Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 U 115/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 67/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Unfall des Klägers als Arbeitsunfall anzuerken-nen ist.
Der 1954 geborene Kläger erlitt am 27. Juni 2002 um 17.20 Uhr mit dem von ihm geführten Pkw einen Verkehrsunfall. Dabei befuhr er die Bahnhofstraße in Langenstein in Richtung zur Bundesstraße 81. Hinter einem Anstieg in einer leichten Rechtskurve geriet er in Höhe der Einmündung der Feldstraße bei trockener Fahrbahn ohne Fremdbeteiligung ins Schleudern und kam nach rechts von der Fahrbahn ab, wo er unweit einer zweistreifigen Bake mit dem Wagen liegen blieb und sehr schwere Verletzungen erlitt.
Bei einer Blutentnahme um 22.15 Uhr ergab sich ein Blutalkoholgehalt von 0,66 Promille. Zu dieser Zeit hatte der Kläger bereits 2,5 bis 3 Liter Blut verloren und war mit drei bis vier Litern Blutkonserven versorgt worden. Nach einem Gutachten des Dipl.-Ing. Fiedler muss die Geschwindigkeit des Fahrzeugs zu Beginn der Schleuderbewe-gung mehr als 80 km/h betragen haben. Unfallursächliche technische Mängel des Fahrzeuges waren nicht festzustellen. In der Entscheidung über die Beschwerde ge-gen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis am 14. November 2002 führte das Landgericht Magdeburg zur Begründung aus, bei Berücksichtigung des günstigsten Trinkendes und eines Sicherheitsabschlages errechneten sich für den Unfallzeitpunkt 0,95 Promille. Unter Berücksichtigung verabreichter Blutverdünnungsmittel und der Transfusionen sei sogar von einem höheren Wert auszugehen. Auf der gleichen Grundlage erging gegen den Kläger ein rechtskräftiger Strafbefehl.
Zum Unfallzeitpunkt betrieb der Kläger selbständig einen Malerfachbetrieb und war bei der Beklagten unfallversichert. Von dem Betrieb ging am 3. Juli 2002 bei der Beklagten eine Unfallanzeige ein. Dazu gab der Kläger an, der Unfall sei auf seinem Weg nach Halberstadt geschehen, wo er eine Wohnung habe besichtigen wollen. Dazu habe er sich mit Herrn Beyer von der zuständigen Wohnungsgenossenschaft treffen wollen.
Dazu teilte die Halberstädter Wohnungsgesellschaft mbH mit Schreiben vom 10. Oktober 2002 mit, sie habe dem Kläger am Unfalltag vormittags den Schlüssel für die besagte Wohnung zur Erstellung eines Kostenangebotes ausgehändigt. Weitere Angaben könne sie nicht machen.
Mit Bescheid vom 13. März 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeits-unfalls und die Erbringung von Leistungen ab. Sie vertrat die Auffassung, der Kläger habe sich in einem Zustand der relativen Fahruntüchtigkeit befunden, wie die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit und das Abkommen von der Fahrbahn in einer leichten Kurve bei unverhältnismäßigem Reagieren verdeutliche. Denn dabei handele es sich um alkoholtypische Ausfallerscheinungen. Andere Ursachen für den Unfall seien nicht erkennbar. Somit liege ein Anscheinsbeweis vor, wonach die Fahruntüch-tigkeit gegenüber der versicherten Tätigkeit die wesentliche Ursache für den Unfall ge-wesen sei. Angesichts des dem Kläger bekannten Straßenverlaufes wäre er in nüchternem Zustand nicht verunglückt.
Gegen den dem Kläger mit der Post übersandten Bescheid erhob dieser am 14. April 2003 Widerspruch und führte aus, bei der gefahrenen Geschwindigkeit sei eine Beherrschung des Fahrzeuges auch ohne Alkoholeinfluss nicht mehr möglich gewe-sen. Das ergebe sich aus dem Unfallgutachten. Er sei auf dem Weg zu einer Baustelle gewesen, auf der kurz vor Feierabend ein Problem der dort beschäftigten Mitarbeiter zu lösen gewesen sei. Deshalb sei er auch mit zu hoher Geschwindigkeit gefahren. Diese Angabe stellte er später dahingehend richtig, er sei auf dem Weg zum Aufmes-sen einer Leerwohnung gewesen. Die Wohnungsgenossenschaft habe auf einem so-fortigen Aufmaß bestanden, da Arbeiten ausgeführt werden sollten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2003 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Er blieb bei der Auffassung der Beklagten.
Mit der am 30. Juni 2003 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger bekräftigt, er sei von Mitarbeitern einer Wohnungsgenossenschaft gerufen worden, um in Halberstadt eine Leerwohnung aufzumessen. Dabei handele es sich um einen größeren Kunden, dessen Forderungen er habe nachkommen müssen. Er habe eine oder zwei Flaschen Bier getrunken. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozi-algericht vom 6. April 2006 hat der Kläger ergänzend ausgeführt, er sei mit seinen Mitarbeitern um 16.30 Uhr mit der Arbeit auf einer Baustelle fertig gewesen. Er sei dann nach Hause – zugleich sein Firmensitz – gefahren und habe eine Flasche Bier getrunken. Dann habe ihn seine bei ihm beschäftigte Tochter angerufen und ihn über die Notwendigkeit des Aufmaßes informiert. Sie habe ihn tagsüber nicht erreichen kön-nen. Bei der Abfahrt habe er sich fahrtauglich gefühlt. Die Flasche Bier habe er gegen 17.00 Uhr ausgetrunken. Der Straßenverlauf sei ihm bekannt; er fahre die Strecke täg-lich mehrmals. Eine Verabredung mit einer Mitarbeiterin der Genossenschaft habe er nicht gehabt. Einen Termin habe seine Tochter nicht machen können, da sie den Zeitpunkt seiner Rückkehr von der Baustelle nicht habe kennen können. Im Jahr fahre er etwa 30.000 bis 35.000 Kilometer.
