L 4 R 2130/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 4041/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2130/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14. April 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von der Versicherungspflicht als Selbstständiger in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) zu befreien hat.

Der am 1956 geborene verheiratete Kläger ist seit 01. April 1986 als selbstständiger Masseur und Medizinischer Bademeister tätig. Er betreibt eine "Praxis für Massagen und Physiotherapie" - mit Sauna und Sonnenstudio; seinen Angaben zufolge ist er in der genannten Praxis hauptsächlich aufgrund ärztlicher Verordnungen tätig. Der Betrieb des Klägers ist bei der Einzugsstelle unter der Betriebsnummer XXX gemeldet. In der Praxis war die Ehefrau des Klägers, U. W., als Masseurin sozialversicherungspflichtig beschäftigt, und zwar nach der Kontoübersicht vom 20. Juni 2005 vom 01. Mai 1986 bis 31. Mai 1994, vom 01. bis 31. Juli 1995, vom 01. Januar 1996 bis 28. Februar 1997, vom 11. Januar 1998 bis 30. April 2000 sowie vom 01. Mai 2001 bis 30. April 2003. Es wurden Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Ehefrau abgeführt. Vom 01. Juni bis 17. August 2000, vom 23. Oktober bis 30. November 2000 sowie vom 01. Mai 2003 bis 31. Dezember 2004 war die Ehefrau insoweit als geringfügig Beschäftigte tätig. Nach dem Arbeitsvertrag vom 01. Mai 2001 war ab 01. Mai 2001 bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von zehn Stunden in der Woche ein monatliches Bruttogehalt von DM 1.000,00 vereinbart. Ferner ist beim Kläger J. M. als Physiotherapeut ab 01. März 2005 beschäftigt, wobei nach dem Arbeitsvertrag vom 08. Januar 2005 bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche ein monatliches Bruttogehalt von EUR 1.920,00 vereinbart war.

In dem am 27. April 2005 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) eingegangenen Antrag auf Kontenklärung vom 24. April 2005 gab der Kläger an, seit 01. April 1986 als selbstständiger Masseur und Medizinischer Bademeister tätig zu sein. Im Hinblick auf die Angabe zur selbstständigen Tätigkeit forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 27. Mai 2005 auf, den beigefügten "Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht kraft Gesetzes als selbstständig Tätiger" auszufüllen und auch mitzuteilen, ob er überwiegend aufgrund ärztlicher Anordnung tätig werde. In dem unter dem 13. Juni 2005 ausgefüllten Fragebogen bejahte der Kläger, dass sein monatliches Arbeitseinkommen (Gewinn) aus der selbstständigen Tätigkeit EUR 325,00 bzw. EUR 400,00 überschritten habe. Er bejahte auch, im Zusammenhang seiner selbstständigen Tätigkeit mindestens einen Arbeitnehmer zu beschäftigen. Dazu legte der Kläger das Lohnjournal für Mai 2005 vor, in dem die Beschäftigten J. M. und U. W. (diese mit monatlichen Bezügen von EUR 400,00) aufgeführt waren. Der Kläger reichte auf die weitere Aufforderung der Beklagten auch die Arbeitsverträge vom 01. Mai 2001 und 08. Januar 2005 ein. Die Beklagte erhob die Kontoübersicht der Ehefrau des Klägers vom 20. Juni 2005. Mit Bescheid vom 11. Juli 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, nach § 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) seien selbstständige Lehrer, Erzieher und Pflegepersonen (tätig in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege) versicherungspflichtig, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen würden. In den Zeiten vom 01. Mai 1986 bis 31. Mai 1994, vom 01. Januar bis 31. Juli 1995, vom 15. Dezember 1995 bis 28. Februar 1997, vom 11. Januar 1998 bis 30. April 2000, vom 01. Mai 2001 bis 30. April 2003 sowie ab 01. März 2005 habe keine Versicherungspflicht bestanden, da der Kläger einen oder mehrere versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigt habe. Vom 01. Juni bis 31. Dezember 1994, vom 01. August bis 14. Dezember 1995, vom 01. März 1997 bis 10. Januar 1998 sowie vom 01. Mai bis 30. November 2000 habe zwar jeweils Versicherungspflicht in der RV bestanden. Da die Beiträge dafür bereits verjährt seien, könnten sie auch nicht mehr wirksam gezahlt werden. Die Beiträge für die vom 01. Dezember 2000 bis 30. April 2001 sowie vom 01. Mai 2003 bis 28. Februar 2005 bestehende Versicherungspflicht seien hingegen noch nicht verjährt. Mit weiterem Bescheid vom 11. Juli 2005 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab 01. März 1986 nach § 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig sei. Versicherungspflichtige Selbstständige hätten grundsätzlich den Regelbeitrag, der einem Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße entspreche, zu zahlen. Ein vom Regelbeitrag abweichender Beitrag könne auf Antrag mit Wirkung für die Zukunft gezahlt werden, wenn das Arbeitseinkommen aus der selbstständigen Tätigkeit von der Bezugsgröße abweiche. In der diesem Bescheid anliegenden Beitragsberechnung stellte die Beklagte die (nicht verjährten) Beiträge vom 01. Dezember 2000 bis 30. April 2001 sowie vom 01. Mai 2003 bis 28. Februar 2005 nach dem Regelbeitrag mit insgesamt EUR 12.497,90 fest.

