Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 86 KR 1358/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 350/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Vollstreckung einer Verpflichtung zur Gewährung häuslicher Krankenpflege.
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2009 wird aufgehoben. Der Antragsgegnerin wird ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro angedroht für den Fall, dass sie ihren Verpflichtungen aus dem Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. September 2009 nicht bis zum 7. Januar 2010 nachkommt. Die Beschwerde wird im Übrigen zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für dieses Vollstreckungsverfahren insgesamt zu erstatten.
Gründe:
I.
Am 29. September 2009 hat das Sozialgericht Berlin (SG) die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin entsprechend den Vorgaben der ärztlichen Verordnung ihres Arztes vom 20. August 2009 und nach deren Vorlage im Original Behandlungspflege als Sachleistung im Umfang von 24 Stunden täglich ab dem 1. Oktober 2009 bis zum 1. April 2010 zu gewähren.
Dieser Verpflichtung ist sie bisher nicht nachgekommen. Die Beteiligten streiten sich, ob die Antragsgegnerin ohne Grund säumig ist. Die Antragstellerin hat am 12. Oktober 2009 beantragt, der Antragsgegnerin unter Fristsetzung bis 16. Oktober 2009 die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000 EUR anzudrohen. Das SG hat diesen Vollstreckungsantrag mit Beschluss vom 10. November 2009, zugestellt am 24. November 2009, abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 7. Dezember 2009. Sie beantragt Aufhebung des Beschlusses und gemäß ihrem "ursprünglichen Antrag zu entscheiden und die Antragsgegnerin zu verpflichten, auch mit Zwangsmaßnahmen, die Kosten der durchgeführten Ersatzvornahme zu erstatten".
II. Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Jedenfalls die Voraussetzungen für die beantragte erste Stufe zur Vollstreckung des Beschlusses vom 29. September 2009 nach §§ 198 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. §§ 888 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), 201 SGG entsprechend, der Androhung eines Zwangsgeldes, liegen vor. Die Bedingung der Vorlage der Originalverordnung ist erfüllt. Die etwa einzuhaltende Frist des § 929 Abs. 2 ZPO ist erfüllt. Der Vollstreckungsantrag ist innerhalb eines Monats gestellt worden.
Die Antragsgegnerin ist nicht schuldlos säumig: Nach dem vollstreckbaren Titel hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin vorläufig zu pflegen. Dieser Verpflichtung ist sie nicht nur aus Gründen nachgekommen, welche ausschließlich die Antragstellerin selbst zu verantworten kann. Ob eine dauerhafte Sachleistung bislang aus Gründen gescheitert ist, welche sie nicht zu vertreten hat, ist unerheblich. Es geht nicht um die Vollstreckung in der Hauptsache.
Ausweislich ihrer Schriftsätze vom 29. Oktober 2009 und vom 18. Dezember 2009 wollte die Antragsgegnerin ihre Sachleistungspflicht erfüllen, indem sie die Kosten des Pflegedienstes Pegasus übernehmen wollte. Dieser wollte die Pflege nur aufnehmen, sofern zwischen ihm und der Antragstellerin ein Vertrag zustandegekommen wäre. Die Antragsgegnerin will die Sachleistung damit von einer Bedingung abhängig machen, die dem alleine maßgeblichen Titel nicht entnommen werden kann. Sie alleine muss den Pflegedienst beauftragen. Nunmehr will auch nach Angaben der Antragsgegnerin dieser Pflegedienst nicht mehr leisten, ohne dass sie vorträgt, sich um Ersatz zu bemühen. Die Antragsgegnerin muss aber die geschuldeten ärztlich verordneten Krankenpflegeleistungen der Antragsstellerin so anbieten, dass diese sie nur noch annehmen muss. Nur dann, wenn die Antragstellerin dies verweigert (indem sie zum Beispiel die Pflegekräfte nicht in die Wohnung lässt oder –wie ihr von einem früheren Pflegedienst vorgeworfen- von diesen andere Tätigkeiten verlangt), hat die Antragsgegnerin alles Geschuldete erfüllt. Soweit die Antragstellerin lieber eigene Pflegekräfte einsetzt, befreit dies die Antragsgegnerin auch nur, soweit sie deshalb konkrete Sachleistungen durch die von der Antragsgegnerin beauftragte Kräfte ablehnt. Dafür ist nichts ersichtlich.