Das Sozialgericht hat einen Verkehrszentralregisterauszug, Bl. 30-32 d. A., beigezo-gen.
Mit Urteil vom 6. April 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausge-führt, bei dem Unfall des Klägers habe es sich nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gehandelt. Der Unfall sei wesentlich allein durch die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit verursacht worden. Die auf nicht betriebsbedingtem Alkoholgenuss beruhende relative oder absolute Fahruntüchtigkeit schließe den Un-fallversicherungsschutz aus, wenn sie neben den unternehmensbedingten Umständen als die rechtlich allein wesentliche Unfallursache anzusehen sei. Ein solcher Fall liege vor, wenn nach der Erfahrung des täglichen Lebens davon ausgegangen werden könne, dass ein nicht unter Alkoholeinfluss stehender Verkehrsteilnehmer bei gleicher Sachlage wahrscheinlich nicht verunglückt wäre. Die Fahruntüchtigkeit des Klägers folge aus der festgestellten Blutalkoholkonzentration und einer für die Kammer festste-henden Ausfallerscheinung. Es handele sich nicht um eine absolute Fahruntüchtigkeit, wozu auf den Beschluss des Landgerichtes Magdeburg vom 14. November 2002 zu verweisen sei. Eine alkoholtypische Ausfallerscheinung sei in dem zu schnellen Fahren zu sehen. Die nachfolgende Schleudersituation habe der Kläger aufgrund seines Zu-standes trotz seiner erheblichen Fahrpraxis nicht mehr beherrscht. Der Kläger habe die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km/h überschritten. Ein solches Verhalten sei ungewöhnlich. Unter Termindruck habe der Kläger nicht gestanden. Die Schlüssel für die Wohnung seien bereits vormittags übergeben worden. Das Aufmaß sei bis zum nächsten Vormittag zu erstellen gewesen.
Gegen das ihm am 8. Mai 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger noch im gleichen Monat Berufung eingelegt. Er trägt vor, bei einer Berechnung des Blutalkoholgehaltes könnten nicht die üblichen Abbauwerte zugrunde gelegt werden, weil er im Koma gele-gen habe, wodurch der Alkoholabbau nahezu entfalle. Es könne nicht zu seinen Lasten berücksichtigt werden, dass er – was zutreffe – regelmäßig die Straßenverkehrsvor-schriften einhalte. Dies spreche gerade dafür, dass er auch nüchtern die hohe Ge-schwindigkeit nicht habe beherrschen können. Das Aufmaß hätte er mit einem Auf-wand von etwa einer Stunde bereits abends nehmen müssen, weil seine Tochter auf dieser Grundlage ein Angebot hätte erstellen und es der Wohnungsgenossenschaft übergeben müssen. Wegen des Zeitablaufes – Fahrt nach Halberstadt im Berufsver-kehr, Nehmen des Aufmaßes, Rückfahrt und Berechnung des Angebotes – habe erheblicher Zeitdruck bestanden. Darin liege die Unfallursache. Auf der Strecke läge ein Bahnübergang, der im Falle der Sperrung lange geschlossen bleibe. Dieser habe sich schon in Sichtweite befunden und sei geöffnet gewesen, so dass er zu viel Gas gegeben habe. Der Schleudervorgang habe in der Kurve vor der aus dem Ort führen-den Gerade begonnen. Dahinter folgten mehrere Ampeln mit teilweise sehr langen Rotphasen. Der Sachverständige Dipl.-Ing. Fiedler habe auch festgestellt, die Unfallur-sache liege allein in der Geschwindigkeit und nicht im Alkoholkonsum.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. April 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 13. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2003 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall des Klägers am 27. Juni 2002 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, der Kfz.-Sachverständige habe begutachtet, ob am Unfallfahrzeug technische Mängel vorhanden gewesen seien und wie hoch die gefahrene Geschwin-digkeit gewesen sei. Zu der Frage, wodurch der Wagen ins Schleudern geraten sei, und zum Einfluss der Alkoholeinwirkung habe er sich nicht geäußert. Die bei der relativ kurzen Strecke durch eine überhöhte Geschwindigkeit einzusparende Zeit sei so gering, dass Zeitdruck das zum Unfall führende Fehlverhalten nicht erkläre. Die Fahrweise mit überhöhter Geschwindigkeit in einem vertrauten Ortsbereich und der Kontrollverlust über das Fahrzeug in einer Rechtskurve, die auch mit überhöhter Geschwindigkeit problemlos durchfahren werden könne, seien typische Beweisanzei-chen für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit.
In der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung haben dem Gericht die Akte der Beklagten – Az. R 8/06323/02-1- und die Akte der Staatsanwaltschaft Magdeburg, Zweigstelle Halberstadt – Az. 802 Js 82123/02 – vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Die Klage ist als Anfechtungs- und Feststellungsklage gem. §§ 54 Abs. 1 S. 1; 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Die Kombination der Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage wird dem Rechtsschutzanliegen des Klägers am besten gerecht, da die Wirksamkeit der Entscheidung unmittelbar Folgeansprüche, z. B. den Heilbehandlungsanspruch, begründet, ohne von der vorherigen Umsetzung durch Bescheid als Rechtsfolge einer Verpflichtungsklage abhängig zu sein. Der Arbeitsunfall ist als Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung gem. § 7 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialge-setzbuches (SGB VII – G. v. 7.8.1996, BGBl. I S. 1254) ein Sammelbegriff für ein Bündel von Ansprüchen, das ein Rechtsverhältnis darstellt (BSG, Urt. v. 7. 9. 04 – B 2 U 46/03 R – SozR 4-2700 § 2 Nr. 3).
