L 21 KR 60/09 SFB

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
-
Aktenzeichen
VK 2 - 153/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 KR 60/09 SFB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 15. September 2009 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin und Antragsgegnerin (AG) hat den Abschluss von Rabattverträgen nach § 130a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für den Wirkstoff Fentanyl im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben (Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt EU vom 19.06.2009 - 2009/S 116-167717). Fentanyl ist ein synthetisches Opioid, das in der Therapie chronischer Schmerzzustände eingesetzt wird und in der Bundesrepublik unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) fällt. Ausgeschrieben war die Rabattierung von Matrixpflastern unterschiedlicher Wirkstärke mit unterschiedlichen Freisetzungsraten in drei Normgrößen (N1 bis N3). Die Ausschreibung wurde in zwei Fachlosen durchgeführt. Die Frist zur Angebotsabgabe endete am 12.08.2009, 13.00 Uhr. Der Ablauf der Zuschlags- und Bindefrist war für den 07.09.2009 vorgesehen. Der Rabattvertrag soll für ein Jahr geschlossen werden. Die AG soll dabei berechtigt sein, die Laufzeit des Vertrages durch einseitige Erklärung gegenüber dem Auftragnehmer zweimal um jeweils sechs Monate zu verlängern. Der Zuschlag ist auf das wirtschaftlich günstigste Angebot nach den folgenden Kriterien zu erteilen:

"1. Verhältnis des Rabattes zum Herstellerabgabepreis. Gewichtung: 100 %. 2. Nebenangebote/Mehrwertkonzepte. Gewichtung: zusätzlich/ergänzend bei Gleichwertigkeit von Angeboten nach Kriterium 1."

Die AG übersandte der Antragstellerin (AS), einem pharmazeutischen Unternehmen, das Generikaprodukte herstellt und vertreibt, unter dem 24.06.2009 die Verdingungsunterlagen. Die Bewerbungsbedingungen der AG enthielten unter dem Oberpunkt 4 u.a. die folgenden Vereinbarungen:

"4.1 Nach Erhalt der Verdingungsunterlagen haben Bewerber diese auf Vollständigkeit zu prüfen. Sollten die Unterlagen unvollständig oder inhaltlich unstimmig sein, haben Bewerber sich unverzüglich zur Aufklärung an die BKK N zu wenden. Nachteile, die sich daraus ergeben, dass ein Angebot auf Grundlage unvollständiger Unterlagen abgegeben wurde, gehen zu Lasten des Bieters.

4.2 Enthalten die Verdingungsunterlagen nach Auffassung eines Bewerbers Fehler und/oder Unklarheiten, die die Preisermittlung beeinflussen, so hat der Bewerber unverzüglich die BKK N vor Angebotsabgabe schriftlich darauf hinzuweisen. Nach Zuschlagserteilung ist eine Preisanpassung auf Grund solcher Fehler und/oder Unklarheiten ausgeschlossen. ( ...)."

Unter Oberpunkt 9 - Nebenangebote - wurde u.a. ausgeführt:

"9.1 Nebenangebote sind nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Solche können nur berücksichtigt werden, wenn im Übrigen die Voraussetzungen für gültige Angebote erfüllt werden (z.B. Angabe der entsprechenden Erklärungen und Nachweise). Mindestanforderungen sind die in der Leistungsbeschreibung und den Besonderen Vertragsbedingungen aufgeführten Vorgaben, außer derjenigen, für die ausdrücklich bestimmt ist, dass sie nicht zwingend vorausgesetzt sind.

9.2 Zur Ausführung und Beschaffenheit der Leistungen sind eindeutige und erschöpfende Angaben zu machen, insbesondere hinsichtlich der Abweichungen von der Leistungsbeschreibung. Über die Gleich- oder Höherwertigkeit ist ein Nachweis zu führen. ( ...)."

In den Leistungsbeschreibungen für die Lose 1 und 2 war unter Ziff. 2 (Allgemeine Anforderungen) vorgesehen:

"Lieferfähigkeit innerhalb von 24 Stunden an Apotheken."

Die AS rügte unter dem 29.06.2009, dass keine Mindestabnahmemengen zugesichert worden seien, eine Lieferfähigkeit binnen 24 Stunden von Niemandem garantiert werden könne und mit den Zuschlagskriterien nicht sichergestellt werde, dass tatsächlich das wirtschaftlichste Angebot bezuschlagt werde. Nicht geklärt sei ferner, nach welchen Kriterien Nebenangebote zu bewerten seien. Abgesehen davon habe die AG nicht die Mindestanforderungen an zulässige Nebenangebote definiert (§ 9 Nr. 2 Verdingungsordnung für Leistungen - Teil A - VOL/A).

