesrecht obliegenden Arbeitspflicht und Teil des arbeitstherapeutischen Konzepts zur Resozialisierung des Klägers.

Gegen das am 7. März 1990 mittels eingeschriebenen Briefes zum Zwecke der Zustellung zur Post aufgegebene Urteil hat der Kläger am 3. April 1990 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Der frühere Berichterstatter des Senats hat die den Kläger betreffende Akte des PLK W. beigezogen und mit Beschluss vom 22. August 1990 die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) H., Beigeladene zu 3), als Beitragseinzugsstelle zum Rechtsstreit beigeladen.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger im wesentlichen vor, es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn Personen im Maßregelvollzug hinsichtlich der Vergütung ihrer Arbeitsleistung anders behandelt würden als Strafgefangene; entscheidend sei, daß auch im Maßregelvollzug eine produktive Arbeitsleistung erbracht werde, die mit derjenigen der Strafgefangenen vergleichbar sei. Entgegen der Stellungnahme des PLK durch die Anstaltsärztin Dr. K. im Verfahren erster Instanz sei seine Tätigkeit im PLK mit solchen des normalen Arbeitsprozesses vergleichbar; insbesondere handle es sich bei den von ihm verrichteten Arbeiten nicht um eine Arbeitstherapie, sondern um eine Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV). Die hierfür erforderliche Verfügungsmacht des Arbeitgebers habe in Form seiner Integration in den krankenhausinternen Betrieb ebenso vorgelegen wie seine - zum Teil freiwillige - Dienstbereitschaft. Zudem sei die Arbeit entlohnt worden; auf die Bezeichnung des Entgelts als "Arbeitsbelohnung" komme es nicht an. Soweit wegen persönlicher Krisensituationen Unterbrechungen der Beschäftigung stattgefunden haben, seien diese einer Erkrankung, wie sie auch bei "normalen" Arbeitnehmern vorkomme, vergleichbar.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. Juni 1989 aufzuheben und festzustellen, daß er seit April 1986 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit unterliegt.

Das beklagte Land und die Beigeladenen zu 1) und zu 3) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 2) stellt keinen Antrag.

Das beklagte Land trägt im wesentlichen vor, beim Maßregel- und Strafvollzug würden mit der Arbeitsleistung der Gefangenen bzw. Untergebrachten durchaus unterschiedliche Zwecke verfolgt, die eine unterschiedliche Behandlung dieser Personengruppen rechtfertigten; Arbeitsleistung im Maßregelvollzug und insbesondere die vorliegend im PLK W. angebotene Therapiemaßnahme diene in erster Linie der Heilung des Patienten; ärztliche Gesichtspunkte hätten eindeutig Priorität. Es gebe deshalb im Maßregelvollzug auch keine Arbeitspflicht, sondern lediglich - nach ärztlicher Anweisung - Beschäftigung zur Erzielung bestimmter therapeutischer Erfolge. Weder in bundesrechtlichen Regelungen noch im Unterbringungsgesetz Baden-Württemberg sei für Patienten im Maßregelvollzug eine Entgeltregelung vorgesehen. Nur wenn der Patient außerhalb des PLK beschäftigt werde, liege versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt vor. Dagegen erziele der Kläger in der Arbeitstherapie kein Arbeitsentgelt i.S.d. § 43 StVollzG.

Entscheidungsgründe:

Die entsprechend den Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.