Eine weitere Sachaufklärung liefe zum jetzigen Zeitpunkt dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz zuwider, das auch bei der Vollstreckung gegenüber staatlichen Stellen zu beachten ist (vgl. Bundesverfassungsgericht B. v. 9.08.1999 – 1 BvR 2245/98). Im Streit steht nämlich noch nicht die Verhängung eines Zwangsgeldes selbst, sondern lediglich die Androhung. Mehr hat die Antragstellerin beim SG nicht beantragt. Ob sich die Antragstellerin hier nicht auch nach §§ 198 Abs. 1 SGG i. V. m. 887 Abs. 1 ZPO hätte ermächtigen lassen könne, auf Kosten der Antragsgegnerin eigene Pflegekräfte zu beauftragen, muss an dieser Stelle nicht abschließend entschieden werden. Ohne eine solche Ermächtigung gibt es jedenfalls keinen Ersatzvornahmeanspruch. Der Senat geht mit dem SG und der wohl vorherrschenden Auffassung jedoch nach summarischer Prüfung davon aus, dass § 201 SGG bei titulierten Verpflichtungen aus einstweiligen Anordnungen entsprechend anzuwenden ist (vgl. Bayerisches LSG, B. v. 27.04.2009 –L 8 SO 29/09 BER-, der dies als einhellige Auffassung bezeichnet, ebenso Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer § 201 Rndr. 2a und b für Fälle, in denen es nicht um Geldzahlungen, unvertretbare Handlungen oder Duldungs- und Unterlassungspflichten geht mit Rechtsprechungsnachweisen). § 201 SGG lässt sich die auch für Eilbeschlüsse anwendbare, die ZPO Vorschriften teilweise verdrängende Gesetzesregelung entnehmen, in allen Fällen, in denen Verpflichtungen zu vollstrecken sind, mit Einschränkungen generell die Regeln der Vollstreckung unvertretbarer Handlungen (§ 888 ZPO) anzuwenden. Dass dabei "Verpflichtung" im allgemeinen Sinne als Leistungsverpflichtung gemeint ist und nicht nur für die Leistung des Erlasses eines Verwaltungsaktes, ergibt sich daraus, dass § 201 SGG in direkter Anwendung auch für die Vollstreckung von Maßnahmen zur Vollziehungsrückgängigmachung anzuwenden ist, also nicht nur für Verurteilungen auf Bescheiderlass.
Es ist angesichts der niedrigen Höhe sachgerecht, gleich die Höchstsumme des § 201 SGG als Zwangsgeld androhen.
Die Beschwerde war nur klarstellend im Übrigen zurückzuweisen. Der Senat geht davon aus, dass die Antragstellerin den Streitgegenstand nicht zweitinstanzlich (unzulässig) erweitern wollte. Die Kostenentscheidung erfolgt in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Gegen diesen Beschluss findet die Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht statt (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Am 29. September 2009 hat das Sozialgericht Berlin (SG) die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin entsprechend den Vorgaben der ärztlichen Verordnung ihres Arztes vom 20. August 2009 und nach deren Vorlage im Original Behandlungspflege als Sachleistung im Umfang von 24 Stunden täglich ab dem 1. Oktober 2009 bis zum 1. April 2010 zu gewähren.
Dieser Verpflichtung ist sie bisher nicht nachgekommen. Die Beteiligten streiten sich, ob die Antragsgegnerin ohne Grund säumig ist. Die Antragstellerin hat am 12. Oktober 2009 beantragt, der Antragsgegnerin unter Fristsetzung bis 16. Oktober 2009 die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000 EUR anzudrohen. Das SG hat diesen Vollstreckungsantrag mit Beschluss vom 10. November 2009, zugestellt am 24. November 2009, abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 7. Dezember 2009. Sie beantragt Aufhebung des Beschlusses und gemäß ihrem "ursprünglichen Antrag zu entscheiden und die Antragsgegnerin zu verpflichten, auch mit Zwangsmaßnahmen, die Kosten der durchgeführten Ersatzvornahme zu erstatten".
II. Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Jedenfalls die Voraussetzungen für die beantragte erste Stufe zur Vollstreckung des Beschlusses vom 29. September 2009 nach §§ 198 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. §§ 888 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), 201 SGG entsprechend, der Androhung eines Zwangsgeldes, liegen vor. Die Bedingung der Vorlage der Originalverordnung ist erfüllt. Die etwa einzuhaltende Frist des § 929 Abs. 2 ZPO ist erfüllt. Der Vollstreckungsantrag ist innerhalb eines Monats gestellt worden.
Die Antragsgegnerin ist nicht schuldlos säumig: Nach dem vollstreckbaren Titel hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin vorläufig zu pflegen. Dieser Verpflichtung ist sie nicht nur aus Gründen nachgekommen, welche ausschließlich die Antragstellerin selbst zu verantworten kann. Ob eine dauerhafte Sachleistung bislang aus Gründen gescheitert ist, welche sie nicht zu vertreten hat, ist unerheblich. Es geht nicht um die Vollstreckung in der Hauptsache.
