L 6 SB 73/10 B ER RG

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 43 SB 261/09 ER
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 SB 73/10 B ER RG
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung der Antragstellerin gegen den Beschluss des Senats vom 08.02.2010 werden zurückgewiesen. Der Antrag, den Sachverständigen Dr. I wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird abgelehnt. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Beschluss des Senats vom 08.02.2010, mit dem ihre Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung des Merkzeichens "aG" (außergewöhnlich gehbehindert) im Eilverfahren zurückgewiesen worden ist.

Mit Bescheid vom 10.03.2003 stellte das Versorgungsamt E bei der Antragstellerin wegen der Funktionsbeeinträchtigungen

1. Verschleiß der Kniegelenke, Kniegelenksersatz rechts, Fußfehlform, Schwellneigung der Beine (Grad der Behinderung - GdB - 50)
2. Wirbelsäulenverschleiß, Schulterarmbeschwerden, Daumengrundgelenksverschleiß (GdB 20)
3. Bluthochdruck mit Herzschädigung, Herzklappenfehler (GdB 20)
4. Speiseröhrenentzündung (GdB 20)

einen Grad der Behinderung von 70 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "G" (erheblich gehbehindert) fest.

Auf einen Verschlimmerungsantrag der Antragstellerin vom 30.05.2008, mit dem diese auch die Nachteilsausgleiche "aG" (außergewöhnlich gehbehindert), "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) und "RF" (Befreiung von der Rundfunk- und Fernsehgebührenpflicht) begehrte, erhöhte das Versorgungsamt E den GdB nach Auswertung einer Vielzahl medizinischer Berichte mit Bescheid vom 03.07.2008 auf 80. Dabei ging es von den Funktionsbeeinträchtigungen

1. Verschleiß der Kniegelenke, Kniegelenksersatz rechts, Fußfehlform, Schwellneigung der Beine, Lymphödeme (GdB 50)
2. Wirbelsäulenverschleiß, Schulter-Armbeschwerden, Daumengrundgelenksver schleiß, Polyarthrose der Hände (GdB 30)
3. Harninkontinenz (GdB 20)
4. Schlafapnoe-Syndrom (GdB 20)
5. Speiseröhrenentzündung (GdB 20)
6. Bluthochdruck mit Herzschädigung, Herzklappenfehler (GdB 20)

aus. Die Voraussetzungen für die beantragten Merkzeichen lägen nicht vor. Den Widerspruch der Antragstellerin vom 25.07.2008 wies die Bezirksregierung Münster mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2008 zurück. Hiergegen hat die Antragstellerin am 28.11.2008 Klage beim Sozialgericht Dortmund (SG) erhoben (Az. S 43 SB 253/08) und ihr Begehren weiter verfolgt.

Am 12.06.2009 hat die Antragstellerin den Erlass einer Einstweiligen Anordnung beantragt und die Ausstellung eines Ausweises mit dem Merkzeichen "aG" bis zur Entscheidung in der Hauptsache begehrt. Sie hat geltend gemacht, dass sie dem in Nr. 11 der zu § 46 Straßenverkehrsordnung erlassenen Verwaltungsvorschrift genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten gleichzustellen sei. Um den Erfolg einer kürzlich durchgeführten Operation am rechten Knie zu sichern, sei sie auf eine Vielzahl von Behandlungen angewiesen, zu denen sie nur per Taxi oder Mietwagen gelangen könne. Die Krankenkasse übernehme die Fahrkosten zu diesen Behandlungen nur dann, wenn bei ihr das Merkzeichen "aG" festgestellt sei. Da sie lediglich eine Rente beziehe, seien die wirtschaftlichen Auswirkungen für sie erheblich.

Das SG hat im Hauptsacheverfahren nach Einholung verschiedener Befundberichte ein orthopädisches Gutachten bei dem Sachverständigen Dr. I in Auftrag gegeben.

Den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das SG mit Beschluss vom 12.08.2009 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sowohl an einem Anordnungsanspruch als auch an einem Anordnungsgrund fehle. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Nachteilsausgleichs "aG" lägen nach den bisherigen Erkenntnissen nicht vor. Die Antragstellerin zähle nach den aktenkundigen Befunden nicht zu dem in § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes i.V.m. der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46 der Straßenverkehrsordnung genannten Personenkreis der schwerbehinderten Menschen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen könnten. Diesem Personenkreis sei sie auch nicht vergleichbar. Unter Berücksichtigung der Berichte und Bescheinigungen ihrer behandelnden Ärzte sei es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die Antragstellerin nur noch mit fremder Hilfe oder nur noch mit großer Anstrengung praktisch von den ersten Schritten an außerhalb des Kraftfahrzeugs fortbewegen könne. Ausweislich des Entlassungsberichts der X-Klinik vom 25.06.2009 sei sie nach erfolgter Mobilisierung an zwei Unterarmgehstützen unter Vollbelastung in der Lage, eine Gehstrecke von 300 bis 400 m problemlos zurückzulegen. Eine erheblich schwerere Einschränkung lasse sich aus den Berichten ihrer derzeit behandelnden Ärzte nicht ablesen.

