L 8 SO 86/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 42 SO 139/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 86/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 61/09 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Ausschluss von der Leistungsberechtigung nach dem SGB XII, Aufenthalt im Ausland, gewöhnlicher Aufenthalt, Rückausnahme vom Ausschluss, Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland, in besonderem Maße pflege bedürftig, Rückkehrhinderniss nach Deutschland wegen hoheitlicher Gewalt
1. Für vier Personengruppen sind in den besonderen Bestimmungen über den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII Anspruchsausschlüsse vorgesehen (Leistungsberechtigte nach dem SGB II, Auszubildende, Ausländer und Deutsche im Ausland).
2. Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland sind nach § 24 Abs. 1 S. 1 SGB XII von Leistungen ausgeschlossen.
3. Hiervon kann im Einzelfall nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland aus folgenden drei besonders bezeichneten Gründen nicht möglich ist.
4. Entscheidend für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts sind in erster Linie die objektiven Lebensumstände und ein zeitliches Moment („nicht nur vorübergehend“). In zweiter Linie muss der Wille hinzukommen, einen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen an diesem Ort nicht nur vorübergehend zu begründen.
5. Weder musste der Kläger wegen der Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben (Nr. 1.) noch erfolgte längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung noch war der Kläger in besonderem Maße pflege bedürftig (Nr. 2.) noch hinderte den Kläger hoheitliche Gewalt (Nr. 3.) an der Rückkehr nach Deutschland.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme der nicht aus dem Nachlass gedeckten Beerdigungskosten der am 01.11.2005 verstorbenen Mutter des Klägers.

Diese erhielt vom Beklagten in der Zeit vom 01.05.2004 bis 01.11.2005 Sozialhilfe durch Übernahme der durch eigenes Einkommen nicht gedeckten Kosten ihres Aufenthaltes in einem Seniorenzentrum. Deswegen war zwischen den Beteiligten gemäß § 90 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) die Überleitung eines Anspruches auf Rückforderung einer Schenkung (§§ 528, 812 ff. Bürgerliches Gesetzbuch) gegen den Kläger bis zur Höhe von 35.000,00 DM (17.895,22 EUR) auf die Beklagte streitig (vergleiche Urteil des Senats vom 14.05.2009).

Den Antrag des Klägers vom 03.11.2005 auf Übernahme der Kosten der Bestattung in Höhe von 2005,19 EUR lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 21.06.06 ab. Die restlichen offenen Bestattungskosten in Höhe von 993,39 EUR seien vom Kläger zu tragen. Dies könne ihm aufgrund der früheren Schenkung zugemutet werden. Den vom Kläger hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Regierung von Oberbayern mit Bescheid vom 23.01.2007 zurück, unter anderem mit der Begründung, dass der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien habe und damit nach § 24 Abs. 1 S. 1 SGB XII ein Anspruch ausgeschlossen sei.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Zur Begründung hat er angeführt, dass er in Deutschland gemeldet sei und es sich bei der Anschrift in Spanien lediglich um seine Ferienadresse handele. Er hielte sich aus gesundheitlichen Gründen oft in Spanien auf. Der Nachlass seiner verstorbenen Mutter habe im Übrigen für die restlichen Bestattungskosten nicht ausgereicht und er selber sei nicht in der Lage, den Rest zu übernehmen, da er seit 11 Jahren arbeitslos sei und seit März 2007 lediglich eine Rente in Höhe von circa 667 EUR erhalte.

Durch Urteil vom 13.05.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 SGB XII (Leistungsausschluss) keinen Anspruch auf Übernahme der restlichen Bestattungskosten, da er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland gehabt habe. Insbesondere würden die Umstände des Falles erkennen lassen, dass sich der Kläger nicht nur vorübergehend auf Mallorca aufhalte bzw. sich - mindestens - seit dem 14.04.2004 auf Mallorca aufgehalten habe. Der Umstand, dass er in Deutschland angemeldet sei, ändert daran nichts, da es für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht auf eine formale Anmeldung ankomme.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat er insbesondere angeführt, dass er nicht in der Lage sei, die restlichen Bestattungskosten selbst zu bezahlen. Vielmehr müsse er jetzt wohl selbst noch Sozialhilfe beantragen. Ein Freund würde ihm allerdings einen Betrag in Höhe einer Monatsrente zur Verfügung stellen. Sollte diesem Vorschlag nicht zugestimmt werden, solle man sein Schreiben als Berufung betrachten.

Der Kläger stellt den Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 13.05. 2009 sowie des Bescheides vom 21.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.01.2007 zu verurteilen, ihm für die Bestattung seiner Mutter Kosten in Höhe von 993,39 EUR zu zahlen.

Der Beklagte stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten sowie der Regierung von Oberbayern Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Senat durfte eine Entscheidung nach § 153 IV SGG treffen. Denn die ihm angehörenden Berufsrichter sind einstimmig der Ansicht, dass eine Zurückweisung der Berufung als unbegründet zu erfolgen hat. Ebenso wird eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten. Die Beteiligten sind zu der Entscheidungsform durch Beschluss unter Mitteilung des voraussichtlichen Ergebnisses am 11.08.2009 in Kenntnis gesetzt worden (§ 153 Abs. 4 2 SGG).

Die Berufung ist nicht begründet, weil das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz seiner verauslagten Beerdigungskosten.

Gemäß § 74 SGB XII in der Fassung vom 27.12.2003 (Bundesgesetzblatt 2003, 3023) werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Dabei handele sich um einen Anspruch, der dem zur Bestattung Verpflichteten als Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten im achten Kapitel des SGB XII aufgeführt ist.

