Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 54 AS 3602/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AS 34/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Januar 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die am 29. Januar 2010 eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Januar 2010 ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Sie ist jedoch unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2, § 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen.
Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, dem Begehren des Antragstellers zu entsprechen, die Antragsgegnerin vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung zur Übernahme der vollen Beiträge des Antragstellers, die dieser im Rahmen des Basistarifs der privaten Krankenversicherung seiner Krankenkasse derzeit schuldet (halber Basistarif nach § 12 Abs. 1c Satz 6 in Verbindung mit Satz 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes – VAG) sowie zur Übernahme bereits aufgelaufener Beitragsschulden zu verpflichten. Die Beschwerdebegründung gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Betrachtung.
Denn trotz der vom Antragsteller vorgelegten Schreiben seiner privaten Krankenkasse, die wegen der Beitragsrückstände von einem Ruhen seines Versicherungsverhältnisses ausgeht, steht ihm ein Anordnungsgrund für einstweiligen Rechtsschutz gegen die Antragsgegnerin nicht zu Seite, die bereits Leistungen in gesetzlicher Höhe erbringt. Da der Antragsteller hilfebedürftig im Sinne des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) unabhängig von der Höhe seiner Beitragspflicht im Rahmen des Basistarifs der privaten Krankenversicherung ist, und er derzeit auch laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von der Antragsgegnerin bezieht (Änderungsbescheid vom 16. Dezember 2009 für den Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010), ruht nach § 193 Abs. 6 Satz 5 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) sein Versicherungsverhältnis nicht und ist die Haltung der A. P. Krankenversicherungs-AG rechtswidrig. Denn § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG ist nach seinem Sinn und Zweck so auszulegen, dass nicht nur ein bereits eingetretenes Ruhen bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit endet, sondern ein Ruhen auch bei bereits bestehender Hilfebedürftigkeit schon nicht eintreten kann; der Schutzweck der Norm, die dem Hilfebedürftigen seinen Krankenversicherungsschutz erhalten soll, fordert deren Anwendung in dem einen wie dem anderen Fall.
Eine dadurch begründete Notlage, dass die private Krankenkasse des Antragstellers dem nicht Folge leistet, ist nicht durch die Übernahme höherer als der derzeit gesetzlich geregelten Beiträge durch die Antragsgegnerin einschließlich der Übernahme von Beitragsschulden, sondern durch gesetzeskonformes Verhalten der A. P. Krankenversicherungs-AG abzuwenden.
Hierzu weist der Senat auf Folgendes hin:
§ 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II führt durch seinen Verweis auf § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG in der Tat zu einer finanziellen Deckungslücke, weil hierdurch die Beitragsübernahme für eine Versicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen im Basistarif auf den Betrag begrenzt wird, der für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) – ermäßigter Beitragssatz nach §§ 246, 243, 232a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V – zu tragen ist, und der noch unter dem auf die Hälfte geminderten Beitrag im Basistarif liegt, wenn Hilfebedürftigkeit unabhängig von der Beitragshöhe besteht. Die Bundesregierung hat insoweit von einer gesetzlichen Regelungslücke gesprochen, der in der 16. Legislaturperiode nicht mehr abgeholfen werden konnte (BT-Drucks. 16/13892, S. 33).
Doch bleibt auch bei einer Beitragsübernahme nur im Umfang des § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG der private Krankenversicherungsschutz aufgrund von § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG in vollem Umfang erhalten. Dies ist auch die Auffassung der Bundesregierung, die sich in aller Deutlichkeit aus deren Antwort auf eine parlamentarische Anfrage ergibt (BT-Drucks. 16/13892, S. 33):
"Wichtig für alle Betroffenen in dieser Situation ist, dass der Krankenversicherungsschutz in jedem Fall sichergestellt ist. So darf der Krankenversicherungsvertrag vom Versicherer auch bei ausstehenden Beitragszahlungen keinesfalls gekündigt werden. Zudem ist der Versicherer trotz eventueller Beitragsrückstände verpflichtet, die vollen Leistungen des Basistarifs zu erbringen, denn er darf diese nicht ruhend stellen (§ 193 Absatz 6, Satz 5 des Versicherungsvertragsgesetzes, VVG). Eine Aufrechnung der eingereichten Rechnungen des Versicherten mit den noch ausstehenden Beitragszahlungen ist ebenfalls nicht zulässig."