Verfahrenshindernisse, die einer Entscheidung des Senats in der Sache entgegenstehen könnten, liegen nicht vor. Zutreffend hat das SG für das Begehren des Klägers den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit bejaht. Bei der Festellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und der Beitragspflicht zur BA handelt es sich um eine öffentlich- rechtliche Angelegenheit der Sozial- bzw. Arbeitslosenversicherung i.S.d. § 51 Abs. 1 SGG. Dies ist auch dann der Fall, wenn hierüber Streit nicht zwischen den Versicherungsträgern bzw. der Einzugsstelle und dem Arbeitgeber oder dem Arbeitnehmer besteht, sondern zwischen dem (möglichen) Arbeitgeber und einer Person, die sich für einen Arbeitnehmer hält (vgl. GmS 0GB, Beschl. vom 4. Juni 1974 - GmS-OGB 2/73 - BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr. 2 zum Arbeitgeberzuschuß nach § 405 RVO a.F.; BSG SozR 2200 § 394 Nr. 1 zur Feststellungsklage des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber wegen Rechtmäßigkeit des Beitragsabzugs vom Lohn; BSGE 43, 148, 149 = SozR 2200 § 1385 Nr. 3 zum Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Pflicht, für einen Entwicklungshelfer Beiträge zu zahlen). Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß sich die behauptete Versicherungs- und Beitragspflicht möglicherweise aus einer Beschäftigung im Rahmen einer Unterbringung zur Sicherung und Besserung nach dem StVollzG ergibt; für ein derartiges, dem öffentlichen Recht zuzuordnendes Sonder- rechtsverhältnis - früher als "besonderes Gewaltverhältnis" bezeichnet - sind nämlich hinsichtlich der Beurteilung der Versicherungs- und Beitragspflicht keine speziellen Rechtswegzuweisungen zu den für die Strafvollstreckung oder den Maßregelvollzug zuständigen Gerichten vorhanden.

Zu Recht ist das SG auch von der Zulässigkeit der Festellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG ausgegangen; die nach dieser Vorschrift zulässige Klage auf Festellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses setzt nicht notwendig voraus, daß das streitige Rechtsverhältnis gerade zwischen dem Kläger und dem Beklagten besteht (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 4. Aufl. 1991, § 55 Rz. 7 m.w.N.), sofern nur auch in diesem Verhältnis ein Rechtsschutzinteresse für die Festellung besteht. Letzteres ist angesichts der Möglichkeit, die betroffenen Versicherungsträger durch notwendige Beiladung ( 75 Abs. 2 SGG) an den Ausgang des Rechtsstreits zu binden einerseits und die sich aus der Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht für das beklagte Land als potentiellem Arbeitgeber ergebenden Pflichten (Melde- und Beitragspflichten) andererseits zu bejahen. Die dem Kläger alternativ zustehende Möglichkeit, über die Beitragseinzugsstelle eine rechtsmittelfähige Entscheidung über seine Beitrags- und Versicherungspflicht herbeizuführen, berührt die Zulässigkeit der konkret erhobenen Feststellungsklage nicht; dies wäre nur dann der Fall, wenn der Kläger seine Klage gegen die beigeladene AOK gerichtet hätte, um damit die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen der Anfechtungsklage (vgl. § 78 SGG) zu umgehen, wofür keine Anhaltspunkte bestehen.

Die nach allem zulässige Klage ist jedoch nur insoweit begründet, als der Kläger die Festellung der Beitragspflicht zur BA (Arbeitslosenversicherung) begehrt; im übrigen ist die Berufung unbegründet.

Mit dem StVollzG vom 16. März 1976 wurde eine Ergänzung der Vorschriften über den in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung pflichtversicherten Personenkreis formuliert, die für Gefangene die Versicherungs- bzw. Beitragspflicht beinhaltet ( 190-194 StVollzG). Das StVollzG sieht allerdings vor, daß die Regelungen über die Versicherungspflicht der Gefangenen in der Kranken- und Rentenversicherung ( 191 bis 193 StVollzG) durch ein besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt werden müssen (vgl. § 198 Abs. 3 StVollzG). Dieses Gesetz hat der Bundesgesetzgeber entgegen der Ansicht des Klägers bislang nicht erlassen, so daß sich die Versicherungspflicht in diesen Versicherungszweigen nach den allgemeinen Vorschriften, d.h. nach § 1227 Abs. 1 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum 31. Dezember 1991 gültig gewesenen Fassung, § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) und § 165 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 RVO a.F., § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) richtet. Demgegenüber ist die Beitragspflicht zur BA (Arbeitslosenversicherung) für Gefangene bereits mit dem StVollzG am 1. Januar 1977 in Gestalt des § 168 Abs. 3a AFG in Kraft getreten und durch das Rentenreformgesetz (RRG) vom 18. Dezember 1989 (BGB!. 1 S. 2261) in § 168 Abs. 3 AFG - ohne inhaltliche Änderung - neu formuliert worden.