Ausweislich ihrer Schriftsätze vom 29. Oktober 2009 und vom 18. Dezember 2009 wollte die Antragsgegnerin ihre Sachleistungspflicht erfüllen, indem sie die Kosten des Pflegedienstes Pegasus übernehmen wollte. Dieser wollte die Pflege nur aufnehmen, sofern zwischen ihm und der Antragstellerin ein Vertrag zustandegekommen wäre. Die Antragsgegnerin will die Sachleistung damit von einer Bedingung abhängig machen, die dem alleine maßgeblichen Titel nicht entnommen werden kann. Sie alleine muss den Pflegedienst beauftragen. Nunmehr will auch nach Angaben der Antragsgegnerin dieser Pflegedienst nicht mehr leisten, ohne dass sie vorträgt, sich um Ersatz zu bemühen. Die Antragsgegnerin muss aber die geschuldeten ärztlich verordneten Krankenpflegeleistungen der Antragsstellerin so anbieten, dass diese sie nur noch annehmen muss. Nur dann, wenn die Antragstellerin dies verweigert (indem sie zum Beispiel die Pflegekräfte nicht in die Wohnung lässt oder –wie ihr von einem früheren Pflegedienst vorgeworfen- von diesen andere Tätigkeiten verlangt), hat die Antragsgegnerin alles Geschuldete erfüllt. Soweit die Antragstellerin lieber eigene Pflegekräfte einsetzt, befreit dies die Antragsgegnerin auch nur, soweit sie deshalb konkrete Sachleistungen durch die von der Antragsgegnerin beauftragte Kräfte ablehnt. Dafür ist nichts ersichtlich.
Eine weitere Sachaufklärung liefe zum jetzigen Zeitpunkt dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz zuwider, das auch bei der Vollstreckung gegenüber staatlichen Stellen zu beachten ist (vgl. Bundesverfassungsgericht B. v. 9.08.1999 – 1 BvR 2245/98). Im Streit steht nämlich noch nicht die Verhängung eines Zwangsgeldes selbst, sondern lediglich die Androhung. Mehr hat die Antragstellerin beim SG nicht beantragt. Ob sich die Antragstellerin hier nicht auch nach §§ 198 Abs. 1 SGG i. V. m. 887 Abs. 1 ZPO hätte ermächtigen lassen könne, auf Kosten der Antragsgegnerin eigene Pflegekräfte zu beauftragen, muss an dieser Stelle nicht abschließend entschieden werden. Ohne eine solche Ermächtigung gibt es jedenfalls keinen Ersatzvornahmeanspruch. Der Senat geht mit dem SG und der wohl vorherrschenden Auffassung jedoch nach summarischer Prüfung davon aus, dass § 201 SGG bei titulierten Verpflichtungen aus einstweiligen Anordnungen entsprechend anzuwenden ist (vgl. Bayerisches LSG, B. v. 27.04.2009 –L 8 SO 29/09 BER-, der dies als einhellige Auffassung bezeichnet, ebenso Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer § 201 Rndr. 2a und b für Fälle, in denen es nicht um Geldzahlungen, unvertretbare Handlungen oder Duldungs- und Unterlassungspflichten geht mit Rechtsprechungsnachweisen). § 201 SGG lässt sich die auch für Eilbeschlüsse anwendbare, die ZPO Vorschriften teilweise verdrängende Gesetzesregelung entnehmen, in allen Fällen, in denen Verpflichtungen zu vollstrecken sind, mit Einschränkungen generell die Regeln der Vollstreckung unvertretbarer Handlungen (§ 888 ZPO) anzuwenden. Dass dabei "Verpflichtung" im allgemeinen Sinne als Leistungsverpflichtung gemeint ist und nicht nur für die Leistung des Erlasses eines Verwaltungsaktes, ergibt sich daraus, dass § 201 SGG in direkter Anwendung auch für die Vollstreckung von Maßnahmen zur Vollziehungsrückgängigmachung anzuwenden ist, also nicht nur für Verurteilungen auf Bescheiderlass.
Es ist angesichts der niedrigen Höhe sachgerecht, gleich die Höchstsumme des § 201 SGG als Zwangsgeld androhen.
Die Beschwerde war nur klarstellend im Übrigen zurückzuweisen. Der Senat geht davon aus, dass die Antragstellerin den Streitgegenstand nicht zweitinstanzlich (unzulässig) erweitern wollte. Die Kostenentscheidung erfolgt in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Gegen diesen Beschluss findet die Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht statt (§ 177 SGG).
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