L 9 U 825/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 414/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 825/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. November 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 7.2.2003.

Der 1985 geborene italienische Kläger war seit November 2002 bei der Firma R.-B. in der Produktion als Paraffinringhersteller beschäftigt. Als der Kläger am 7.2.2003 an einer vollautomatischen Gießmaschine arbeitete, platzte eine Heißwasserleitung an der Maschine, wodurch 100° heißes Wasser austrat und den Kläger traf. Der Kläger wurde zunächst notärztlich versorgt und anschließend in die Kreisklinik Albstadt gebracht. Der Chefarzt der dortigen Chirurgischen Abteilung Dr. F. stellte beim Kläger Verbrühungen I. und II. Grades an Kopf, Hals, Schulter, Rumpf hinten und vorne, am Oberarm und Ellenbogen links fest. 3 % der Körperoberfläche seien von Verbrennungen I. Grades und 8% von Verbrennungen II. Grades betroffen (DA-Bericht vom 7.2.2003). Am 17.2.2003 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen. Im Arztbrief vom 25.2.2003 führte Dr. F. aus, im Entlassungszeitpunkt seien alle Verbrennungsflächen sauber und zu fast 100% durchgehend epithelialisiert gewesen. Es sei weiterhin tägliche Hautpflege mit Bepanthensalbe und tägliches Abduschen der Salbenreste erforderlich. Arbeitsfähigkeit trete zum 11.3.2003 ein. Mit Schreiben vom 20.3.2003 berichtete Dr. F. der Beklagten, dass sich der Kläger am 18.3.2003 erneut vorgestellt habe. Er habe die verordnete Salbeneinreibung mit Bepanthensalbe nicht vorgenommen. Unter Belastung sei es zu einer erneuten Schmerzhaftigkeit und Rötung im Bereich der Verbrennungswunde über der linken Schulter gekommen. Hier seien kleine Rhagaden entstanden. Der Kläger sei deswegen nochmals für eine Woche arbeitsunfähig geschrieben worden. Die Behandlung werde zum 26.3.2003 abgeschlossen. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) verbleibe nicht.

Am 3.4.2003 stellte sich der Kläger beim Hautarzt Dr. K. vor, der teilweise eine ausgedehnte Rötung und Ekzematisierung auf dem verbrühten Hautareal feststellte, den Kläger weiter für arbeitsunfähig hielt und ihn in die Universitäts-Hautklinik Tübingen überwies. Die dortigen Ärzte empfahlen das Tragen eines Kompressionshemdes und Krankengymnastik zur Schulung der Beweglichkeit der Arme (Berichte vom 9.5., 10.6. und 24.7.2003). Ab 14.4.2003 arbeitete der Kläger wieder vollschichtig. Es fanden weitere ambulante Behandlungen in der Universitäts-Hautklinik Tübingen sowie der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen statt. Das bis zum 30.11.2003 befristete Arbeitsverhältnis des Klägers wurde nicht verlängert. Die Beklagte beauftragte Prof. Dr. G., Ärztlicher Direktor am Zentrum für Plastische Chirurgie des Marienhospitals Stuttgart, mit der Begutachtung des Klägers. In dem zusammen mit Oberarzt Dr. V. erstatteten Gutachten vom 16.8.2004 stellte er als wesentliche Unfallfolgen eine instabile Narbe im Bereich der Axilla, eine hypertrophe Narbe an der vorderen Schulterpartie links und der Axilla links sowie einen geringen Kraftverlust fest. Er bewertete die MdE mit 10 vH.

Mit Bescheid vom 6.9.2004 anerkannte die Beklagte den Unfall des Klägers vom 7.2.2003 als Arbeitsunfall und führte aus, ein Anspruch auf Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls bestehe nicht, da diese nach der Begutachtung keine MdE in rentenberechtigendem Grade begründeten. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.1.2005 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 14.2.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen, mit der er die Gewährung von Verletztenrente weiter verfolgte.