Mit dem gegen diese Bescheide eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, als Masseur unterfalle er nicht der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nrn.1 und 2 SGB VI. Nachdem der Kläger bestätigt hatte, hauptsächlich nach ärztlichen Verordnungen tätig zu sein, wies ihn die Beklagte mit Schreiben vom 26. September 2005 darauf hin, dass zu den selbstständig tätigen Pflegepersonen, die Krankenpflege im weiteren Sinne ausübten, auch Angehörige von Heilhilfsberufen gehörten, bei denen sich pflegerische und therapeutische Betreuung überschnitten. Dies sei insbesondere bei Masseuren sowie bei Masseuren und Medizinischen Bademeistern der Fall, die Massagen zu Heilzwecken verabfolgten, ferner bei Ergotherapeuten/Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten, die Kranke behandeln würden, sofern diese Personenkreise überwiegend aufgrund ärztlicher An- oder Verordnungen tätig würden. Nachdem der Kläger angegeben habe, dass er seine selbstständige Tätigkeit überwiegend auf ärztliche An- oder Verordnung ausübe, bestehe Versicherungspflicht. Sie (die Beklagte) könne jetzt noch prüfen, ob einkommensgerechte Beiträge für den Kläger günstiger seien. Dafür wurde er um Übersendung seiner Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2000 bis 2004 gebeten. Dazu machte der Kläger geltend, er könne nur einen Beitragsbescheid über sein Einkommen, das er mit seiner Tätigkeit als Masseur erlangt habe, anerkennen. Da er außer dieser Praxis noch eine Sauna und ein Sonnenstudio führe, könnten die daraus entstandenen einkommensteuerpflichtigen Einnahmen nicht herangezogen werden. Der Kläger reichte ferner mit Schreiben vom 18. November 2005 noch Berechnungen der Einkommensteuer, des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer in Bezug auf die Berechnung des zu versteuernden Einkommens für die Jahre 2000 bis 2003 ein (Gesamtbetrag der Einkünfte 2000 DM 43.012,00, 2001 DM 65.014,00 und 2003 EUR 21.134,00) und machte geltend, von seinem Steuerberater würden die Einkünfte aus der Physiotherapie mit ungefähr 50 vom Hundert (v.H.) eingestuft. Für das Jahr 2004 belaufe sich das geschätzte Einkommen aus der Physiotherapie auf ungefähr EUR 11.000,00 und für 2005 auf ungefähr EUR 5.000,00. Mit Bescheid vom 09. Januar 2006 setzte daraufhin die Beklagte die Beiträge ab 01. Dezember 2000 neu fest und hob den Bescheid vom 11. Juli 2005 insoweit auf. Bei der Berechnung einkommensgerechter Beiträge im Hinblick auf die Angaben des Klägers ergab sich für die Zeit vom 01. Dezember 2000 bis 30. April 2001 sowie vom 01. Mai 2003 bis 28. Februar 2005 eine Beitragsforderung von insgesamt EUR 4.259,00.

