L 10 U 4143/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 6465/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4143/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
für Recht erkannt: Tenor: Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.08.2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.

Der am 1952 geborene, aus F. stammende Kläger absolvierte in seinem Heimatland eine dreijährige Ausbildung zum Bauschlosser und Schmied und war anschließenden als Hufschmied beschäftigt. Im September 1970 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über, wo er zunächst in einer Abfüllerei und hiernach in einer Wurstfabrik beschäftigt war. Ab April 1973 war der Kläger als Bauhelfer und angelernter Maurer beschäftigt, zuletzt seit 1983 bei dem Bauunternehmen G. W. GmbH in B. (Maurerarbeiten sowie Schal- und Betonierarbeiten mit einem Zeitanteil von jeweils 40 % und Bewehrungsarbeiten mit einem Zeitanteil von 20 % angab, wobei Gewichte von maximal 25 kg vor dem Körper bzw. auf der Schulter zu tragen waren). Ab 24.08.2005 war der Kläger arbeitsunfähig, weshalb das Beschäftigungsverhältnis durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 30.09.2006 beendet wurde. Seither ist der Kläger ohne Beschäftigung.

Nachdem die Innungskrankenkasse E. (IKK) der Beklagten den Verdacht auf eine BK beim Kläger gemeldet und die Beklagte medizinische Unterlagen beigezogen hatte (u.a. Entlassungsberichte der Reha-Klinik Ü. in I. und der Klinik für Rehabilitation "A K Bad K. ", wo der Kläger im Juni 2001 sowie im Mai/Juni 2003 stationär unter den Diagnosen chronisch rezidivierende Lumboischialgie links bei degenerativen Veränderungen, Zustand nach Bandscheibenvorfall L4/5, L5/S1 bzw. chronisch rezidivierendes pseudoradikuläres Lumbosakralsyndrom bei erheblichen degenerativen Veränderungen, mäßiggradige Coxarthrose ohne Funktionsdefizit behandelt worden war) holte die Beklagte die Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. Kn. ein, der aus medizinischer Sicht nicht den begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer BK Nr. 2108 sah, weil osteochondrotische Veränderungen hauptsächlich im Bereich der mittleren Lendenwirbelsäule (LWS) vorhanden seien, während die untere LWS unauffällig sei und daher kein belastungskonformes Schadensbild vorliege.

Mit Bescheid vom 09.10.2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer durch die versicherte Tätigkeit verursachten bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV gestützt auf diese Stellungnahme und der weiteren Begründung ab, bei einer beruflichen Verursachung der Wirbelsäulenerkrankung sei zu erwarten, dass von oben nach unten zunehmende Veränderungen der LWS bestünden, da die berufliche Belastung am stärksten auf die untere LWS einwirke. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14.11.2003).

Am 28.11.2003 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und unter Hinweis auf die vorliegenden Befunde geltend gemacht, dass Bandscheibenschäden an der gesamten LWS, insbesondere auch im Bereich von L5/S1, vorhanden seien.

