L 6 U 631/10 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 4307/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 631/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 19.01.2010 wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1957 geborene Antragsteller (Ast) verfolgt das Ziel, die Antragsgegenerin (Ag) durch eine einstweilige Anordnung zu verpflichten, ihm zwei Hörgeräte als Sachleistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Am 05.12.2005 hatte der Ast angegeben, er habe sich während seines Aufenthaltes in der Justizvollzugsanstalt R. im November 2005 bei der Arbeit im Freigängerhaus den Kopf angeschlagen und somit einen Arbeitsunfall erlitten. Mit Bescheid vom 27.10.2006 lehnte es die Ag ab, das Ereignis vom November 2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Ast blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid der Ag vom 22.05.2007). Hiergegen erhob der Kläger Klage (S 9 U 2489/07) zum Sozialgericht Ulm (SG), die dort noch anhängig ist.

Am 21.11.2009 stellte der Ast bei dem SG sinngemäß den Antrag, die Ag durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm zwei Hörgeräte zur Verfügung zu stellen und die "Nebenkosten und laufenden Kosten" zu übernehmen. Zur Begründung führte er aus, seine Hörschädigung sei auf den Unfall zurückzuführen. Die A. sei nicht bereit, die Kosten hierfür zu übernehmen. Außerdem beantragte er die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Er legte die Dokumentation zur Anpassung von Hörsystemen der Firma Hörgeräte L. vom 07.12.2009 und deren Angebote vom 07. und 18.12.2009 zur "Hörgeräteanpassung lt. Verordnung Herrn Dr. M." vor.

Mit Beschluss vom 19.01.2010 lehnte es das SG ab, dem Ast PKH zu gewähren und die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen. In den Gründen legte es dar, der Ast habe weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht habe auch die Gewährung von PKH abgelehnt werden müssen.

Hiergegen hat der Ast am 08.02.2010 mit Computerfax bei dem SG Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, Dr. R. sei nicht als Durchgangsarzt für die Berufsgenossenschaft zugelassen gewesen. Er habe Zeugen für die Verfahrensweise und die Machenschaften der JVA benannt. Er habe seinen Unfall erlitten, als er im Fahrdienst einen LKW beladen habe. Das Hörgerät benötige er, weil ihm damals die sofortige Behandlung verweigert worden sei.

Der Ast beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 19.01.2010 aufzuheben und die Antragsgegnerin durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Hörgeräte zu gewähren und sämtliche Neben- und laufenden Kosten zu übernehmen,

ferner ihm für das Beschwerdeverfahren PKH zu gewähren.

Die Ag beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) ist zulässig, aber nicht begründet.

Das SG hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.

Nach § 86 b Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGG kann, soweit ein Fall des Abs. 1 nicht vorliegt - was hier nicht der Fall ist, weil weder die aufschiebende Wirkung noch die Aufhebung oder Anordnung eines Sofortvollzugs im Streit ist - das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Da § 86 b Abs. 2 SGG der Vorschrift des § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entspricht und die bisherige sozialgerichtliche Rechtsprechung bereits vor Inkrafttreten des § 86 b SGG in Vornahmesachen einstweiligen Rechtsschutz in analoger Anwendung von § 123 VwGO gewährt hat, kann auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist damit Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegt (sog. Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht in der Lage wäre (sog. Anordnungsgrund). Ein Anordnungsanspruch setzt grundsätzlich voraus, dass der materiell-rechtliche Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, mit ausreichender Wahrscheinlichkeit vorliegt (vgl. Binder, Hk-SGG, Randnr. 32 zu § 86 b).

Ebenso wie das SG ist auch der Senat der Auffassung, dass der Ast. weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Hinsichtlich des Anordnungsanspruchs verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Ausführungen des SG auf Seite 3, 2. Absatz des angefochtenen Beschlusses, die er sich zu eigen macht.

Ein Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft gemacht, weil dem Ast zuzumuten ist, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens S 9 U 2489/07 abzuwarten und danach gegebenenfalls einen Antrag bei der Ag auf die Gewährung von Hörgeräten als Sachleistung zu stellen. Wie er selbst eingeräumt hat, ist er bei der A. gesetzlich krankenversichert. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) hat er deshalb gegen seine Krankenkasse Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V hat er auch Anspruch auf die Versorgung mit Hörhilfen, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V müssen die Leistungen der Krankenkasse ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag (§ 12 Abs. 2 SGB V). Wählen Versicherte Hilfsmittel, die über das Maß des Notwendigen hinaus gehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen (§ 33 Abs. 1 Satz 5 SGB V). Mithin hat der Ast gegen die A. einen Anspruch auf eine Hörgeräteversorgung im Rahmen des Notwendigen. Ob der Ast gegebenenfalls bei erfolgtem Nachweis eines Arbeitsunfalls sowie eines wahrscheinlichen Kausalzusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall und der Schwerhörigkeit Anspruch auf höhere Leistungen aus der Unfallversicherung nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 27 ff., 31 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) hätte, ist im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes nicht zu klären.

Da die gegen die Ablehnung einer einstweiligen Anordnung gerichtete Beschwerde keinen Erfolg hat, ist auch nicht zu beanstanden, dass das SG die Gewährung von PKH wegen fehlender Erfolgsaussicht abgelehnt hat. Aus demselben Grund kam auch die Gewährung von PKH für das Beschwerdeverfahren nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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