Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 2354/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5185/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
Bei der Klägerin war auf ihren Antrag vom 03.11.1998 mit Bescheid vom 01.02.1999 wegen der Funktionsstörung "frühkindlicher Hirnschaden mit psychovegetativen Störungen" ein GdB von 50 seit 03.11.1998 festgestellt worden. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.1999 zurückgewiesen.
Am 21.09.2005 stellte der Bevollmächtigte der Klägerin unter Vorlage einer Vollmacht bei dem Beklagten einen Antrag auf Überprüfung der Feststellung der Behinderung der Klägerin mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50.
Mit Schreiben vom 22.03.2006 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin dem Beklagten mit, der Überprüfungsantrag habe sich erledigt und werde hiermit zurückgenommen. In der Anlage werde ein Verschlimmerungsantrag beigefügt. Darin wurde ausgeführt, alle Erkrankungen hätten sich verschlimmert.
Der Beklagte holte den Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. M. L. vom 04.07.2006 ein, dem die Arztberichte des Orthopäden Dr. F. vom 20.04.2005 und des Dr. Sch. vom 01.06.2005 sowie der Arztbericht des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. St. vom 18.10.2005 beigefügt waren. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.08.2006 wurde die bislang anerkannte Funktionseinschränkung weiterhin mit einem GdB von 50 beurteilt; hinzugekommen seien "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, chronisches Schmerzsyndrom" mit einemTeil-GdB von 20. Der Gesamt-GdB betrage nunmehr 60.
Mit Bescheid vom 11.08.2006 wurde der Bescheid vom 01.02.1999 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben und der GdB mit 60 seit 31.03.2006 festgestellt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Prüfung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass folgende Funktionsbeeinträchtigungen vorlägen: Frühkindliche Hirnschädigung mit psychovegetativen Störungen, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, chronisches Schmerzsyndrom. Die Auswirkungen dieser Funktionsbeeinträchtigungen seien mit dem festgestellten GdB angemessen bewertet. Die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Medikamenteninteraktionen, Medikamentenunverträglichkeit" hätten nicht nachgewiesen werden können.
Auf den Widerspruch der Klägerin holte der Beklagte den Befundbericht des Dr. L. vom 06.12.2006 ein. Außerdem wurde der Befundbericht des Dr. St. vom 13.12.2006 eingeholt. Diese Arztäußerungen wurden mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.03.2007 ausgewertet. Die Medikamenteninteraktionen und Unverträglichkeiten würden keinen GdB von mindestens 10 hervorrufen. Der Gesamt-GdB mit 60 sei angemessen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2007 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen.
Dagegen erhob der Klägervertreter am 25.04.2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) und führte aus, Anträge und Begründung würden nachgereicht werden.
Mit Schreiben vom 26.04.2007 forderte das SG den Klägervertreter auf, eine schriftliche Originalvollmacht zu übersenden. Mit gerichtlichem Schreiben vom 05.10.2007 teilte das SG dem Klägervertreter mit, es sei beabsichtigt, die Klage als unzulässig abzuweisen, da eine Vollmacht bislang nicht vorliege. Für die Vorlage der Vollmacht werde eine Frist bis 18.10.2007 gesetzt.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.10.2007 wurde die Klage als unzulässig abgewiesen, da eine schriftliche Vollmacht nicht eingereicht worden sei. Der Gerichtsbescheid wurde zum Zwecke der Zustellung am 24.10.2007 zur Post gegeben.
Mit Schreiben vom 25.10.2007 übersandte der Klägervertreter eine von der Klägerin mit Datum vom 15.10.2007 unterzeichnete Vollmacht an das SG.