Die AG teilte der AS mit, dass die Angabe konkreter Liefermengen nicht möglich sei. Ein ungewöhnliches Wagnis könne nicht in der Vorgabe der Lieferfähigkeit binnen 24 Stunden an Apotheken gesehen werden. Die Anforderung durch einzelne Apotheken werde ohnehin nur dann eintreten, wenn der Großhandel ausnahmsweise nicht lieferfähig sei. Den Zuschlag erhalte im Ergebnis der Anbieter des niedrigsten Abgabepreises. Nebenangebote könnten nur bei einer Gleichwertigkeit der niedrigsten Angebote berücksichtigt werden. Solche seien bei Rabattverträgen nach dem SGB V nur als Angebotsergänzungen denkbar, die in der pharmazeutischen Industrie gemeinhin als Mehrwertkonzepte bezeichnet würden. Sie beinhalteten i.d.R. Informationsangebote für Patienten, Behandler und/oder Apotheker und seien darauf ausgerichtet, Krankenkassen neben der Rabattgewährung durch Versichertenaufklärung und Verschreibungssteuerung einen zusätzlichen Mehrwert einzubringen. (Schreiben vom 13.07.2009).

In einem unter dem 14.07.2009 veröffentlichten Fragen- und Antwortenkatalog teilte die AG im Hinblick auf die Wertung von Nebenangeboten bzw. Mehrwertkonzepten Folgendes mit:

"( ...) Mehrwertkonzepte beinhalten in der Regel Informationsangebote für Patienten, Behandler und/oder Apotheker und versuchen, der BKK N neben der Rabattgewährung durch Versichertenaufklärung und Verschreibungssteuerung einen zusätzlichen Mehrwert einzubringen. Zu den Mindestanforderungen von Nebenangeboten äußert sich Nr. 9 Bewerbungsbedingungen. Für den Fall, dass bei Gleichwertigkeit mehrerer Hauptangebote mehrere Mehrwertkonzepte zu bewerten sind, wird dieser Mehrwert für die BKK N kalkuliert und dem Angebot mit dem höchsten Mehrwert der Zuschlag erteilt. Eine Gleichwertigkeit der Nebenangebote tritt in der Praxis nicht auf. ( ...)."

Zur Frage des Vertragsbeginns wurde u.a. ausgeführt:

"( ...) Wegen der Notwendigkeit der Veröffentlichung in der sog. LAUER-Taxe halten wir die Festlegung auf ein konkretes Datum für problematisch und gehen davon aus, dass ein Vertragsbeginn zu Anfang Oktober 2009 hinreichend konkret für die Sicherstellung der Lieferfähigkeit sein müsste.( ...)."

Die AS rügte, dass sich die Frist zwischen Vertragsbeginn und Zuschlag als unangemessen kurz darstelle. Ferner sei nach wie vor unklar, wie der Mehrwert eines Nebenangebotes von der AG kalkuliert werde. Zudem bürdeten die Regelungen in Ziff. 4.1 und 4.2 den Auftragnehmern ein ungewöhnliches Wagnis auf, weil diese per se und verschuldensunabhängig für die Vollständigkeit und inhaltliche Richtigkeit der Verdingungsunterlagen der AG haftbar gemacht würden. Abgesehen davon stelle sich die 24-stündige Lieferfrist als unangemessen kurz dar (Schreiben vom 16.07.2009).

Auch diesen Rügen half die AG nicht ab und teilte unter dem 21.07.2009 mit, dass sie die Vorlaufzeit als unproblematisch erachte, weil weniger als 100 Packungen im Monat abzugeben seien. Eine Direktbelieferung an Apotheken sei in der Praxis vollkommen unüblich und nur ausnahmsweise bei Lieferunfähigkeit des Großhandels gefordert. Mit Blick auf die Nebenangebote werde ggf. der Wert der Aufwendungen des Bieters, der der AG zu Gute komme, ausschlaggebend sein. Ziff. 4.1 und 4.2 der Bewerbungsbedingungen konkretisierten letztlich nur die gesetzlichen Mitwirkungsobliegenheiten der Bieter.

Die AG hat der AS mitgeteilt, dass das eingereichte Angebot für den Zuschlag nicht berücksichtigt werden könne, weil sich das Angebot der Beigeladenen (BG) als das wirtschaftlichste dargestellt habe (Schreiben vom 21.08.2009).