Zutreffend hat das SG eine Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung verneint. Versicherungspflichtig sind dort Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (vgl. § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und die bis zum 31. Dezember 1991 gültig gewesene Vorschrift des § 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO a.F.). Eine Beschäftigung i.d.S. liegt vor, wenn "nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" geleistet wird ( 7 Abs. 1 SGB IV). Von jeher wird hierbei - als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal - gefordert, daß es sich um eine freiwillige Tätigkeit handeln muß, die bei Arbeiten eines Strafgefangenen oder einer Person im Vollzug einer Maßnahme zur Besserung und Sicherung nicht vorliegt (vgl. Reichsversicherungsamt, Amtliche Nachrichten - AN 93, S. 111; ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -‚ z.B. BSGE 27, 197 f. = SozR Nr. 54 zu § 165 RVO; SozR 2200 § 1246 Nr. 157; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung S. 309 m.w.N.; KassKomm-Seewald, Stand Jan. 1992, § 7 SGB IV Rz. 35; KassKomm-Peters, aaO, § 5 SGB V Rz. 15). Eine Versicherungspflicht kommt für solche Personen nur dann in Betracht, wenn sie - was vorliegend nicht der Fall ist - als sogenannte Freigänger im offenen Vollzug mit einem Arbeitgeber außerhalb der Anstalt ein Beschäftigungsverhältnis eingehen (BSGE 61, 62 = SozR 2200 § 216 Nr. 9; Peters, aaO, § 5 SGB V Rz. 15; Seewald, aaO, § 7 SGB IV Rz. 38). Nur dann sind sie - kraft der hierzu gegebenen Erlaubnis der Strafvollzugsbehörde - berechtigt und in der Lage, ihre an sich durch den Maßregel- oder Strafvollzug faktisch unverwertbare Arbeitskraft Dritten durch vertragliche Vereinbarung zu überlassen. Das Erfordernis der Freiwilligkeit, das auch im Arbeitsrecht für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses verlangt wird (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 7. Aufl. 1992, § 8 II, 2 m.w.N.), will damit den aufgrund privatrechtlichen Vertrages und somit eigener Willensentscheidung tätig werdenden Arbeitnehmer von anderen Personengruppen abgrenzen, die zwar auch abhängige Arbeit leisten, die aber - wie z.B. bestimmte Familienangehörige oder Beamte - nicht den Regeln des Arbeits- und Sozialrechts unterstehen sollen. Dies gilt auch für Strafgefangene, in Sicherungsverwahrung Genommene oder in einer Heil- und Pflegeanstalt Untergebrachte, die kraft ihres öffentlich-rechtlichen Sonderstatus zur Arbeit verpflichtet sind und mithin über ihre Arbeitskraft nicht wie sonstige Arbeitnehmer frei verfügen können (zur Arbeitspflicht beim Strafvollzug vgl. § 41 StVollzG).

