Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
160
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 160 AS 7256/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Änderung des Bescheides vom 1. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2005, auch für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 16. Mai 2005 Arbeitslosengeld II zu gewähren. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 16. Mai 2005. Der Kläger bezog zunächst bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe bei der Agentur für Arbeit des Bezirks Berlin Mitte. Nachdem er in den Zuständigkeitsbereich der Agentur für Arbeit des Bezirks Berlin Pankow umgezogen ist, meldete er sich dort am 21. Dezember 2004 persönlich arbeitslos und beantragte Leistungen. Über die persönliche Vorsprache wurde seitens der Agentur für Arbeit ein Gesprächsvermerk im dortigen elektronischen System erfasst. Mit Schreiben vom gleichen Tag wandte sich die Agentur für Arbeit Pankow an die Agentur für Arbeit Mitte. In diesem Schreiben heißt es u.a.: "Herr Sch ... hat sich hier am 21.12.04 arbeitslos gemeldet und Leistungen beantragt." Am 27. Januar 2005 sprach der Kläger noch einmal persönlich bei der Agentur für Arbeit Pankow vor. Der hierüber von der Agentur für Arbeit gefertigte Gesprächsvermerk lautet: "p.V: Duplikat-Antrag v. 21.12.04 ausgehändigt." Bei diesem Antrag handelt es sich um ein Formblatt der Bundesagentur für Arbeit. Dieses Formblatt ist für die Beantragung von Arbeitslosengeld, Teilarbeitslosengeld und Arbeitslosengeld bei Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung vorgesehen, wobei der Antragsteller die begehrte Leistung durch Markierung des entsprechenden Feldes kenntlich machen kann. Auf dem "Duplikat-Antrag" vom 27. Januar 2005 markierte der Kläger keine der aufgeführten Leistungen. Auf Seite 3 des Antrags gab der Kläger an, zuletzt im Jahr 2004 Arbeitslosenhilfe beim Arbeitsamt Mitte bezogen zu haben. Der Antrag des Klägers auf dem Formblatt der Agentur für Arbeit wurde von der Arbeitsagentur nicht an den Beklagten weitergeleitet. Der Beklagte erlangte erst im Rahmen des hiesigen Verfahrens Kenntnis von diesem Antrag, bei dem es sich nicht um ein solches Antragsformular handelt, das der Beklagten üblicherweise für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ausgibt. Wann ein solcher ausdrücklicher Antrag des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II auf dem dafür vorgesehenen Formblatt beim Beklagten einging, ist zwischen den Beteiligten streitig, wobei der streitige Zeitraum zwischen November 2004 und dem 17. Mai 2005 liegt. Unstreitig ging ein solcher Antrag des Klägers beim Beklagten jedenfalls am 17. Mai 2005 ein. Mit Bescheid vom 1. Juni 2005 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Wirkung ab dem 17. Mai 2005 der Höhe nach nicht streitige Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 672,96 EUR, wobei 345,00 EUR auf die Regelleistung und 327,96 EUR auf die Kosten der Unterkunft und Heizung entfallen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 4. Juni 2005 Widerspruch ein, mit dem er Leistungen auch für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 16. Mai 2005 begehrt. Zur Begründung führt er aus, er habe bereits im November 2004 einen ausgefüllten Antrag per Post an den Beklagten geschickt. Der Zeuge S habe zudem Mitte Februar 2005 einen weiteren Antrag persönlich beim Beklagten abgegeben. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2005 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er auf § 37 Abs. 2 S. 1 SGB II, nach dem Leistungen nicht für Zeiten vor Antragstellung erbracht werden könnten. Es gäbe keine Belege dafür, dass der Kläger bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen Antrag abgegeben habe. Auch die elektronische Kundenakte enthalte hierfür keine Anhaltspunkte. Mit der am 21. Oktober 2005 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er behauptet weiterhin, er habe einen Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld II bereits im November 2004 postalisch an den Beklagten geschickt sowie einen weiteren Antrag Mitte Februar 2005 durch den Zeugen S persönlich abgeben lassen. Der Kläger beantragt zuletzt, den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 1. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2005 zu verurteilen, dem Kläger auch für die Zeit vom 1. Januar bis 16. Mai 2005 Arbeitslosengeld II zu gewähren. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung nimmt er im Wesentlichen auf die Ausführungen im angegriffenen Widerspruchsbescheid Bezug. Der Kläger habe erstmals am 17. Mai 2005 einen Antrag auf Arbeitslosengeld II gestellt. Der Duplikat-Antrag vom 21. Dezember 2004 auf Arbeitslosengeld benenne zwar keine konkreten Leistungen, umfasse jedoch nur die Beantragung von Leistungen aus dem Bereich des Dritten Buches Sozialgesetzbuch. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2008 hat das Gericht über die Umstände der Antragstellung durch und für den Kläger im Winter 2004 bzw. Frühjahr 2005 durch die Vernehmung des Zeugen S Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Terminsniederschrift vom 18. Juni 2008 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie der vom Gericht ebenfalls beigezogenen Leistungsakten der Bundesagentur für Arbeit Bezug genommen. Diese haben der Kammer vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung, geheimen Beratung und Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Über die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage konnte wie vom Kläger beantragt durch Grundurteil nach § 130 Abs. 1 SGG entschieden werden. Da die Beteiligten ausschließlich über den Beginn des Leistungsanspruchs des Klägers streiten und der Leistungsanspruch hinsichtlich der Höhe zwischen den Beteiligten unstreitig ist, hielt das Gericht eine Entscheidung durch Grundurteil für sachdienlich. Die zulässige Klage ist begründet. Soweit der Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2005 Leistungen des Klägers in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis 16. Mai 2005 ablehnt, ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinem Rechten. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II nach §§ 19 S. 1, 20, 22 SGB II auch für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 16. Mai 2005 zu. Der Kläger gehört zum Kreis der Anspruchsberechtigten. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), die erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Diese Voraussetzungen liegen hier nach Aktenlage bei einem monatlichen Bedarf des Klägers von 672,96 EUR vor, was zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit steht. Die Leistungen stehen dem Kläger bereits ab dem 1. Januar 2005 zu. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende werden nach § 37 Abs. 1 SGB II auf Antrag erbracht. Nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB II werden die Leistungen – abgesehen von gesetzlich normierten und hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen – nicht rückwirkend für Zeiten vor der Antragstellung gewährt. Der Kläger hat jedenfalls am 21. Dezember 2004 einen wirksamen Antrag auf Leistungen gestellt. Dieser Antrag umfasst nach Ansicht der Kammer auch Leistungen nach dem SGB II, weshalb dem Kläger die Leistungen mit Inkrafttreten der Regelungen zum Arbeitslosengeld II ab dem 1. Januar 2005 zustehen. Für die Kammer steht fest, dass der Kläger am 21. Dezember 2004 persönlich bei der Agentur für Arbeit des Bezirks Pankow vorgesprochen, sich dort arbeitslos gemeldet und Leistungen beantragt hat. Dies ergibt sich bereits aus dem Schreiben der Arbeitsagentur Pankow an die Agentur für Arbeit des Bezirks Mitte vom 23. Dezember 2004. In diesem Schreiben gibt die zuständige Sachbearbeiterin an, dass sich der Kläger am 21. Dezember 2004 arbeitslos meldete und Leistungen beantragte. Dies bestätigt zudem der seitens der Agentur für Arbeit am 21. Dezember 2004 gefertigte Gesprächsvermerk über die persönliche Vorsprache des Klägers in der elektronischen Kundenakte der Arbeitsagentur. Der Leistungsakte der Agentur für Arbeit lässt sich indes nicht mit letzter Sicherheit entnehmen, ob der Kläger bereits am 21. Dezember 2004 das Formblatt der Agentur für Arbeit auf Gewährung von Arbeitslosengeld ausgefüllt hat. Dafür spricht, dass die Arbeitsagentur im Gesprächsvermerk am 27. Januar 2005 in der elektronischen Kundenakte vermerkt hat, dass dem Kläger ein "Duplikat-Antrag" vom 21. Dezember 2004 ausgehändigt wurde. Dieser "Duplikat-Antrag" mit Datum vom 27. Januar 2005 befindet sich in der Leistungsakte der Agentur für Arbeit, nicht hingegen ein Antrag vom 21. Dezember 2004. Letztendlich kann dies jedoch dahinstehen, da der unstreitig am 21. Dezember 2004 gestellte Antrag nach Ansicht der Kammer unabhängig davon, ob er schriftlich auf dem Formblatt der Arbeitsagentur oder mündlich gestellt wurde, einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II beinhaltet. Nach dem Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens nach § 9 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), der nach § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II Anwendung findet, ist ein Antrag grundsätzlich an keine Form gebunden [vgl. Bundessozialgericht (BSG) BSGE 7, 118, 120; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 53; ferner Krasney in Kasseler Kommentar, § 18 SGB X Rn. 9, Stand: 12/2003; von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005, § 18 Rn. 5]. Er kann mündlich, fernmündlich oder schriftlich gestellt werden. Eine Pflicht, für die Antragstellung ein bestimmtes Antragsformular zu verwenden, besteht für Leistungen nach dem SGB II nicht. Für den Antrag genügt es, dass sich aus der Erklärung des Antragstellers ergibt, dass er Sozialleistungen allgemein oder eine bestimmte Leistung begehrt (BSGE 7, 118, 120). Da ein im sozialrechtlichen Verfahren gestellter Antrag eine einseitige, empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung darstellt, auf die mangels speziellerer sozialrechtlicher Regelungen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung finden (BSG, Urteil vom 17. Juli 1990, Az: 12 RK 10/89, Rn. 20 – zitiert nach juris online –), ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Leistungen der Antragsteller begehrt. Hierbei ist der Grundsatz der Meistbegünstigung zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 21. Juli 1977, Az: 7 Rar 132/75, Rn. 24 – zitiert nach juris online –). Nach diesem Grundsatz ist davon auszugehen, dass der Hilfebedürftige auch die Leistungen beantragt, die ihm nach der Rechtslage zustehen, sofern er nicht ausdrücklich zu erkennen gibt, ausschließlich eine bestimmte Leistung beantragen zu wollen. Unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes ergibt die Auslegung des vom Kläger am 21. Dezember 2004 gestellten Antrags nach Auffassung der Kammer, dass der Kläger auch Leistungen nach dem SGB II beantragen wollte. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der Kläger am 21. Dezember 2004 den Antrag lediglich mündlich gestellt und das Formblatt der Arbeitsagentur für Arbeitslosengeld II erstmals am 27. Januar 2005 ausgefüllt haben sollte. In diesem Fall lassen sich keine Anhaltspunkte dafür finden, dass der Kläger ausschließlich Arbeitslosenhilfe oder Arbeitslosengeld, nicht jedoch Leistungen nach dem SGB II beantragen wollte. Ausweislich des Schreibens der Arbeitsagentur Pankow an die Agentur für Arbeit des Bezirks Mitte vom 23. Dezember 2004 hat der Kläger am 21. Dezember 2004 unter persönlicher Vorsprache "Leistungen beantragt". Eine Einschränkung des Antrags auf bestimmte Leistungen ergibt sich aus den Akten der Agentur für Arbeit nicht. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die bisher vom Kläger bezogenen Leistungen der Arbeitslosenhilfe zum 31. Dezember 2004 wegfielen und an ihre Stelle ab dem 1. Januar 2005 für Erwerbsfähige die Leistungen nach dem SGB II traten. Insbesondere vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger am 21. Dezember 2004 ausschließlich die nur noch für 10 Tage existierenden Leistungen der Arbeitslosenhilfe, nicht jedoch das ihm ab dem 1. Januar 2005 zustehende Arbeitslosengeld II beantragen wollte. Aber auch wenn der Kläger am 21. Dezember 2004 bereits den Antragsvordruck der Arbeitsagentur für Arbeitslosengeld abgegeben haben sollte, lässt sich daraus nicht schlussfolgern, dass der Kläger ausschließlich Arbeitslosengeld (I), nicht jedoch Arbeitslosengeld II beantragen wollte. Die Kammer ist der Auffassung, dass nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung selbst ein ausdrücklich als Antrag auf Arbeitslosengeld (I) bezeichneter Antrag zugleich einen Antrag auf Arbeitslosengeld II umfasst, sofern sich nicht zweifelsfrei der Wille des Antragstellers ermitteln lässt, ausschließlich die genannte Leistung zu begehren. Höchstrichterlich ist bereits entschieden, dass ein Antrag auf Arbeitslosengeld nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe beinhalte, falls eindeutig zu erkennen sei, dass der Antragsteller Leistungen für den Fall der Arbeitslosigkeit begehrt (BSG, Urteil vom 21. Juli 1977, Az: 7 Rar 132/75, Rn. 24 – zitiert nach juris online –). Gleiches gelte für den umgekehrten Fall. Ein als Antrag auf Arbeitslosenhilfe bezeichneter Leistungsantrag sei demnach als Antrag auf Arbeitslosengeld aufzufassen, wenn die Voraussetzungen für diesen Anspruch gegeben sind und der Antrag nicht als Beschränkung auf die ausdrücklich genannte Leistungsart verstanden werden müsse (BSG, Urteil vom 15. November 1979, Az: 7 Rar 75/78, Rn. 13 – zitiert nach juris online –). Selbst wenn der Antragsteller den Vordruck "Antrag auf Arbeitslosenhilfe" benutzt