Am 28.07.2009 hat die AS einen Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer (VK) des Bundes gestellt. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Vor dem Hintergrund der am 07.09.2009 auslaufenden Zuschlags- und Bindefrist und dem Vertragsbeginn Anfang Oktober 2009 sei die Ausführungsfrist unangemessen kurz i.S.d. § 11 Nr. 1 VOL/A. Allein der Umstand, dass durchschnittlich weniger als 100 Packungen/Monat abzugeben seien, ändere nichts daran, dass ein Mindestmaß an logistischer Organisation aufgebaut werden müsse. In Zusammenschau mit der vorgesehenen Vertragsstrafe bei Überschreitung der Ausführungsfristen werde zudem ein ungewöhnliches Wagnis i.S.d. § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A begründet. Ebenfalls als ungewöhnliches Wagnis stelle sich die im Fall eines Lieferausfalls des Großhandels vorgeschriebene Direktbelieferung der Apotheken innerhalb von 24 Stunden dar. Auch wenn mit einem Ausfall des Großhandels nur ausnahmsweise gerechnet werden müsse, sei der erfolgreiche Bieter dennoch für diesen Fall gezwungen, eine vollständige Logistik aufzubauen bzw. Transporteure vertraglich an sich zu binden. Eine Lieferung innerhalb von 24 Stunden sei zwar nicht unmöglich, allerdings nur zu deutlichen Mehrkosten. Abgesehen davon habe die AG den Bietern keine Daten zur Häufigkeit von Lieferausfällen des Großhandels zur Verfügung gestellt. Intransparent sei das Zuschlagskriterium für Mehrwertkonzepte als Nebenangebote. Mangels Nachprüfbarkeit könne der Wert der von den Bietern getätigten Aufwendungen nicht als Zuschlagskriterium herangezogen werden, da andernfalls ein Bieter mit nicht nachprüfbaren Angaben über den Zuschlag mitbestimme. Durch Ziff. 4.1 und 4.2 der Bewerbungsbedingungen setze die AG die Bieter einem ungewöhnlichen Wagnis aus. Denn die Klauseln enthielten eine Freizeichnung der AG auch bei schuldlos nicht erkannten Fehlern. Unter Berücksichtigung ihres objektiven Erklärungswertes erfassten die Klauseln auch schuldlos nicht erkannte Fehler und Unklarheiten.

Die Antragstellerin hat beantragt,

ein Nachprüfungsverfahren für das Los 2 einzuleiten und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den von der Antragstellerin geltend gemachten Vergabeverstößen in Bezug auf dieses Los unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer abzuhelfen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

das Nachprüfungsverfahren abzuweisen.

Angesichts des Umstandes, dass die AS ein preislich vollkommen chancenloses Angebot abgegeben habe, könne sie keinen Schaden darlegen. Darüber hinaus habe die AS die von ihr beanstandete unangemessen kurze Vorlaufzeit sowie die in Ziff. 4.1 und 4.2 geregelten Prüfungs- und Mitwirkungspflichten verspätet gerügt.

Da es die AS offenkundig ablehne, eine Lieferfähigkeit binnen 24 Stunden an Apotheken zu garantieren, müsse sie als nicht leistungsfähig qualifiziert werden. Durch die Lieferverpflichtung solle verhindert werden, dass Apotheken in Anwendung des Rahmenvertrages das rabattierte Produkt substituieren müssten. Bieter hätten es in der Hand, durch Abstimmung mit dem Großhandel die eigene 24-Stunden-Lieferverpflichtung gar nicht erst eintreten zu lassen. Auch im Falle des Ausfalls des Großhandels könne ein qualifizierter Transportdienstleister beauftragt werden.

Im Hinblick auf die Vorlaufzeit zwischen Zuschlagserteilung und Vertragsbeginn sei zu berücksichtigen, dass angesichts eines Bedarfs von ca. 100 Packungen im Monat ein Vorlauf von drei Wochen ausreichend bemessen sei. Ein Bieter, der nicht in der Lage sei, innerhalb dieser Frist die entsprechende Lieferfähigkeit herzustellen, sei wegen fehlender Eignung auszuschließen.

Mit dem Fragen- und Antwortenkatalog vom 14.07.2009 seien den Bietern hinreichende Informationen zur Kalkulation von Nebenangeboten und Mehrwertkonzepten an die Hand gegeben worden. Der Mehrwert selber werde von der AG kalkuliert und bei Gleichwertigkeit der Hauptangebote im Übrigen als Zuschlagskriterium verwendet. Die hier streitigen Mehrwertkonzepte seien nicht antizipierbar gewesen; daher habe eine Bewertungsmatrix vorab nicht erstellt werden können.

Die Klauseln 4.1 und 4.2 bildeten letztlich nur die geltende Rechtslage ab und begründeten keine verschuldensunabhängige Garantiehaftung. Ihren subjektiven Erklärungswillen habe die AG mehrfach gegenüber der AS dargelegt. Demnach sollten Bieter nur für erkannte bzw. erkennbare Unvollständigkeit der Verdingungsunterlagen, nicht jedoch für deren inhaltliche Richtigkeit das Risiko tragen. Ziff. 4.2 verlange daneben aufgrund der Formulierung "nach Auffassung des Bewerbers" positive Kenntnis von den Fehlern hinsichtlich der Grundlagen der Preisermittlung; auch hier sei mithin keine Garantiehaftung der Bieter vorgesehen.