Der Bescheid der Beklagten vom 13. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 30. Mai 2003 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin zu Recht die Feststellung eines Arbeitsunfalls abgelehnt hat.
Ein Unfall ist gem. § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII nur dann ein Arbeitsunfall, wenn er sich "infolge" einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit ereignet. Nach der im Unfallversicherungsrecht maßgeblichen Theorie zur Zusammenhangsbeurteilung ist nur eine Bedingung ursächlich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des geltend gemachten Gesundheitsschadens "wesentlich" beigetragen hat. Welche Ursa-che wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wesentliche Ursache des Unfalls ist hier nicht die versicherte selbständige Tätigkeit des Klägers, sondern überragend ursächlich seine zumindest relative Fahruntüchtigkeit.
Bei einer relativen Fahruntüchtigkeit mit einer Blutalkoholkonzentration von unter 1,1 ‰ kann der Alkoholgenuss von überragender Bedeutung für den Eintritt des Unfallereig-nisses sein, sodass der Unfall nicht als durch die versicherte Zusammenhangskette wesentlich verursacht anzusehen ist (So und zum Folgenden BSG, Urt. v. 30.1.2007 – B 2 U 23/05 R – zitiert nach Juris). Dies setzt voraus, dass neben der Blutalkoholkon-zentration aus weiteren Beweisanzeichen in Form von alkoholtypischen Ausfallerschei-nungen darauf geschlossen werden kann, dass der Versicherte wegen der Folgen des Alkoholgenusses fahruntüchtig und damit der Alkoholgenuss die überragende Ursache für das Unfallereignis war. Als Beweisanzeichen für eine alkoholbedingte Fahruntüch-tigkeit hat das Bundessozialgericht angesehen: Die Fahrweise des Versicherten, z. B. überhöhte Geschwindigkeit, Fahren in Schlangenlinien, plötzliches Bremsen, aber auch sein Verhalten vor, bei und nach dem Unfall (BSG, Urt. v. 2.2.1978 – 8 RU 66/77 – SozR 2200 § 548 Nr. 38). Zur Würdigung dieser Beweisanzeichen hat das Bundes-sozialgericht ausgeführt, dass ein Fehlverhalten nur dann eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit beweist, wenn es nicht ebenso gut andere Ursachen haben kann, wie z. B. Unaufmerksamkeit, Leichtsinn, Übermüdung usw., und dass nicht jedes Beweisanzeichen einzeln, sondern alle zusammen zu betrachten sind (BSG, a.a.O.). Je geringer die festgestellte Blutalkoholkonzentration ist, desto höhere Anforderungen sind an den Beweiswert dieser sonstigen Beweisanzeichen zu stellen, um eine allein wesentliche Verursachung des Unfalls durch eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit zu bejahen (BSG, Urt. v. 20.1.1977 – 8 RU 52/76 – SozR 2200 § 548 Nr. 27; BSG, Urt. v. 2.2.1978, a.a.O.).
Ebenso wie die der versicherten Tätigkeit zuzurechnende Verrichtung zur Zeit des Unfalls müssen die Blutalkoholkonzentration und die weiteren für eine Fahruntüchtig-keit sprechenden Beweisanzeichen mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen und es muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von ihrer naturwissen-schaftlichen Mitverursachung des Unfallereignisses auszugehen sein. Darauf aufbau-end hat in einem weiteren Schritt die wertende Beurteilung zu erfolgen, ob die versi-cherte Ursache wesentlich für das Unfallereignis war oder ob die konkurrierenden Ursachen von überragender Bedeutung waren. Diese Beurteilung kann angesichts der anzustellenden Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, der verschiedenen Beweisanzeichen, der Gründe für sie usw. nur in einem Schritt im Rahmen einer Gesamtbetrachtung erfolgen (BSG, Urt. v. 2.2.1978, a.a.O.).
Der Senat ist überzeugt davon, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfallereignisses fahruntüchtig war, weil sich im Unfallablauf typisches Fehlverhalten der Alkoholeinwir-kung des Klägers zeigt.
