L 1 R 261/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 RA 574/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 261/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Anrechnung der Unfallrente auf Versichertenrente, Berücksichtigung des Freibetrags "Ost"
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28. April 2006 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte eine vom Kläger bezogene Unfallrente richtig auf die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anrechnet.

Der 1943 geborene Kläger erlitt 1962 in Wolfen/DDR einen Arbeitsunfall. Er erhält deshalb von der Maschinenbau- und Metallberufsgenossenschaft Düsseldorf eine Verletztenrente auf der Grundlage einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 vom Hundert (vH).

Mit Bescheid vom 22. Januar 2003 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1. März 2003. Die Verletztenrente rechnete sie nach § 93 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) auf die Altersrente an. Dabei berechnete sie einen Grenzbetrag für das Zusammentreffen der Renten aus der Unfallversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung, indem sie entsprechend § 93 Abs. 3 SGB VI 70 vH eines Zwölftels des Jahresarbeitsverdienstes, der der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zugrunde liegt, mit dem Rentenartfaktor der Altersrente des Klägers vervielfältige. Den entsprechenden Jahresarbeitsverdienst hatte der Unfallversicherungsträger der Beklagten zuvor mitgeteilt. Außerdem berücksichtigte die Beklagte bei der Anrechnung einen Freibetrag in Höhe der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Da der Kläger am 18. Mai 1990 seinen Wohnsitz im Gebiet der neuen Bundesländer hatte und diesen auch zu keinem Zeitpunkt in die alten Bundesländer verlegte, berücksichtigte die Beklagte diesen Freibetrag in Höhe der für das Beitrittsgebiet abgesenkten Grundrentensätze. Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 3. Februar 2003 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2003 zurückwies.

Am 4. Juli 2003 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Halle erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Grenzbetrag falsch berechnet und die Höhe des Freibetrages nicht nachvollziehbar sei. Auch sei überhaupt nicht einzusehen, dass die Altersrente gekürzt werde, obwohl doch ständig Rentenbeiträge eingezahlt worden seien. Auch habe er immer unbegrenzt zur Verletztenrente hinzuverdienen können. Dies müsse auch für den Bezug der Altersrente gelten.

Mit Urteil vom 28. April 2006 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, eine höhere Altersrente zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) sei es nicht zulässig, im Rahmen der Anrechnungsvorschrift des § 93 SGB VI auf den für das Beitrittsgebiet geltenden Grundrentenfreibetrag abzustellen (unter Verweis auf die Urteile des 4. Senats vom 20. Oktober 2005, Az: B 4 RA 27/05 R und vom 10. April 2003, Az: B 4 RA 33/02 R). Dieser Rechtsprechung schließe sich das Gericht an. Ansonsten habe die Beklagte den Grenzbetrag richtig berechnet. Die Anrechnung einer Leistung der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Altersrente sei im Übrigen nicht zu beanstanden und auch vom BSG in ständiger Rechtsprechung gebilligt worden. Das Urteil ist dem Kläger und der Beklagten am 22. Mai 2006 zugestellt worden.

Am 7. Juni 2006 hat die Beklagte bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Der Kläger hat am 19. Juni 2006 Berufung eingelegt.

Zur Begründung verweist die Beklagte auf das Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts und des Gesetzes über einen Ausgleich für Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet vom 19. Juni 2006 (BGBl. I S. 1305). Mit der dort vorgenommenen Klarstellung des § 84 a BVG habe der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG reagiert. Danach sei nun geregelt, dass es einen "Freibetrag Ost" gebe, der auch im Rahmen der Einkommensanrechnung des § 93 SGB VI zugrunde zulegen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28. April 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28. April 2006 abzuändern und die Beklagte unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 22. Januar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2003 zu verpflichten, ihm eine höhere Rente zu gewähren.

Er geht davon aus, dass es einen "Freibetrag Ost" nicht gebe. Außerdem gehe die Beklagte von einem falschen Grenzbetrag aus. Es sei nicht einzusehen, dass sein Jahresarbeitsverdienst, der auf Grund seines Arbeitsunfalls in der DDR ohnehin pauschaliert und nicht individualisiert sei, nochmals auf 70 vom Hundert gekürzt werde. Vielmehr müsse auf den durchschnittlichen Bruttojahresarbeitsverdienst aus der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgegriffen werden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Rechtstreit ist mit den Beteiligten in einem Termin erörtert worden. Dabei wurde auf die Entscheidung des BSG vom 13. November 2008 hingewiesen (Az: B 13 R 129/08 R, dokumentiert in juris). Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den gesamten Senat einverstanden erklärt. Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Berufung des Klägers ist erfolglos.