Von den Beteiligten vorgelegt wurden Nachschauberichte des Chirurgen Dr. B. vom 24.1.2005 (nebst ausführlichen Befundbericht vom 20.1.2005) und vom 15.10.2008, ein ärztliches Attest des Internisten Dr. W. vom 30.8.2005, Stellungnahmen des Neurologen und Psychiaters Dr. Z. vom 23.3.2007, 5.12.2007 und 27.5. 2008, DA-Berichte des Chirurgen Dr. M. vom 24.2., 1.3., 6.3. und 14.3.2006 sowie 26.2.2007, Befundberichte von Prof. Dr. G. vom 24.2. und 5.10.2005 sowie der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen vom 23.2., 13.4., 12.6. und 8.11.2006, 26.2.2007 sowie 17.11.2008 und eine beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 18.6.2007.

Das SG hörte Dr. W. und Dr. Z. schriftlich als sachverständige Zeugen (Auskünfte vom 12.9.2005 und 14.5.2007) und holte ein nervenärztliches Gutachten ein.

Der Neurologe und Psychiater Dr. P. führte im Gutachten vom 9.4.2008 aus, er habe bei der neurologischen Untersuchung des Klägers leicht hypertrophische Narben im Bereich der linken Schulter von 13 cm Länge und im Bereich der linken Axilla von etwa 11 cm Länge festgestellt. Im Narbenbereich bestehe eine Hyperpathie im Sinne einer Überempfindlichkeit sowie eine punktförmige Reminiszenz mit leichter Blutung im Verlauf der Narbe im Axillabereich. Die Elevation und Abduktion des linken Armes über Schulterniveau sei aktiv schmerzhaft eingeschränkt; die passive Beweglichkeit sei nicht wesentlich eingeschränkt. Hinweise auf eine Depression lägen nicht vor. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei nicht beeinträchtigt, kognitive und mnestische Beeinträchtigungen lägen nicht vor. Die subjektiv empfundene entstellende Wirkung der Narben sei im Rahmen des auch narzisstisch geprägten Alters des Klägers (23 Jahre) zu sehen. Eine besonders entstellende Auswirkung sei damit nicht verbunden. Befunde von Krankheitswert lägen auf seinem Fachgebiet nicht vor.