Gegen den - dem Klägervertreter mit Empfangsbekenntnis am 27.10.2007 zugestellten - Gerichtsbescheid hat der Klägervertreter am 31.10.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, das SG habe zu Unrecht in der Sache nicht entschieden, da bis zum 18.10.2007 eine Vollmachtsurkunde nicht vorgelegt worden sei. Vor dem Gesamthintergrund mute die Entscheidung als etwas eigentümlich an, denn zum einen sei es nach herrschender Meinung ausreichend, wenn die Vollmacht zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliege und zum anderen sei die Entscheidung auch - trotz vorheriger Androhungen - etwas überraschend, da er schließlich gerichtsbekannt sei und es auch bekannt sei, dass er kein vollmachtsloses Verfahren führe. Die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen seien in keinster Weise überzeugend. Im Verwaltungsverfahren habe eine schriftliche Vollmacht vorgelegen und es sei gänzlich unzutreffend, wenn das SG ausführe, aus der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Vollmacht ergebe sich nicht zweifelsfrei, dass auch die vorliegende Klage von ihr gedeckt sein solle. In der Vollmacht sei ausdrücklich festgehalten, dass die Vollmacht für alle Instanzen gelte und sich auch auf Neben- und Folgeverfahren aller Art erstrecke. Mit dieser Vollmacht habe de facto außerhalb des Verwaltungsverfahrens darüber hinaus eine neue Vollmachtsurkunde nicht vorgelegt werden müssen. Hinzu komme, dass die Vollmacht mit Fax vom 25.10.2007 beim SG eingegangen sei und der Gerichtsbescheid erst wirksam werde, wenn er zugestellt werde, was gemäß dem Empfangsbekenntnis erst am 27.10.2007 der Fall gewesen sei. Damit habe eine Vollmacht vorgelegen, bevor der Gerichtsbescheid wirksam geworden sei.
Mit Schreiben vom 22.11.2007 übersandte der Klägervertreter die von der Klägerin mit Datum vom 22.11.2007 unterschriebene Original-Vollmacht dem Senat.
Im Erörterungstermin vom 12.09.2008 wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert und - da das Rentenverfahren inzwischen beendet war - beschlossen, die Renten- und Gerichtsakten (S 11 R 1432/06) beizuziehen. Der Beklagte gelangte nach Auswertung der Gerichts- und Rentenakten zu dem Ergebnis, dass ein höherer GdB als 60 nicht in Betracht käme und legte zur Begründung die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 07.01.2009 vor.
Im Erörterungstermin vom 28.05.2009 wies der Berichterstatter erneut auf die fehlende Prozessvollmacht in der ersten Instanz hin, weshalb das SG die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen habe, und empfahl dem Bevollmächtigten der Klägerin, die Berufung zurückzunehmen.
Unter Hinweis auf § 106a SGG erhielt der Bevollmächtigte der Klägerin Schriftsatzrecht bis 30.06.2009. Ein Schriftsatz ist bis zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht eingegangen. Mit Schreiben vom 15.09.2009 erklärte der Bevollmächtigte sein Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und fragte gleichzeitig an, ob gerichtlicherseits noch Ausführungen benötigt würden.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Oktober 2007 aufzuheben und die Sache nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz an das Sozialgericht zurückzuweisen, hilfsweise den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 11. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 18. April 2007 zu verurteilen, bei der Klägerin einen höheren Grad der Behinderung als 60 festzustellen.
Der Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Mit dem Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat gemäß §§ 153, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Der Hauptantrag der Klägerin, die Rechtssache gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG an das Sozialgericht zurückzuverweisen, ist unbegründet.
Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.
Das Sozialgericht Freiburg hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 23.10.2007 die Klage zwar als unzulässig abgewiesen, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, dies aber zu Recht, da die erforderliche schriftliche Vollmacht nicht fristgerecht eingereicht worden ist.