Auch angesichts dieser Haltung der Bundesregierung vermag der Senat der Auffassung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 18.1.2010 – L 34 AS 2001/09 B ER, L 34 AS 2002/09 B PKH) nicht zu folgen, dass wegen verbleibender Auslegungszweifel, ob § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG auch ein Ruhen bei bereits bestehender Hilfebedürftigkeit verhindert, im Rahmen einer Folgenabwägung die Antragsgegnerin zur darlehensweisen Schließung der Deckungslücke verpflichtet hat.
Damit ist ein nach wie vor ungelöstes Problem zwar, dass den von der Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG Betroffenen wie dem Antragsteller enorme Beitragsrückstände für eine Zeit nach dem Leistungsbezug zugemutet werden. Das aber ist dem Gesetzgeber bekannt, und es kommen mehrere Lösungen – Verpflichtung des Leistungsträgers nach dem SGB II zur vollen Beitragsübernahme, Verpflichtung der privaten Krankenversicherungsunternehmen zur Beitragssenkung im Basistarif – in Betracht, die durch gerichtliche Eilentscheidung nicht vorwegzunehmen sind, solange der Krankenversicherungsschutz nicht gefährdet ist. Dies aber ist aufgrund von § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG der Fall.
Sollte die private Krankenkasse des Antragstellers sich gleichwohl weigern, ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen, muss der Antragsteller gerichtlich, ggf. auch durch Eilrechtsschutz nach der ZPO, gegen diese vorgehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die am 29. Januar 2010 eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Januar 2010 ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Sie ist jedoch unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2, § 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen.
Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, dem Begehren des Antragstellers zu entsprechen, die Antragsgegnerin vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung zur Übernahme der vollen Beiträge des Antragstellers, die dieser im Rahmen des Basistarifs der privaten Krankenversicherung seiner Krankenkasse derzeit schuldet (halber Basistarif nach § 12 Abs. 1c Satz 6 in Verbindung mit Satz 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes – VAG) sowie zur Übernahme bereits aufgelaufener Beitragsschulden zu verpflichten. Die Beschwerdebegründung gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Betrachtung.
Denn trotz der vom Antragsteller vorgelegten Schreiben seiner privaten Krankenkasse, die wegen der Beitragsrückstände von einem Ruhen seines Versicherungsverhältnisses ausgeht, steht ihm ein Anordnungsgrund für einstweiligen Rechtsschutz gegen die Antragsgegnerin nicht zu Seite, die bereits Leistungen in gesetzlicher Höhe erbringt. Da der Antragsteller hilfebedürftig im Sinne des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) unabhängig von der Höhe seiner Beitragspflicht im Rahmen des Basistarifs der privaten Krankenversicherung ist, und er derzeit auch laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von der Antragsgegnerin bezieht (Änderungsbescheid vom 16. Dezember 2009 für den Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010), ruht nach § 193 Abs. 6 Satz 5 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) sein Versicherungsverhältnis nicht und ist die Haltung der A. P. Krankenversicherungs-AG rechtswidrig. Denn § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG ist nach seinem Sinn und Zweck so auszulegen, dass nicht nur ein bereits eingetretenes Ruhen bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit endet, sondern ein Ruhen auch bei bereits bestehender Hilfebedürftigkeit schon nicht eintreten kann; der Schutzweck der Norm, die dem Hilfebedürftigen seinen Krankenversicherungsschutz erhalten soll, fordert deren Anwendung in dem einen wie dem anderen Fall.
