Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 V 8212/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VK 4017/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.07.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1926 geborene Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens Beschädigtenversorgung aufgrund eines in einem sowjetischen Filtrationslager erlittenen Unfalls.
Der in L. lebende Kläger beantragte mit Schreiben vom 01.11.1990 beim ehemaligen Versorgungsamt (VA) Beschädigtenversorgung. Darin führte er aus, er sei am 19.05.1942 nach D. zu Zwangsarbeiten geschickt, am 09.01.1945 in das 15. L. Bataillon der SS-Division einberufen, in der Nacht des 04./05.04.1945 von Russen gefangengenommen, am 09.04.1945 als Lette in die Sowjetarmee einberufen, am 16.09.1945 ohne Anklageschrift, Gerichtsverfahren sowie Untersuchung als deutscher Kriegsgefangener in das Lager des Volkskommissariats für innere Angelegenheiten der S. (NKVD) Nr. 258 geworfen und dort am 10.04.1946 durch einen Stromunfall schwer verletzt worden, was eine Amputation des linken Armes zur Folge gehabt habe.
Nach der Bescheinigung des Archivs des Verteidigungsministeriums der S. vom 30.01.1958 hat der Kläger von 1942 bis 1945 in D. Dienst geleistet und wurde am 09.04.1945 zur Roten Armee als Rotarmist des 205. Schützenregiments des 2. Bataillons einberufen und am 16.09.1945 in das Speziallager des NKVD Nr. 258 eingeliefert.
In der Bescheinigung des L. Ministeriums für die soziale Fürsorge, R., vom 02.12.1956 wurde dieser Sachverhalt bestätigt und ergänzend ausgeführt, die Beschädigung, die der Kläger während des Aufenthaltes im Sonderlager/Speziallager erlitten habe, habe er nicht während der Tätigkeit auf vertraglicher Grundlage erlitten, weshalb ihm aus diesem Anlass keine Invalidenrente gewährt werden könne.
Nach der Bescheinigung der Staatsanwaltschaft der L. S. Sozialistischen Republik vom 23.09.1961 war der Kläger im Prüfungs-Filtrationslager vom 16.09.1945 bis zum 21.06.1946 inhaftiert und wurde gemäß dem Beschluss der Operativen Untersuchungsabteilung der Verwaltung des Prüfungs-Konzentrationslagers Nr. 0337 vom 21.06.1946 entlassen, weil er mangels Belastungsmaterials nicht wegen einer Straftat angeklagt worden war.
In der Auskunft des L. Historischen Staatsarchivs vom 18.03.1993 wurde angegeben, dass der Kläger vom 09.04.1945 bis zum August 1945 Dienst als Soldat der Roten Armee der 326. Division des Schützenregiments Nr. 1097 geleistet hat.
Nach der Archivbescheinigung des L. Historischen Staatsarchivs vom 31.05.1993 war der Kläger vom 09.01.1945 bis zum 05.04.1945 in der Legion "L." der 15. SS-Division des 15. Reservebataillons sowie in Folge dessen vom 16.09.1945 bis zum 21.06.1946 im Filtrationslager in R. und wurde der Kläger wegen der Brandwunden des Stromunfalles in der Zeit vom 17.04.1946 bis zum 27.05.1946 in der Klinik der Stadt J. am linken Arm behandelt und ihm dort der linke Arm aufgrund einer Blutvergiftung amputiert.
Mit Bescheid vom 02.01.1995 lehnte das VA den Antrag des Klägers auf Gewährung von Be¬schädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ab, da der erlittene Unfall kein versorgungsrechtlich geschützter Tatbestand im Sinne des BVG sei und der Kläger somit nicht unter den anspruchsberechtigten Personenkreis des BVG falle. Die Lagerhaft in der Zeit vom 16.09.1945 bis zum 21.06.1946 könne nicht als Kriegsgefangenschaft gemäß § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG gewertet werden, da der Kläger nach seinem Dienst im Rahmen der Wehrmacht beziehungsweise vor seiner Inhaftierung und Überstellung in das Lager Soldat der Sowjetarmee gewesen sei.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und machte unter anderem geltend, er sei nicht freiwillig nach D. zu Zwangsarbeiten gegangen, sondern er sei gezwungen worden, in der Wehrmacht Dienst zu leisten. Er habe sich Anfang 1945 bei der Wehrmacht befunden, sei danach in die Sowjetarmee einberufen worden und sei zur Strafe für diese Wehrmachtszeit in ein besonderes Lager überführt worden. Hieraus werde klar, dass er sich in der Sowjetarmee nur für eine kurze Zeit befunden habe. Im Speziallager sei er eingesetzt worden, um die Strafe für den Wehrmachtsdienst abzubüßen und gerade in dieser Zeit sei er durch den Stromunfall verkrüppelt worden. Wenn er nicht zur Wehrmacht einberufen worden wäre, hätten die Russen auch keinen Grund gehabt, ihn in das Speziallager zu werfen und er hätte den Stromunfall nicht erlitten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.1995 wies das Landesversorgungsamt den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, zwar sei davon auszugehen, dass der Kläger wegen seiner Zugehörigkeit zur Wehrmacht vom 16.09.1945 bis zum 21.06.1946 in Gewahrsam genommen worden sei. Dieser Zeitraum sei jedoch nicht versorgungsrechtlich geschützt, da der versorgungsrechtlich relevante Vorgang des militärischen Dienstes beziehungsweise der Kriegsgefangenschaft mit dem Eintritt des Klägers in die russische Armee am 09.04.1945 geendet habe. Der Kläger habe vom 09.04.1945 bis zu seiner Inhaftierung am 16.09.1945 Dienst in der Sowjetarmee geleistet. Hinsichtlich der anschließenden Zeit vom 16.09.1945 bis zum 21.06.1946 könne auch nicht von einer Kriegsgefangenschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG ausgegangen werden, da eine förmliche Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft bei Übertritt in die Sowjetarmee zu unterstellen sei. Der erlittene Unfall am 10.04.1946 stelle somit keinen versorgungsrechtlichen Tatbestand im Sinne des BVG dar.
Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) und verfolgte sein Begehren weiter. Zur Begründung wies er darauf hin, er habe den Dienst in der Roten Armee nicht freiwillig, sondern zwangsweise geleistet. Wegen seines Dienstes in der deutschen Armee sowie der anschließenden und darauf beruhenden Lagerhaft erhalte er weder eine Rente noch eine Entschädigung vom russischen oder vom L. Staat. Nach kurzer Dienstleistung in der Roten Armee sei er wegen der Dienstleistung bei der deutschen Armee interniert worden. Dies zeige deutlich, dass von Seiten der Roten Armee beziehungsweise der S. nicht davon ausgegangen worden sei, er sei mit Antritt seines Dienstes bei der Sowjetarmee aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden, sondern es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Kriegsgefangenschaft weiterhin angedauert habe und er nun, nachdem er für die Rote Armee nicht mehr habe nützlich sein können, entsprechend seinem Status als Kriegsgefangener in das Filtrationslager abgeschoben worden sei. Insofern unterbreche die Dienstleistung in der Sowjetarmee für drei Monate nicht den versorgungsrechtlich relevanten Zeitraum der Kriegsgefangenschaft, in dessen Verlauf er sich die erhebliche Verletzung zugezogen habe.
Das SG holte das militärhistorische Gutachten des Dr. G. vom 25.08.1999 ein. Darin gelangte dieser zu dem Ergebnis, die S., die noch gegen Ende des Krieges einen hohen Bedarf an Soldaten gehabt habe, habe an grenznahen Filtrationspunkten ehemals in D. internierte Zivilisten und Ost¬arbeiter, die als Zwangsarbeiter im deutschen Einflussbereich tätig gewesen seien, gesammelt. Nach einer am grenznahen Filtrationspunkt erfolgten kurzen Überprüfung seien die Männer im wehrpflichtigen Alter sofort zu den Reserveeinheiten der Fronten/Militärbezirke überstellt wor¬den. Wer so überprüft worden sei, sei zunächst nicht in ein Sonderlager gekommen. Eine Frei¬willigkeit für den Dienst in der Roten Armee könne in diesen Fällen deshalb nicht angenommen werden, weil die Überprüfung nicht von einer militärischen Seite, sondern von einer politischen Stelle vorgenommen worden sei. Das habe aber nicht bedeutet, dass damit die Vergangenheit des Klägers als Soldat in dem SS-Grenadier-Ersatz-Bataillon vergessen gewesen sei. Kriegsgefan¬gene und Zivilisten, die in bestimmten deutschen Einheiten gedient hätten, seien insgesamt in die Sonderlager des NKVD eingewiesen worden, wo sie zum Beispiel eine Haft als Vaterlandsverräter hätten abbüßen müssen. Die Einweisung des Klägers in das Filtrationslager bei R. nach Ende des Krieges sei also konsequent gewesen. In D. gebe es keine zahlenmäßige Auflistung, in welchem Umfang die Eingliederung in die russische Armee zum Ende des Krieges hin geschehen sei. Sicher sei, dass Gefangene mit russischer Staatsbürgerschaft, sofern sie noch wehrpflichtig gewesen seien, sofort zur Truppe gekommen seien. Da sich die kämpfenden Truppen der Roten Armee nicht mit der Problematik der von ihr gefangenen Gegner hätten befassen können, seien diese in das rückwärtige Gebiet gebracht worden. Ziehe man die Entfernung von D. bis zur Grenze der S. und auch die sicher eingeschränkten Verkehrsmöglichkeiten in Betracht, so seien die fünf Tage von der Gefangennahme des Klägers bis zur Überprüfung am grenznahen Filtrationspunkt erklärlich. Eine freiwillige Meldung zur Truppe sei auszuschließen, da die Front, bei der sich der Kläger hätte freiwillig melden können, am 09.04.1945 zwischen Oder und Elbe gelegen habe.
Hierzu wandte der Beklagte ein, er bleibe bei seiner bisherigen Beurteilung, wonach der Dienst des Klägers in der russischen Armee freiwilliger Natur gewesen sei. Denn es könne nicht nach¬vollzogen werden, dass die S. feindliche Soldaten, noch dazu SS-Angehörige, für ihre Armee zwangsrekrutiert habe. Anders sei dies möglicherweise bei Zivilisten gewesen. Der Kläger sei aber im Zeitpunkt des Übertritts in die Rote Armee nicht Zivilist, sondern deutscher Soldat gewesen.
Prof. Dr. M., R., teilte dem SG unter dem 28.02.2000 mit, gemeinsam mit Herrn C., einem Historiker, habe er den früheren Augenzeugen, den 83-jährigen J. C., der ab Januar 1946 ebenfalls - wie der Kläger - in der Ziegelei in K. gearbeitet habe, besucht. Dieser habe ausgesagt, dass es 1945/1946 keine ehemaligen L. Legionäre gegeben habe, die als Zwangsarbeiter in der Ziegelei K. gearbeitet hätten. Dementsprechend gebe es für ihn nur die plausible Schlussfolgerung, dass der Kläger nach seiner Entlassung aus dem Filtrationslager K. in der Ziegelei K. freiwillig gearbeitet habe. Dementsprechend sei sein Arbeitsunfall als normaler Betriebsunfall zu werten, weshalb der Kläger seine Rentenansprüche vor allem in M. und nicht in D. geltend machen sollte.
Das SG holte das medizinische Gutachten des Internisten, Betriebsmediziners und Sozialmediziners Dr. Sch. von der Sozialmedizinischen Klinik L. vom 18.03.2000 ein. Darin kam er unter Berücksichtigung des auf chirurgisch-orthopädischem Gebiet von Dr. G. am 25.02.2000 erstellten Zusatzgutachtens nach stationärer Untersuchung des Klägers vom 08.02.2000 bis zum 10.02.2000 zu dem Ergebnis, beim Kläger lägen als Schädigungsfolgen ein Zustand nach Oberarmamputation links, eine Narbenbildung im Bereich des rechten distalen Unterarms nach Brandverletzung sowie eine Handgelenksarthrose rechts mit deutlicher Funktionseinschränkung im rechten Handgelenk und geringgradiger in den Fingergelenken vor. Insgesamt ergebe sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet um 80 vom Hundert (v. H.). Eine besondere berufliche Betroffenheit des Klägers aufgrund der Schädigungsfolgen sei anzunehmen. Eine manuelle Tätigkeit sei nach Oberarmamputation links sowie Gebrauchsbeeinträchtigung der rechten Hand und geminderter Belastbarkeit des rechten Handgelenks nicht gegeben. Es wäre zum Beispiel lediglich noch eine Tätigkeit als Pförtner oder Wachmann möglich gewesen.