Das SG hat den Facharzt für Orthopädie Dr. S. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dieser hat das Vorliegen eines gleichförmigen, über alle Wirbelsäulenabschnitte verlaufenden, Schadensbildes verneint, weil insbesondere die unteren LWS-Segmente L4/5 und L5/S1 betroffen seien und die Auffassung vertreten, die klinischen und radiologischen Befunde sprächen für die Anerkennung der BK Nr. 2108. Nach Vorlage einer Belastungsbeurteilung nach dem Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell (MDD) durch den TAD der Beklagten, nach der die berufliche Gesamtdosis des Klägers mit 26,61 x 106 Nh über dem Richtwert zur Mindestexposition lag, wodurch die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK Nr. 2108 erfüllt seien, hat das SG das Gutachten des Dr. D. , Oberarzt in der Klinik für Unfallchirurgie im M. Hospital S. und auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. A. eingeholt. Dr. D. hat die vom Kläger geklagte Beschwerdesymptomatik auf die deutlich vermehrten Verschleißerscheinungen der LWS zurückgeführt, einen wesentlichen ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit jedoch verneint, weil der Schwerpunkt der vermehrten degenerativen Verschleißerscheinungen den mittleren LWS-Bereich (Bewegungssegmente L2/3 und L3/4) sowie das mittlere und beinnahe Brustwirbelsäulen(BWS)-Drittel beträfen, nicht aber - entgegen der Beurteilung durch Dr. A. - die Bewegungssegmente L4/5 und - hier sei der Zwischenraum am höchsten - L5/S1. Die von Dr. A. geschilderten Beschwerden (unruhiger, von einer Schmerzsymptomatik im Bereich der gesamten Wirbelsäule unterbrochener Schlaf) stünden nicht in Einklang mit der zu erwartenden Schmerzsymptomatik im Bereich der LWS und dem beinnahen BWS-Bereich. Auch könne der von Dr. A. erhobene Untersuchungsbefund in Form von druckempfindlichen Kreuz-/Darmbeingelenken nicht bandscheibenbedingten Verschleißerscheinungen zugeordnet werden. Schließlich habe Dr. A. - ebenso wie er selbst - eine radikuläre Symptomatik im Sinne einer dermatombezogenen Lumboischialgie (ausstrahlende Schmerzen von der LWS in die Beine) nicht feststellen können. Dr. A. hat erhöhte Verschleißerscheinungen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS), BWS und LWS mit Schwerpunkt im Bereich der unteren HWS, der unteren BWS (Übergang zum ersten Lendenwirbelkörper) und im unteren LWS-Abschnitt (L4/5 und L5/S1) beschrieben und ist davon ausgegangen, dass diese wahrscheinlich durch die berufliche Belastung bedingt seien, da keine außerberuflichen Ursachen für diese, die altersentsprechende Norm übersteigenden Abnutzungserscheinungen existierten. Entsprechend hat er das Vorliegen einer BK Nr. 2108 (und auch nach Nr. 2109) bejaht. Mit Urteil vom 18.08.2005 hat das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Umstand, dass im Bereich der gesamten Wirbelsäule degenerative Veränderungen vorzufindenden seien und der beruflich besonders belastete Abschnitt im Bereich der unteren LWS sich nicht deutlich von belastungsferneren Abschnitten unterscheide, spreche dafür, dass die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers anlagebedingt seien, zumal der erste Bandscheibenvorfall bereits im Jahr 1983 eingetreten sei, also knapp nach Ablauf des 10-Jahreszeitraums.

Gegen das seinen früheren Bevollmächtigten am 21.09.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.10.2005 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, sein Gesundheitszustand habe sich weiter verschlimmert. Er sei mehrmals arbeitsunfähig gewesen, wobei sich nach Wiederaufnahme der Tätigkeit die Schmerzen jeweils wieder verschlimmert hätten. Auch dieser Umstand spreche für den ursächlichen Zusammenhang seiner Beschwerden mit seiner beruflichen Tätigkeit, wovon auch Dr. S. und der Sachverständige Dr. A. ausgegangen seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.08.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2003 aufzuheben und das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Der Senat hat zunächst das Gutachten des PD Dr. Kr. , Abteilung für Unfallchirurgie, Hand- und Wiederherstellungschirurgie in der Chirurgischen Universitätsklinik U. mit ergänzender Stellungnahme eingeholt. Dieser hat beim Kläger fortgeschrittene degenerative Veränderungen der HWS im Segment C5/C6, diskreter ausgeprägt im Segment C6/C7, im Bereich der Brustwirbelsäule im Segment BWK 11/12 sowie darüber hinaus über die gesamte LWS bis zum Segment L5/S1 bei Bandscheibenprotrusionen im Bereich der gesamten LWS und Bandscheibenvorfällen in den Segmenten L4/L5 und L5/S1 beschrieben. Nach den Darlegungen des Sachverständigen erklärten sich die degenerativen Veränderungen im Bereich des thorakolumbalen Übergangs durch eine Keilwirbelbildung des BWK 12, woraus eine kyphotische Fehlhaltung resultiere, die eine Erhöhung der axialen Belastung bedinge und somit die Bandscheiben vermehrt belaste. In diesen Wirbelsäulenabschnitten hätten damit der natürliche Alterungsprozess, die biomechanische Fehlstellung und die körperlichen beruflichen Belastungen gleichzeitig eingewirkt und das aktuell vorliegende Degenerationsmuster verursacht. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei der beruflichen Belastung in diesem Bereich ein verschlimmernder Einfluss beizumessen. Soweit Vorgutachter eine BK im Hinblick auf ein nicht belastungskonformes Degenerationsmuster der Wirbelsäule verneint hätten, könne dem nicht gefolgt werden, da ein belastungskonformes Degenerationsmuster der Wirbelsäule nie gefunden worden sei.