Gegen diesen Bescheid wandte sich der Kläger mit der Begründung, er habe erfahren, dass man Befreiung von der Versicherungspflicht beantragen könne, wenn man eine anderweitige Altersvorsorge getroffen habe. Mit Bescheid vom 28. Februar 2006 lehnte die Beklagte die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Selbstständige ab. Die Befreiung von der Versicherungspflicht sei u.a. nur möglich, wenn man am 31. Dezember 1998 eine nach § 2 Satz 1 Nrn.1 bis 3 oder § 229a Abs. 1 SGB VI versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit ausgeübt habe. Diese Voraussetzung sei beim Kläger nicht erfüllt. Bei der von ihm am 31. Dezember 1998 ausgeübten Tätigkeit habe sie sich zwar grundsätzlich um eine von den genannten Bestimmungen erfasste selbstständige Tätigkeit gehandelt. Jedoch habe der Kläger nicht der Versicherungspflicht unterlegen, weil er zu jenem Zeitpunkt im Zusammenhang mit seiner selbstständigen Tätigkeit einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt habe. Gegen diesen Bescheid machte der Kläger mit seinem Widerspruch geltend, er sei nach § 231 Abs. 5 Nr. 2 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit, da er entsprechende betriebliche Altersvorsorgeverträge abgeschlossen habe. Insoweit reichte er einen Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherung für arbeitnehmerähnliche Selbstständige bzw. für Selbstständige mit einem Auftraggeber vom 25. März 2006 ein. Er gab darin Haus- und Grundvermögen an und legte Bestätigungen über Versicherungsverträge der K. Lebensversicherung AG sowie der D. jeweils vom 31. Januar 2006 vor. Die Beklagte lehnte auch diesen Antrag mit Bescheid vom 11. April 2006 ab. Die beantragte Befreiung von der Versicherungspflicht sei nur möglich, wenn der Kläger eine selbstständige Tätigkeit ausüben würde, die zur Versicherungspflicht als Selbstständiger mit einem Auftraggeber nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI führe. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, da die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Physiotherapeut von einer anderen, vorrangigen Rechtsvorschrift erfasst werde und die Versicherungspflicht als Selbstständiger mit einem Auftraggeber dadurch ausgeschlossen sei. Insoweit sei Grundlage für die vorrangige Versicherungspflicht § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Es verbleibe bei der Entscheidung zur Versicherungspflicht aufgrund der selbstständigen Tätigkeit im Bescheid vom 09. Januar 2006. Der Bescheid vom 11. April 2006 werde nach § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Dagegen wandte der Kläger nochmals ein, er sei von der Versicherungspflicht befreit, da er eine entsprechende betriebliche Altersvorsorge vereinbart habe.

Die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 09. Januar, 28. Februar und 11. April 2006 wies die bei der Beklagten bestimmte Widerspruchsstelle mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2006 zurück. Da der Kläger in seiner Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, sondern nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI unterliege, komme für ihn eine Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI nicht in Frage. Auch eine Befreiung nach § 231 Abs. 6 SGB VI scheide aus, wobei die Befreiung nur bis zum 30. September 2001 hätte beantragt werden können. Im Dezember 1998 habe der Kläger einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt, sodass er in seiner selbstständigen Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI unterlegen habe. Aus diesem Grund seien auch die Voraussetzungen des § 231 Abs. 6 SGB VI nicht erfüllt. Mithin sei der Kläger verpflichtet, die mit Bescheid vom 09. Januar 2006 festgestellten Beiträge zu zahlen.

Deswegen erhob der Kläger am 07. August 2006 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG), mit der er geltend machte, die Ablehnung seines letzten Widerspruchs sei für ihn nicht nachvollziehbar. Er habe von den gesetzlichen Bestimmungen keine "Ahnung" gehabt. Seit Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit im Jahre 1986 sei er von keiner Institution auf die maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen hingewiesen worden. Auch habe er über die ganzen Jahre mit Versicherungen und Wohnungskauf Altersvorsorge betrieben.

Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheids entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 14. April 2008 wies das SG die Klage ab. Der Kläger unterliege in seiner selbstständigen Tätigkeit als Masseur und Physiotherapeut der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Er habe keinen Anspruch auf Befreiung nach § 231 Abs. 5 oder Abs. 6 SGB VI. Die Voraussetzungen des Abs. 5 seien nicht gegeben, da der Kläger nicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig gewesen sei. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Befreiung nach Abs. 6, da er am 31. Dezember 1998 nicht versicherungspflichtig gewesen sei, denn er habe eine Arbeitnehmerin versicherungspflichtig beschäftigt. Die bloße Ausübung einer Tätigkeit als Masseur und Physiotherapeut am 31. Dezember 1998, ohne dass aber Versicherungspflicht bestanden habe, sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht ausreichend gewesen; es habe vielmehr tatsächlich Versicherungspflicht bestanden haben müssen. Der spätere Eintritt der Versicherungspflicht sei ebenso wenig ausreichend wie der Umstand, dass die versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit vor dem 31. Dezember 1998 ausgeübt und aus Unkenntnis eine anderweitige ausreichende Absicherung aufgebaut worden sei. Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 16. April 2008 zugestellt.

Am 05. Mai 2008 hat der Kläger gegen den Gerichtsbescheid Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das SG habe die wichtigsten Kriterien außer Acht gelassen. Seit Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit sei er von den damals zuständigen Krankenkassen nie auf die maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen hingewiesen worden. Auch sei von seinem früheren Steuerberater nie ein Hinweis auf das maßgebende Gesetz gekommen. Es könne nicht angehen, dass er (der Kläger) "wegen Fehlern von den verantwortlichen Stellen verurteilt werde".

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14. April 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 11. Juli 2005, 09. Januar 2006, 28. Februar 2006 und 14. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 2007 zu verurteilen, ihn für seine selbstständige Tätigkeit als Masseur und Physiotherapeut von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und auch sonst statthaft. Sie ist aber nicht begründet. Denn die Beklagte hat mit den Bescheiden vom 28. Februar und 14. April 2006 zu Recht die zuletzt beantragte Befreiung von der (für die Zeitabschnitte, in denen der Kläger als selbstständiger Masseur und Medizinischer Bademeister keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt hatte) seit 01. März bzw. 01. April 1986 (bis 31. Dezember 1991 nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG - und ab 01. Januar 1992 nach der gleichlautenden Bestimmung des § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) bestehenden Pflichtversicherung in der Rentenversicherung abgelehnt, weshalb mit dem Bescheid vom 09. Januar 2006 - in entsprechender Änderung des Bescheids vom 11. Juli 2005 - auch zu Recht die (einkommensgerechten) Beiträge für die nicht verjährte Zeit vom 01. Dezember 2000 bis 30. April 2001 sowie vom 01. Mai 2003 bis 28. Februar 2005 festgesetzt worden sind. Die mit dem Ziel der Befreiung angefochtenen Bescheide, um dann die festgesetzten Pflichtbeiträge nicht bezahlen zu müssen, sind, wie das SG zutreffend entschieden hat, rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Zutreffend hat das SG entschieden, dass beim Kläger eine Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI ausscheidet.

a) § 231 Abs. 5 Satz 1 SGB VI in der rückwirkend ab 01. Januar 1999 geltenden Fassung bestimmt, dass unter den in Nrn. 1 bis 3 genannten Voraussetzungen Personen, die am 31. Dezember 1998 eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt haben, in der sie nicht versicherungspflichtig waren, und danach gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig werden, auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit werden.