Entgegen der Ansicht des Klägers ist es insoweit auch unerheblich, ob und inwieweit er Arbeitsleistungen erbringt, die denjenigen eines in Freiheit tätigen Arbeitnehmers gleichwertig oder zumindest vergleichbar sind. Maßgeblich ist allein, daß der Kläger seine Arbeit nicht aufgrund eines eigenen, frei getroffenen Willensentschlusses erbringt. Dies ist nur insoweit der Fall, als der Kläger Arbeitsleistungen über das vom PLK geforderte Maß hinaus in Form freiwilliger Mehr-, Samstags- und Sonntagsarbeit erbringt. Wenngleich die Arbeitsleistung in diesem Umfang nicht erzwungen werden kann und der Kläger hierzu nicht gesetzlich verpflichtet ist, teilt auch die Beschäftigung des Klägers insoweit das rechtliche Schicksal der ihm im übrigen obliegenden Arbeit. Ein rechtlich gesondert zu betrachtendes und auf der Basis eines frei vereinbarten Arbeitsverhältnisses bestehendes Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Träger des PLK liegt auch in diesem Umfang nicht vor.

Der vom Kläger gerügte Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch seine Nichteinbeziehung in den Kreis der in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherten Personen liegt schon deshalb nicht vor, weil Strafgefangene insoweit nicht anders (besser) behandelt werden als die sich im Maßregelvollzug befindlichen Personen; auch Strafgefangene unterliegen - wie ausgeführt - in der Rentenversicherung nicht der Versicherungspflicht. Gegenüber Strafgefangenen wird der Kläger also hinsichtlich der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nicht schlechter gestellt. Eine Versicherungspflicht des Klägers in diesem Versicherungszweig scheidet damit aus, so daß seine Berufung insoweit zurückzuweisen war.

Anders ist die rechtliche Stellung des Klägers im Bereich der Arbeitslosenversicherung zu beurteilen. Dort unterlag der Kläger auch schon vor Inkrafttreten des RRG, das u.a. eine Änderung des § 168 AFG mit sich brachte, der Beitragspflicht. § 168 Abs. 3a Satz 1 AFG i.d.F.d. StVollzG sah eine Beitragspflicht vor für Gefangene i.S.d. § 163a Satz 1 RVO i.d.F.d. StVollzG, die Arbeitsentgelt, Ausbildungshilfe oder Ausfallentschädigung erhalten. Obgleich § 163a RVO i.d.F.d. StVollzG selbst nie in Kraft getreten ist, wurde der nach dem AFG beitragspflichtige Personenkreis durch die in dieser Vorschrift enthaltene Definition bestimmt. Danach zählten zu den Gefangenen i.S. dieser Vorschrift nicht nur diejenigen Personen, die sich im Strafvollzug befinden, sondern auch Untersuchungshäftlinge und solche Personen, die sich im Vollzug einer Maßnahme der Besserung und Sicherung befinden (Gagel, AFG, Stand August 1992, § 168 Rz. 30). Durch das RRG wurde die Bezugnahme auf § 163a Satz 1 RVO zugunsten einer in § 168 Abs. 3 AFG selbst enthaltenen Abgrenzung des beitragspflichtigen Personenkreises ersetzt. Danach sind beitragspflichtig auch Gefangene, die Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Ausfallentschädigung ( 43 bis 45, 176 und 177 StVollzG) erhalten, soweit sie nicht nach anderen Vorschriften beitragspflichtig oder nach § 169c Nrn 1, 2 oder 3 AFG beitragsfrei sind. Gefangene i.S.d. AFG sind außerdem - worauf es vorliegend entscheidend ankommt - Personen, die im Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung oder einstweilig nach § 126a Abs. 1 Strafprozeßordnung (StPO) untergebracht sind. Hiermit hat der Gesetzgeber hinsichtlich der im Maßregelvollzug Untergebrachten keine gesetzliche Neuregelung geschaffen, sondern nur aus Vereinfachungsgründen die Vorschriften des StVollzG in das AFG übernommen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucksache 11/4124 S. 122 und 231 zu Nr. 18, § 168 AFG).