Eine dadurch begründete Notlage, dass die private Krankenkasse des Antragstellers dem nicht Folge leistet, ist nicht durch die Übernahme höherer als der derzeit gesetzlich geregelten Beiträge durch die Antragsgegnerin einschließlich der Übernahme von Beitragsschulden, sondern durch gesetzeskonformes Verhalten der A. P. Krankenversicherungs-AG abzuwenden.
Hierzu weist der Senat auf Folgendes hin:
§ 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II führt durch seinen Verweis auf § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG in der Tat zu einer finanziellen Deckungslücke, weil hierdurch die Beitragsübernahme für eine Versicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen im Basistarif auf den Betrag begrenzt wird, der für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) – ermäßigter Beitragssatz nach §§ 246, 243, 232a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V – zu tragen ist, und der noch unter dem auf die Hälfte geminderten Beitrag im Basistarif liegt, wenn Hilfebedürftigkeit unabhängig von der Beitragshöhe besteht. Die Bundesregierung hat insoweit von einer gesetzlichen Regelungslücke gesprochen, der in der 16. Legislaturperiode nicht mehr abgeholfen werden konnte (BT-Drucks. 16/13892, S. 33).
Doch bleibt auch bei einer Beitragsübernahme nur im Umfang des § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG der private Krankenversicherungsschutz aufgrund von § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG in vollem Umfang erhalten. Dies ist auch die Auffassung der Bundesregierung, die sich in aller Deutlichkeit aus deren Antwort auf eine parlamentarische Anfrage ergibt (BT-Drucks. 16/13892, S. 33):
"Wichtig für alle Betroffenen in dieser Situation ist, dass der Krankenversicherungsschutz in jedem Fall sichergestellt ist. So darf der Krankenversicherungsvertrag vom Versicherer auch bei ausstehenden Beitragszahlungen keinesfalls gekündigt werden. Zudem ist der Versicherer trotz eventueller Beitragsrückstände verpflichtet, die vollen Leistungen des Basistarifs zu erbringen, denn er darf diese nicht ruhend stellen (§ 193 Absatz 6, Satz 5 des Versicherungsvertragsgesetzes, VVG). Eine Aufrechnung der eingereichten Rechnungen des Versicherten mit den noch ausstehenden Beitragszahlungen ist ebenfalls nicht zulässig."
Auch angesichts dieser Haltung der Bundesregierung vermag der Senat der Auffassung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 18.1.2010 – L 34 AS 2001/09 B ER, L 34 AS 2002/09 B PKH) nicht zu folgen, dass wegen verbleibender Auslegungszweifel, ob § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG auch ein Ruhen bei bereits bestehender Hilfebedürftigkeit verhindert, im Rahmen einer Folgenabwägung die Antragsgegnerin zur darlehensweisen Schließung der Deckungslücke verpflichtet hat.
Damit ist ein nach wie vor ungelöstes Problem zwar, dass den von der Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG Betroffenen wie dem Antragsteller enorme Beitragsrückstände für eine Zeit nach dem Leistungsbezug zugemutet werden. Das aber ist dem Gesetzgeber bekannt, und es kommen mehrere Lösungen – Verpflichtung des Leistungsträgers nach dem SGB II zur vollen Beitragsübernahme, Verpflichtung der privaten Krankenversicherungsunternehmen zur Beitragssenkung im Basistarif – in Betracht, die durch gerichtliche Eilentscheidung nicht vorwegzunehmen sind, solange der Krankenversicherungsschutz nicht gefährdet ist. Dies aber ist aufgrund von § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG der Fall.
Sollte die private Krankenkasse des Antragstellers sich gleichwohl weigern, ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen, muss der Antragsteller gerichtlich, ggf. auch durch Eilrechtsschutz nach der ZPO, gegen diese vorgehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
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HAM
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