L 6 AS 122/10 B

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Trier (RPF)
Aktenzeichen
S 4 AS 519/09
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 6 AS 122/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Beschwerde gegen einen die Gewährung von Prozesskostenhilfe in einem Hauptsacheverfahren ablehnenden Beschluss eines Sozialgerichts ist auch dann zulässig, wenn in dem Hauptsacheverfahren der Berufungsstreitwert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht erreicht wird.
2. Ein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des § 127 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 511 Abs. 4 ZPO im Wege des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG besteht nicht. Auch eine analoge Anwendung der Regelungen des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG auf Beschlüsse über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ist im Rahmen von Hauptsacheverfahren nicht geboten.
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Trier vom 12.2.2010 S 4 AS 519/09 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin (Bf) wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Trier vom 12.2.2010, durch den der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt wurde.

Die 1953 geborene Bf. steht bei der Beschwerdegegnerin (Bg.) seit Januar 2005 im Bezug von Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Sie geht zeitweilig einer geringfügigen Beschäftigung in einem Reisebüro nach. Bei der Bf. ist neben Beschwerden auf or-thopädischem Gebiet seit den 1980 er Jahren ein Morbus Crohn mit multiplen Fistelbildungen bekannt. Die Bf. hielt sich deswegen in den Jahren 2007 und 2008 mehrfach stationär im Krankenhaus auf. Die Bf. bezieht seit dem 1.11.2008 durch den Rentenversicherungsträger auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung i.H.v. ca. 120, EUR pro Monat. Mit einem im Januar 2009 für die Zeit ab dem 8.1.2009 gestellten Fortzahlungsantrag machte die Bf. für den Bewilligungszeit-raum bis zum 30.6.2009 neben den bisherigen Leistungen auch die Gewährung von Mehrbedarf für den Erwerb kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II geltend. Die Bf. legte eine Bescheinigung ihrer Ärztin Dr. G vom 23.1.2009 vor, worin diese bis auf weiteres die Erforderlichkeit von Krankenkost bestätigte. Die Bf. wies mit Schreiben vom 3.3.2009 darauf hin, dass sich die Mehrkosten etwa auf 100, EUR pro Monat beliefen. Die Bf. reichte eine ausgefüllte Anlage MEB inklusive ärztlicher Stellungnahme vom 2.4.2009, zu den Akten der Bg. Die Gewährung eines Mehrbedarfs lehnte die Bg. mit Bescheid vom 8.4.2009 und mit Widerspruchsbescheid vom 11.5.2009 ab. Die Bf. erhob diesbezüglich Klage beim SG Trier; das Verfahren erhielt das Aktenzeichen S 4 AS 178/09. Im Mai/Juni 2009 beantragte die Bf. die Fortzahlungen der Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 1.7. bis zum 31.12.2009 und teilte mit, aus medizinischen Gründen eine kostenaufwändige Ernährung zu benötigen. Die Bf. verwies auf eine bereits eingereichte Anlage MEB zum Antragsformular. Die Bg. bewilligte der Bf. mit Bescheid vom 16.6.2009 für den oben genannten Bewilligungszeitraum zwar Leistungen nach dem SGB II, berücksichtigte bei der Leistungsberechnung jedoch keinen Mehrbedarf für eine kostenaufwändige Ernährung. Diesbezüglich erhob die Bf. am 22.6.2009 Widerspruch.

Das SG holte in dem Verfahren S 4 AS 178/09 auf Grund des Beweisbeschlusses vom 21.7.2009 bei Dr. W/T ein medizinisches Sachverständigengutachten zu der Frage ein, ob unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Deutschen Vereins (DV) zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe vom 1.10.2008 aus medizinischen Gründen eine besondere Ernährung der Klägerin erforderlich sei oder ob Vollkost ausreiche.