Die Alkoholeinwirkung ist durch die Messung der Blutalkoholkonzentration nachgewie-sen. Der Blutalkoholgehalt befand sich schon nach dem bloßen Messergebnis bei Außerachtlassung eines Abbaus und der "Verdünnung" der Blutalkoholkonzentration durch Blutverlust und Ersatz durch Blutkonserven mit 0,66 Promille in einem Bereich, der wegen der damit verbundenen Gefahren im Straßenverkehr nach § 24a Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Grundlage der vom Kläger gewählten Geschwindigkeit ist eine Enthemmung und Risikobereitschaft, die als typische Gefahr von Alkoholgenuss Grund für den Ordnungswidrigkeitentatbestand ist (König in Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 24a StVG Rdnr. 7, zu diesen Eigenschaften als konkrete Folge relativer Fahruntüchtigkeit bei § 316 StGB Rdnr. 15). Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mehr als 60 Prozent lässt sich auch nicht aus einer durch Leichtsinn bedingten, allgemein ungehemmten Fahrweise herleiten, wobei offen bleiben kann, ob diese im Sinne des erhobenen Anspruchs folgenlos bliebe. Eine besonnene Fahrweise bekundet der Kläger glaubhaft mit seinem Vortrag gegen das Urteil des Sozialgerichts, er halte sich regelmäßig an die Verkehrsregeln. Aus dem vom Sozialgericht eingeholten Verkehrszentralregisteraus-zug gehen neben dem hier behandelten Verstoß auch keine weiteren Verstöße gegen Straßenverkehrsnormen hervor. Ebenso zählt es zu den Gefahren alkoholbedingten Hemmungsverlustes, dass der Kläger die deutliche Geschwindigkeitsüberschreitung in einem innerörtlichen Bereich mit besonderer Gefährdung Dritter beging. Schließlich spricht für Fahruntüchtigkeit bei dem Unfall, dass der Kläger aus einer ungewöhnlichen Fahrpraxis heraus die Anforde-rungen genau kennt, die der Unfallbereich an ihn stellt und ihnen allgemein gewachsen ist. Denn allein diesen Unfallbereich durchquert der Kläger mehrmals täglich. Dies geschieht auf der Grundlage einer allgemein sicheren Fahrweise, wie die fehlenden Verstöße gegen Verkehrsvorschriften belegen. Weiterhin verfügt der Kläger über eine weit überdurchschnittliche Fahrpraxis, die sich aus seinen glaubhaften Angaben zu den gefahrenen Kilometern ergibt. Die Fahruntüchtigkeit beim Kläger hat mit hinreichender, keine ernsten Zweifel hinter-lassenden Wahrscheinlichkeit tatsächlichen Einfluss auf das Unfallgeschehen gehabt. Die Auffassung des Klägers, wonach die überhöhte Geschwindigkeit Ursache für den Unfall war, hält auch der Senat für erwiesen. Angesichts des Ausschlusses eines technischen Versagens durch den Sachverständigen, der fehlenden Beteiligung Dritter, der Trockenheit der Fahrbahn und der Vertrautheit des Klägers mit den Straßenver-hältnissen im Unfallbereich ist das Schleudern des Wagens des Klägers ohne die erhöhte Geschwindigkeit nicht zu erklären. Ursache der erhöhten Geschwindigkeit wiederum ist höchstwahrscheinlich die beim Kläger vorliegende Fahruntüchtigkeit, weil deren typische Gefahren in der überhöhten Geschwindigkeit Ausdruck finden. Die Fahruntüchtigkeit ist für den Unfall auch von überragender Bedeutung. Der Senat unterstellt zu Gunsten des KIägers seine Darstellung, er habe sich auf einem versi-cherten Weg befunden, habe noch am Abend ein Aufmaß nehmen und ein Angebot entwerfen müssen. Trotzdem ist beruflicher Zeitdruck bei wertender Betrachtung nicht wesentlich für den Unfall. Denn auch die sich aus der Darstellung des Klägers erge-bende Abwägung zwischen den Anforderungen bei der Führung eines Kraftwagens und dem geltend gemachten Zeitdruck zeugen von alkoholbedingtem Kontrollverlust. Der Kläger musste sich sagen – und war dazu auf der Grundlage seiner großen Fahrpraxis auch in der Lage – dass die Gefährlichkeit seiner Fahrweise in keinem Verhältnis zum angestrebten Zeitgewinn stand. Durch die deutliche Geschwindigkeits-überschreitung ergibt sich auf der kurzen Strecke zwischen Abfahrt und Fahrziel kein größerer Zeitgewinn, wie die Beklagte zutreffend vorträgt. Hohe Geschwindigkeit er-möglichte es dem Kläger nicht, Staus als typischen Hindernissen des Berufsverkehrs zu entgehen. Sie ermöglichte es dem Kläger auch nicht, geschlossene Schranken oder rote Ampeln zu vermeiden, wenn er in einem Unfallbereich, in dem sich beide noch nicht befanden, weitaus zu schnell fuhr. Dies alles konnte der Kläger überlegen. Allein die alkoholbedingte Enthemmung bietet eine Erklärung dafür, dass er gleichwohl die zum Unfall führende gefährliche Fahrweise wählte. Nicht glaubhaft ist der Vortrag des Klägers, er habe konkret wegen der noch offenen Bahnschranke zu viel Gas gegeben. Es ist schon nicht ersichtlich, dass er damit einen konkret erinnerten Vorgang schildert. Denn ausweislich seiner Angaben vor dem Sozi-algericht hat er hinsichtlich des Unfallvorgangs eine getrübte Erinnerung und konnte schon nicht angeben, wie schnell er gefahren sei. Es erscheint ausgeschlossen, dass er heute Auskunft zu Motiven für eine überhöhte Geschwindigkeit nennen kann, an die selbst er 2006 keine Erinnerung mehr hatte. Weiterhin ist sein Vortrag insoweit widersprüchlich. Wenn er erst angesichts des Bahnübergangs die Geschwindigkeit erhöhte, bedurfte es keiner Ausführungen, warum er auf der ganzen Fahrt durch hohe Geschwindigkeit versuchen wollte, Behinderungen seiner Fahrt zu vermeiden. Darüber hinaus hatte er vor dem Unfall auch nicht mehr die tatsächliche Möglichkeit, seine Geschwindigkeit nach dem geöffneten Zustand der Schranke zu richten. Nach der Verkehrsunfallanzeige befuhr der Kläger bereits den Anstieg vor einer leichten Rechtskurve mit überhöhter Geschwindigkeit, wie ein entgegen kommender Kraftfahrer auch im Strafermittlungsverfahren bekundet hat. Der Kläger räumt auch selbst ein, schon im Bereich der Kurve ins Schleudern geraten zu sein. Sowohl wegen des Anstiegs als auch wegen der Rechtskurve ist es nach den Fotos vom Unfallort in der Akte der Staatsanwaltschaft auszuschließen, dass der Kläger schon die gerade weiterführende Strecke zum Bahnübergang überblicken konnte, als er – noch vor dem Beginn des Schleuderns – auf die überhöhte Geschwindigkeit beschleunigte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht vor, weil die Entscheidung auf der durch Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geklärten Rechtslage beruht.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Unfall des Klägers als Arbeitsunfall anzuerken-nen ist.