Die AG hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 26.08.2009 erklärt, dass die streitige 24-Stunden-Lieferpflicht des Auftragnehmers bei Lieferausfall des Großhandels nicht an den Wochenenden gelten solle. Die Haftung der Bieter für die Vollständigkeit der Verdingungsunterlagen beschränke sich zudem nur auf die körperliche Vollständigkeit der Unterlagen. Daher habe die AG in ihrem Anschreiben sämtliche Bestandteile der Verdingungsunterlagen einzeln ausgewiesen und durchpaginiert. Inhaltliche Unvollständigkeiten und Fehler würden vollständig zu Lasten der AG gehen.

Die BG hat keinen Antrag gestellt.

Durch Beschluss vom 14.09.2009 hat die VK die AG verpflichtet, bei Fortbestehen der Vergabeabsicht das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung ihrer Rechtsauffassung spätestens ab der Aufforderung zur Angebotsabgabe zu wiederholen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Beschlusses Bezug genommen.

Gegen den ihr am 15.09.2009 zugestellten Beschluss hat die AG am 23.09.2009 sofortige Beschwerde erhoben. Sie hält an ihrer im Nachprüfungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest und trägt vor:

Im Hinblick auf die Verpflichtung zur 24-Stunden-Direktlieferung müsse berücksichtigt werden, dass die Beanstandungen in dem angefochtenen Beschluss nicht durch die AS gerügt worden seien. Abgesehen davon griffen die von der VK aufgeworfenen Bedenken auch in der Sache nicht durch. Denn bereits anhand der üblichen Lieferlogistik sowie der Vertragslage zur Ersetzungsbefugnis sei deutlich erkennbar, dass die Verpflichtung an den Wochenenden nicht gelten könne. Darüber hinaus regele § 23 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) die Dienstbereitschaft der Apotheken eindeutig und liefere den normierten zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen die unter Ziff. 2 geregelte Verpflichtung für den Auftragnehmer erkennbar bestehe. Schließlich habe es die AS selber in der Hand, durch eine vorausschauende Lieferbeziehung mit dem Großhandel das Aufleben einer eigenen Lieferverpflichtung nahezu auszuschließen. Diese von der AG verlangte Ausgestaltung der Lieferbeziehung zum Großhandel gehe nicht über die in § 52b Abs. 2 Satz 1, 2 HS 2 Arzneimittelgesetz (AMG) geregelten Anforderungen hinaus. Im Übrigen seien die von der VK in dem angefochtenen Beschluss von der AG verlangten Fallzahlen aus der Vergangenheit für das vorliegende Verfahren nicht nur irrelevant, sondern auch irreführend.

Die Ziff. 4.1 und 4.2 der Bewerbungsbedingungen seien nicht zu beanstanden. Bei unvoreingenommener und sorgfältiger Lektüre der Klauseln seien Missverständnisse ausgeschlossen. Die von der VK vorgegebenen Erläuterungen seien allenfalls im Hinblick auf die verwirrende Auslegung durch die AS notwendig geworden. Angesichts dessen sei es nicht erforderlich, die Erläuterungen der VK aus Gründen der Gleichbehandlung an alle Bieter weiterzugeben. Hinsichtlich der Rüge der Bewertung von Mehrwertkonzepten fehle der AS bereits das Rechtsschutzbedürfnis, da keine gleichlautenden Angebote seitens der Bieter vorlägen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 15.09.2009 aufzuheben und den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Unter Vertiefung ihres Vorbringens verteidigt sie den angefochtenen Beschluss. Zu Unrecht habe die VK jedoch im Hinblick auf den knappen Zeitraum zwischen Zuschlagserteilung und Vertragsbeginn ein ungewöhnliches Wagnis verneint. Denn die Existenz eines ungewöhnlichen Wagnisses könne nicht von den jeweiligen Auftragsvolumina abhängig gemacht werden. Bei Zusammenschau mit den bereits dargelegten Vergabeverstößen führe auch die hier angesetzte Lieferfrist dazu, dass der Auftrag trotz seines vergleichsweise geringen Volumens nicht vernünftig kalkulierbar sei.

Die BG stellt keinen Antrag, trägt jedoch vor, dass Ziff. 2 der Leistungsbeschreibung vergaberechtlich nicht zu beanstanden sei. Die Regelung entspreche den in der Praxis bestehenden Lieferzeiten. Lieferausfälle kämen in der Praxis bereits deshalb nicht vor, weil sich auch Pharmagroßhändler gegen unerwartete Lieferschwierigkeiten in geeigneter Weise absicherten. Ziff. 4.1 und 4.2 der Bewerbungsbedingungen seien im Übrigen aus sich heraus verständlich.

Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- sowie der Vergabe- und Vergabekammerakten.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

Auf das vorliegende Vergabeverfahren sind die Regelungen des GWB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009 (BGBl. I, S. 790) anwendbar, weil das Vergabeverfahren nach dessen Inkrafttreten am 24.04.2009 begonnen hat (vgl. § 131 Abs. 8 GWB).