In seinem Gutachten vom 19.11.2009, das beim SG am 27.11.2009 einging, teilte Dr. W auf die Beweisfragen u.a. mit, dass derzeit vor dem Hintergrund der Empfehlungen des Deutschen Vereins keine kostenaufwändige Ernährung erforderlich sei. Ebenso wenig bestünden nach dem Rationalisierungsschema des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner allgemein gültige Formeln und Richtlinien für eine gastroenterologische Diät.

Die Bf. lehnte mit Schreiben an die Bg. vom 25.11.2009 eine Ruhendstellung des Widerspruchsverfahrens bis zur Entscheidung im Verfahren vor dem SG ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2009 wies die Bg. den Widerspruch der Bf. gegen den Bescheid vom 16.6.2009 zurück und führte zur Begründung u.a. aus, die Bf. habe für den hier in Rede stehenden Zeitraum keinen Mehrbedarf für kosten-aufwändige Ernährung beantragt, ebenso wenig sei eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes geltend gemacht worden. Der Antrag auf Gewährung eines medizinisch bedingten Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung sei bereits mit Bescheid vom 8.4.2009 abschlägig beschieden worden. Das Klageverfahren diesbezüglich sei noch anhängig und das Rechtsschutzbedürfnis in Bezug auf die Durchsetzung eines Mehrbedarfs sei ausreichend gewahrt. Eine Entscheidung zu Gunsten der Bf. würde auch eine Gewährung des Mehrbedarfs für die Folgezeit nach sich ziehen. Nach Klageerhebung sei jedoch für die Zeit ab dem 1.7.2009 gar kein neuer Antrag auf Gewährung des Mehrbedarfs gestellt worden. Daher habe ein Mehraufwand im Bescheid vom 16.6.2009 auch nicht berücksichtigt wer-den können.

Mit einem am 8.12.2009 beim SG eingegangenen Schreiben vom 2.12.2009 hat die Bf. Klage gegen den Bescheid der Bg. vom 16.6.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2009 erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Gewährung von PKH gestellt.

Mit Beschluss vom 12.2.2010 S AS 519/09 hat das SG die Gewährung von PKH abgelehnt. Zur Begründung hat das SG u.a. ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH nach § 73a SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht erfüllt seien. Die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Aus den Empfehlungen des DV und dem im Parallelverfahren S 4 AS 178/09 eingeholten Gutachten ergebe sich kein krankheitsbedingter Ernährungsbedarf. Da das Gutachten auch die Frage der Laktoseunverträglichkeit behandle, sei ein Anlass für weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht gegeben. Der Antrag auf PKH sei schon deswegen abzulehnen; auf die Frage, ob die Klage schon deswegen unbegründet sei, weil der ernährungsbedingte Mehrbedarf gar nicht Gegenstand der Klage gewesen sei, komme es nicht mehr an. Der Beschluss sei unanfechtbar, weil durch das Begehren der Berufungsstreitwert (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) nicht erreicht sei. Eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sei nicht erkennbar. Eine andere Auslegung des SGG widerspreche dem Willen des Gesetzgebers im Änderungsgesetz vom 1.4.2008 (BTDrs. 16/7716 Seite 22). Durch die SGG Änderung, insbesondere bei § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG, habe eine Entlastung der Gerichte erreicht werden sollen. Zusätzliche Beschwerdemöglichkeiten hätten nicht geschaffen werden sollen. Auch sei die Gefahr divergierender Entscheidungen im PKH und im Hauptsacheverfahren zu vermeiden (LSG Rheinland Pfalz, Beschluss vom 29.10.2008 L 3 B 312/07 AS ). Ebenso stehe das Gebot der Rechtsmittelklarheit dem nicht entgegen. Der Gegenauffassung (vgl. LSG Rheinland Pfalz, Beschluss vom 10.6.2008 L 5 B 107/08 AS ) werde nicht gefolgt.