b) Beim Kläger bestand, wie das SG zutreffend entschieden hat, am 31. Dezember 1998 in seiner selbstständigen Tätigkeit als Masseur und Medizinischer Bademeister zwar keine Versicherungspflicht. Er hat am 31. Dezember 1998 keine selbstständige Tätigkeit ausgeübt, in der er versicherungspflichtig war. Nach der Bestimmung des § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI (gültig ab 01. Januar 1992, im Wesentlichen gleichlautend schon bis 31. Dezember 1991 § 2 Abs. 1 Nr. 6 AVG: "in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- und Kinderpflege selbstständig tätige Personen, die in ihrem Betrieb keine Angestellte beschäftigen") waren (am 31. Dezember 1998) versicherungspflichtig selbstständig tätige "Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen,- Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen". Zwar hat das SG zutreffend dargelegt, dass der Kläger, der seinen Angaben zufolge hauptsächlich aufgrund ärztlicher Verordnungen tätig wurde, insoweit an sich dem Grunde nach zu den von Nr. 2 erfassten versicherungspflichtigen Personen der Heilhilfsberufe gehörte, weil er eine entsprechende Tätigkeit ausübt hat (vgl. BSG SozR 3-2600 § 2 Nr. 2 Rdnr. 11; Urteil vom 11. November 2003 - B 12 RA 2/03 R -). Der Kläger war aber am 31. Dezember 1998 deswegen nicht nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI versicherungspflichtig, weil er an diesem Tag regelmäßig einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer, nämlich seine Ehefrau, beschäftigt hat. Diese war jedenfalls insoweit zuletzt vom 11. Januar 1998 bis 30. April 2000, wie der Senat der Kontoübersicht vom 20. Juni 2005 entnimmt, beim Kläger versicherungspflichtig beschäftigt. Mithin hatte insoweit Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI vom 11. Januar 1998 bis 30. April 2000 nicht bestanden. Soweit Versicherungspflicht danach ab 01. Mai bis 30. April 2001 wieder eingetreten war, beruhte diese nicht auf der erst zum 01. Januar 1999 eingeführten Bestimmung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, wonach versicherungspflichtig selbstständig tätige Personen sind, die a) im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft. Vielmehr war (ab 01. Mai 2000) Versicherungspflicht wieder nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI eingetreten, da der Kläger im Zusammenhang mit seiner selbstständigen Tätigkeit als Masseur und Medizinischer Bademeister dann keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer (bis zunächst 30. April 2001) beschäftigt hat. Im Übrigen wurde auch später ab 01. Mai 2003, als der Kläger wieder bis 28. Februar 2005 keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt hat, keine Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, sondern wieder nach Nr. 2 begründet. Mithin war die Bestimmung des § 231 Abs. 5 Satz 1 SGB VI nicht anwendbar, ohne dass die Voraussetzungen der Nrn. 1 bis 3 zu prüfen waren (BSG SozR 4-2600 § 231 Nr. 1 Rdnr. 13).

2. Zutreffend hat das SG weiter dargelegt, dass der Kläger die von ihm begehrte Befreiung auch nach § 231 Abs. 6 SGB VI nicht beanspruchen kann.

a) Unter den weiteren Voraussetzungen der Nrn. 1 bis 3 gilt nach § 231 Abs. 6 Satz 1 SGB VI dass Personen, die am 31. Dezember 1998 eine nach § 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 oder § 229a Abs. 1 SGB VI versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit ausgeübt haben, von der Versicherungspflicht auf Antrag befreit werden. Diese Befreiung war bis zum 30. September 2001 zu beantragen und wirkte vom Eintritt der Versicherungspflicht an (Satz 2 der Vorschrift).

b) § 231 Abs. 6 Satz 1 SGB VI lässt am Stichtag des 31. Dezember 1998 die bloße Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit i. S. des § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI dem Grunde nach nicht genügen. Vielmehr muss in dieser Tätigkeit am 31. Dezember 1998, dem Stichtag, tatsächlich Versicherungspflicht bestanden haben. Die eng auszulegende Befreiungsvorschrift des § 231 Abs. 6 Satz 1 SGB VI ist auch nicht entsprechend auf die Fälle anzuwenden, in denen am 31. Dezember 1998 lediglich eine Tätigkeit im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ausgeübt worden ist (BSG SozR 4-2600 § 231 Nr. 2, auch Nr. 1 Rdnrn. 22, 28). Am 31. Dezember 1998 hat beim Kläger tatsächlich - wie oben dargelegt - jedoch keine Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI bestanden, denn vom 11. Januar 1998 bis 30. April 2000 war, was der Kläger auch nicht bestreitet, im Zusammenhang mit seiner selbstständigen Tätigkeit seine Ehefrau als versicherungspflichtige Arbeitnehmerin regelmäßig beschäftigt. Bei dieser Zeitspanne der Beschäftigungsdauer vom 11. Januar 1998 bis 30. April 2000, also von weit mehr als einem Jahr, handelte es sich nicht nur um eine vorübergehende oder gelegentliche, die Versicherungspflicht nicht berührende, sondern um eine regelmäßige Beschäftigung von Arbeitnehmern (BSG SozR 4-2600 § 231 Nr. 1 Rdnr. 27). Dies schloss für diese Zeit, mithin auch am 31. Dezember 1998, die Versicherungspflicht als Selbstständiger aus. Diese Stichtagsregelung, mit dem an die Bestimmung des § 231 Abs. 5 SGB VI angelehnten Zweck, zeitlich befristet eine bestimmte kleine Gruppe von der Versicherungspflicht auszunehmen, ist, weil damit nicht sachwidrig, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Bundesverfassungsgericht - BVerfG - SozR 4-2600 § 2 Nr. 10 Rdnrn. 41 ff.). Der spätere Eintritt der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI (hier vom 01. Mai 2000 bis 30. April 2001 sowie vom 01. Mai 2003 bis 28. Februar 2005) kann ebenso wenig wie der Umstand, dass vor dem 31. Dezember 1998, d.h. hier vor dem 11. Januar 1998, Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI insoweit bestanden hatte, die Anwendung des § 231 Abs. 6 SGB VI rechtfertigen (BSG SozR 4-2600 § 231 Nr. 2, auch Nr. 1 Rdnr. 28).