Der Kläger ist nicht nach §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2003 rechtmäßig ist. Die Beklagte hat die Vorschrift des § 93 SGB VI richtig angewandt.

Die Beklagte hat in die Berechnung auch zutreffend den abgesenkten Freibetrag Ost eingestellt. Dabei ist es für die Entscheidung unerheblich, welche Fassung des § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VI und des § 84 a BVG als Prüfungsmaßstab herangezogen wird, ob also die im Erlasszeitpunkt einzig existente Fassung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992, vom 18. Dezember 1989, BGBl I S. 2261) heranzuziehen ist oder wegen der ausdrücklichen Anordnung der zeitlichen Rückwirkung auf den 1. Januar 1992 die (eine der) später verkündeten Neufassungen im Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz (vom 21. Juli 2004, BGBl I S. 1791), im Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts und des Gesetzes über einen Ausgleich für Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet (vom 19. Juni 2006, BGBl I S. 1305) oder im Gesetz zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts (vom 13. Dezember 2007, BGBl I S. 2904). Denn der erkennende Senat schließt sich nach eigener Prüfung der Entscheidung des BSG vom 13. November 2008 (Az: B 13 R 129/08 R, dokumentiert in juris) an, wonach § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VI bereits in der Fassung des RRG 1992 eine Differenzierung der Höhe des Freibetrags nach dem Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in den alten oder neuen Bundesländern zur Folge hat. Da die Anrechnungsregelung für Verletztenrenten im Hinblick auf die Höhe des Freibetrags durch die späteren Gesetzesfassungen nicht geändert worden ist, scheitert der Anspruch des Klägers unabhängig davon, welches Recht maßgeblich anzuwenden ist. Dementsprechend liegt auch keine unzulässige echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) dieser Neufassungen vor. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die überzeugenden Ausführungen des BSG im genannten Urteil vom 13. November 2008 (Rn. 59 ff.) und macht sich diese zu Eigen.

Auch mit seinem generellen Einwand gegen die Anrechnung der Unfallrente auf die Altersrente kann der Kläger nicht durchdringen. Diese Anrechnung soll eine Doppelversorgung vermeiden und ist verfassungsgemäß (siehe z. B. BSG, Urteil vom 31. März 1998, Az: B 4 RA 49/96 R, SozR 3-2600 § 93 Nr. 7; Urteil vom 27. August 1998, Az: B 8 KN 20/97 R, dokumentiert in juris; Urteil vom 29. Juli 2004, Az: B 4 RA 51/03 R, SozR 4-2600 § 93 Nr. 5; Urteil vom 20. Oktober 2005, Az: B 4 RA 27/05 R, SozR 4-2600 § 93 Nr. 7; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1984, Az: 1 BvR 1614/83, SozR 2200 § 1278 Nr. 11 zur vergleichbaren Anrechnungsvorschrift der Reichsversicherungsordnung (RVO)).

Auch der Umstand, dass beim Kläger der Jahresarbeitsverdienst pauschaliert und nicht aus seinem tatsächlichen Verdienst berechnet wird, führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der Anrechnungsvorschrift des § 93 SGB VI. Die Anwendung eines pauschalierten Jahresarbeitsverdienstes bei Personen, die vor dem 30. Juni 1990 im Beitrittsgebiet einen Arbeitsunfall erlitten haben, findet seine Begründung letztendlich darin, dass die Unfallversicherung der DDR faktisch ebenfalls ein pauschaliertes Durchschnittseinkommen zugrunde legte (7200,00 Mark bzw. ab 1. Juli 1990 13680,00 Mark). Die Begrenzung auf den versicherungspflichtigen Verdienst führte auch zu einem geringeren Sicherungsniveau. Nur in diesem Umfang ist der Anspruch verfassungsrechtlich geschützt (siehe BSG, Urteil vom 18. April 2000, Az: B 2 U 30/99 R, dokumentiert in juris; Urteil vom 29. Juli 2004, Az: B 4 RA 51/03 R, SozR 4-2600, § 93 Nr. 5; siehe auch ausführliche Darstellung bei LSG Berlin, Urteil vom 9. September 2003, Az: L 12 RA 36/02, dokumentiert in juris). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat ausdrücklich an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG bestehen nicht. Durch die aufgeführte Rechtsprechung sind die entscheidungserheblichen Fragen geklärt.
Rechtskraft
Aus
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