Gegen den den Prozessbevollmächtigten der Bf. am 23.2.2010 zugestellten Beschluss haben diese am 9.3.2010 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung tragen sie vor, bei dem ernährungsbedingten Mehraufwand handele es sich um einen auf Dauer angelegten Sonderbedarf. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe dazu ausgeführt, dass die derzeitigen Regelungen hierfür unzureichend seien. Die Empfehlungen des DV seien nicht bindend. Die Angelegenheit habe daher auch grundsätzliche Bedeutung. Krankheitsbedingt müsse die Bf. auf ihre Ernährung achten und so z.B. teure Sojamilchprodukte erwerben. Sie könne daher nicht die Einsparungen vornehmen, die einem gesunden Leistungsempfänger möglich seien.

II.

Die gemäß § 173 Satz 1 SGG form und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des SG Trier vom 12.2.2010 ist zulässig.

Die Zulässigkeit der Beschwerde ergibt sich aus § 172 Abs. 1 SGG. Gemäß dieser Vorschrift ist gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen die Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht (LSG) zulässig, soweit im SGG nichts ande-res bestimmt ist. Bei dem Beschluss des SG Trier vom 12.2.2010 über die Ablehnung von PKH handelt es sich um eine grundsätzlich beschwerdefähige Entscheidung; die Beschwerdemöglichkeit ist nicht durch das SGG ausgeschlossen. Aus den Vorschriften des § 172 Abs. 3 SGG ergibt sich für die vorliegende Konstellation kein Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit. So regelt zum Beispiel § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG nur den Ausschluss der Beschwerde in Verfahren des einstwei-ligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Zwar befasst sich § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG mit Entscheidungen im PKH Verfahren, schließt aber die Möglichkeit zur Beschwerde ausdrücklich nur dann aus, wenn das SG die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH Gewährung verneint. Dies war hier aber gerade nicht der Fall, da das SG das Vorliegen der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen unterstellt und seine Entscheidung mit fehlenden Erfolgsaussichten in der Sache selbst begründet hat. Die weiteren Tatbestandsalternativen des § 172 Abs. 3 SGG betreffen den vorliegenden Fall nicht, weswegen sich auf deren Grundlage auch kein Beschwerdeausschluss ergeben kann.

Ein Beschwerdeausschluss ergibt sich auch nicht daraus, dass vorliegend im Hauptsacheverfahren ein monatlicher Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung i.H.v. 100, EUR für den Bewilligungszeitraum vom 1.7. bis zum 31.12.2009 eingeklagt und somit der Berufungsstreitwert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG i.H.v. 750, EUR nicht erreicht werden kann. Eine entsprechende Anwendung des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO bzw. eine Analogie zu § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG, die zu einem Beschwerdeausschluss führen würde, ist vorliegend nicht geboten.

§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG bestimmt zwar, dass die Vorschriften der ZPO über die PKH im sozialgerichtlichen Verfahren "entsprechend" anzuwenden seien, so dass sich in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO ein Beschwerdeausschluss ergeben würde. Denn nach der genannten Regelung findet gegen die Versagung von PKH die sofortige Beschwerde statt, was nur dann nicht gilt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint. Eine entsprechende Anwendbarkeit der genannten Norm hätte zur Folge, dass im sozialgerichtlichen Verfahren so auch vorliegend eine Beschwerde im PKH Verfahren ausgeschlossen wäre, wenn im Hauptsacheverfahren die Berufung unzulässig wäre. Eine solche entsprechende Anwendbarkeit dieser Norm (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) auf die vorliegende Konstellation, ist aus Sicht des Senates nicht geboten (vgl. zum Meinungsstand hierzu s. LSG Niedersachsen Bremen, Beschluss vom 6.1.2010 L 2 R 527/09 B zit. nach Juris RdNr. 17 m.w.N.; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 73a RdNr. 12b).