Der 1954 geborene Kläger erlitt am 27. Juni 2002 um 17.20 Uhr mit dem von ihm geführten Pkw einen Verkehrsunfall. Dabei befuhr er die Bahnhofstraße in Langenstein in Richtung zur Bundesstraße 81. Hinter einem Anstieg in einer leichten Rechtskurve geriet er in Höhe der Einmündung der Feldstraße bei trockener Fahrbahn ohne Fremdbeteiligung ins Schleudern und kam nach rechts von der Fahrbahn ab, wo er unweit einer zweistreifigen Bake mit dem Wagen liegen blieb und sehr schwere Verletzungen erlitt.
Bei einer Blutentnahme um 22.15 Uhr ergab sich ein Blutalkoholgehalt von 0,66 Promille. Zu dieser Zeit hatte der Kläger bereits 2,5 bis 3 Liter Blut verloren und war mit drei bis vier Litern Blutkonserven versorgt worden. Nach einem Gutachten des Dipl.-Ing. Fiedler muss die Geschwindigkeit des Fahrzeugs zu Beginn der Schleuderbewe-gung mehr als 80 km/h betragen haben. Unfallursächliche technische Mängel des Fahrzeuges waren nicht festzustellen. In der Entscheidung über die Beschwerde ge-gen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis am 14. November 2002 führte das Landgericht Magdeburg zur Begründung aus, bei Berücksichtigung des günstigsten Trinkendes und eines Sicherheitsabschlages errechneten sich für den Unfallzeitpunkt 0,95 Promille. Unter Berücksichtigung verabreichter Blutverdünnungsmittel und der Transfusionen sei sogar von einem höheren Wert auszugehen. Auf der gleichen Grundlage erging gegen den Kläger ein rechtskräftiger Strafbefehl.
Zum Unfallzeitpunkt betrieb der Kläger selbständig einen Malerfachbetrieb und war bei der Beklagten unfallversichert. Von dem Betrieb ging am 3. Juli 2002 bei der Beklagten eine Unfallanzeige ein. Dazu gab der Kläger an, der Unfall sei auf seinem Weg nach Halberstadt geschehen, wo er eine Wohnung habe besichtigen wollen. Dazu habe er sich mit Herrn Beyer von der zuständigen Wohnungsgenossenschaft treffen wollen.
Dazu teilte die Halberstädter Wohnungsgesellschaft mbH mit Schreiben vom 10. Oktober 2002 mit, sie habe dem Kläger am Unfalltag vormittags den Schlüssel für die besagte Wohnung zur Erstellung eines Kostenangebotes ausgehändigt. Weitere Angaben könne sie nicht machen.
Mit Bescheid vom 13. März 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeits-unfalls und die Erbringung von Leistungen ab. Sie vertrat die Auffassung, der Kläger habe sich in einem Zustand der relativen Fahruntüchtigkeit befunden, wie die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit und das Abkommen von der Fahrbahn in einer leichten Kurve bei unverhältnismäßigem Reagieren verdeutliche. Denn dabei handele es sich um alkoholtypische Ausfallerscheinungen. Andere Ursachen für den Unfall seien nicht erkennbar. Somit liege ein Anscheinsbeweis vor, wonach die Fahruntüch-tigkeit gegenüber der versicherten Tätigkeit die wesentliche Ursache für den Unfall ge-wesen sei. Angesichts des dem Kläger bekannten Straßenverlaufes wäre er in nüchternem Zustand nicht verunglückt.
Gegen den dem Kläger mit der Post übersandten Bescheid erhob dieser am 14. April 2003 Widerspruch und führte aus, bei der gefahrenen Geschwindigkeit sei eine Beherrschung des Fahrzeuges auch ohne Alkoholeinfluss nicht mehr möglich gewe-sen. Das ergebe sich aus dem Unfallgutachten. Er sei auf dem Weg zu einer Baustelle gewesen, auf der kurz vor Feierabend ein Problem der dort beschäftigten Mitarbeiter zu lösen gewesen sei. Deshalb sei er auch mit zu hoher Geschwindigkeit gefahren. Diese Angabe stellte er später dahingehend richtig, er sei auf dem Weg zum Aufmes-sen einer Leerwohnung gewesen. Die Wohnungsgenossenschaft habe auf einem so-fortigen Aufmaß bestanden, da Arbeiten ausgeführt werden sollten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2003 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Er blieb bei der Auffassung der Beklagten.
Mit der am 30. Juni 2003 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger bekräftigt, er sei von Mitarbeitern einer Wohnungsgenossenschaft gerufen worden, um in Halberstadt eine Leerwohnung aufzumessen. Dabei handele es sich um einen größeren Kunden, dessen Forderungen er habe nachkommen müssen. Er habe eine oder zwei Flaschen Bier getrunken. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozi-algericht vom 6. April 2006 hat der Kläger ergänzend ausgeführt, er sei mit seinen Mitarbeitern um 16.30 Uhr mit der Arbeit auf einer Baustelle fertig gewesen. Er sei dann nach Hause – zugleich sein Firmensitz – gefahren und habe eine Flasche Bier getrunken. Dann habe ihn seine bei ihm beschäftigte Tochter angerufen und ihn über die Notwendigkeit des Aufmaßes informiert. Sie habe ihn tagsüber nicht erreichen kön-nen. Bei der Abfahrt habe er sich fahrtauglich gefühlt. Die Flasche Bier habe er gegen 17.00 Uhr ausgetrunken. Der Straßenverlauf sei ihm bekannt; er fahre die Strecke täg-lich mehrmals. Eine Verabredung mit einer Mitarbeiterin der Genossenschaft habe er nicht gehabt. Einen Termin habe seine Tochter nicht machen können, da sie den Zeitpunkt seiner Rückkehr von der Baustelle nicht habe kennen können. Im Jahr fahre er etwa 30.000 bis 35.000 Kilometer.