Mit Urteil vom 30.11.2000 (S 13 V 1623/95 und nachfolgend S 13 V 187/99) hob das SG die Entscheidung des Beklagten auf und verurteilte ihn, dem Kläger für die Zeit ab November 1990 Versorgung im Rahmen der Auslandsversorgung nach einer MdE um 80 v. H. wegen der Schädigungsfolgen "a) Zustand nach Oberarmamputation links in Schaftmitte mit Fisteleiterung, b) Narbenbildung am rechten Unterarm, c) Funktionseinschränkung im rechten Handgelenk bei Handgelenksarthrose" zu gewähren. Zur Begründung ist in den Entscheidungsgründen des Urteils ausgeführt, entsprechend dem militärhistorischen Gutachten des Dr. G. sei eine freiwillige Meldung des Klägers zur Roten Armee ausgeschlossen.
Hiergegen legte der Beklagte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) ein. Zur Begründung wurde geltend gemacht, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die vom Kläger im Filtrierungslager verbrachte Haft als geschützte Zeit der Kriegsgefangenschaft anzusehen sei. Kriegsgefangenschaft liege nur dann vor, wenn der Betreffende wegen seiner Zugehörigkeit zu einem militärischen oder militärähnlichen Verband gefangengenommen worden sei und von einer feindlichen (ausländischen) Macht festgehalten werde. Keine Kriegsgefangenschaft liege somit bei Gefangennahme durch die eigene kriegführende Macht vor. Die Festnahme des Klägers während beziehungsweise nach Ablauf des Militärdienstes in der Sowjetarmee mit anschließender Verurteilung und Lagerhaft stelle somit keine Kriegsgefangenschaft im völkerrechtlichen Sinne dar. Zu berücksichtigen sei auch, dass zum Zeitpunkt der Gefangennahme des Klägers L. bereits sowjetisches Staatsgebiet gewesen sei und der Kläger mit Dekret der S. vom 07.09.1940 die Staatsangehörigkeit dieses Staates, mithin die sowjetische Staatsangehörigkeit, erlangt habe. Aufgrund dessen könne nicht von einer Kriegsgefangenschaft ausgegangen werden. Eine Versorgung nach dem BVG könne aus diesen Gründen nicht erfolgen. Wenn eine rechtsstaatswidrige Strafhaft vorgelegen habe, so sei eine Entschädigung von den Nachfolgestaaten der S. vorzunehmen.
Der Kläger wies darauf hin, er sei nach Beendigung des deutschen Wehrdienstes nicht Zivilist gewesen, sondern vielmehr von der Roten Armee gefangengenommen und in Kriegsgefangenschaft verbracht worden. Anschließend sei er auch nicht freiwillig in die Rote Armee eingetreten.
Mit Urteil vom 30.08.2002 hob das LSG (L 8 V 527/01) das Urteil des SG vom 30.11.2000 auf, wies die Klage ab und ließ die Revision zu. Der Aufenthalt des Klägers im Filtrationslager stelle keinen versorgungsrechtlich geschützten Tatbestand einer Kriegsgefangenschaft dar. Der versorgungsrechtliche entspreche dem völkerrechtlichen Begriff der Kriegsgefangenschaft. Nach dem Genfer Abkommen über Behandlung von Kriegsgefangenen vom 27.07.1929, ersetzt durch das III. Genfer Abkommen vom 12.08.1949 (KgfAbk), sei Kriegsgefangener, wer wegen seiner Zugehörigkeit zu einem militärischen oder militärähnlichen Verband gefangengenommen worden sei und von einer feindlichen (ausländischen) Macht festgehalten werde. Die Kriegsgefangenschaft diene vornehmlich der Schwächung der feindlichen Kampfkraft. Ihre eige¬nen Staatsangehörigen brauche eine kriegsführende Macht nach Völkerrecht nicht als Kriegsge¬fangene zu behandeln. Sie sei berechtigt, innerstaatliches Recht, also auch die einschlägigen Strafvorschriften anzuwenden. Nach diesen Kriterien habe vorliegend ab 16.09.1945 keine Kriegsgefangenschaft vorgelegen. Eine solche könne bereits deshalb nicht angenommen werden, weil der Kläger damals nicht als Angehöriger eines militärischen Verbandes einer feindlichen, kriegführenden Macht, sondern außerhalb eines Krieges und auch nicht als deutscher Soldat, sondern als Soldat der Roten Armee beziehungsweise als russischer Staatsangehöriger im Lager inhaftiert worden sei. Die Anordnung der Lagerhaft ab 16.09.1945 habe auch nicht - wie bei Kriegsgefangenen - einer Schwächung der feindlichen Kampfkraft gedient, zumal der Krieg längst beendet gewesen sei. Der Kläger sei also nicht durch eine mit D. sich im Krieg befindliche Macht in das Filtrationslager verbracht worden, sondern es handele sich hierbei um eine Maßnahme der S. gegenüber ihrem eigenen Staatsangehörigen, der zuvor Dienst in der eigenen Armee geleistet habe. L. sei - ebenso wie die anderen baltischen Staaten - im Sommer 1940 von der S. annektiert worden und mit Dekret der S. vom 07.09.1940 hätten die Staatsangehörigen der litauischen, L. und estnischen Sowjetrepubliken - darunter der Kläger - die Staatsbürgerschaft der S. erworben. Bei der Verbringung des Klägers am 16.09.1945 in das Filtrationslager durch die Rote Armee habe es sich somit um eine Maßnahme der S. gegenüber einem sowjetischen Staatsangehörigen gehandelt. Dies könne nicht als die Anordnung einer Kriegsgefangenschaft gewertet werden. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Kläger ursprünglich noch während des Krieges als Angehöriger der Wehrmacht beziehungsweise eines dieser unterstellten Verbandes in russische Gefangenschaft geraten sei. Es könne hierbei offen bleiben, ob es sich um Kriegsgefangenschaft im völkerrechtlichen Sinne gehandelt habe, nachdem er zwar als Angehöriger eines feindlichen Verbandes, andererseits aber als russischer Staatsangehöriger in russischen Gewahrsam geraten sei. Jedenfalls habe diese Gefangenschaft mit der Übernahme in die Rote Armee am 09.04.1945, und zwar unabhängig davon, ob dies freiwillig oder unter Zwang geschehen sei, geendet. In diesem Moment sei das Festgehaltenwerden durch eine feindliche Macht im Sinne der Definition der Kriegsgefangenschaft beendet und ein neues hoheitliches Dienstverhältnis des Klägers mit der eigenen Staatsmacht begründet worden. Auch wenn eine kausale Verknüpfung nicht geleugnet werden könne, sei dennoch der Tatbestand des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG in diesem Moment nicht mehr erfüllt gewesen. Ein insoweit rechtlich wesentlicher Zusammenhang mit der vorangegangenen Gewahrsamszeit könne nicht bejaht werden. Die Zeit in der Roten Armee stelle keinen Überbrückungstatbestand dar.