Mit der Formulierung in § 73a Abs. 1 SGG, dass die zivilprozessualen PKH Vorschriften "entsprechend" anzuwenden seien, hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass diese lediglich insoweit heranzuziehen sind, wie nicht gesetzlich normierte Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens Abweichungen sachlich gebieten. Die entsprechende Anwendbarkeit des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO scheitert aber schon daran, dass diese Regelung i.V.m. § 511 ZPO nicht mit den Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens zu vereinbaren ist. So könnte etwa eine entsprechende Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO im Rahmen des SGG auch nach der Rechtsauffassung ihrer Befürworter nicht so erfolgen, dass die Statthaftigkeit einer Beschwerde von der Erreichung des Streit-wertes der Hauptsache nach § 511 ZPO i.H.v. 600, EUR abhängt.

Darüber hinaus schränkt § 511 ZPO die Rechtsschutzmöglichkeiten in einer Wei-se ein, die sich grundlegend vom System des SGG (vgl. § 144 SGG) unterschei-det. Eine dem Wortlaut gemäße "entsprechende" Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V.m. § 511 ZPO würde bedeuten, dass eine Beschwerde im PKH Verfahren ausgeschlossen ist, wenn und soweit im Hauptsacheverfahren die Rechtsbehelfsmöglichkeiten in einer dem § 511 ZPO vergleichbaren Weise eingeschränkt sind. Eine dem § 511 ZPO sachlich vergleichbare Einschränkung der Rechtsbehelfsmöglichkeiten kennt das SGG jedoch nicht; so dass im Ergebnis ein unmittelbarer Anwendungsbereich für eine entsprechende Heranziehung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO fehlt.

In den im Zivilprozess von § 511 ZPO erfassten Fallgestaltungen eines 600, EUR nicht überschreitenden Wertes des Beschwerdegegenstandes ist ein Rechtsmittel nur dann ausnahmsweise statthaft, wenn das erstinstanzliche Gericht die Berufung nach Maßgabe des § 511 Abs. 4 ZPO zulässt. Ansonsten ist überhaupt kein Instanzenzug, etwa im Wege einer Nichtzulassungsbeschwerde, eröffnet. Demgegenüber kann im sozialgerichtlichen Verfahren auch in den Fällen, in denen die Berufung einer Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf und eine solche Zulas-sung vom Sozialgericht nicht ausgesprochen wird, ausnahmslos gegen die Nichtzulassung der Berufung noch die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 145 SGG eingelegt werden. Da überdies im sozialgerichtlichen Verfahren - insoweit grundsätzlich abweichend von § 511 Abs. 4 ZPO - sich die Zulassungsbedürftigkeit ei-ner Berufung auch aus einem erstinstanzlichen Verfahrensfehler ergeben kann (vgl. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG), sind im Ergebnis auch bei Nichterreichung der Berufungssumme des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG in erheblich weiterem Umfang Rechtsbehelfsmöglichkeiten als im Anwendungsbereich des § 511 Abs. 4 ZPO gegeben.

Angesichts der unterschiedlich ausgestalteten Rechtsbehelfsmöglichkeiten im Hauptsacheverfahren ist bislang keine Wertung des Gesetzgebers in dem Sinne erkennbar, dass auch im sozialgerichtlichen Verfahren eine Beschwerde gegen die Versagung von PKH in jedem Falle ausgeschlossen sein soll, wenn die Beru-fung im Hauptsacheverfahren zulassungsbedürftig ist. Die bisherigen Entscheidungen des Gesetzgebers (vgl. auch die Neufassung des § 172 SGG durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl. I Seite 444) lassen sich nicht als Befürwortung eines einheitlichen Prinzips interpretieren; der Gesetzgeber gewichtet vielmehr die jeweiligen Sachverhalte eigenständig. Bei zivilgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten mit einem Beschwerdegegenstand von nicht mehr als 600, EUR hat der Gesetzgeber über § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO anknüpfend an den weitgehenden Ausschluss von Rechtsbehelfsmöglichkeiten im Hauptsacheverfahren eine PKH Beschwerde des Beteiligten gänzlich ausgeschlossen. Im Verwaltungsprozessrecht hat der Gesetzgeber aber gerade davon abgesehen, Einschränkungen der Rechtsschutzmöglichkeiten im Hauptsa-cheverfahren durch das Erfordernis einer Zulassung der Berufung auch auf das PKH Beschwerdeverfahren zu übertragen (vgl. § 124 VwGO und § 146 VwGO).