Gemäß § 73 Abs. 2 SGG in der bei Klageerhebung am 25.04.2007 und bei Erlass des Gerichtsbescheides, der durch Übergabe an die Geschäftsstelle am 23.10.2007 wirksam geworden ist (vgl. § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG), geltenden Fassung ist die Vollmacht schriftlich zu erteilen und zu den Akten bis zur Verkündung der Entscheidung einzureichen; sie kann auch zur Niederschrift des Gerichts erteilt werden. Die Vollmacht kann grundsätzlich nur durch Vorlage der Originalurkunde nachgewiesen werden (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Aufl., Rdnr. 13 zu § 73 SGG). Die Vollmacht muss spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingereicht werden, bei Entscheidung durch Gerichtsbescheid oder im schriftlichen Verfahren bis unmittelbar vor Absendung der Entscheidung (BSG NJW 2001, 2651). Die Vollmacht, die im Verwaltungsverfahren erteilt ist, reicht nicht aus, wenn sie nicht zweifelsfrei deutlich macht, dass sie auch für den sich anschließenden Rechtsstreit gelten soll (BSG NJW 92, 196). Wenn die Vollmacht auch "zur Einlegung von Rechtsmitteln" ermächtigt, genügt das. Die Vollmacht muss dann zu den Gerichtsakten eingereicht werden. Der Bevollmächtigte muss sich dem Gericht gegenüber ausdrücklich darauf berufen, wenn er zur Vorlage einer Vollmacht aufgefordert wird. Verhält sich Bevollmächtigte passiv, muss das Gericht nicht von sich aus ermitteln (BSG NJW 01, 2652, 2653; Meyer-Ladewig a.a.O. Rdnr. 13a zu § 73 SGG).
Im Klageverfahren hat der Klägervertreter weder auf Aufforderung des Gerichts gemäß gerichtlichem Schreiben vom 26.04.2007 noch nach Fristsetzung durch das SG bis zum 18.10.2007 eine Vollmacht bis zur Absendung des Gerichtsbescheides am 24.10.2007 eingereicht. Er hat sich auch nicht gegenüber dem SG darauf berufen, dass seines Erachtens eine Vorlage der Vollmacht nicht erforderlich sei, weil er im Verwaltungsverfahren dem Beklagten gegenüber eine schriftliche Vollmacht eingereicht habe und mit Vorlage der Behördenakte diese (Original-)Vollmacht zu den Gerichtsakten gelangt sei. Dies wäre aber erforderlich gewesen, wie sich aus der seit 1991 bestehenden, oben zitierten, gefestigten Rechtssprechung ergibt, andernfalls sich ein Prozessbeteiligter gegebenenfalls gegenüber seinem Mandanten schadensersatzpflichtig machen könnte (z. B. weil ein Rechtsmittelverfahren erforderlich wurde oder bei überzeugender Sachentscheidung in der 1. Instanz nicht eingelegt worden wäre). Damit fehlt es an einer Sachurteilsvoraussetzung und das SG hat zu Recht die Klage als unzulässig abgewiesen.
Eine Zurückverweisung an das SG gemäß § 159 Abs.1 Nr.1 SGG kommt daher nicht in Betracht.
Die Berufung auch ist mit dem Hilfsantrag unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage rechtsfehlerfrei als unzulässig verworfen. Ob die auf einen Zeitpunkt vor Erlass des Gerichtsbescheids datierte Prozessvollmacht vom 15.10.2007 mit Vorlage beim SG am 29.10.2007 den Verfahrensmangel im Berufungsverfahren geheilt hat, lässt der Senat dahinstehen (bejahend Mayer-Ladewig a.a.O. 8. Aufl. § 73 Rdnr. 18a, verneinend jetzt aber Mayer-Ladewig a.a.O. 9. Aufl. § 73 Rdnr. 66). Jedenfalls hat die Berufung in der Sache keinen Erfolg.
Der vom Bevollmächtigten der Klägerin erstmals im Erörterungstermin vom 12.09.2008 gestellte Antrag, bei der Klägerin einen höheren GdB als 60 festzustellen, ist unbegründet.
Die Auswertung der medizinischen Unterlagen aus den beigezogenen Renten- und Gerichtsakten (S 11 R 1432/06) hat ergeben, dass die dort niedergelegten Befunde keinen Anhalt für eine seit der letzten maßgeblichen Feststellung eingetretenen wesentlichen Änderung im Sinne einer Verschlimmerung ergeben haben. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.01.2009. Danach beträgt der Teil-GdB für die frühkindliche Hinrschädigung unverändert 50 und die Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet ("Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, somatoforme Schmerzstörung") sind mit einem Teil-GdB von 20 zu beurteilen. Der Gesamt-GdB beträgt unter Berücksichtigung dieser beiden Teil-GdB-Werte 60.