Hiergegen hat der Kläger Revision zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegt.
Das BSG hat die Revision mit Urteil vom 15.07.2004 (B 9 V 11/02 R) zurückgewiesen. Der Kläger sei am Unfalltag nicht Kriegsgefangener im Sinne des BVG gewesen. Die Kriegsgefangenschaft des Klägers habe mit seinem Eintritt in die Rote Armee geendet, auch wenn er zwangsweise eingezogen worden sei und damit von der Gewahrsamsmacht S. im Grunde weiter festgehalten worden sein möge. Denn diese Maßnahme habe darauf beruht, dass der Kläger nach sowjetischer Rechtsauffassung Staatsangehöriger der S. und als solcher wehrpflichtig gewesen sei. Der innere Zusammenhang zwischen "Gewahrsam" und Dienst in der Waffen-SS sei mit der Einberufung gelöst worden, weil der Kläger insoweit wie alle anderen wehrfähigen Letten behandelt worden sei. Seine Einberufung in die Rote Armee sei also praktisch mit einer Freilassung aus der Kriegsgefangenschaft einher gegangen. Da die im Sommer 1940 erfolgte wohl völkerrechtswidrige sowjetische Annexion der baltischen Staaten bis Anfang 1990 von verschiedenen Staaten anerkannt worden sei, stelle sich die Einberufung des Klägers in die Rote Armee nicht als völkerrechtswidriger Willkürakt dar, der nicht geeignet gewesen wäre, die Kriegsgefangenschaft zu beenden. Durch Einweisung in das NKWD-Lager am 16.09.1945 sei der Kläger nicht erneut in Kriegsgefangenschaft geraten. Die Überstellung in das Filtrationslager habe nicht - wie bei Kriegsgefangenen - einer Schwächung der Kampfkraft des längst besiegten Feindes gedient, sondern habe strafrechtliche beziehungsweise politische Gründe gehabt. Sie habe dem in R. üblichen Verfahren entsprochen, einer Straftat - wie etwa Kriegsverbrechen - verdächtige Personen in Lager einzuweisen und dort bis zur Klärung der Verdachtsmomente festzuhalten. Dieser Zielrichtung entsprechend habe das Filtrationslager nicht der Militärverwaltung, sondern dem Volkskommissariat für innere Angelegenheiten der S. unterstanden. Unerheblich sei es insoweit, dass sich die Untersuchung auf die frühere Tätigkeit des Klägers in der Waffen-SS bezogen habe.
Sodann wandte sich der Kläger mit seiner Petition an das Sozialministerium Baden-Württemberg. Dieser Petition wurde nicht abgeholfen (Landtags-Drucksache 13/4241, Nr. 14).
Am 19.02.2008 beantragte der Kläger erneut Beschädigtenversorgung. Das zuständig gewordene Landratsamt (LRA) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27.02.2008 ab. Der Kläger habe keine neuen Gesichtspunkte oder rechtserheblichen Tatsachen vorgebracht, die nicht schon bei Erteilung des inzwischen rechtskräftig gewordenen Ablehnungsbescheides vom 02.01.1995 bekannt gewesen seien. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium St.t (RP) mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.2008 zurück.
Gegen den ihm am 15.09.2008 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 09.12.2008 Klage zum SG. Er trug unter anderem vor, "seitens Erpressers D. K. und seines Gehilfen Verleumders Dr. A. M." sei in das ehemals vor dem SG anhängig gewesene Klageverfahren zu seinen Lasten "eingegriffen" worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.07.2009 wies das SG die Klage ab. Der Kläger sei während des Zwangsaufenthalts im Filtrationslager kein Kriegsgefangener gewesen, auch wenn seine vorherige Wehrmachtszeit ursächlich für den Filtrationsaufenthalt gewesen sei. Ob der Kläger im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Versorgungsansprüchen von dritten Personen betrogen worden sei, habe für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung.
Gegen den ihm am 07.08.2009 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 02.09.2009 Berufung eingelegt. Seine vorherige Wehrmachtsangehörigkeit sei der einzige Grund für seine Einlieferung in das Filtrationslager gewesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.07.2009 und den Bescheid des Landratsamts Ravensburg vom 27.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.07.2008 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 02.01.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.1995 zurückzunehmen und ihm Beschädigtenversorgung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 SGG im Einverständnis mit den Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 02.01.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.1995 und auch nicht auf Beschädigtenversorgung.
Das SG hat mit zutreffender Begründung ausgeführt, warum der Bescheid vom 27.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 17.07.2008 rechtmäßig und an der Bestandskraft des Bescheides vom 02.01.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.1995 festzuhalten ist. Das SG hat zu Recht auf das in dieser Sache bereits ergangene Urteil des BSG vom 15.07.2004 (B 9 V 11/02 R) hingewiesen. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an. Aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen ergeben sich keine neuen Erkenntnisse.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1926 geborene Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens Beschädigtenversorgung aufgrund eines in einem sowjetischen Filtrationslager erlittenen Unfalls.