In diesem Zusammenhang kann auch das Argument, durch einen Beschwerde-ausschluss ließen sich widersprechende Entscheidungen im Hauptsache- und im PKH Verfahren vermeiden (LSG Niedersachsen Bremen, Beschluss vom 13.9.2007 L 13 B 7/07 SF zit. nach Juris), nicht überzeugen. Denn die Beurteilung in beiden Verfahren (PKH Verfahren und Hauptsacheverfahren) erfolgt nach unterschiedlichen Kriterien. PKH ist nämlich auch dann zu gewähren, wenn das Gericht etwa die Klage für unbegründet erachtet, dabei aber schwierige Rechts-fragen zu Lasten des Klägers zu entscheiden hat (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 73a RdNr. 7b m.w.N.). Darüber hinaus würde im Ergebnis ein solcher "Widerspruch" gerade dann eintreten, wenn der Kläger in zweiter Instanz - nach Zulassung der Berufung - obsiegen würde, eine erstinstanzlich erfolgte Ablehnung seines PKH Gesuchs aber mangels Anfechtbarkeit in Bestandskraft erwachsen würde. Vor diesem Hintergrund steht die hier zu treffenden Entscheidung auch nicht im Widerspruch zum Beschluss des 3. Senats des LSG Rheinland Pfalz vom 29.10.2008 L 3 B 312/08 (unveröffentlicht). Zwar verwendet der 3. Senat zur Begründung des Ausschlusses einer Beschwerde gegen eine ablehnende PKH Entscheidung auch das Argument der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen (Bl. 4 des Beschlussumdrucks). Dieses Argument steht aber im dortigen Beschluss in einem ganz anderen Sachzusammenhang und dient im Ergebnis nur zur Bestätigung der dort angewandten Analogie zu § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG auf PKH Beschwerden. Grundlage für die Entscheidung des 3. Senats war nämlich anders als hier ein PKH Verfahren als Nebenverfahren zu einem Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b SGG; in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren war die Beschwerdesumme nicht erreicht worden, so dass dort die Beschwerde gegen einen Beschluss des SG gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen gewesen wäre, ohne dass das SG sie hätte zulassen können. In einer solchen Konstellation hätte bei Zulässigkeit der Be-schwerde gegen den PKH Beschluss des SG tatsächlich die Möglichkeit bestanden, dass divergierende Entscheidungen entstehen. Auf Grund dessen und zur Verhinderung der Privilegierung von Nebenverfahren gegenüber dem Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat sich der Senat für eine Analogie zu § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG entschieden. Dieses Argument sich widersprechender Entscheidungen ist aber auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar, da hier der Statthaftigkeit bzw. der Ausschluss der Berufung in der Hauptsache nicht allein vom Erreichen der Berufungssumme abhängt. Deshalb kann vorliegend auch eine analoge Anwendung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG nicht in Betracht kommen. Diese Norm betrifft nämlich nur den Ausschluss der Beschwerde in ei-nem vorläufigen Rechtsschutzverfahren bei einem Beschwerdestreitwert bis 750, EUR. Ein PKH Verfahren als Nebenverfahren zu einem Hauptsacheverfahren hat jedoch eine ganz andere Zielrichtung, so dass hier die Voraussetzungen für eine Analogie nicht erfüllt sind.