Gegen dieses Gutachten hat sich die Beklagte unter Vorlage der Stellungnahme der Dres. T. und S. , Ärzte für Orthopädie, gewandt, die ausgeführt haben, dass beim Kläger bereits keine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS im Sinne der BK Nr. 2108 vorliege. So habe der Kläger durchgehend über eine mehr diffuse Schmerzsymptomatik der LWS ohne Bevorzugung einzelner Segmente geklagt und bei den meisten Untersuchung habe sich eine altersgenügende Beweglichkeit gezeigt. Auch eine spezifische segmentbezogene Wurzelreizung oder Nervenausfallerscheinungen seien nicht festgestellt worden. Zwar lägen in mehreren Etagen Bandscheibenvorwölbungen vor, wobei man im Segment L4/5 grenzwertig auch von einem kleinen Prolaps ausgehen könne, jedoch würden dadurch die Nervenstrukturen nicht relevant beeinträchtigt, da der klinische Befund dann anders aussehen müsse. Die zwar krankhaften degenerativen Veränderungen der Bandscheiben vorzugsweise im Bereich von L2/3 sowie L3/4, später auch L4/5, erlaubten auf Grund der klinischen Befunde nicht die Diagnose einer bandscheibenbedingten Erkrankung.

Der Senat hat sodann das orthopädische Gutachten des Dr. H. , Leitender Arzt des Orthopädischen Forschungsinstituts S. eingeholt. Dieser hat eine Spondylosis hyperostotica (Morbus Forestier) diagnostiziert, eine ausgeprägte, durch diffuse Verschleißerscheinungen geprägte Erkrankung, die die Bandscheiben (Höhenminderungen, Signalabschwächungen in der Kernspintomographie) sowie die benachbarten Wirbelkörper (knöcherne Ausziehungen) und die Zwischenwirbelgelenke (Facettengelenke) beträfen und Einengungen der Nervenwurzelkanäle bedingten. Dieses Krankheitsbild habe möglicherweise genetische oder auch stoffwechselbedingte Ursachen, sei jedoch nicht als belastungsabhängige Bandscheibenerkrankung zu verstehen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Der Kläger erstrebt bei sachdienlicher Auslegung seines prozessualen Begehrens (§ 123 SGG) im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK ablehnenden Verwaltungsentscheidungen und die gerichtliche Feststellung dieser BK. Dem auf Entschädigung gerichteten Begehren im schriftsätzlich gestellten Antrag kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R).

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 09.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.11.2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es ablehnte, die Erkrankung des Klägers als BK Nr. 2108 anzuerkennen. Denn eine derartige BK liegt beim Kläger nicht vor.

BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer der den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VI begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählt nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Bei dem Versicherten muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegen, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein.

Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung - hier also eine bandscheibenbedingte Erkrankung - erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Im Sinne der obigen Darlegungen erfüllt der Kläger mit der vom TAD der Beklagten errechneten Gesamtdosis der beruflichen Belastung durch Heben oder Tragen schwerer Lasten von 26,61 x 106 Nh die arbeitstechnischen Voraussetzungen der in Rede stehenden BK. Dies steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Streitig ist ausschließlich das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108. Während der Kläger insoweit die Auffassung vertritt, er leide an einer bandscheibenbedingten Erkrankung, die ursächlich auf seine beruflichen Belastungen als Bauhelfer bzw. Maurer zurückzuführen sei, geht die Beklagte davon aus, dass die beim Kläger aufgetretenen Schmerzsymptome nicht auf eine Erkrankung der Bandscheiben zurückzuführen sind, mithin im Sinne der in Rede stehenden BK bereits keine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegt.

In Übereinstimmung mit der Auffassung der Beklagten ist auch der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass beim Kläger keine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS im Sinne der BK Nr. 2108 vorliegt.

Zwar sind beim Kläger kernspintomographisch über das altersübliche Ausmaß hinausgehende Degenerationen der Bandscheiben in sämtlichen Segmenten der LWS nachgewiesen, jedoch stellt ein im Bereich der LWS objektivierter Bandscheibenschaden - wenn auch dies aus dem Wortlaut der Regelung nicht unmittelbar zu entnehmen ist - nicht ohne weiteres eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der BK 2108 dar. Der Bandscheibenschaden muss vielmehr zu einer Erkrankung mit chronisch wiederkehrenden Beschwerden mit Funktionseinschränkungen der LWS geführt haben. In der Begründung zur Zweiten Änderungsverordnung, durch welche die BK Nr. 2108 in die BK-Liste aufgenommen worden ist (BR-Drucks 773/92 S. 8) hat der Verordnungsgeber konkret dargelegt, was unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS zu verstehen sein soll. Danach sind unter bandscheibenbedingten Erkrankungen zu verstehen: Bandscheibendegeneration (Dyskose, Instabilität im Bewegungssegment), Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den vorderen seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde bedingten Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule.