Der in L. lebende Kläger beantragte mit Schreiben vom 01.11.1990 beim ehemaligen Versorgungsamt (VA) Beschädigtenversorgung. Darin führte er aus, er sei am 19.05.1942 nach D. zu Zwangsarbeiten geschickt, am 09.01.1945 in das 15. L. Bataillon der SS-Division einberufen, in der Nacht des 04./05.04.1945 von Russen gefangengenommen, am 09.04.1945 als Lette in die Sowjetarmee einberufen, am 16.09.1945 ohne Anklageschrift, Gerichtsverfahren sowie Untersuchung als deutscher Kriegsgefangener in das Lager des Volkskommissariats für innere Angelegenheiten der S. (NKVD) Nr. 258 geworfen und dort am 10.04.1946 durch einen Stromunfall schwer verletzt worden, was eine Amputation des linken Armes zur Folge gehabt habe.
Nach der Bescheinigung des Archivs des Verteidigungsministeriums der S. vom 30.01.1958 hat der Kläger von 1942 bis 1945 in D. Dienst geleistet und wurde am 09.04.1945 zur Roten Armee als Rotarmist des 205. Schützenregiments des 2. Bataillons einberufen und am 16.09.1945 in das Speziallager des NKVD Nr. 258 eingeliefert.
In der Bescheinigung des L. Ministeriums für die soziale Fürsorge, R., vom 02.12.1956 wurde dieser Sachverhalt bestätigt und ergänzend ausgeführt, die Beschädigung, die der Kläger während des Aufenthaltes im Sonderlager/Speziallager erlitten habe, habe er nicht während der Tätigkeit auf vertraglicher Grundlage erlitten, weshalb ihm aus diesem Anlass keine Invalidenrente gewährt werden könne.
Nach der Bescheinigung der Staatsanwaltschaft der L. S. Sozialistischen Republik vom 23.09.1961 war der Kläger im Prüfungs-Filtrationslager vom 16.09.1945 bis zum 21.06.1946 inhaftiert und wurde gemäß dem Beschluss der Operativen Untersuchungsabteilung der Verwaltung des Prüfungs-Konzentrationslagers Nr. 0337 vom 21.06.1946 entlassen, weil er mangels Belastungsmaterials nicht wegen einer Straftat angeklagt worden war.
In der Auskunft des L. Historischen Staatsarchivs vom 18.03.1993 wurde angegeben, dass der Kläger vom 09.04.1945 bis zum August 1945 Dienst als Soldat der Roten Armee der 326. Division des Schützenregiments Nr. 1097 geleistet hat.
Nach der Archivbescheinigung des L. Historischen Staatsarchivs vom 31.05.1993 war der Kläger vom 09.01.1945 bis zum 05.04.1945 in der Legion "L." der 15. SS-Division des 15. Reservebataillons sowie in Folge dessen vom 16.09.1945 bis zum 21.06.1946 im Filtrationslager in R. und wurde der Kläger wegen der Brandwunden des Stromunfalles in der Zeit vom 17.04.1946 bis zum 27.05.1946 in der Klinik der Stadt J. am linken Arm behandelt und ihm dort der linke Arm aufgrund einer Blutvergiftung amputiert.
Mit Bescheid vom 02.01.1995 lehnte das VA den Antrag des Klägers auf Gewährung von Be¬schädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ab, da der erlittene Unfall kein versorgungsrechtlich geschützter Tatbestand im Sinne des BVG sei und der Kläger somit nicht unter den anspruchsberechtigten Personenkreis des BVG falle. Die Lagerhaft in der Zeit vom 16.09.1945 bis zum 21.06.1946 könne nicht als Kriegsgefangenschaft gemäß § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG gewertet werden, da der Kläger nach seinem Dienst im Rahmen der Wehrmacht beziehungsweise vor seiner Inhaftierung und Überstellung in das Lager Soldat der Sowjetarmee gewesen sei.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und machte unter anderem geltend, er sei nicht freiwillig nach D. zu Zwangsarbeiten gegangen, sondern er sei gezwungen worden, in der Wehrmacht Dienst zu leisten. Er habe sich Anfang 1945 bei der Wehrmacht befunden, sei danach in die Sowjetarmee einberufen worden und sei zur Strafe für diese Wehrmachtszeit in ein besonderes Lager überführt worden. Hieraus werde klar, dass er sich in der Sowjetarmee nur für eine kurze Zeit befunden habe. Im Speziallager sei er eingesetzt worden, um die Strafe für den Wehrmachtsdienst abzubüßen und gerade in dieser Zeit sei er durch den Stromunfall verkrüppelt worden. Wenn er nicht zur Wehrmacht einberufen worden wäre, hätten die Russen auch keinen Grund gehabt, ihn in das Speziallager zu werfen und er hätte den Stromunfall nicht erlitten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.1995 wies das Landesversorgungsamt den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, zwar sei davon auszugehen, dass der Kläger wegen seiner Zugehörigkeit zur Wehrmacht vom 16.09.1945 bis zum 21.06.1946 in Gewahrsam genommen worden sei. Dieser Zeitraum sei jedoch nicht versorgungsrechtlich geschützt, da der versorgungsrechtlich relevante Vorgang des militärischen Dienstes beziehungsweise der Kriegsgefangenschaft mit dem Eintritt des Klägers in die russische Armee am 09.04.1945 geendet habe. Der Kläger habe vom 09.04.1945 bis zu seiner Inhaftierung am 16.09.1945 Dienst in der Sowjetarmee geleistet. Hinsichtlich der anschließenden Zeit vom 16.09.1945 bis zum 21.06.1946 könne auch nicht von einer Kriegsgefangenschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG ausgegangen werden, da eine förmliche Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft bei Übertritt in die Sowjetarmee zu unterstellen sei. Der erlittene Unfall am 10.04.1946 stelle somit keinen versorgungsrechtlichen Tatbestand im Sinne des BVG dar.
Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) und verfolgte sein Begehren weiter. Zur Begründung wies er darauf hin, er habe den Dienst in der Roten Armee nicht freiwillig, sondern zwangsweise geleistet. Wegen seines Dienstes in der deutschen Armee sowie der anschließenden und darauf beruhenden Lagerhaft erhalte er weder eine Rente noch eine Entschädigung vom russischen oder vom L. Staat. Nach kurzer Dienstleistung in der Roten Armee sei er wegen der Dienstleistung bei der deutschen Armee interniert worden. Dies zeige deutlich, dass von Seiten der Roten Armee beziehungsweise der S. nicht davon ausgegangen worden sei, er sei mit Antritt seines Dienstes bei der Sowjetarmee aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden, sondern es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Kriegsgefangenschaft weiterhin angedauert habe und er nun, nachdem er für die Rote Armee nicht mehr habe nützlich sein können, entsprechend seinem Status als Kriegsgefangener in das Filtrationslager abgeschoben worden sei. Insofern unterbreche die Dienstleistung in der Sowjetarmee für drei Monate nicht den versorgungsrechtlich relevanten Zeitraum der Kriegsgefangenschaft, in dessen Verlauf er sich die erhebliche Verletzung zugezogen habe.
Das SG holte das militärhistorische Gutachten des Dr. G. vom 25.08.1999 ein. Darin gelangte dieser zu dem Ergebnis, die S., die noch gegen Ende des Krieges einen hohen Bedarf an Soldaten gehabt habe, habe an grenznahen Filtrationspunkten ehemals in D. internierte Zivilisten und Ost¬arbeiter, die als Zwangsarbeiter im deutschen Einflussbereich tätig gewesen seien, gesammelt. Nach einer am grenznahen Filtrationspunkt erfolgten kurzen Überprüfung seien die Männer im wehrpflichtigen Alter sofort zu den Reserveeinheiten der Fronten/Militärbezirke überstellt wor¬den. Wer so überprüft worden sei, sei zunächst nicht in ein Sonderlager gekommen. Eine Frei¬willigkeit für den Dienst in der Roten Armee könne in diesen Fällen deshalb nicht angenommen werden, weil die Überprüfung nicht von einer militärischen Seite, sondern von einer politischen Stelle vorgenommen worden sei. Das habe aber nicht bedeutet, dass damit die Vergangenheit des Klägers als Soldat in dem SS-Grenadier-Ersatz-Bataillon vergessen gewesen sei. Kriegsgefan¬gene und Zivilisten, die in bestimmten deutschen Einheiten gedient hätten, seien insgesamt in die Sonderlager des NKVD eingewiesen worden, wo sie zum Beispiel eine Haft als Vaterlandsverräter hätten abbüßen müssen. Die Einweisung des Klägers in das Filtrationslager bei R. nach Ende des Krieges sei also konsequent gewesen. In D. gebe es keine zahlenmäßige Auflistung, in welchem Umfang die Eingliederung in die russische Armee zum Ende des Krieges hin geschehen sei. Sicher sei, dass Gefangene mit russischer Staatsbürgerschaft, sofern sie noch wehrpflichtig gewesen seien, sofort zur Truppe gekommen seien. Da sich die kämpfenden Truppen der Roten Armee nicht mit der Problematik der von ihr gefangenen Gegner hätten befassen können, seien diese in das rückwärtige Gebiet gebracht worden. Ziehe man die Entfernung von D. bis zur Grenze der S. und auch die sicher eingeschränkten Verkehrsmöglichkeiten in Betracht, so seien die fünf Tage von der Gefangennahme des Klägers bis zur Überprüfung am grenznahen Filtrationspunkt erklärlich. Eine freiwillige Meldung zur Truppe sei auszuschließen, da die Front, bei der sich der Kläger hätte freiwillig melden können, am 09.04.1945 zwischen Oder und Elbe gelegen habe.
Hierzu wandte der Beklagte ein, er bleibe bei seiner bisherigen Beurteilung, wonach der Dienst des Klägers in der russischen Armee freiwilliger Natur gewesen sei. Denn es könne nicht nach¬vollzogen werden, dass die S. feindliche Soldaten, noch dazu SS-Angehörige, für ihre Armee zwangsrekrutiert habe. Anders sei dies möglicherweise bei Zivilisten gewesen. Der Kläger sei aber im Zeitpunkt des Übertritts in die Rote Armee nicht Zivilist, sondern deutscher Soldat gewesen.
Prof. Dr. M., R., teilte dem SG unter dem 28.02.2000 mit, gemeinsam mit Herrn C., einem Historiker, habe er den früheren Augenzeugen, den 83-jährigen J. C., der ab Januar 1946 ebenfalls - wie der Kläger - in der Ziegelei in K. gearbeitet habe, besucht. Dieser habe ausgesagt, dass es 1945/1946 keine ehemaligen L. Legionäre gegeben habe, die als Zwangsarbeiter in der Ziegelei K. gearbeitet hätten. Dementsprechend gebe es für ihn nur die plausible Schlussfolgerung, dass der Kläger nach seiner Entlassung aus dem Filtrationslager K. in der Ziegelei K. freiwillig gearbeitet habe. Dementsprechend sei sein Arbeitsunfall als normaler Betriebsunfall zu werten, weshalb der Kläger seine Rentenansprüche vor allem in M. und nicht in D. geltend machen sollte.
Das SG holte das medizinische Gutachten des Internisten, Betriebsmediziners und Sozialmediziners Dr. Sch. von der Sozialmedizinischen Klinik L. vom 18.03.2000 ein. Darin kam er unter Berücksichtigung des auf chirurgisch-orthopädischem Gebiet von Dr. G. am 25.02.2000 erstellten Zusatzgutachtens nach stationärer Untersuchung des Klägers vom 08.02.2000 bis zum 10.02.2000 zu dem Ergebnis, beim Kläger lägen als Schädigungsfolgen ein Zustand nach Oberarmamputation links, eine Narbenbildung im Bereich des rechten distalen Unterarms nach Brandverletzung sowie eine Handgelenksarthrose rechts mit deutlicher Funktionseinschränkung im rechten Handgelenk und geringgradiger in den Fingergelenken vor. Insgesamt ergebe sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet um 80 vom Hundert (v. H.). Eine besondere berufliche Betroffenheit des Klägers aufgrund der Schädigungsfolgen sei anzunehmen. Eine manuelle Tätigkeit sei nach Oberarmamputation links sowie Gebrauchsbeeinträchtigung der rechten Hand und geminderter Belastbarkeit des rechten Handgelenks nicht gegeben. Es wäre zum Beispiel lediglich noch eine Tätigkeit als Pförtner oder Wachmann möglich gewesen.