und demgemäß formell die Gewährung von Arbeitslosenhilfe beantragt habe, sei sein Antrag als Antrag auf Arbeitslosengeld aufzufassen, wenn dem Vorbringen des Antragstellers zu entnehmen sei, dass er die ihm zustehende Leistung begehrt (BSG a.a.O.). Für die Annahme einer entsprechenden Antragstellung komme es dann nicht darauf an, welchen Vordruck der Antragsteller benutzt habe, sofern keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass nur die ausdrücklich bezeichnete Leistungsart beantragt wurde (BSG a.a.O.). Diese Rechtsprechung lässt sich nach Ansicht der Kammer auch auf das Verhältnis von Arbeitslosengeld I und II übertragen. Beide Leistungen stehen in einer engen Beziehung zueinander und knüpfen an eine bereits eingetretene oder drohende Erwerbslosigkeit an. Beide Leistungen sollen der Überwindung der Arbeitslosigkeit dienen (vgl. BT-Drucks. 15/1516 S. 42). Der Kläger hat hier durch seine Arbeitslosmeldung und die Angaben in dem Antragsvordruck zur Arbeitslosigkeit zu verstehen gegeben, dass er Leistungen aufgrund seiner Erwerbslosigkeit begehrt. Darüber hinaus spricht bereits der Umstand, dass der Kläger auf dem Antragsformular keine bestimmte Leistung markiert hat, dafür, seinen Antrag nicht auf eine bestimmte Leistung beschränken zu wollen. Dem Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld II ab dem 1. Januar 2005 steht auch nicht entgegen, dass der Kläger den Antrag bei der Agentur für Arbeit und damit bei einem für die Gewährung von Arbeitslosengeld II unzuständigen Leistungsträger gestellt hat. Nach § 16 Abs. 2 S. 1 SGB I sind Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger gestellt werden, unverzüglich weiterzuleiten. Ist die beantragte Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag nach § 16 Abs. 2 S. 2 SGB I als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er beim unzuständigen Leistungsträger eingegangen ist. Da der Antrag bei der Arbeitsagentur am 21. Dezember 2004 einging, gilt er auch hinsichtlich des Anspruches auf Arbeitslosengeld II als an diesem Tag gestellt. Die Fiktion der Antragstellung am 21. Dezember 2004 greift unabhängig davon, ob der Kläger den Antrag mündlich oder schriftlich gestellt hat. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung bedeutet das Wort "eingegangen" in § 16 Abs. 2 S. 2 SGB I nicht, dass die Antragsfiktion nur für schriftliche Anträge gilt. Eingegangen im Sinne des § 16 Abs. 2 S. 2 SGB I ist der Antrag vielmehr unabhängig von der Form der Antragstellung, wenn er in den Bereich des unzuständigen Leistungsträgers gelangt (vgl. auch: Lilge, SGB I-Kommentar, 2. Auflage 2009, § 16 Rn. 62). Unerheblich ist auch, dass die Agentur für Arbeit den Antrag des Klägers offensichtlich nicht an den Beklagten, der erst im Rahmen des Klageverfahrens vom Antrag des Klägers vom 21. Dezember 2004 Kenntnis erlangt hat, weiterleitete. Der Verstoß gegen die in § 16 Abs. 2. S. 1 SGB II normierte Weiterleitungspflicht kann nicht zulasten des Antragstellers gehen. Andernfalls wäre der Zweck der Vorschrift konterkariert, der darin besteht, den Antragsteller, der sich an eine unzuständige Stelle wendet, davor zu bewahren, dass ihm durch die zeitliche Verzögerung, mit der sein weiterzuleitender Antrag beim zuständigen Leistungsträger eingeht, materielle Nachteile entstehen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Mai 1995, Az: 5 C 1/93, Rn. 22 – zitiert nach juris online –). Für die zeitliche Fiktion der Antragstellung ist daher allein der Eingang des Antrags beim unzuständigen Leistungsträger maßgeblich. Auf die tatsächliche Weiterleitung des Antrags an den zuständigen Leistungsträger kommt es hingegen nicht an (vgl. auch: Hauck/Noftz, SGB I – Kommentar, Stand: 16. Lieferung II/97, K § 16 Rn. 13). Nach all dem stand für die Kammer fest, dass der Kläger am 21. Dezember 2004 einen Leistungsantrag bei der Agentur für Arbeit gestellt hat, der einen Antrag auf Arbeitslosengeld II umfasst und als zu diesem Zeitpunkt gestellt gilt. Daher konnte dahinstehen, ob der Kläger einen ausdrücklichen Antrag auf Arbeitslosengeld II bereits im November 2004 postalisch an den Beklagten versandt hatte. Auch auf die Zeugenaussage des Zeugen S über die Umstände der Antragsabgabe im Februar 2005 kam es somit nicht mehr an. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache. Im Hinblick darauf, dass der Beklagte dem Kläger für den Folgezeitraum ab 17. Mai 2005 nach Aktenlage zutreffend Leistungen in Höhe von monatlich 672,96 EUR bewilligt hatte und dem Kläger durch das Urteil Leistungen für weitere 4 1/2 Monate zugesprochen werden, ist die Berufung bereits wegen Erreichens des Schwellenwertes von 750,00 EUR nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 143 SGG zulässig.