Das Sozialgericht hat einen Verkehrszentralregisterauszug, Bl. 30-32 d. A., beigezo-gen.
Mit Urteil vom 6. April 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausge-führt, bei dem Unfall des Klägers habe es sich nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gehandelt. Der Unfall sei wesentlich allein durch die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit verursacht worden. Die auf nicht betriebsbedingtem Alkoholgenuss beruhende relative oder absolute Fahruntüchtigkeit schließe den Un-fallversicherungsschutz aus, wenn sie neben den unternehmensbedingten Umständen als die rechtlich allein wesentliche Unfallursache anzusehen sei. Ein solcher Fall liege vor, wenn nach der Erfahrung des täglichen Lebens davon ausgegangen werden könne, dass ein nicht unter Alkoholeinfluss stehender Verkehrsteilnehmer bei gleicher Sachlage wahrscheinlich nicht verunglückt wäre. Die Fahruntüchtigkeit des Klägers folge aus der festgestellten Blutalkoholkonzentration und einer für die Kammer festste-henden Ausfallerscheinung. Es handele sich nicht um eine absolute Fahruntüchtigkeit, wozu auf den Beschluss des Landgerichtes Magdeburg vom 14. November 2002 zu verweisen sei. Eine alkoholtypische Ausfallerscheinung sei in dem zu schnellen Fahren zu sehen. Die nachfolgende Schleudersituation habe der Kläger aufgrund seines Zu-standes trotz seiner erheblichen Fahrpraxis nicht mehr beherrscht. Der Kläger habe die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km/h überschritten. Ein solches Verhalten sei ungewöhnlich. Unter Termindruck habe der Kläger nicht gestanden. Die Schlüssel für die Wohnung seien bereits vormittags übergeben worden. Das Aufmaß sei bis zum nächsten Vormittag zu erstellen gewesen.
Gegen das ihm am 8. Mai 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger noch im gleichen Monat Berufung eingelegt. Er trägt vor, bei einer Berechnung des Blutalkoholgehaltes könnten nicht die üblichen Abbauwerte zugrunde gelegt werden, weil er im Koma gele-gen habe, wodurch der Alkoholabbau nahezu entfalle. Es könne nicht zu seinen Lasten berücksichtigt werden, dass er – was zutreffe – regelmäßig die Straßenverkehrsvor-schriften einhalte. Dies spreche gerade dafür, dass er auch nüchtern die hohe Ge-schwindigkeit nicht habe beherrschen können. Das Aufmaß hätte er mit einem Auf-wand von etwa einer Stunde bereits abends nehmen müssen, weil seine Tochter auf dieser Grundlage ein Angebot hätte erstellen und es der Wohnungsgenossenschaft übergeben müssen. Wegen des Zeitablaufes – Fahrt nach Halberstadt im Berufsver-kehr, Nehmen des Aufmaßes, Rückfahrt und Berechnung des Angebotes – habe erheblicher Zeitdruck bestanden. Darin liege die Unfallursache. Auf der Strecke läge ein Bahnübergang, der im Falle der Sperrung lange geschlossen bleibe. Dieser habe sich schon in Sichtweite befunden und sei geöffnet gewesen, so dass er zu viel Gas gegeben habe. Der Schleudervorgang habe in der Kurve vor der aus dem Ort führen-den Gerade begonnen. Dahinter folgten mehrere Ampeln mit teilweise sehr langen Rotphasen. Der Sachverständige Dipl.-Ing. Fiedler habe auch festgestellt, die Unfallur-sache liege allein in der Geschwindigkeit und nicht im Alkoholkonsum.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. April 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 13. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2003 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall des Klägers am 27. Juni 2002 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, der Kfz.-Sachverständige habe begutachtet, ob am Unfallfahrzeug technische Mängel vorhanden gewesen seien und wie hoch die gefahrene Geschwin-digkeit gewesen sei. Zu der Frage, wodurch der Wagen ins Schleudern geraten sei, und zum Einfluss der Alkoholeinwirkung habe er sich nicht geäußert. Die bei der relativ kurzen Strecke durch eine überhöhte Geschwindigkeit einzusparende Zeit sei so gering, dass Zeitdruck das zum Unfall führende Fehlverhalten nicht erkläre. Die Fahrweise mit überhöhter Geschwindigkeit in einem vertrauten Ortsbereich und der Kontrollverlust über das Fahrzeug in einer Rechtskurve, die auch mit überhöhter Geschwindigkeit problemlos durchfahren werden könne, seien typische Beweisanzei-chen für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit.
In der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung haben dem Gericht die Akte der Beklagten – Az. R 8/06323/02-1- und die Akte der Staatsanwaltschaft Magdeburg, Zweigstelle Halberstadt – Az. 802 Js 82123/02 – vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Die Klage ist als Anfechtungs- und Feststellungsklage gem. §§ 54 Abs. 1 S. 1; 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Die Kombination der Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage wird dem Rechtsschutzanliegen des Klägers am besten gerecht, da die Wirksamkeit der Entscheidung unmittelbar Folgeansprüche, z. B. den Heilbehandlungsanspruch, begründet, ohne von der vorherigen Umsetzung durch Bescheid als Rechtsfolge einer Verpflichtungsklage abhängig zu sein. Der Arbeitsunfall ist als Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung gem. § 7 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialge-setzbuches (SGB VII – G. v. 7.8.1996, BGBl. I S. 1254) ein Sammelbegriff für ein Bündel von Ansprüchen, das ein Rechtsverhältnis darstellt (BSG, Urt. v. 7. 9. 04 – B 2 U 46/03 R – SozR 4-2700 § 2 Nr. 3).