Entgegen der Ansicht des beklagten Landes scheidet eine Beitragspflicht des Klägers nach dieser Vorschrift nicht wegen fehlender Gewährung eines Entgelts aus. Wenn in § 168 Abs. 3 AFG von Arbeitsentgelt die Rede ist, ist damit die Gegenleistung des Trägers der Vollzugsanstalt für die von den Gefangenen i.S. dieser Vorschrift erbrachte Arbeitsleistung gemeint; der Begriff des Arbeitsentgelts setzt insoweit weder die Freiwilligkeit der Arbeitsleistung noch einen rechtsgeschäftlichen Vertrag (Arbeitsvertrag) als Rechtsgrundlage der Zuwendung voraus. Forderte man insoweit stets, daß die Entlohnung die Kriterien des § 14 SGB IV erfüllt, liefe die Vorschrift über die Beitragspflicht Gefangener, die Arbeitsentgelt i.S.d. § 43 StVollzG erhalten, regelmäßig leer. Denn auch Strafgefangene erbringen ihre Arbeitsleistung in der Strafvollzugsanstalt nicht freiwillig, sondern aufgrund der in § 41 StVollzG geregelten Arbeitspflicht; es fehlt mithin an der Freiwilligkeit der Arbeitsleistung, was das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. § 7 SGB IV und damit die Qualifikation der Entlohnung des Gefangenen als Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 SGB IV ausschließt. Dies erfordert es, den Begriff des Arbeitsentgelts in § 168 Abs. 3 AFG anders als in § 14 SGB IV auszulegen und hierunter jede Gegenleistung für wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung zu verstehen.

Der Senat vermag sich der Ansicht des beklagten Landes, im Vollzug einer Maßregel der Besserung und Sicherung würde nur eine "Arbeitsbelohnung" ohne Entgeltcharakter gewährt, jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht anzuschließen. § 168 Abs. 3 AFG fordert für den Eintritt der Beitragspflicht die Gewährung von Arbeitsentgelt, Ausbildungsvergütung oder Ausfallentschädigung und nimmt zur Bestimmung dieser Begriffe in einem Klammerzusatz auf die § 43 bis 45, 176 und 177 StVollzG Bezug, die gemäß § 1, 124, 130 StVollzG für Gefangene im Strafvollzug direkt und in entsprechender Anwendung für Gefangene in der Sicherungsverwahrung und einer sozialtherapeutischen Anstalt gelten. Für die in einem PLK untergebrachten Gefangenen sieht das StVollzG eine Anwendung dieser Entlohnungsvorschriften zwar nicht ausdrücklich vor. § 168 Abs. 3 AFG liefe aber für die dort ausdrücklich genannten Personen im Vollzug einer Maßregel der Besserung und Sicherung leer, wenn deren "Bezahlung" oder "Belohnung" in keinem Falle wie Arbeitsentgelt i.S.d. § 43 StVollzG behandelt werden könnte. Solche Personen könnten dann nie der Beitragspflicht zur BA (Arbeitslosenversicherung) unterliegen, was dem Zweck des § 168 Abs. 3 AFG zuwiderliefe. Das Konzept des StVollzG ist nämlich wesentlich darauf zugeschnitten, den Gefangenen durch Anleitung zur Arbeit und zu eigener Erwerbstätigkeit zu befähigen ( 37 StVollzG) und ihnen durch die Einbindung in die Arbeitslosenversicherung nach der Entlassung alle Dienste der Arbeitsförderung zugänglich zu machen (Gagel, aaO, § 168 Rz. 30).