Letztlich stellt es eine dem Gesetzgeber (und nicht den Gerichten) obliegende rechtspolitische Entscheidung dar, ob unter Abwägung der Rechtsschutzinteressen des um PKH nachsuchenden Beteiligten auf der einen und dem Aufwand und den Kosten für die Bearbeitung entsprechender Beschwerden auf der anderen Seite eine Einschränkung der Beschwerdemöglichkeiten in Fällen der vorliegenden Art geboten ist (vgl. auch LSG Rheinland Pfalz, Beschluss vom 9.7.2009 L 1 AY 6/09 B , zit. nach Juris RdNr. 2). Für das Hauptsacheverfahren hat der Ge-setzgeber durch die Einführung weitergehender Rechtsschutzmöglichkeiten in §§ 144, 145 SGG zum Ausdruck gebracht, dass er bei sozialgerichtlichen Verfahren mit geringen Streitwerten (von nicht mehr als 750 EUR; weitere Einschränkungen er-geben sich aus § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) den Rechtsschutzinteressen des Bür-gers größeres Gewicht als im zivilgerichtlichen Verfahren (mit Streitwerten von dort nicht mehr als 600, EUR, vgl. § 511 ZPO) beimisst. Ob er hieran anknüpfend bei entsprechend geringen Streitwerten auch im sozialgerichtlichen PKH Verfahren weitergehende Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnen oder er gleichwohl die restrik-tive zivilprozessuale Regelung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V.m. § 511 ZPO angewandt wissen will, hat er bislang nicht ausdrücklich entschieden. Es lässt sich bislang auch keine anderweitig zum Ausdruck gebrachte Wertung des Gesetzgebers für eine entsprechende Einschränkung der Beschwerdemöglichkeiten objek-tivieren. Solange der Gesetzgeber aber nicht mit der gebotenen Klarheit eine Ein-schränkung der grundsätzlich durch § 172 Abs. 1 SGG eröffneten Beschwerdemöglichkeit anordnet, ist auf Seiten der Gerichte dem Gebot der Rechtsmittelklarheit Rechnung zu tragen (LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 16.7.2008 L 29 B 1004/08 AS PKH zit. nach Juris RdNr. 11 m.w.N).

Die Beschwerde der Bf. gegen den Beschluss des SG Trier vom 12.2.2010 ist unbegründet.

Das SG hat den Antrag auf Gewährung von PKH zu Recht abgelehnt, weil dem Klagebegehren der Bf. bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung (8.12.2009) und zu späteren Zeitpunkten ohnehin (vgl. zum maßgebenden Zeitpunkt Leitherer, a.a.O. § 73a RdNr. 7d) die nach § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht fehlt.

Die Bf. macht vorliegend im Ergebnis unter teilweiser Anfechtung der Bescheide vom 16.6.2009 und 29.12.2009 die Gewährung von Leistungen zur Deckung des krankheitsbedingten Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II für den Zeitraum vom 1.7.2009 bis zum 31.12.2009 geltend. Dass der Anspruch nach § 21 Abs. 5 SGB II offensichtlich nicht begründet ist, ergibt sich wie auch das SG zutreffend ausge-führt hat aus dem im Parallelverfahren (S 4 AS 178/09) eingeholten Sachver-ständigengutachten des Dr. W vom 19.11.2009. Dort ist ausgeführt, dass bei der Bf. kein Bedürfnis für eine Ernährung mit einer speziellen Kost, die evtl. kostenaufwändiger wäre als normale Vollkost, gegeben ist. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass zwischenzeitlich eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes eingetreten wäre, die eine erneute Begutachtung der Bf. erfordern würde, so dass wenigstens offene Erfolgsaussichten i.S.v. § 114 ZPO vorlägen. Vor diesem Hin-tergrund führt auch das Beschwerdevorbringen nicht zu einer anderen Sichtweise. Denn solange wie hier kein Bedürfnis für eine kostenaufwändigere Ernährung nachgewiesen ist, stellt sich die Frage der Angemessenheit der für den Erwerb kostenaufwändigerer Ernährung zu bewilligenden Beträge nicht.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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