Grundvoraussetzung jeglichen derartigen Anspruchs ist aber das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen eines Sozialhilfeanspruchs, wie sie teilweise in den allgemeinen Vorschriften (erstes Kapitel) bzw. den allgemeinen Vorschriften über Leistungen der Sozialhilfe (zweites Kapitel §§ 8 bis 26) aufgestellt sind.

Insbesondere in den besonderen Bestimmungen über den Anspruch auf Leistungen sind für vier Personengruppen Anspruchsausschlüsse vorgesehen (Leistungsberechtigte nach dem SGB II, Auszubildende, Ausländer und Deutsche im Ausland).

Nach § 24 Abs. 1 S. 1 SGB XII ist der Kläger von Leistungen ausgeschlossen, weil er als Deutscher seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat. Danach erhalten Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine Leistungen. Hiervon kann im Einzelfall nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland aus folgenden drei besonders bezeichneten Gründen nicht möglich ist.

Gemäß § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I i.V.m. § 68 SGB I (Anwendbarkeit auf das BSHG) hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Entscheidend für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts sind in erster Linie die objektiven Lebensumstände und ein zeitliches Moment ("nicht nur vorübergehend"). In zweiter Linie muss der Wille hinzukommen, einen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen an diesem Ort nicht nur vorübergehend zu begründen (vgl. Schoch in LPK-SGB XII, § 98, Rn. 15 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 31.08.1995 - 5 C 11/94) besteht ein gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland als Voraussetzung der Sozialhilfe für Deutsche im Ausland an dem Ort im Ausland, an dem der Hilfebedürftige nicht nur vorübergehend den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat; die dafür erforderliche Verfestigung der Lebensverhältnisse an dem betreffenden Ort setzt regelmäßig voraus, dass der Aufenthalt auf Dauer angelegt ist und eine entsprechende Dauer auch erlangt hat.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Senat hat zwar keinen Zweifel daran, dass es sich beim Antragsteller (der notwendige Antrag ist auch gestellt) um einen Deutschen handelt. Aber zur vollsten Überzeugung des Senats liegt ein gewöhnlicher Aufenthalt des Klägers im Ausland vor. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des SG verwiesen. Darüber hinaus hat sich dieser Eindruck auch durch das Verhalten des Klägers im Berufungsverfahren verfestigt. Auch hier erfolgte die Einlegung der Berufung von Spanien aus. Ein ausländischer Aufenthalt lag auch bereits zum Zeitpunkt des Anfalls der Kosten vor. Aus den Unterlagen der Beklagten ergibt sich, dass sich der Kläger bereits bei dem Antrag auf Aufnahme seiner Mutter ins Pflegeheim am 14.04.2004 überwiegend auf Mallorca aufgehalten hat. So hat er bereits in seinem Schreiben vom 14.04.2004 an das Vormundschaftsgericht G. auf Betreuung seiner Mutter angegeben, dass er überwiegend in Spanien lebe. So wird vom Kläger in einem Schreiben an die Beklagte vom Januar 2005 (Akten Blatt 145 ff) auch selbst beschrieben, dass seine Ehefrau in Spanien eine Doppelhaushälfte erworben hatte und ein gemeinsamer Haushalt mit der Mutter des Klägers errichtet worden ist, auch noch über den ersten Schlaganfall der Mutter im Jahre 1998 hinaus bis zum zweiten Apoplex im Jahre 2001. Nach anfänglichem Pflegeaufenthalt in Spanien wurde dann die Mutter des Klägers in einer deutschen Einrichtung gepflegt, habe sich aber vor der Aufnahme ins Pflegeheim auf Mallorca aufgehalten. Die an den Kläger gerichtete Rechnung des Bestattungsunternehmens vom 14.11.2005 richtete sich ebenfalls an seine Adresse in Spanien (Mallorca).

Zu einem vom SG für den 04.03.2009 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung konnte der Kläger unter der von ihm in Deutschland angegebenen Anschrift nicht geladen werden, da er sich - wie vom Zusteller vermerkt - bereits seit längerem im Ausland (in Spanien) befand und eine Nachsendeantrag gestellt hatte. Auch ein erneuter Zustellungsversuch für den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.05.2009 scheiterte, da der Kläger sich weiterhin im Ausland (Spanien) aufhielt. Auf eine an seine Adresse in Spanien übersandte Ladung zu dem genannten Termin teilte er mit, dass er sich lediglich in der Zeit ab 20.07.2009 für circa drei Wochen in Deutschland aufhalte und nicht zum anberaumten Termin vom 13.05.2009 erscheinen könne, da ihm die Reisekosten zu hoch seien.

Der Kläger hält sich damit nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens - von kurzen Ausnahmen abgesehen - bereits seit einigen Jahren - auf Mallorca auf.

Der daher gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 SGB XII geltenden Leistungsausschluss für den Kläger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, entfällt auch nicht infolge der Rückausnahme gemäß § 24 Abs.1 S. 2 SGB XII. Keiner der drei Ausnahmetatbestände liegt vor. Weder musste der Kläger wegen der Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben (Nr. 1.) noch erfolgte längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung noch war der Kläger in besonderem Maße pflege bedürftig (Nr. 2.) noch hinderte den Kläger hoheitliche Gewalt (Nr. 3.) an der Rückkehr nach Deutschland.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Kläger ist insgesamt unterlegen.

Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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