Die AG sind öffentliche Auftraggeber i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB. Denn gesetzliche Krankenkassen werden - jedenfalls mittelbar - durch Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber zur GKV durch den Bund finanziert (vgl. §§ 3, 271 SGB V) und unterliegen einer engmaschigen staatlichen Rechtsaufsicht (EuGH, Urteil vom 11.06.2009 - C-300/07 - "Oymanns"; vgl. auch Senat Beschluss vom 26.03.2009 - L 21 KR 26/09 SFB -). Bei dem streitigen Rabattvertrag handelt es sich auch um einen öffentlichen Lieferauftrag i.S.d. § 99 Abs. 1 und 2 GWB (vgl. hierzu ausführlich Senat, Beschluss v. 19.11.2009 - L 21 KR 55/09 SFB und v. 10.09.2009 - L 21 KR 51/09 SFB m.w.N.). Der im Jahr 2009 noch einschlägige Schwellenwert von 206.000,00 Euro (vgl. Art. 2 VO 1422/2007/EG v. 04.12.2007 - ABl. L 317/34; § 2 Nr. 3 VgV) ist überschritten.

Keinen Bedenken unterliegt die Antragsbefugnis der AS (§ 107 Abs. 2 GWB). An die Darlegung eines Schadens i.S.d. § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Ein solcher muss zumindest denkbar, also nicht offensichtlich ausgeschlossen sein (BVerfG, Beschluss v. 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03 -, NVwZ 2004, 1224; BSG, Beschluss v. 22.04.2009 - B 3 KR 2/09 D -, SozR 4 - 2500 § 127 Nr. 3 = SozR 4 - 7935 Nr. 1 Rdn. 18 m.w.N.). Die AS hat ihr Interesse an dem Auftrag durch das unterbreitete Angebot dokumentiert und eine Beeinträchtigung ihrer Zuschlagschancen gerügt. Dass sich ihr Angebot nach durchgeführter Wertung abgeschlagen an letzter Position befindet, steht ihrer Antragsbefugnis nicht entgegen. Die VK hat zu Recht darauf abgestellt, dass es - die von der AS behaupteten Vergabeverstöße als gegeben unterstellt - nicht auszuschließen ist, dass sie bei dann gebotener vergaberechtskonformer Wiederholung des Vergabeverfahrens ab der Aufforderung zur Angebotsabgabe mit veränderten Bewerbungsbedingungen grundsätzlich in der Lage ist, ein konkurrenzfähiges Angebot abzugeben. Dies reicht für die Annahme der Antragsbefugnis aus.

Entgegen der Ansicht der AG kann nicht darauf abgestellt werden, dass die von der VK erkannten Vergabeverstöße - insbesondere der Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A - nicht bereits im Vergabeverfahren durch die AG gerügt worden seien. Die AS hat in dem Rügeschreiben vom 29.06.2009 ausdrücklich einen Verstoß gegen § 8 Nr. 1 VOL/A beanstandet. Indem sie u.a. ausgeführt hat, dass die Zusicherung einer 24-Stunden-Direktlieferung an Apotheken ein großes Wagnis für sie darstelle, hat sie mit hinreichender Deutlichkeit einen Sachverhalt dargelegt, aus dem sich erhebliche Schwierigkeiten bei der Kalkulation eines Angebotes ableiten lassen. Die Formulierung der Rüge ("Ein Bieter kann aber die Lieferfähigkeit des Großhandels an die Apotheken innerhalb einer bestimmten Frist nicht garantieren.") deutet zudem darauf hin, dass die AS die beanstandete Regelung in Ziff. 2 Allgemeine Bedingungen (zunächst) in einem völlig anderen Sinne als die AG verstanden hat. Dass mit der beanstandeten Klausel die eigene Verpflichtung der Bieter zur Sicherstellung der Lieferfähigkeit gegenüber Apotheken innerhalb einer Frist von 24 Stunden gemeint ist, die nur bei einem Lieferausfall des Großhandels entstehen soll, hat die AG erst mit der Rügeerwiderung vom 13.07.2009 klargestellt.