Nach alledem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
Bei der Klägerin war auf ihren Antrag vom 03.11.1998 mit Bescheid vom 01.02.1999 wegen der Funktionsstörung "frühkindlicher Hirnschaden mit psychovegetativen Störungen" ein GdB von 50 seit 03.11.1998 festgestellt worden. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.1999 zurückgewiesen.
Am 21.09.2005 stellte der Bevollmächtigte der Klägerin unter Vorlage einer Vollmacht bei dem Beklagten einen Antrag auf Überprüfung der Feststellung der Behinderung der Klägerin mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50.
Mit Schreiben vom 22.03.2006 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin dem Beklagten mit, der Überprüfungsantrag habe sich erledigt und werde hiermit zurückgenommen. In der Anlage werde ein Verschlimmerungsantrag beigefügt. Darin wurde ausgeführt, alle Erkrankungen hätten sich verschlimmert.
Der Beklagte holte den Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. M. L. vom 04.07.2006 ein, dem die Arztberichte des Orthopäden Dr. F. vom 20.04.2005 und des Dr. Sch. vom 01.06.2005 sowie der Arztbericht des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. St. vom 18.10.2005 beigefügt waren. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.08.2006 wurde die bislang anerkannte Funktionseinschränkung weiterhin mit einem GdB von 50 beurteilt; hinzugekommen seien "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, chronisches Schmerzsyndrom" mit einemTeil-GdB von 20. Der Gesamt-GdB betrage nunmehr 60.
Mit Bescheid vom 11.08.2006 wurde der Bescheid vom 01.02.1999 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben und der GdB mit 60 seit 31.03.2006 festgestellt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Prüfung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass folgende Funktionsbeeinträchtigungen vorlägen: Frühkindliche Hirnschädigung mit psychovegetativen Störungen, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, chronisches Schmerzsyndrom. Die Auswirkungen dieser Funktionsbeeinträchtigungen seien mit dem festgestellten GdB angemessen bewertet. Die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Medikamenteninteraktionen, Medikamentenunverträglichkeit" hätten nicht nachgewiesen werden können.
Auf den Widerspruch der Klägerin holte der Beklagte den Befundbericht des Dr. L. vom 06.12.2006 ein. Außerdem wurde der Befundbericht des Dr. St. vom 13.12.2006 eingeholt. Diese Arztäußerungen wurden mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.03.2007 ausgewertet. Die Medikamenteninteraktionen und Unverträglichkeiten würden keinen GdB von mindestens 10 hervorrufen. Der Gesamt-GdB mit 60 sei angemessen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2007 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen.
Dagegen erhob der Klägervertreter am 25.04.2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) und führte aus, Anträge und Begründung würden nachgereicht werden.
Mit Schreiben vom 26.04.2007 forderte das SG den Klägervertreter auf, eine schriftliche Originalvollmacht zu übersenden. Mit gerichtlichem Schreiben vom 05.10.2007 teilte das SG dem Klägervertreter mit, es sei beabsichtigt, die Klage als unzulässig abzuweisen, da eine Vollmacht bislang nicht vorliege. Für die Vorlage der Vollmacht werde eine Frist bis 18.10.2007 gesetzt.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.10.2007 wurde die Klage als unzulässig abgewiesen, da eine schriftliche Vollmacht nicht eingereicht worden sei. Der Gerichtsbescheid wurde zum Zwecke der Zustellung am 24.10.2007 zur Post gegeben.
Mit Schreiben vom 25.10.2007 übersandte der Klägervertreter eine von der Klägerin mit Datum vom 15.10.2007 unterzeichnete Vollmacht an das SG.