Die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI tritt kraft Gesetzes mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein, ohne dass es insoweit eines konstitutiven Aktes eines Versicherungsträgers bedarf. Darauf, ob dem Kläger die Regelung des § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI bzw. die Vorgängerregelung des § 2 Abs. 1 Nr. 6 AVG bekannt war, kommt es deshalb nicht an. Auf Unkenntnis der fehlenden Versicherungspflicht am 31. Dezember 1998, weil zu jenem Zeitpunkt ein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt war, kann sich der Kläger ebenso wenig berufen wie darauf, dass die Beklagte vom Kläger beispielsweise in der Zeit vor dem 11. Januar 1998, als Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI bereits bestanden hatte, keine Pflichtbeiträge gefordert hatte. Dass sich der Kläger vor dem 01. Januar 1999 bzw. vor dem 27. April 2005 mit einem konkreten Beratungsersuchen zu § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI an die Beklagte gewandt hätte, ist nicht nachgewiesen. Die Durchsetzung der gesetzlichen Versicherungspflicht und Beitragszahlung des Klägers als überwiegend aufgrund ärztlicher Verordnung tätiger selbstständiger Masseur und Medizinischer Bademeister ist auch nicht deswegen verfassungsrechtlich in Frage gestellt, weil ersichtlich, jedenfalls bis zum 31. Dezember 2000, die versicherungspflichtigen Selbstständigen nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI von der Beklagten als Versicherte nicht regelmäßig erfasst und nur in Einzelfällen zur Zahlung von Beiträgen herangezogen wurden. Insoweit war die Beklagte ersichtlich auf Eigenmeldungen angewiesen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber nicht untätig geblieben ist. Denn er hatte seit 01. Januar 2001 auch für versicherungspflichtige Selbstständige (nach § 2 Satz 1 Nrn.1 - 3 SGB VI) verpflichtend (und bußgeldbewehrt nach § 320 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) geregelt, dass diese sich innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit beim zuständigen Rentenversicherungsträger melden müssen (§ 190a Abs. 1 SGB VI; vgl. dazu BVerfG SozR 4-2600 § 2 Nr. 10 Rdnrn. 34 ff.) Hier ist die Versicherungspflicht des Klägers nicht etwa aufgrund dessen Meldung, sondern erst mit dem am 27. Mai 2005 bei der Beklagten eingegangenen Antrag auf Kontenklärung bekannt geworden. Abgesehen davon hätte der Kläger, selbst wenn die Voraussetzungen des § 231 Abs. 6 Satz 1 Nrn. 1 und 3 SGB VI vorgelegen hätten, die Befreiung nicht innerhalb der bis zum 30. September 2001 laufenden Frist beantragt.

3. Da der Kläger nicht zu befreien war, hat die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 09. Januar, 2006, unter Änderung des Regelbeitragsbescheids vom 11. Juli 2005, für die nicht verjährten Zeiten nach § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 SGB VI einkommensgerechte Beiträge im Hinblick auf die Angaben des Klägers zu seinem Arbeitseinkommen aus der nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI versicherungspflichtigen selbstständigen Tätigkeit festgesetzt. Insoweit hat der Kläger Einwendungen gegen die Beitragsfestsetzung im geänderten Beitragsbescheid vom 09. Januar 2006, mit dem die Beklagte seinen Einwendungen gegen die Festsetzung des Regelbeitrags voll Rechnung getragen hat, nicht vorgebracht. Eine fehlerhafte Berechnung ist auch nicht ersichtlich.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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