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 16. Mai 2005. Der Kläger bezog zunächst bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe bei der Agentur für Arbeit des Bezirks Berlin Mitte. Nachdem er in den Zuständigkeitsbereich der Agentur für Arbeit des Bezirks Berlin Pankow umgezogen ist, meldete er sich dort am 21. Dezember 2004 persönlich arbeitslos und beantragte Leistungen. Über die persönliche Vorsprache wurde seitens der Agentur für Arbeit ein Gesprächsvermerk im dortigen elektronischen System erfasst. Mit Schreiben vom gleichen Tag wandte sich die Agentur für Arbeit Pankow an die Agentur für Arbeit Mitte. In diesem Schreiben heißt es u.a.: "Herr Sch ... hat sich hier am 21.12.04 arbeitslos gemeldet und Leistungen beantragt." Am 27. Januar 2005 sprach der Kläger noch einmal persönlich bei der Agentur für Arbeit Pankow vor. Der hierüber von der Agentur für Arbeit gefertigte Gesprächsvermerk lautet: "p.V: Duplikat-Antrag v. 21.12.04 ausgehändigt." Bei diesem Antrag handelt es sich um ein Formblatt der Bundesagentur für Arbeit. Dieses Formblatt ist für die Beantragung von Arbeitslosengeld, Teilarbeitslosengeld und Arbeitslosengeld bei Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung vorgesehen, wobei der Antragsteller die begehrte Leistung durch Markierung des entsprechenden Feldes kenntlich machen kann. Auf dem "Duplikat-Antrag" vom 27. Januar 2005 markierte der Kläger keine der aufgeführten Leistungen. Auf Seite 3 des Antrags gab der Kläger an, zuletzt im Jahr 2004 Arbeitslosenhilfe beim Arbeitsamt Mitte bezogen zu haben. Der Antrag des Klägers auf dem Formblatt der Agentur für Arbeit wurde von der Arbeitsagentur nicht an den Beklagten weitergeleitet. Der Beklagte erlangte erst im Rahmen des hiesigen Verfahrens Kenntnis von diesem Antrag, bei dem es sich nicht um ein solches Antragsformular handelt, das der Beklagten üblicherweise für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ausgibt. Wann ein solcher ausdrücklicher Antrag des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II auf dem dafür vorgesehenen Formblatt beim Beklagten einging, ist zwischen den Beteiligten streitig, wobei der streitige Zeitraum zwischen November 2004 und dem 17. Mai 2005 liegt. Unstreitig ging ein solcher Antrag des Klägers beim Beklagten jedenfalls am 17. Mai 2005 ein. Mit Bescheid vom 1. Juni 2005 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Wirkung ab dem 17. Mai 2005 der Höhe nach nicht streitige Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 672,96 EUR, wobei 345,00 EUR auf die Regelleistung und 327,96 EUR auf die Kosten der Unterkunft und Heizung entfallen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 4. Juni 2005 Widerspruch ein, mit dem er Leistungen auch für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 16. Mai 2005 begehrt. Zur Begründung führt er aus, er habe bereits im November 2004 einen ausgefüllten Antrag per Post an den Beklagten geschickt. Der Zeuge S habe zudem Mitte Februar 2005 einen weiteren Antrag persönlich beim Beklagten abgegeben. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2005 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er auf § 37 Abs. 2 S. 1 SGB II, nach dem Leistungen nicht für Zeiten vor Antragstellung erbracht werden könnten. Es gäbe keine Belege dafür, dass der Kläger bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen Antrag abgegeben habe. Auch die elektronische Kundenakte enthalte hierfür keine Anhaltspunkte. Mit der am 21. Oktober 2005 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er behauptet weiterhin, er habe einen Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld II bereits im November 2004 postalisch an den Beklagten geschickt sowie einen weiteren Antrag Mitte Februar 2005 durch den Zeugen S persönlich abgeben lassen. Der Kläger beantragt zuletzt, den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 1. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2005 zu verurteilen, dem Kläger auch für die Zeit vom 1. Januar bis 16. Mai 2005 Arbeitslosengeld II zu gewähren. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung nimmt er im Wesentlichen auf die Ausführungen im angegriffenen Widerspruchsbescheid Bezug. Der Kläger habe erstmals am 17. Mai 2005 einen Antrag auf Arbeitslosengeld II gestellt. Der Duplikat-Antrag vom 21. Dezember 2004 auf Arbeitslosengeld benenne zwar keine konkreten Leistungen, umfasse jedoch nur die Beantragung von Leistungen aus dem Bereich des Dritten Buches Sozialgesetzbuch. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2008 hat das Gericht über die Umstände der Antragstellung durch und für den Kläger im Winter 2004 bzw. Frühjahr 2005 durch die Vernehmung des Zeugen S Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Terminsniederschrift vom 18. Juni 2008 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie der vom Gericht ebenfalls beigezogenen Leistungsakten der Bundesagentur für Arbeit Bezug genommen. Diese haben der Kammer vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung, geheimen Beratung und Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Über die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage konnte wie vom Kläger beantragt durch Grundurteil nach § 130 Abs. 1 SGG entschieden werden. Da die Beteiligten ausschließlich über den Beginn des Leistungsanspruchs des Klägers streiten und der Leistungsanspruch hinsichtlich der Höhe zwischen den Beteiligten unstreitig ist, hielt das Gericht eine Entscheidung durch Grundurteil für sachdienlich. Die zulässige Klage ist begründet. Soweit der Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2005 Leistungen des Klägers in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis 16. Mai 2005 ablehnt, ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinem Rechten. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II nach §§ 19 S. 1, 20, 22 SGB II auch für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 16. Mai 2005 zu. Der Kläger gehört zum Kreis der Anspruchsberechtigten. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), die erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Diese Voraussetzungen liegen hier nach Aktenlage bei einem monatlichen Bedarf des Klägers von 672,96 EUR vor, was zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit steht. Die Leistungen stehen dem Kläger bereits ab dem 1. Januar 2005 zu. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende werden nach § 37 Abs. 1 SGB II auf Antrag erbracht. Nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB II werden die Leistungen – abgesehen von gesetzlich normierten und hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen – nicht rückwirkend für Zeiten vor der Antragstellung gewährt. Der Kläger hat jedenfalls am 21. Dezember 2004 einen wirksamen Antrag auf Leistungen gestellt. Dieser Antrag umfasst nach Ansicht der Kammer auch Leistungen nach dem SGB II, weshalb dem Kläger die Leistungen mit Inkrafttreten der Regelungen zum Arbeitslosengeld II ab dem 1. Januar 2005 zustehen. Für die Kammer steht fest, dass der Kläger am 21. Dezember 2004 persönlich bei der Agentur für Arbeit des Bezirks Pankow vorgesprochen, sich dort arbeitslos gemeldet und Leistungen beantragt hat. Dies ergibt sich bereits aus dem Schreiben der Arbeitsagentur Pankow an die Agentur für Arbeit des Bezirks Mitte vom 23. Dezember 2004. In diesem Schreiben gibt die zuständige Sachbearbeiterin an, dass sich der Kläger am 21. Dezember 2004 arbeitslos meldete und Leistungen beantragte. Dies bestätigt zudem der seitens der Agentur für Arbeit am 21. Dezember 2004 gefertigte Gesprächsvermerk über die persönliche Vorsprache des Klägers in der elektronischen Kundenakte der Arbeitsagentur. Der Leistungsakte der Agentur für Arbeit lässt sich indes nicht mit letzter Sicherheit entnehmen, ob der Kläger bereits am 21. Dezember 2004 das Formblatt der Agentur für Arbeit auf Gewährung von Arbeitslosengeld ausgefüllt hat. Dafür spricht, dass die Arbeitsagentur im Gesprächsvermerk am 27. Januar 2005 in der elektronischen Kundenakte vermerkt hat, dass dem Kläger ein "Duplikat-Antrag" vom 21. Dezember 2004 ausgehändigt wurde. Dieser "Duplikat-Antrag" mit Datum vom 27. Januar 2005 befindet sich in der Leistungsakte der Agentur für Arbeit, nicht hingegen ein Antrag vom 21. Dezember 2004. Letztendlich kann dies jedoch dahinstehen, da der unstreitig am 21. Dezember 2004 gestellte Antrag nach Ansicht der Kammer unabhängig davon, ob er schriftlich auf dem Formblatt der Arbeitsagentur oder mündlich gestellt wurde, einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II beinhaltet. Nach dem Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens nach § 9 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), der nach § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II Anwendung findet, ist ein Antrag grundsätzlich an keine Form gebunden [vgl. Bundessozialgericht (BSG) BSGE 7, 118, 120; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 53; ferner