Mit Urteil vom 30.11.2000 (S 13 V 1623/95 und nachfolgend S 13 V 187/99) hob das SG die Entscheidung des Beklagten auf und verurteilte ihn, dem Kläger für die Zeit ab November 1990 Versorgung im Rahmen der Auslandsversorgung nach einer MdE um 80 v. H. wegen der Schädigungsfolgen "a) Zustand nach Oberarmamputation links in Schaftmitte mit Fisteleiterung, b) Narbenbildung am rechten Unterarm, c) Funktionseinschränkung im rechten Handgelenk bei Handgelenksarthrose" zu gewähren. Zur Begründung ist in den Entscheidungsgründen des Urteils ausgeführt, entsprechend dem militärhistorischen Gutachten des Dr. G. sei eine freiwillige Meldung des Klägers zur Roten Armee ausgeschlossen.
Hiergegen legte der Beklagte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) ein. Zur Begründung wurde geltend gemacht, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die vom Kläger im Filtrierungslager verbrachte Haft als geschützte Zeit der Kriegsgefangenschaft anzusehen sei. Kriegsgefangenschaft liege nur dann vor, wenn der Betreffende wegen seiner Zugehörigkeit zu einem militärischen oder militärähnlichen Verband gefangengenommen worden sei und von einer feindlichen (ausländischen) Macht festgehalten werde. Keine Kriegsgefangenschaft liege somit bei Gefangennahme durch die eigene kriegführende Macht vor. Die Festnahme des Klägers während beziehungsweise nach Ablauf des Militärdienstes in der Sowjetarmee mit anschließender Verurteilung und Lagerhaft stelle somit keine Kriegsgefangenschaft im völkerrechtlichen Sinne dar. Zu berücksichtigen sei auch, dass zum Zeitpunkt der Gefangennahme des Klägers L. bereits sowjetisches Staatsgebiet gewesen sei und der Kläger mit Dekret der S. vom 07.09.1940 die Staatsangehörigkeit dieses Staates, mithin die sowjetische Staatsangehörigkeit, erlangt habe. Aufgrund dessen könne nicht von einer Kriegsgefangenschaft ausgegangen werden. Eine Versorgung nach dem BVG könne aus diesen Gründen nicht erfolgen. Wenn eine rechtsstaatswidrige Strafhaft vorgelegen habe, so sei eine Entschädigung von den Nachfolgestaaten der S. vorzunehmen.
Der Kläger wies darauf hin, er sei nach Beendigung des deutschen Wehrdienstes nicht Zivilist gewesen, sondern vielmehr von der Roten Armee gefangengenommen und in Kriegsgefangenschaft verbracht worden. Anschließend sei er auch nicht freiwillig in die Rote Armee eingetreten.
Mit Urteil vom 30.08.2002 hob das LSG (L 8 V 527/01) das Urteil des SG vom 30.11.2000 auf, wies die Klage ab und ließ die Revision zu. Der Aufenthalt des Klägers im Filtrationslager stelle keinen versorgungsrechtlich geschützten Tatbestand einer Kriegsgefangenschaft dar. Der versorgungsrechtliche entspreche dem völkerrechtlichen Begriff der Kriegsgefangenschaft. Nach dem Genfer Abkommen über Behandlung von Kriegsgefangenen vom 27.07.1929, ersetzt durch das III. Genfer Abkommen vom 12.08.1949 (KgfAbk), sei Kriegsgefangener, wer wegen seiner Zugehörigkeit zu einem militärischen oder militärähnlichen Verband gefangengenommen worden sei und von einer feindlichen (ausländischen) Macht festgehalten werde. Die Kriegsgefangenschaft diene vornehmlich der Schwächung der feindlichen Kampfkraft. Ihre eige¬nen Staatsangehörigen brauche eine kriegsführende Macht nach Völkerrecht nicht als Kriegsge¬fangene zu behandeln. Sie sei berechtigt, innerstaatliches Recht, also auch die einschlägigen Strafvorschriften anzuwenden. Nach diesen Kriterien habe vorliegend ab 16.09.1945 keine Kriegsgefangenschaft vorgelegen. Eine solche könne bereits deshalb nicht angenommen werden, weil der Kläger damals nicht als Angehöriger eines militärischen Verbandes einer feindlichen, kriegführenden Macht, sondern außerhalb eines Krieges und auch nicht als deutscher Soldat, sondern als Soldat der Roten Armee beziehungsweise als russischer Staatsangehöriger im Lager inhaftiert worden sei. Die Anordnung der Lagerhaft ab 16.09.1945 habe auch nicht - wie bei Kriegsgefangenen - einer Schwächung der feindlichen Kampfkraft gedient, zumal der Krieg längst beendet gewesen sei. Der Kläger sei also nicht durch eine mit D. sich im Krieg befindliche Macht in das Filtrationslager verbracht worden, sondern es handele sich hierbei um eine Maßnahme der S. gegenüber ihrem eigenen Staatsangehörigen, der zuvor Dienst in der eigenen Armee geleistet habe. L. sei - ebenso wie die anderen baltischen Staaten - im Sommer 1940 von der S. annektiert worden und mit Dekret der S. vom 07.09.1940 hätten die Staatsangehörigen der litauischen, L. und estnischen Sowjetrepubliken - darunter der Kläger - die Staatsbürgerschaft der S. erworben. Bei der Verbringung des Klägers am 16.09.1945 in das Filtrationslager durch die Rote Armee habe es sich somit um eine Maßnahme der S. gegenüber einem sowjetischen Staatsangehörigen gehandelt. Dies könne nicht als die Anordnung einer Kriegsgefangenschaft gewertet werden. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Kläger ursprünglich noch während des Krieges als Angehöriger der Wehrmacht beziehungsweise eines dieser unterstellten Verbandes in russische Gefangenschaft geraten sei. Es könne hierbei offen bleiben, ob es sich um Kriegsgefangenschaft im völkerrechtlichen Sinne gehandelt habe, nachdem er zwar als Angehöriger eines feindlichen Verbandes, andererseits aber als russischer Staatsangehöriger in russischen Gewahrsam geraten sei. Jedenfalls habe diese Gefangenschaft mit der Übernahme in die Rote Armee am 09.04.1945, und zwar unabhängig davon, ob dies freiwillig oder unter Zwang geschehen sei, geendet. In diesem Moment sei das Festgehaltenwerden durch eine feindliche Macht im Sinne der Definition der Kriegsgefangenschaft beendet und ein neues hoheitliches Dienstverhältnis des Klägers mit der eigenen Staatsmacht begründet worden. Auch wenn eine kausale Verknüpfung nicht geleugnet werden könne, sei dennoch der Tatbestand des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG in diesem Moment nicht mehr erfüllt gewesen. Ein insoweit rechtlich wesentlicher Zusammenhang mit der vorangegangenen Gewahrsamszeit könne nicht bejaht werden. Die Zeit in der Roten Armee stelle keinen Überbrückungstatbestand dar.