Diese Zwecke liegen auch der Arbeitsleistung des Klägers zu Grunde. Nach Auskunft der Anstaltsärztin Dr. K. ist er wie Strafgefangene zu einer Arbeitsleistung von 22 Stunden in der Woche verpflichtet. Seine Arbeit dient nach dieser Auskunft, deren Richtigkeit zur Überzeugung des Senats feststeht, der Resozialisierung des Klägers, indem dessen Durchhaltevermögen und Selbstwertgefühl gestärkt werden. Der Kläger erbringt diese Arbeit jedoch nicht allein oder auch nur überwiegend aus medizinisch-therapeutischen Gründen, was bereits der Umstand zeigt, daß er etwa 60 v.H. der Leistungen eines sonstigen Gärtnergehilfen erbringt und hierbei nur bei diffizilen Tätigkeiten (z.B. Schneiden von Stecklingen) noch der Anleitung bedarf. Die Beschäftigung des Klägers mag damit zwar auch therapeutische Zwecke verfolgen, sie stellt jedoch nicht den Kern des Therapieprogramrns dar. Dies ergibt sich auch daraus, daß der Kläger freiwillige Arbeiten in der Gärtnerei nur dann leisten kann, wenn das eigentliche, d.h. neben der Gärtnertätigkeit zu absolvierende Therapieprogramm dies zeitlich zuläßt. Aus der Auskunft Frau Dr. K.s insgesamt ergibt sich, daß bei der Beschäftigung des Klägers dessen Arbeitsleistung im Vergleich zu den damit auch verfolgten Therapiezwecken eindeutig im Vordergrund steht. Diese Arbeitsleistung ist im Umfang, Arbeitsergebnis und in den äußeren Umständen ihrer Erbringung einer Arbeitsleistung Strafgefangener gleichwertig und damit geeignet, durch das Entgelt, das hierfür nach einem vom PLK festgelegten Leistungsprinzip (Punktesystem) gewährt wird, die Beitragspflicht nach § 168 Abs. 3 AFG bzw. vorher des § 168 Abs. 3a AFG herbeizuführen.

Ein sachlicher Grund, Personen, die wegen einer Straftat in einem PLK untergebracht sind, im Hinblick auf die Beitragspflicht zur BA anders zu behandeln als Strafgefangene, ist jedenfalls dann nicht ersichtlich, wenn die Arbeitsleistung der Art und dem Umfang nach derjenigen eines Strafgefangenen entspricht und - wie vorliegend - die mit der Arbeit auch verfolgten Therapiezwecke im Verhältnis zur Arbeitsleistung allenfalls eine unwesentliche Rolle spielen. Andernfalls hätte es nämlich der Landesgesetzgeber oder der Träger eines PLK in der Hand, durch die bloße Bezeichnung einer Gegenleistung für erbrachte Arbeit die Beitragspflicht dieser Person zur BA herbeizuführen oder diese aber - etwa durch die Bezeichnung als bloße "Arbeitsbelohnung" - auszuschließen. Verfassungskonform kann § 168 Abs. 3 AFG daher nur in dem Sinne ausgelegt werden, daß es im Rahmen dieser Vorschrift nicht auf die Bezeichnung einer Gegenleistung als Arbeitsentgelt, Entgelt o.ä., sondern allein darauf ankommt, ob es sich um einen materiellen Gegenwert für geleistete Arbeit und nicht um bloße Zuwendungen zu Zwecken der Therapie handelt. Hat eine Zuwendung sowohl den Charakter einer materiellen Gegenleistung als auch denjenigen eines therapeutischen Anreizes zu weiterer Tätigkeit oder überhaupt zu sinnvollem Tun, ist auf den jeweiligen Anteil dieser je verschiedenen Komponenten der Zuwendung abzustellen. Überwiegt wie im vorliegenden Fall eindeutig der Charakter der Zuwendung als Gegenleistung für geleistete Arbeit, so tritt demgegenüber im Rahmen des § 168 Abs. 3 AFG der daneben bestehende therapeutische Zweck zurück und hindert den Eintritt der Beitragspflicht zur BA nicht.

Damit war die Berufung des Klägers insoweit erfolgreich, als er die Feststellung begehrt, daß er seit 1. April 1986 der Beitragspflicht zur BA unterliegt.

Die Kostenentscheidung beruht im Verhältnis zum Kläger auf § 193 Abs. 1 SGG; im Verhältnis der Beklagten und der Beigeladenen zueinander auf § 193 Abs.4 SGG.

Der Senat mißt dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung bei und hat deshalb die Revision zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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