Gegen den - dem Klägervertreter mit Empfangsbekenntnis am 27.10.2007 zugestellten - Gerichtsbescheid hat der Klägervertreter am 31.10.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, das SG habe zu Unrecht in der Sache nicht entschieden, da bis zum 18.10.2007 eine Vollmachtsurkunde nicht vorgelegt worden sei. Vor dem Gesamthintergrund mute die Entscheidung als etwas eigentümlich an, denn zum einen sei es nach herrschender Meinung ausreichend, wenn die Vollmacht zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliege und zum anderen sei die Entscheidung auch - trotz vorheriger Androhungen - etwas überraschend, da er schließlich gerichtsbekannt sei und es auch bekannt sei, dass er kein vollmachtsloses Verfahren führe. Die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen seien in keinster Weise überzeugend. Im Verwaltungsverfahren habe eine schriftliche Vollmacht vorgelegen und es sei gänzlich unzutreffend, wenn das SG ausführe, aus der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Vollmacht ergebe sich nicht zweifelsfrei, dass auch die vorliegende Klage von ihr gedeckt sein solle. In der Vollmacht sei ausdrücklich festgehalten, dass die Vollmacht für alle Instanzen gelte und sich auch auf Neben- und Folgeverfahren aller Art erstrecke. Mit dieser Vollmacht habe de facto außerhalb des Verwaltungsverfahrens darüber hinaus eine neue Vollmachtsurkunde nicht vorgelegt werden müssen. Hinzu komme, dass die Vollmacht mit Fax vom 25.10.2007 beim SG eingegangen sei und der Gerichtsbescheid erst wirksam werde, wenn er zugestellt werde, was gemäß dem Empfangsbekenntnis erst am 27.10.2007 der Fall gewesen sei. Damit habe eine Vollmacht vorgelegen, bevor der Gerichtsbescheid wirksam geworden sei.
Mit Schreiben vom 22.11.2007 übersandte der Klägervertreter die von der Klägerin mit Datum vom 22.11.2007 unterschriebene Original-Vollmacht dem Senat.
Im Erörterungstermin vom 12.09.2008 wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert und - da das Rentenverfahren inzwischen beendet war - beschlossen, die Renten- und Gerichtsakten (S 11 R 1432/06) beizuziehen. Der Beklagte gelangte nach Auswertung der Gerichts- und Rentenakten zu dem Ergebnis, dass ein höherer GdB als 60 nicht in Betracht käme und legte zur Begründung die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 07.01.2009 vor.
Im Erörterungstermin vom 28.05.2009 wies der Berichterstatter erneut auf die fehlende Prozessvollmacht in der ersten Instanz hin, weshalb das SG die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen habe, und empfahl dem Bevollmächtigten der Klägerin, die Berufung zurückzunehmen.
Unter Hinweis auf § 106a SGG erhielt der Bevollmächtigte der Klägerin Schriftsatzrecht bis 30.06.2009. Ein Schriftsatz ist bis zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht eingegangen. Mit Schreiben vom 15.09.2009 erklärte der Bevollmächtigte sein Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und fragte gleichzeitig an, ob gerichtlicherseits noch Ausführungen benötigt würden.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Oktober 2007 aufzuheben und die Sache nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz an das Sozialgericht zurückzuweisen, hilfsweise den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 11. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 18. April 2007 zu verurteilen, bei der Klägerin einen höheren Grad der Behinderung als 60 festzustellen.
Der Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Mit dem Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat gemäß §§ 153, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Der Hauptantrag der Klägerin, die Rechtssache gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG an das Sozialgericht zurückzuverweisen, ist unbegründet.
Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.
Das Sozialgericht Freiburg hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 23.10.2007 die Klage zwar als unzulässig abgewiesen, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, dies aber zu Recht, da die erforderliche schriftliche Vollmacht nicht fristgerecht eingereicht worden ist.