Der Bescheid der Beklagten vom 13. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 30. Mai 2003 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin zu Recht die Feststellung eines Arbeitsunfalls abgelehnt hat.
Ein Unfall ist gem. § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII nur dann ein Arbeitsunfall, wenn er sich "infolge" einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit ereignet. Nach der im Unfallversicherungsrecht maßgeblichen Theorie zur Zusammenhangsbeurteilung ist nur eine Bedingung ursächlich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des geltend gemachten Gesundheitsschadens "wesentlich" beigetragen hat. Welche Ursa-che wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wesentliche Ursache des Unfalls ist hier nicht die versicherte selbständige Tätigkeit des Klägers, sondern überragend ursächlich seine zumindest relative Fahruntüchtigkeit.
Bei einer relativen Fahruntüchtigkeit mit einer Blutalkoholkonzentration von unter 1,1 ‰ kann der Alkoholgenuss von überragender Bedeutung für den Eintritt des Unfallereig-nisses sein, sodass der Unfall nicht als durch die versicherte Zusammenhangskette wesentlich verursacht anzusehen ist (So und zum Folgenden BSG, Urt. v. 30.1.2007 – B 2 U 23/05 R – zitiert nach Juris). Dies setzt voraus, dass neben der Blutalkoholkon-zentration aus weiteren Beweisanzeichen in Form von alkoholtypischen Ausfallerschei-nungen darauf geschlossen werden kann, dass der Versicherte wegen der Folgen des Alkoholgenusses fahruntüchtig und damit der Alkoholgenuss die überragende Ursache für das Unfallereignis war. Als Beweisanzeichen für eine alkoholbedingte Fahruntüch-tigkeit hat das Bundessozialgericht angesehen: Die Fahrweise des Versicherten, z. B. überhöhte Geschwindigkeit, Fahren in Schlangenlinien, plötzliches Bremsen, aber auch sein Verhalten vor, bei und nach dem Unfall (BSG, Urt. v. 2.2.1978 – 8 RU 66/77 – SozR 2200 § 548 Nr. 38). Zur Würdigung dieser Beweisanzeichen hat das Bundes-sozialgericht ausgeführt, dass ein Fehlverhalten nur dann eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit beweist, wenn es nicht ebenso gut andere Ursachen haben kann, wie z. B. Unaufmerksamkeit, Leichtsinn, Übermüdung usw., und dass nicht jedes Beweisanzeichen einzeln, sondern alle zusammen zu betrachten sind (BSG, a.a.O.). Je geringer die festgestellte Blutalkoholkonzentration ist, desto höhere Anforderungen sind an den Beweiswert dieser sonstigen Beweisanzeichen zu stellen, um eine allein wesentliche Verursachung des Unfalls durch eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit zu bejahen (BSG, Urt. v. 20.1.1977 – 8 RU 52/76 – SozR 2200 § 548 Nr. 27; BSG, Urt. v. 2.2.1978, a.a.O.).
Ebenso wie die der versicherten Tätigkeit zuzurechnende Verrichtung zur Zeit des Unfalls müssen die Blutalkoholkonzentration und die weiteren für eine Fahruntüchtig-keit sprechenden Beweisanzeichen mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen und es muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von ihrer naturwissen-schaftlichen Mitverursachung des Unfallereignisses auszugehen sein. Darauf aufbau-end hat in einem weiteren Schritt die wertende Beurteilung zu erfolgen, ob die versi-cherte Ursache wesentlich für das Unfallereignis war oder ob die konkurrierenden Ursachen von überragender Bedeutung waren. Diese Beurteilung kann angesichts der anzustellenden Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, der verschiedenen Beweisanzeichen, der Gründe für sie usw. nur in einem Schritt im Rahmen einer Gesamtbetrachtung erfolgen (BSG, Urt. v. 2.2.1978, a.a.O.).
Der Senat ist überzeugt davon, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfallereignisses fahruntüchtig war, weil sich im Unfallablauf typisches Fehlverhalten der Alkoholeinwir-kung des Klägers zeigt.