Mit Urteil vom 27.11.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 7.2.2003, da diese seit Eintritt der Arbeitsfähigkeit am 14.4.2003 keine MdE um mindestens 20 vH bedingten. Die MdE-Einschätzung mit 10 vH durch Prof. Dr. G. und Dr. V. im Gutachten vom 16.8.2004 sei schlüssig und nachvollziehbar und stimme mit der unfallmedizinischen Literatur überein. Seitdem sei bezüglich des unfallchirurgischen Fachgebiets keine Verschlechterung eingetreten. Auf neurologischem bzw. psychiatrischem Fachgebiet lägen keine Gesundheitsstörungen vor, die zu einer Erhöhung der MdE führten. Das SG schließe sich der Beurteilung von Dr. P. an, der die von Dr. Z. genannte depressive Reaktion nicht habe bestätigen können. Die Schwierigkeiten des Klägers, sich auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren, führten nicht zu einer Erhöhung der MdE. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 26.1.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.2.2009 Berufung eingelegt und vorgetragen, zu Unrecht gehe das SG davon aus, dass die erlittenen Verbrennungen und die hierdurch nach wie vor bestehenden Funktionsausfälle, die hierdurch bedingte Muskelminderung sowie die hierdurch bedingte geringere Belastbarkeit der Haut zu keiner MdE in rentenberechtigendem Grade führe. Zu Unrecht sei das SG auch den Ausführungen von Dr. B. im Nachschaubericht vom 15.10.2008 nicht nachgegangen, der eine Einschränkung der Beweglichkeit der linken Schulter beim Vor-/Rückwärtsführen von 40-0-130° und der Seitwärtsbewegung von 120° bescheinigte. Wegen Schmerzen und Beeinträchtigungen im Bereich der linken Schulter habe er sich am 2.4.2009 einer erneuten Operation in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik unterziehe müssen. Zu Unrecht folge das SG der Beurteilung von Dr. P ... Entgegen den Ausführungen des SG liege bei ihm eine reaktive Depression vor, die auf den Unfall vom 7.2.2003 zurückzuführen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. November 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 14. April 2003 Rente nach einer MdE um 20 vH zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat ärztliche Berichte der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen vom 17.3., 6.4., 24.4. und 26.6.2009 vorgelegt und erwidert, aus dem Bericht vom 17.3.2009 gehe hervor, dass der Kläger über ein Bewegungsausmaß im Bereich der linken Schulter verfüge, welches weit über eine Vorhebung von 120° hinausgehe. Ferner ergebe sich daraus auch keine Beeinträchtigung der Schulterbeweglichkeit durch Narbenzüge. Zwischenzeitlich seien in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen während der stationären Behandlung vom 1.4. bis 6.4.2009 kosmetische Korrekturen der Verbrennungsnarben an der linken Schulter erfolgt. Aus den weiteren Berichten der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen ergebe sich eine endgradige Bewegungseinschränkung der Schulter für die Rückwärts- und Vorwärtsführung. Hinsichtlich möglicher psychischer Beeinträchtigungen werde auf das Gutachten von Dr. P. verwiesen. Der Kläger selbst habe anlässlich der Begutachtung angegeben, dass er keine psychischen Beeinträchtigungen habe.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 3.6. und 15.7.2009 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtliche Grundlage für die hier von dem Kläger beanspruchte Verletztenrente - § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch nicht besteht, weil die Folgen des Arbeitsunfalls vom 7.2.2003 zu keiner MdE um mindestens 20 vH führen. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass die von Dr. B. am 15.10.2008 dokumentierte Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk (Rückwärts-/Vorwärtsführung 40-0-130°, Seitwärts 120°, Außen-/Innenrotation von 90-0-40°) zu keiner MdE um mindestens 20 vH führt, wie das SG unter Hinweis auf die unfallmedizinische Literatur zu Recht ausgeführt hat. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 604 führt eine Bewegungseinschränkung im Schultergelenk erst zu einer MdE um 20 vH, wenn die Vorhebung nur bis 90° möglich ist und zu einer MdE um 10 vH, wenn die Vorhebung bis 120° möglich ist. Beim Kläger war die Vorhebung jedoch darüber hinaus bis 130° möglich. Aus dem Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen vom 26.6.2009 ist darüber hinaus zu entnehmen, dass eine Bewegungseinschränkung der linken Schulter jetzt nicht mehr besteht, da die Bewegungsausmaße im Vergleich zur unverletzten Schulter seitengleich sind. Die am 2.4.2009 durchgeführte Narbenexzision an der ventralen und lateralen Schulter links verlief komplikationslos. Ausweislich des oben genannten Berichts der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen waren nach Abschluss der Wundheilung die Durchblutung, Motorik und Sensibilität im Bereich der linken Schulter intakt und die Bewegung im Vergleich zu rechten Seite nicht mehr eingeschränkt.

Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass beim Kläger eine unfallbedingte reaktive Depression vorliegt, die zu einer Erhöhung der MdE führen könnte. Durch das bei dem Neurologen und Psychiater Dr. P. eingeholte Gutachten vom 9.4.2008 sind die Ausführungen von Dr. Z. widerlegt. Im Übrigen hat Dr. Z. auch schon vor Einholung des Gutachtens von Dr. P. keinen neurologisch-psychiatrischen Befund beschrieben, der seine Beurteilung hätte stützen können, worauf schon der Neurologe B. in der Stellungnahme vom 18.6.2007 hingewiesen hat. Soweit Dr. Z. in seiner Stellungnahme vom 24.5.2008 ausführt, psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen seien nicht eingeleitet worden, da seitens der Beklagten die Weiterbehandlung des Klägers untersagt worden sei, ist auch diese Begründung nicht überzeugend. Denn bei Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Depression wäre - unabhängig von der Ursache - eine derartige Behandlung zunächst zu Lasten der Krankenkasse vorzunehmen gewesen. Im Übrigen sah sich der Kläger selbst auf psychiatrischem Gebiet nicht als behandlungsbedürftig an, wie der Senat der Eigenanamnese des Klägers im Gutachten von Dr. P. entnimmt.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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