Die VK ist in dem angefochtenen Beschluss zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die AS die von ihr geltend gemachten Verstöße jeweils innerhalb der in § 107 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB genannten Fristen gerügt hat. Sämtliche Rügen sind nämlich bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe (12.08.2009) mit Schreiben vom 29.06. und 16.07.2009 erhoben worden. Der Senat geht ferner davon aus, dass im Hinblick auf die Beanstandung der Vorlauffrist und der Ziff. 4.1 und 4.2 die Voraussetzungen des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nicht erfüllt sind. Das Entstehen der Rügeobliegenheit des Bieters setzt nicht nur voraus, dass der Bieter vorher von den einen Vergaberechtsfehler begründenden Tatsachen positive Kenntnis erlangt hat, sondern außerdem, dass sich die Kenntnis dieses tatsächlichen Vorgangs bei ihm zur Gewissheit eines der Vergabestelle anzulastenden Fehlers - und zwar i.S.e. laienhaften Vorstellung - auch rechtlich aktuell verdichtet hat (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 02.08.2002 - VII-Verg 25/02, juris Rdn. 26). Eine positive Kenntnis der AS im vorbezeichneten Sinne von den geltend gemachten Vergabeverstößen zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt als dem 16.07.2009 ist bereits nicht nachweisbar. Dafür spricht auch der Umstand, dass die AS in ihrem Rügeschreiben vom 29.06.2009 im ersten Absatz ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass sie ihre Beanstandungen nach einer "ersten rechtlichen Prüfung" geltend mache. Angesichts dessen muss hier nicht weiter vertieft werden, ob die in § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB geregelte Pflicht zur unverzüglichen Rüge gegen Art. 1 Abs. 1 RL 89/665/EWG (Rechtsmittelrichtlinie) verstößt und vor diesem Hintergrund ohnehin nicht angewendet werden darf (vgl. EuGH, Urteil v. 28.01.2010 - C-406/08, IBR 2010, 159 = NZBau 2010, 183 - "Uniplex"; Krohn, NZBau 2010, 186).

Allein der Umstand, dass Nebenangebote in der hier gegebenen Konstellation aufgrund fehlender Gleichwertigkeit der "Hauptangebote" nicht zu bewerten waren, lässt das Rechtsschutzbedürfnis der AS nicht entfallen. Denn es ist außerhalb des Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahrens kein Weg erkennbar, wie die AS den von ihr als vergaberechtswidrig erachteten Verstoß gegen den Grundsatz der Transparenz einfacher, schneller oder günstiger geltend machen konnte.

Der Nachprüfungsantrag erweist sich in der Sache als begründet. Denn es liegt im Hinblick auf die in Ziff. 2 der Allgemeinen Anforderungen vorgesehene "Lieferfähigkeit innerhalb von 24 Stunden an Apotheken" ein Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A vor. Danach ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Angebote miteinander verglichen werden können. Das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung bezweckt, die Vorstellungen des Auftraggebers von der gewünschten Leistung in Bezug auf technische Merkmale oder Funktionen, Menge und Qualität für den Auftragnehmer so deutlich werden zu lassen, dass dieser Gegenstand, Art und Umfang der Leistung zweifelsfrei erkennen kann. Das Gebot hat sich an der Durchführbarkeit der Leistung zu orientieren und soll die exakte Preisermittlung sowie die Vergleichbarkeit der Angebote gewährleisten. Leistungsbeschreibungen sind mithin so klar und eindeutig abzufassen, dass - abgestellt auf einen durchschnittlichen und mit der Art der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Empfänger - alle Bewerber sie notwendig in einem gleichen Sinne verstehen müssen. Leistungsbeschreibungen sind zwar der Auslegung fähig, müssen jedoch aus sich heraus verständlich, eindeutig und erschöpfend sein (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 02.08.2002, a.a.O., juris Rdn. 38).

Wie sich aus den Rügeerwiderungen vom 16.07./21.07.2009 sowie dem Vorbringen der AG in der mündlichen Verhandlung vor der VK ergibt, hat die AG mit der streitigen Klausel letztlich den Bietern die Verpflichtung zu einer "werktäglichen (montags bis freitags) Lieferfähigkeit innerhalb von 24 Stunden an Apotheken bei Lieferausfall des Großhandels" aufgeben wollen. Dies ist so nicht innerhalb des Vergabeverfahrens bis zum Ablauf der Angebotsfrist klargestellt worden. Erst im Nachprüfungsverfahren hat die AG im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der VK deutlich gemacht, dass sie im Falle eines Lieferausfalls des Großhandels lediglich eine werktägliche Lieferpflicht der pharmazeutischen Unternehmen sicherstellen wolle. Dieser Mangel ist während des Vergabeverfahrens nicht ausgeräumt worden, weil die AS eine Präzisierung erst nach Eingang der Angebote im Nachprüfungsverfahren vorgenommen hat.