Hiergegen hat der Kläger Revision zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegt.
Das BSG hat die Revision mit Urteil vom 15.07.2004 (B 9 V 11/02 R) zurückgewiesen. Der Kläger sei am Unfalltag nicht Kriegsgefangener im Sinne des BVG gewesen. Die Kriegsgefangenschaft des Klägers habe mit seinem Eintritt in die Rote Armee geendet, auch wenn er zwangsweise eingezogen worden sei und damit von der Gewahrsamsmacht S. im Grunde weiter festgehalten worden sein möge. Denn diese Maßnahme habe darauf beruht, dass der Kläger nach sowjetischer Rechtsauffassung Staatsangehöriger der S. und als solcher wehrpflichtig gewesen sei. Der innere Zusammenhang zwischen "Gewahrsam" und Dienst in der Waffen-SS sei mit der Einberufung gelöst worden, weil der Kläger insoweit wie alle anderen wehrfähigen Letten behandelt worden sei. Seine Einberufung in die Rote Armee sei also praktisch mit einer Freilassung aus der Kriegsgefangenschaft einher gegangen. Da die im Sommer 1940 erfolgte wohl völkerrechtswidrige sowjetische Annexion der baltischen Staaten bis Anfang 1990 von verschiedenen Staaten anerkannt worden sei, stelle sich die Einberufung des Klägers in die Rote Armee nicht als völkerrechtswidriger Willkürakt dar, der nicht geeignet gewesen wäre, die Kriegsgefangenschaft zu beenden. Durch Einweisung in das NKWD-Lager am 16.09.1945 sei der Kläger nicht erneut in Kriegsgefangenschaft geraten. Die Überstellung in das Filtrationslager habe nicht - wie bei Kriegsgefangenen - einer Schwächung der Kampfkraft des längst besiegten Feindes gedient, sondern habe strafrechtliche beziehungsweise politische Gründe gehabt. Sie habe dem in R. üblichen Verfahren entsprochen, einer Straftat - wie etwa Kriegsverbrechen - verdächtige Personen in Lager einzuweisen und dort bis zur Klärung der Verdachtsmomente festzuhalten. Dieser Zielrichtung entsprechend habe das Filtrationslager nicht der Militärverwaltung, sondern dem Volkskommissariat für innere Angelegenheiten der S. unterstanden. Unerheblich sei es insoweit, dass sich die Untersuchung auf die frühere Tätigkeit des Klägers in der Waffen-SS bezogen habe.
Sodann wandte sich der Kläger mit seiner Petition an das Sozialministerium Baden-Württemberg. Dieser Petition wurde nicht abgeholfen (Landtags-Drucksache 13/4241, Nr. 14).
Am 19.02.2008 beantragte der Kläger erneut Beschädigtenversorgung. Das zuständig gewordene Landratsamt (LRA) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27.02.2008 ab. Der Kläger habe keine neuen Gesichtspunkte oder rechtserheblichen Tatsachen vorgebracht, die nicht schon bei Erteilung des inzwischen rechtskräftig gewordenen Ablehnungsbescheides vom 02.01.1995 bekannt gewesen seien. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium St.t (RP) mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.2008 zurück.
Gegen den ihm am 15.09.2008 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 09.12.2008 Klage zum SG. Er trug unter anderem vor, "seitens Erpressers D. K. und seines Gehilfen Verleumders Dr. A. M." sei in das ehemals vor dem SG anhängig gewesene Klageverfahren zu seinen Lasten "eingegriffen" worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.07.2009 wies das SG die Klage ab. Der Kläger sei während des Zwangsaufenthalts im Filtrationslager kein Kriegsgefangener gewesen, auch wenn seine vorherige Wehrmachtszeit ursächlich für den Filtrationsaufenthalt gewesen sei. Ob der Kläger im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Versorgungsansprüchen von dritten Personen betrogen worden sei, habe für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung.
Gegen den ihm am 07.08.2009 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 02.09.2009 Berufung eingelegt. Seine vorherige Wehrmachtsangehörigkeit sei der einzige Grund für seine Einlieferung in das Filtrationslager gewesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.07.2009 und den Bescheid des Landratsamts Ravensburg vom 27.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.07.2008 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 02.01.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.1995 zurückzunehmen und ihm Beschädigtenversorgung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 SGG im Einverständnis mit den Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 02.01.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.1995 und auch nicht auf Beschädigtenversorgung.
Das SG hat mit zutreffender Begründung ausgeführt, warum der Bescheid vom 27.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 17.07.2008 rechtmäßig und an der Bestandskraft des Bescheides vom 02.01.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.1995 festzuhalten ist. Das SG hat zu Recht auf das in dieser Sache bereits ergangene Urteil des BSG vom 15.07.2004 (B 9 V 11/02 R) hingewiesen. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an. Aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen ergeben sich keine neuen Erkenntnisse.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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