Gemäß § 73 Abs. 2 SGG in der bei Klageerhebung am 25.04.2007 und bei Erlass des Gerichtsbescheides, der durch Übergabe an die Geschäftsstelle am 23.10.2007 wirksam geworden ist (vgl. § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG), geltenden Fassung ist die Vollmacht schriftlich zu erteilen und zu den Akten bis zur Verkündung der Entscheidung einzureichen; sie kann auch zur Niederschrift des Gerichts erteilt werden. Die Vollmacht kann grundsätzlich nur durch Vorlage der Originalurkunde nachgewiesen werden (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Aufl., Rdnr. 13 zu § 73 SGG). Die Vollmacht muss spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingereicht werden, bei Entscheidung durch Gerichtsbescheid oder im schriftlichen Verfahren bis unmittelbar vor Absendung der Entscheidung (BSG NJW 2001, 2651). Die Vollmacht, die im Verwaltungsverfahren erteilt ist, reicht nicht aus, wenn sie nicht zweifelsfrei deutlich macht, dass sie auch für den sich anschließenden Rechtsstreit gelten soll (BSG NJW 92, 196). Wenn die Vollmacht auch "zur Einlegung von Rechtsmitteln" ermächtigt, genügt das. Die Vollmacht muss dann zu den Gerichtsakten eingereicht werden. Der Bevollmächtigte muss sich dem Gericht gegenüber ausdrücklich darauf berufen, wenn er zur Vorlage einer Vollmacht aufgefordert wird. Verhält sich Bevollmächtigte passiv, muss das Gericht nicht von sich aus ermitteln (BSG NJW 01, 2652, 2653; Meyer-Ladewig a.a.O. Rdnr. 13a zu § 73 SGG).
Im Klageverfahren hat der Klägervertreter weder auf Aufforderung des Gerichts gemäß gerichtlichem Schreiben vom 26.04.2007 noch nach Fristsetzung durch das SG bis zum 18.10.2007 eine Vollmacht bis zur Absendung des Gerichtsbescheides am 24.10.2007 eingereicht. Er hat sich auch nicht gegenüber dem SG darauf berufen, dass seines Erachtens eine Vorlage der Vollmacht nicht erforderlich sei, weil er im Verwaltungsverfahren dem Beklagten gegenüber eine schriftliche Vollmacht eingereicht habe und mit Vorlage der Behördenakte diese (Original-)Vollmacht zu den Gerichtsakten gelangt sei. Dies wäre aber erforderlich gewesen, wie sich aus der seit 1991 bestehenden, oben zitierten, gefestigten Rechtssprechung ergibt, andernfalls sich ein Prozessbeteiligter gegebenenfalls gegenüber seinem Mandanten schadensersatzpflichtig machen könnte (z. B. weil ein Rechtsmittelverfahren erforderlich wurde oder bei überzeugender Sachentscheidung in der 1. Instanz nicht eingelegt worden wäre). Damit fehlt es an einer Sachurteilsvoraussetzung und das SG hat zu Recht die Klage als unzulässig abgewiesen.
Eine Zurückverweisung an das SG gemäß § 159 Abs.1 Nr.1 SGG kommt daher nicht in Betracht.
Die Berufung auch ist mit dem Hilfsantrag unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage rechtsfehlerfrei als unzulässig verworfen. Ob die auf einen Zeitpunkt vor Erlass des Gerichtsbescheids datierte Prozessvollmacht vom 15.10.2007 mit Vorlage beim SG am 29.10.2007 den Verfahrensmangel im Berufungsverfahren geheilt hat, lässt der Senat dahinstehen (bejahend Mayer-Ladewig a.a.O. 8. Aufl. § 73 Rdnr. 18a, verneinend jetzt aber Mayer-Ladewig a.a.O. 9. Aufl. § 73 Rdnr. 66). Jedenfalls hat die Berufung in der Sache keinen Erfolg.
Der vom Bevollmächtigten der Klägerin erstmals im Erörterungstermin vom 12.09.2008 gestellte Antrag, bei der Klägerin einen höheren GdB als 60 festzustellen, ist unbegründet.
Die Auswertung der medizinischen Unterlagen aus den beigezogenen Renten- und Gerichtsakten (S 11 R 1432/06) hat ergeben, dass die dort niedergelegten Befunde keinen Anhalt für eine seit der letzten maßgeblichen Feststellung eingetretenen wesentlichen Änderung im Sinne einer Verschlimmerung ergeben haben. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.01.2009. Danach beträgt der Teil-GdB für die frühkindliche Hinrschädigung unverändert 50 und die Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet ("Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, somatoforme Schmerzstörung") sind mit einem Teil-GdB von 20 zu beurteilen. Der Gesamt-GdB beträgt unter Berücksichtigung dieser beiden Teil-GdB-Werte 60.
Nach alledem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
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