Entgegen dem Vorbringen der AG im Beschwerdeverfahren lässt sich der Umstand, dass schon bei objektiver Betrachtung lediglich eine werktägliche Pflicht zur direkten Belieferung von Apotheken bei Lieferausfall des Großhandels gemeint sein konnte, nicht aus § 23 ApBetrO ableiten. Dort wird nämlich geregelt, dass Apotheken jedenfalls auch samstags an den Vormittagen bis 14.00 Uhr dienstbereit zu sein haben (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 ApBetrO). Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass gemäß § 23 Abs. 2 ApBetrO weitere Möglichkeiten zur Dienstbefreiung bestehen. Abgesehen davon müssen Leistungsbeschreibungen - wie bereits dargelegt - aus sich heraus verständlich sein. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Ebenso wenig ist die Leistungsbeschreibung auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung des § 52b Abs. 2 Satz 1 und 2 HS 2 AMG vergebarechtskonform. Dass sich die Gefahr von Lieferausfällen ggf. bei einer "vorausschauenden Kooperation" mit dem Großhandel minimieren lässt, ist zwar im Grunde nicht von der Hand zu weisen. Ebenfalls klar ist, dass pharmazeutische Unternehmer gemäß § 52b Abs. 2 Satz 1 AMG im Rahmen ihrer Verantwortlichkeit eine bedarfsgerechte und kontinuierliche Belieferung vollversorgender Arzneimittelgroßhandlungen zu gewährleisten und vollversorgende Großhandlungen wiederum einen Belieferungsanspruch - allerdings keinen Kontrahierungsanspruch - haben (vgl. BT-Drs. 16/12256 S. 92 zu § 52b AMG). Jedoch haben die von der AG aufgeworfenen Fragestellungen nichts mit dem Problem der inhaltlichen Vollständigkeit und Verständlichkeit der Leistungsbeschreibung zu tun, sondern vielmehr mit der Frage, ob die AG grundsätzlich eine derartige Verpflichtung der Auftragnehmer begründen kann. Abgesehen davon ist zweifelhaft, ob § 52b AMG hier überhaupt zur Begründung von Bieterpflichten herangezogen werden kann, weil diese Regelung erst m.W.v. 23.07.2009 - also während des laufenden Vergabeverfahrens - durch Art. 1 Nr. 49 AMRuaÄndG vom 17.07.2009 (BGBl. I 1990) in das AMG eingefügt worden ist (vgl. auch BT-Drs. 16/12256 S. 92 zu § 52b AMG).

Die AG hat zudem gegen § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A verstoßen. Nach dieser Regelung sind - um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen - alle die Preisermittlung beeinflussenden Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sowohl die Frage, ob eine werktägliche oder durchgängige Lieferpflicht als auch die Frage, ob und wann in etwa mit Lieferausfällen des Großhandels gerechnet werden kann, Gesichtspunkte darstellen, die geeignet sind, die Preiskalkulation in einem Vergabeverfahren zu beeinflussen. Dass pharmazeutische Unternehmen stets von Lieferausfällen des Großhandels unterrichtet werden und ihnen daher bereits eine hinreichende Datengrundlage zur Verfügung steht bzw. stehen sollte, kann auch unter Berücksichtigung der in dem Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V i.d.F. vom 17.01.2008 getroffenen Vereinbarungen nicht angenommen werden. Eine solche Kenntnis der pharmazeutischen Unternehmer ergibt sich insbesondere nicht aus § 4 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Rahmenvertrages. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 des Rahmenvertrages hat die Apotheke nachzuweisen, dass ein rabattiertes Arzneimittel zum Zeitpunkt der Vorlage der Verordnung vom pharmazeutischen Unternehmer nicht geliefert werden konnte. Satz 3 regelt, dass der Nachweis durch die Vorlage einer Erklärung des pharmazeutischen Unternehmers oder des Großhändlers geführt werden kann. Angesichts des Umstandes, dass die skizzierten Vereinbarungen an einen Lieferausfall des pharmazeutischen Unternehmers, nicht jedoch des Großhändlers anknüpfen, lässt sich daraus keine hinreichend sichere Datenlage über Lieferausfälle bei den auf anderer Handelsstufe stehenden Großhändler ableiten.

Da sowohl die Leistungsbeschreibung unklar war als auch eine hinreichende Datengrundlage nicht zur Verfügung gestellt wurde, liegt es nahe, dass die AS bei vollständiger Kenntnis ein konkurrenzfähigeres Angebot abgegeben hätte bzw. hätte abgeben können. Dies ist ihr jedoch durch den aufgezeigten Vergabefehler verwehrt worden. Die VK hat in der Rechtsfolge zutreffend gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB angeordnet, dass die AG bei Fortbestehen der Vergabeabsicht verpflichtet ist, das Vergabeverfahren spätestens ab der Aufforderung zur Angebotsabgabe zu wiederholen. Somit hat die AG den Bietern gegenüber konkret klarzustellen, wie die von ihr gewünschte Lieferpflicht an Apotheken im Einzelnen ausgestaltet sein soll und den Bietern die zur Kalkulation der Angebote erforderliche Datengrundlage bekannt zu machen. Sie hat den Bietern außerdem Gelegenheit zu geben, ihre Angebote zu überprüfen bzw. zu erneuern. Sodann muss die AG konsequenterweise die Angebotswertung wiederholen (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss v. 28.01.2004 - VII-Verg 35/03; Summa in: jurisPK-VergR § 114, Rdn. 13).