Dementsprechend können die röntgenologisch und kernspintomographisch objektivierten Veränderungen im Bereich der LWS des Klägers nur dann als Krankheitsbild im Sinne der in Rede stehenden BK Nr. 2108 verstanden werden, wenn sie in einen kausalen Zusammenhang mit den Beschwerden des Klägers und den bei ihm vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen gebracht werden können (BSG, Urteil vom 31.05.2005, B 2 U 12/04 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2).

Wie der Sachverständige Dr. H. in Übereinstimmung mit den von der Beklagten hinzugezogenen Orthopäden Dres. T. und S. überzeugend dargelegt hat, ist dies indes nicht der Fall. Für den Senat schlüssig und nachvollziehbar hat Dr. H. ausgeführt, dass das klinische Beschwerdebild beim Kläger nicht auf die Verschleißerkrankung der Bandscheiben im LWS-Bereich zurückzuführen ist, sondern auf die radiologisch nachgewiesenen ausgeprägten diffusen Verschleißerscheinungen, die sich im Bereich der gesamten LWS zeigen und in den unteren Abschnitten der HWS und der unteren Hälfte der BWS zu finden sind. Diese Verschleißerscheinungen betreffen die Bandscheiben (Höhenminderungen, Signalabschwächungen in der Kernspintomographie), die benachbarten Wirbelkörper (knöcherne Ausziehungen, sog. Spondylophyten), die Zwischenwirbelgelenke (Facettengelenke) und mehrere Nervenwurzelkanäle im Bereich der unteren Lendenregion in Form von Einengungen. Die Einengungen beruhen zum Teil auf anlagebedingten Faktoren (kurze Bogenwurzeln) und zum Teil auf einer zusätzlichen Einengung durch Weichteile und die sich durch den Verschleiß zunehmend verformenden kleinen Wirbelgelenke. Aus diesem Krankheitsbild (sog. Spondylosis hyperostotica bzw. Morbus Forestier) resultieren die Beschwerden, wie sie vom Kläger geklagt werden. So hat der Kläger anlässlich seiner Begutachtung durch Dr. H. im Zusammenhang mit seinem Beschwerdebild spontan angegeben, dass er nach längerem Stehen und Gehen immer wieder eine kürzere Pause in Rumpfvorneigung einlege und sich dabei oft mit den Händen an den Oberschenkeln abstütze. Nach den schlüssigen Darlegungen des Sachverständigen findet sich eine derartige Entlastungshaltung nicht bei Patienten mit symptomatischen Bandscheibenvorfällen, sondern bei solchen mit zentralen oder seitlichen Einengungen des Wirbelkanals (sog. Spinalkanalstenose). Diese Entlastung führt nämlich zu einer Erweiterung des zentralen Wirbelkanals und der Nervenwurzelkanäle, während die Bandscheiben durch diese Körperhaltung eher noch vermehrt unter Druck gesetzt werden. Die aufgeführten anamnestischen Angaben des Klägers decken sich auch mit dem relativen Erfolg des im Juni 2008 durchgeführten operativen Eingriff, bei dem im Bereich des Wirbelkanals zwischen dem dritten und fünften Lendenwirbel eine Erweiterung durchgeführt wurde und dabei die Nervenwurzeln L3, L4 und L5 beidseits freigelegt wurden, wobei sich die Beschwerden des Klägers nach Erweiterung der Nervenwurzelkanäle - dessen Angaben zufolge - deutlich gebessert hatten. Ziel des angesprochenen operativen Eingriffs waren die Knochen und Weichteile fernab der Bandscheiben, die selbst nicht operativ behandelt wurden. Die deutliche Beschwerdebesserung nach der beschriebenen operativen Behandlung ist ein deutliches Indiz dafür, dass das Beschwerdebild gerade nicht unmittelbar von der Bandscheibensituation rührt. Dass die Beschwerden nach dem operativen Eingriff partiell zurückgekehrt sind hat der Sachverständige für den Senat nachvollziehbar damit erklärt, dass Vernarbungen im Bereich des Operationsgebietes aufgetreten sein können, die wiederum zu Einengungen der Nervenwurzeln führen oder der operative Eingriff nicht umfassend genug war, um zu einer dauerhaften Entlastung der Nervenwurzel zu führen. Der Umstand, dass der Kläger nach den Beobachtungen des Dr. H. anlässlich seiner Untersuchung nach wie vor die Neigung zeigt, zur Beschwerdelinderung vorübergehend den Rumpf nach vorne zu beugen, macht nach den für den Senat überzeugenden Darlegungen des Dr. H. aber deutlich, dass seine Beschwerden eher Ausdruck einer Einengung mehrerer Nervenwurzelkanäle auf Grund seiner diffusen Wirbelsäulenerkrankung sind als Folge einer Bandscheibenerkrankung im Bereich der LWS.