Krasney in Kasseler Kommentar, § 18 SGB X Rn. 9, Stand: 12/2003; von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005, § 18 Rn. 5]. Er kann mündlich, fernmündlich oder schriftlich gestellt werden. Eine Pflicht, für die Antragstellung ein bestimmtes Antragsformular zu verwenden, besteht für Leistungen nach dem SGB II nicht. Für den Antrag genügt es, dass sich aus der Erklärung des Antragstellers ergibt, dass er Sozialleistungen allgemein oder eine bestimmte Leistung begehrt (BSGE 7, 118, 120). Da ein im sozialrechtlichen Verfahren gestellter Antrag eine einseitige, empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung darstellt, auf die mangels speziellerer sozialrechtlicher Regelungen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung finden (BSG, Urteil vom 17. Juli 1990, Az: 12 RK 10/89, Rn. 20 – zitiert nach juris online –), ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Leistungen der Antragsteller begehrt. Hierbei ist der Grundsatz der Meistbegünstigung zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 21. Juli 1977, Az: 7 Rar 132/75, Rn. 24 – zitiert nach juris online –). Nach diesem Grundsatz ist davon auszugehen, dass der Hilfebedürftige auch die Leistungen beantragt, die ihm nach der Rechtslage zustehen, sofern er nicht ausdrücklich zu erkennen gibt, ausschließlich eine bestimmte Leistung beantragen zu wollen. Unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes ergibt die Auslegung des vom Kläger am 21. Dezember 2004 gestellten Antrags nach Auffassung der Kammer, dass der Kläger auch Leistungen nach dem SGB II beantragen wollte. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der Kläger am 21. Dezember 2004 den Antrag lediglich mündlich gestellt und das Formblatt der Arbeitsagentur für Arbeitslosengeld II erstmals am 27. Januar 2005 ausgefüllt haben sollte. In diesem Fall lassen sich keine Anhaltspunkte dafür finden, dass der Kläger ausschließlich Arbeitslosenhilfe oder Arbeitslosengeld, nicht jedoch Leistungen nach dem SGB II beantragen wollte. Ausweislich des Schreibens der Arbeitsagentur Pankow an die Agentur für Arbeit des Bezirks Mitte vom 23. Dezember 2004 hat der Kläger am 21. Dezember 2004 unter persönlicher Vorsprache "Leistungen beantragt". Eine Einschränkung des Antrags auf bestimmte Leistungen ergibt sich aus den Akten der Agentur für Arbeit nicht. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die bisher vom Kläger bezogenen Leistungen der Arbeitslosenhilfe zum 31. Dezember 2004 wegfielen und an ihre Stelle ab dem 1. Januar 2005 für Erwerbsfähige die Leistungen nach dem SGB II traten. Insbesondere vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger am 21. Dezember 2004 ausschließlich die nur noch für 10 Tage existierenden Leistungen der Arbeitslosenhilfe, nicht jedoch das ihm ab dem 1. Januar 2005 zustehende Arbeitslosengeld II beantragen wollte. Aber auch wenn der Kläger am 21. Dezember 2004 bereits den Antragsvordruck der Arbeitsagentur für Arbeitslosengeld abgegeben haben sollte, lässt sich daraus nicht schlussfolgern, dass der Kläger ausschließlich Arbeitslosengeld (I), nicht jedoch Arbeitslosengeld II beantragen wollte. Die Kammer ist der Auffassung, dass nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung selbst ein ausdrücklich als Antrag auf Arbeitslosengeld (I) bezeichneter Antrag zugleich einen Antrag auf Arbeitslosengeld II umfasst, sofern sich nicht zweifelsfrei der Wille des Antragstellers ermitteln lässt, ausschließlich die genannte Leistung zu begehren. Höchstrichterlich ist bereits entschieden, dass ein Antrag auf Arbeitslosengeld nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe beinhalte, falls eindeutig zu erkennen sei, dass der Antragsteller Leistungen für den Fall der Arbeitslosigkeit begehrt (BSG, Urteil vom 21. Juli 1977, Az: 7 Rar 132/75, Rn. 24 – zitiert nach juris online –). Gleiches gelte für den umgekehrten Fall. Ein als Antrag auf Arbeitslosenhilfe bezeichneter Leistungsantrag sei demnach als Antrag auf Arbeitslosengeld aufzufassen, wenn die Voraussetzungen für diesen Anspruch gegeben sind und der Antrag nicht als Beschränkung auf die ausdrücklich genannte Leistungsart verstanden werden müsse (BSG, Urteil vom 15. November 1979, Az: 7 Rar 75/78, Rn. 13 – zitiert nach juris online –). Selbst wenn der Antragsteller den Vordruck "Antrag auf Arbeitslosenhilfe" benutzt und demgemäß formell die Gewährung von Arbeitslosenhilfe beantragt habe, sei sein Antrag als Antrag auf Arbeitslosengeld aufzufassen, wenn dem Vorbringen des Antragstellers zu entnehmen sei, dass er die ihm zustehende Leistung begehrt (BSG a.a.O.). Für die Annahme einer entsprechenden Antragstellung komme es dann nicht darauf an, welchen Vordruck der Antragsteller benutzt habe, sofern keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass nur die ausdrücklich bezeichnete Leistungsart beantragt wurde (BSG a.a.O.). Diese Rechtsprechung lässt sich nach Ansicht der Kammer auch auf das Verhältnis von Arbeitslosengeld I und II übertragen. Beide Leistungen stehen in einer engen Beziehung zueinander und knüpfen an eine bereits eingetretene oder drohende Erwerbslosigkeit an. Beide Leistungen sollen der Überwindung der Arbeitslosigkeit dienen (vgl. BT-Drucks. 