Nach Abstellen der Mängel bzw. Konkretisierung der Leistungsbeschreibung stellt die Auferlegung einer werktäglichen Lieferpflicht binnen 24 Stunden an Apotheken bei Ausfall des Großhandels kein ungewöhnliches Wagnis (§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A) zu Lasten der Bieter dar. VK und AG haben zutreffend darauf verwiesen, dass das Risiko etwaiger Lieferausfälle des Großhandels beherrschbar ist.

Unbegründet ist der Nachprüfungsantrag allerdings, soweit die AS eine zu kurze Vorlaufzeit zwischen Zuschlagserteilung und Vertragsbeginn beanstandet (§ 11 Nr. 1 VOL/A) und davon ausgeht, dass diese zu einem ungewöhnlichen Wagnis (§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A) führe. Hierfür spricht - worauf bereits der angefochtene Beschluss zutreffend hinweist -, dass selbst die AS mit ihrem Angebot garantiert hat, in der Lage zu sein, den vorgesehenen Vertragsbeginn einzuhalten. Bei realistischer Betrachtung erscheint es auch nicht als nachvollziehbar, dass die AS als einer der großen Generikahersteller der Bundesrepublik nicht in der Lage sein will, innerhalb eines Zeitraums von knapp einem Monat ihre Produktion so einzurichten bzw. umzustellen, um im Falle eines Zuschlages diesen vergleichsweise geringen Auftrag (zu liefern sind ca. 100 Packungen/Monat) zu erfüllen. Zwar erscheint es nicht von Vornherein als ausgeschlossen, dass auch geringe Auftragsvolumina mit ungewöhnlichen Wagnissen verbunden sein können. Allerdings hat die AS nichts Nachvollziehbares dafür dargelegt, dass ihr die entsprechende Umstellung der Produktionsabläufe vor allem wegen des Auftragsgegenstandes nicht oder nur unter unzumutbaren Bedingungen möglich sein soll.

Eine Entscheidung darüber, ob die weiteren von der AS erhobenen Rügen begründet sind, ist grundsätzlich nicht erforderlich. Zur Vermeidung erneuter Vergaberechtsfehler weist der Senat jedoch auf Folgendes hin:

Mit Blick auf Ziff. 4.1 und 4.2 ist zu berücksichtigen, dass diese Klauseln bei objektiver Auslegung den Eindruck erwecken können, dass sich die AG pauschal von sämtlichen - ggf. ihr zuzurechnenden - Verstößen ohne Rücksicht auf das Verschulden der Bieter freizeichnen wollte. Zwar unterliegt der Bieter im Vergabeverfahren bestimmten Mitwirkungsobliegenheiten, wie z.B. den Rügepflichten nach § 107 Abs. 3 GWB (vgl. jedoch EuGH, Urteil v. 28.10.2010, a.a.O.). Das Risiko der Vollständigkeit und Fehlerfreiheit der Verdingungsunterlagen trägt allerdings der Auftraggeber. Die AG hat im Nachprüfungsverfahren bereits gegenüber der AS die erforderlichen Erklärungen zur Auslegung der beanstandeten Klauseln abgegeben. Das bedeutet, dass sich die Prüfungsobliegenheit der Bieter nach Ziff. 4.1 lediglich auf die körperliche Vollständigkeit der Unterlagen bezieht und die Rechtsfolge des § 4.2 Satz 2 nur bei positiver Kenntnis des Verstoßes eintreten soll (zum Merkmal "unverzüglich" vgl. EuGH, Urteil v. 28.01.2010, a.a.O.). Entgegen der Auffassung der AG sollte sie dies bei Wiederholung des Vergabeverfahrens ab der Aufforderung zur Angebotsabgabe sämtlichen Bietern bereits deshalb mitteilen, um mögliche weitere Rügen und Nachprüfungsanträge zu vermeiden.

Im Hinblick auf die Wertbarkeit der Nebenangebote hat die VK zutreffend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 04.12.2003 - C-448/01 - "Wienstrom") darauf abgestellt, dass die von der AG bislang beabsichtigte Wertungsmethodik gegen das Transparenz- und mittelbar gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstößt. Denn unter Berücksichtigung des von der AG favorisierten Konzepts ist eine Überprüfung des Mehrwerts der von den Bietern eingereichten bzw. bei Wiederholung des Vergabeverfahrens einzureichenden Nebenangebote, die einer echten Wirtschaftlichkeitsprüfung entspricht, nicht möglich. Bei Wiederholung des Vergabeverfahrens ab Aufforderung zur Angebotsabgabe sollte die AG im eigenen Interesse auch im Hinblick auf Nebenangebote eine transparente und nachprüfbare Wertungsmatrix entwickeln.

Im Übrigen nimmt der Senat entsprechend § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug auf den Inhalt des angefochtenen Beschluss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 142a Abs. 1 SGG i.V.m. § 120 Abs. 2 GWB i.V.m. § 78 GWB.

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§§ 177, 142a SGG).
Rechtskraft
Aus
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