Ungeachtet dieser vor dem Hintergrund des im Juni 2008 erfolgten operativen Eingriffs von dem Sachverständigen Dr. H. in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückten Gesichtspunkte haben auch die von der Beklagten hinzugezogenen Orthopäden Dres. T. und S. - noch in Unkenntnis der späteren Entwicklung - beachtliche Hinweise gesehen, die gegen das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung beim Kläger sprechen. Für den Senat schlüssig und überzeugend haben diese dargelegt, dass die klinischen Befunde beim Kläger durchgehend eine eher diffuse Schmerzsymptomatik gezeigt haben, ohne dass die Beschwerden einzelnen Segmenten hätten zugeordnet werden können. Auch fanden sich keine spezifischen segmentbezogenen Wurzelreizungen oder Nervenausfallserscheinungen. Anlässlich der jeweils im gerichtlichen Verfahren durchgeführten gutachterlichen Untersuchungen haben die Sachverständigen im Übrigen auch eine im Wesentlichen altersentsprechende Beweglichkeit der LWS gefunden. So hat Dr. D. ausgeführt, anlässlich seiner Untersuchung keinen Hinweis für sensible oder motorische Nervenwurzelreizerscheinungen seitens der die LWS betreffenden Spinalnerven gefunden zu haben. Die vom Kläger seinerzeit geklagten ausstrahlenden Schmerzen von der LWS in beide Hüften hat der Sachverständige nicht als sensible Nervenwurzelreizerscheinungen bewertet, da sie keinem Dermatom, d.h. einem genau umschriebenen Hautbezirk, der von einem Rückenmarksnerven sensibel inerviert wird, entsprochen haben. Auch die Beweglichkeit der LWS hat er altersentsprechend frei beschrieben. Einen ähnlichen klinischen Befund hat auch der Sachverständige Dr. A. erhoben, der ebenso wie Dr. D. einen Fingerbodenabstand von 0 cm dargelegt hat und in Abweichung zu dessen Untersuchung lediglich in der Rotation eine relevante Einschränkung gefunden hat (Drehen rechts/links: 20-0-20 Grad; Dr. D.: 50-0-50 Grad). Motorische oder sensible Ausfälle hat Dr. A. jedoch gleichermaßen nicht gefunden. Ebenso wie zuvor schon Dr. D. hat auch er das Zeichen nach Lasegue beidseits als negativ beschrieben. Auf von den Bandscheiben der LWS ausgehende Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen weisen diese Befunde nicht hin.

Wenn auch Dr. D. beim Kläger - in Abweichung zu der Auffassung des Sachverständigen Dr. H. - vom Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS ausgegangen ist (allerdings ohne dies näher zu problematisieren und zu begründen) können seinen Ausführungen gleichwohl Hinweise entnommen werden, dass er ebenso wenig wie Dr. H. und die Dres. T. und S. die vom Kläger geklagten Beschwerden zweifelsfrei den degenerativen Veränderungen der Bandscheiben zuzuordnen vermocht hat. Dr. D. hat im Rahmen seines Gutachtens zwar zunächst ausgeführt, dass die kernspintomographisch dokumentierten Bandscheibenvorwölbungen bzw. Bandscheibenvorfälle in Verbindung mit den radiologisch dokumentierten knöchernen Veränderungen mit den vom Kläger geklagten LWS-Beschwerden korrelieren "können". Im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme zu dem Gutachten des Dr. A. hat er relativierend dann aber dargelegt, dass die vom Kläger gegenüber Dr. A. geschilderten Beschwerden, nämlich eine Schmerzsymptomatik im Bereich der gesamten Wirbelsäule, der an sich geforderten Schmerzsymptomatik im Bereich der LWS und dem beinnahen BWS-Bereich widersprächen. Auch der klinische Untersuchungsbefund des Dr. A. in Form von druckempfindlichen Kreuz/Darmbeingelenken hat er keiner bandscheibenbedingten Verschleißerscheinung zuschreiben wollen. Damit finden sich auch in dem Gutachten des Dr. D. Hinweise darauf, dass die vom Kläger geklagte Schmerzsymptomatik nicht ohne weiteres der Erkrankung der Bandscheiben zugeschrieben werden kann.