15/1516 S. 42). Der Kläger hat hier durch seine Arbeitslosmeldung und die Angaben in dem Antragsvordruck zur Arbeitslosigkeit zu verstehen gegeben, dass er Leistungen aufgrund seiner Erwerbslosigkeit begehrt. Darüber hinaus spricht bereits der Umstand, dass der Kläger auf dem Antragsformular keine bestimmte Leistung markiert hat, dafür, seinen Antrag nicht auf eine bestimmte Leistung beschränken zu wollen. Dem Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld II ab dem 1. Januar 2005 steht auch nicht entgegen, dass der Kläger den Antrag bei der Agentur für Arbeit und damit bei einem für die Gewährung von Arbeitslosengeld II unzuständigen Leistungsträger gestellt hat. Nach § 16 Abs. 2 S. 1 SGB I sind Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger gestellt werden, unverzüglich weiterzuleiten. Ist die beantragte Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag nach § 16 Abs. 2 S. 2 SGB I als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er beim unzuständigen Leistungsträger eingegangen ist. Da der Antrag bei der Arbeitsagentur am 21. Dezember 2004 einging, gilt er auch hinsichtlich des Anspruches auf Arbeitslosengeld II als an diesem Tag gestellt. Die Fiktion der Antragstellung am 21. Dezember 2004 greift unabhängig davon, ob der Kläger den Antrag mündlich oder schriftlich gestellt hat. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung bedeutet das Wort "eingegangen" in § 16 Abs. 2 S. 2 SGB I nicht, dass die Antragsfiktion nur für schriftliche Anträge gilt. Eingegangen im Sinne des § 16 Abs. 2 S. 2 SGB I ist der Antrag vielmehr unabhängig von der Form der Antragstellung, wenn er in den Bereich des unzuständigen Leistungsträgers gelangt (vgl. auch: Lilge, SGB I-Kommentar, 2. Auflage 2009, § 16 Rn. 62). Unerheblich ist auch, dass die Agentur für Arbeit den Antrag des Klägers offensichtlich nicht an den Beklagten, der erst im Rahmen des Klageverfahrens vom Antrag des Klägers vom 21. Dezember 2004 Kenntnis erlangt hat, weiterleitete. Der Verstoß gegen die in § 16 Abs. 2. S. 1 SGB II normierte Weiterleitungspflicht kann nicht zulasten des Antragstellers gehen. Andernfalls wäre der Zweck der Vorschrift konterkariert, der darin besteht, den Antragsteller, der sich an eine unzuständige Stelle wendet, davor zu bewahren, dass ihm durch die zeitliche Verzögerung, mit der sein weiterzuleitender Antrag beim zuständigen Leistungsträger eingeht, materielle Nachteile entstehen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Mai 1995, Az: 5 C 1/93, Rn. 22 – zitiert nach juris online –). Für die zeitliche Fiktion der Antragstellung ist daher allein der Eingang des Antrags beim unzuständigen Leistungsträger maßgeblich. Auf die tatsächliche Weiterleitung des Antrags an den zuständigen Leistungsträger kommt es hingegen nicht an (vgl. auch: Hauck/Noftz, SGB I – Kommentar, Stand: 16. Lieferung II/97, K § 16 Rn. 13). Nach all dem stand für die Kammer fest, dass der Kläger am 21. Dezember 2004 einen Leistungsantrag bei der Agentur für Arbeit gestellt hat, der einen Antrag auf Arbeitslosengeld II umfasst und als zu diesem Zeitpunkt gestellt gilt. Daher konnte dahinstehen, ob der Kläger einen ausdrücklichen Antrag auf Arbeitslosengeld II bereits im November 2004 postalisch an den Beklagten versandt hatte. Auch auf die Zeugenaussage des Zeugen S über die Umstände der Antragsabgabe im Februar 2005 kam es somit nicht mehr an. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache. Im Hinblick darauf, dass der Beklagte dem Kläger für den Folgezeitraum ab 17. Mai 2005 nach Aktenlage zutreffend Leistungen in Höhe von monatlich 672,96 EUR bewilligt hatte und dem Kläger durch das Urteil Leistungen für weitere 4 1/2 Monate zugesprochen werden, ist die Berufung bereits wegen Erreichens des Schwellenwertes von 750,00 EUR nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 143 SGG zulässig.
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