Die Alkoholeinwirkung ist durch die Messung der Blutalkoholkonzentration nachgewie-sen. Der Blutalkoholgehalt befand sich schon nach dem bloßen Messergebnis bei Außerachtlassung eines Abbaus und der "Verdünnung" der Blutalkoholkonzentration durch Blutverlust und Ersatz durch Blutkonserven mit 0,66 Promille in einem Bereich, der wegen der damit verbundenen Gefahren im Straßenverkehr nach § 24a Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Grundlage der vom Kläger gewählten Geschwindigkeit ist eine Enthemmung und Risikobereitschaft, die als typische Gefahr von Alkoholgenuss Grund für den Ordnungswidrigkeitentatbestand ist (König in Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 24a StVG Rdnr. 7, zu diesen Eigenschaften als konkrete Folge relativer Fahruntüchtigkeit bei § 316 StGB Rdnr. 15). Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mehr als 60 Prozent lässt sich auch nicht aus einer durch Leichtsinn bedingten, allgemein ungehemmten Fahrweise herleiten, wobei offen bleiben kann, ob diese im Sinne des erhobenen Anspruchs folgenlos bliebe. Eine besonnene Fahrweise bekundet der Kläger glaubhaft mit seinem Vortrag gegen das Urteil des Sozialgerichts, er halte sich regelmäßig an die Verkehrsregeln. Aus dem vom Sozialgericht eingeholten Verkehrszentralregisteraus-zug gehen neben dem hier behandelten Verstoß auch keine weiteren Verstöße gegen Straßenverkehrsnormen hervor. Ebenso zählt es zu den Gefahren alkoholbedingten Hemmungsverlustes, dass der Kläger die deutliche Geschwindigkeitsüberschreitung in einem innerörtlichen Bereich mit besonderer Gefährdung Dritter beging. Schließlich spricht für Fahruntüchtigkeit bei dem Unfall, dass der Kläger aus einer ungewöhnlichen Fahrpraxis heraus die Anforde-rungen genau kennt, die der Unfallbereich an ihn stellt und ihnen allgemein gewachsen ist. Denn allein diesen Unfallbereich durchquert der Kläger mehrmals täglich. Dies geschieht auf der Grundlage einer allgemein sicheren Fahrweise, wie die fehlenden Verstöße gegen Verkehrsvorschriften belegen. Weiterhin verfügt der Kläger über eine weit überdurchschnittliche Fahrpraxis, die sich aus seinen glaubhaften Angaben zu den gefahrenen Kilometern ergibt. Die Fahruntüchtigkeit beim Kläger hat mit hinreichender, keine ernsten Zweifel hinter-lassenden Wahrscheinlichkeit tatsächlichen Einfluss auf das Unfallgeschehen gehabt. Die Auffassung des Klägers, wonach die überhöhte Geschwindigkeit Ursache für den Unfall war, hält auch der Senat für erwiesen. Angesichts des Ausschlusses eines technischen Versagens durch den Sachverständigen, der fehlenden Beteiligung Dritter, der Trockenheit der Fahrbahn und der Vertrautheit des Klägers mit den Straßenver-hältnissen im Unfallbereich ist das Schleudern des Wagens des Klägers ohne die erhöhte Geschwindigkeit nicht zu erklären. Ursache der erhöhten Geschwindigkeit wiederum ist höchstwahrscheinlich die beim Kläger vorliegende Fahruntüchtigkeit, weil deren typische Gefahren in der überhöhten Geschwindigkeit Ausdruck finden. Die Fahruntüchtigkeit ist für den Unfall auch von überragender Bedeutung. Der Senat unterstellt zu Gunsten des KIägers seine Darstellung, er habe sich auf einem versi-cherten Weg befunden, habe noch am Abend ein Aufmaß nehmen und ein Angebot entwerfen müssen. Trotzdem ist beruflicher Zeitdruck bei wertender Betrachtung nicht wesentlich für den Unfall. Denn auch die sich aus der Darstellung des Klägers erge-bende Abwägung zwischen den Anforderungen bei der Führung eines Kraftwagens und dem geltend gemachten Zeitdruck zeugen von alkoholbedingtem Kontrollverlust. Der Kläger musste sich sagen – und war dazu auf der Grundlage seiner großen Fahrpraxis auch in der Lage – dass die Gefährlichkeit seiner Fahrweise in keinem Verhältnis zum angestrebten Zeitgewinn stand. Durch die deutliche Geschwindigkeits-überschreitung ergibt sich auf der kurzen Strecke zwischen Abfahrt und Fahrziel kein größerer Zeitgewinn, wie die Beklagte zutreffend vorträgt. Hohe Geschwindigkeit er-möglichte es dem Kläger nicht, Staus als typischen Hindernissen des Berufsverkehrs zu entgehen. Sie ermöglichte es dem Kläger auch nicht, geschlossene Schranken oder rote Ampeln zu vermeiden, wenn er in einem Unfallbereich, in dem sich beide noch nicht befanden, weitaus zu schnell fuhr. Dies alles konnte der Kläger überlegen. Allein die alkoholbedingte Enthemmung bietet eine Erklärung dafür, dass er gleichwohl die zum Unfall führende gefährliche Fahrweise wählte. Nicht glaubhaft ist der Vortrag des Klägers, er habe konkret wegen der noch offenen Bahnschranke zu viel Gas gegeben. Es ist schon nicht ersichtlich, dass er damit einen konkret erinnerten Vorgang schildert. Denn ausweislich seiner Angaben vor dem Sozi-algericht hat er hinsichtlich des Unfallvorgangs eine getrübte Erinnerung und konnte schon nicht angeben, wie schnell er gefahren sei. Es erscheint ausgeschlossen, dass er heute Auskunft zu Motiven für eine überhöhte Geschwindigkeit nennen kann, an die selbst er 2006 keine Erinnerung mehr hatte. Weiterhin ist sein Vortrag insoweit widersprüchlich. Wenn er erst angesichts des Bahnübergangs die Geschwindigkeit erhöhte, bedurfte es keiner Ausführungen, warum er auf der ganzen Fahrt durch hohe Geschwindigkeit versuchen wollte, Behinderungen seiner Fahrt zu vermeiden. Darüber hinaus hatte er vor dem Unfall auch nicht mehr die tatsächliche Möglichkeit, seine Geschwindigkeit nach dem geöffneten Zustand der Schranke zu richten. Nach der Verkehrsunfallanzeige befuhr der Kläger bereits den Anstieg vor einer leichten Rechtskurve mit überhöhter Geschwindigkeit, wie ein entgegen kommender Kraftfahrer auch im Strafermittlungsverfahren bekundet hat. Der Kläger räumt auch selbst ein, schon im Bereich der Kurve ins Schleudern geraten zu sein. Sowohl wegen des Anstiegs als auch wegen der Rechtskurve ist es nach den Fotos vom Unfallort in der Akte der Staatsanwaltschaft auszuschließen, dass der Kläger schon die gerade weiterführende Strecke zum Bahnübergang überblicken konnte, als er – noch vor dem Beginn des Schleuderns – auf die überhöhte Geschwindigkeit beschleunigte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht vor, weil die Entscheidung auf der durch Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geklärten Rechtslage beruht.
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