Der Beurteilung von Dr. A. und PD Dr. Kr. kann nicht gefolgt werden.

Dr. A. hat bereits die für die Beurteilung - wie dargelegt - im Vordergrund stehende Frage nach dem Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung nicht weiter problematisiert, sondern für den von ihm bejahten Kausalzusammenhang unkritisch zu Grunde gelegt. Darüber hinaus begründet er den ursächlichen Zusammenhang mit den beruflichen Belastungen wesentlich mit dem Fehlen anderer Ursachen. Abgesehen davon, dass der Sachverständige auf den - von PD Dr. Kr. diagnostizierten - Keilwirbel nicht eingegangen ist, würde das bloße Fehlen anderer Ursachen nicht für die Begründung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Erkrankung und beruflicher Einwirkung ausreichen. Denn der Ursachenzusammenhang zwischen Berufskrankheit und Erkrankung muss positiv festgestellt werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 für den Arbeitsunfall). Insbesondere gibt es keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache und einem rein zeitlichen Zusammenhang die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O.). Dies gilt auch und gerade im Berufskrankheitenrecht, wo angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler Erkrankungen, der Länge der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines typischerweise durch berufliche Einwirkungen verursachten Krankheitsbildes bei vielen Berufskrankheiten sich letztlich oft nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen stellt. Aber auch hier gilt, dass es keinen Automatismus zur Bejahung des Ursachenzusammenhangs alleine auf Grund des Vorliegens entsprechender Einwirkungen und einer von der BK erfassten bzw. generell durch solche Einwirkungen hervorrufbaren Erkrankung gibt (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 7/05 R).

Auch PD Dr. Kr. behauptet lediglich das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Auf die Einwände der Dres. T. und S. diesbezüglich weist er nur pauschal auf mehrmalige Dokumentationen von Schmerzsymptomatik und Funktionseinschränkungen in den Akten hin, ohne dies konkret zu belegen. Demgegenüber haben die Dres. T. und S. unter Bezugnahme auf die jeweilige Dokumentation in den Akten die dort zu findenden Angaben analysiert und überzeugend dargelegt, dass diese Dokumentationen für eine konkrete Zuordnung der Beschwerden zu einem Dermatom oder mehrere nicht ausreicht, sondern ein wechselndes Bild mit diffuser Symptomatik zeigen.

Hinzu kommt, dass PD Dr. Kr. zu Unrecht den Aspekt eines belastungskonformen Schadensbildes unberücksichtigt lässt. Er stellt sich mit seiner Auffassung gegen den - vom Senat zu Grunde zu legenden (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 13/05 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 9 m.w.N.) - aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft. Aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 20/04 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7). Ausgehend von der Begründung des Verordnungsgebers zur Einführung der BK können dazu einschlägige Publikationen, beispielsweise die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums und die wissenschaftliche Begründung des ärztlichen Sachverständigenbeirats, Sektion Berufskrankheiten, zu der betreffenden BK oder Konsensusempfehlungen der mit der Fragestellung befassten Fachmediziner herangezogen werden, sofern sie zeitnah erstellt oder aktualisiert worden sind und sich auf dem neuesten Stand befinden (BSG, a.a.O.). Hier enthalten gerade die so genannten Konsensempfehlungen (vgl. Bolm-Audorff u.a., Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005, 211 ff.), die die Ergebnisse einer interdisziplinären Arbeitsgruppe gerade zum belastungskonformen Schadensbild darstellen, dieses Erfordernis, wenn auch nicht in Form eines belastungstypischen, wohl aber in Form eines belastungskonformen Schadensbildes (Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 212).

Im Ergebnis schließt sich der Senat somit den Ausführungen von Dr. H. an, der - entsprechend der Fallgruppe A1 der Konsensempfehlungen (a.a.O., S. 217) - eine BK 2108 verneint.

Da im Sinne der BK Nr. 2108 nach alledem beim Kläger keine bandscheibenbedingte Erkrankung festgestellt werden kann, kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit den berufsbedingten Belastungen, denen der Kläger ausgesetzt war, eine relevante Bedeutung für das nunmehr vorhandene Krankheitsbild beizumessen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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