Darüber hinaus fehle es an einem Anordnungsgrund, d.h. einer besonderen Eilbedürftigkeit der Angelegenheit. Es sei nicht zu erkennen, dass der Antragstellerin schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, wenn die gewünschte Regelungsanordnung nicht erlassen würde. Zum einen sei der von ihr geltend gemachte erhöhte Therapiebedarf nach Entlassung aus der X-Klinik nicht belegt und im Entlassungsbericht auch nicht genannt. Die von der Antragstellerin konkret genannten Arztbesuche fänden zum Teil nur unregelmäßig statt, zum Teil könne sie die Fahrtkosten durch Aufsuchen eines ortsnäheren Orthopäden reduzieren. Daneben sei das Bestehen eines Anordnungsgrundes auch deshalb nicht ersichtlich, weil die Antragstellerin nicht zwingend auf die Eintragung des Merkzeichens "aG" in ihren Schwerbehindertenausweis angewiesen sei, um die Übernahme notwendiger Fahrtkosten durch die Krankenkasse zu erreichen. Aus § 8 Abs. 3 S. 2 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 12 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Krankentransport-Richtlinien) ergebe sich, dass auch Fahrten zur ambulanten Behandlung bei Versicherten genehmigt werden könnten, bei denen kein "aG" eingetragen sei, die aber nach ärztlicher Verordnung in ihrer Mobilität vergleichbar betroffen seien und einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedürften. Es bleibe der Antragstellerin somit unbenommen, ihrer Krankenkasse eine Verordnung nach § 8 Abs. 3 S. 2 der Krankentransport-Richtlinien vorzulegen.

Gegen den Beschluss des Sozialgerichts hat die Antragstellerin am 15.09.2009 Beschwerde eingelegt. Durch die vorliegenden Arztberichte und -bescheinigungen sei belegt, dass bei ihr seit mehr als 10 Jahren eine schwere Kniegelenksschädigung linksseitig in Form einer Arthrose bestand und noch bestehe. Bereits im Hinblick darauf könne - als Beweis des ersten Anscheins - davon ausgegangen werden, dass ihr Gehvermögen ganz erheblich durch Schmerzen bei jedem Schritt eingeschränkt sei. Dieser Beweis werde durch den Bericht der X-Klinik vom 25.06.2009 nicht erschüttert. Die dortige Behauptung, die Antragstellerin könne eine Gehstrecke von 300 bis 400 m zurücklegen, sei mit der Wirklichkeit nicht in Einklang zu bringen und werde auch im Entlassungsbericht nicht durch belastbare Fakten getragen. Die Aussage der X-Klinik halte sie für strafbar und habe deshalb Strafanzeige erstattet. Im Übrigen habe das Sozialgericht die weiteren ärztlichen Bescheinigungen im Verfahren nicht ausreichend bzw. fehlerhaft berücksichtigt. Zumindest hätte sich das Sozialgericht zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müssen. Auch ein Anordnungsgrund liege vor. Zwar ergebe sich der erhöhte Therapiebedarf der Klägerin nicht aus dem Entlassungsbericht der X-Klinik, hätte jedoch den weiteren Verfahrensunterlagen und Einlassungen entnommen werden können. Die Behandlungen seien nicht lediglich "gelegentlich", sondern regelmäßig erfolgt. Im Übrigen habe sie bereits den vom Sozialgericht angesonnenen Weg beschritten und sich gegenüber der Krankenkasse auf § 8 Abs. 3 S. 2 der Krankentransport-Richtlinien berufen. Die Krankenkasse habe eine Übernahme der Kosten jedoch abgelehnt und sie auf Hausbesuche der behandelnden Ärzte verwiesen. Diesbezüglich seien zwei Widerspruchsverfahren anhängig.

Der Senat hat eine gutachterliche Stellungnahme des vom SG im Hauptsacheverfahren beauftragten Sachverständigen Dr. I vom 15.12.2009 eingeholt, die dieser aufgrund einer Untersuchung der Antragstellerin vom 11.11.2009 erstellt hat. Dr. I ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragstellerin eine Wegstrecke von 100 Metern ohne Pause und nach einer Pause eine weitere Gehstrecke von 50 Metern, dies auch mehrfach, zurücklegen könne.

Mit Beschluss vom 08.02.2010 hat der Senat die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des SG Dortmund zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung lägen nicht vor. Es fehle (jedenfalls) an einem Anordnungsanspruch. Die aus den aktenkundigen medizinischen Befunden abgeleitete Annahme des SG, dass die Antragstellerin die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" nicht erfülle, sei durch die im Beschwerdeverfahren durchgeführte Beweisaufnahme bestätigt worden. Der Sachverständige Dr. I habe nach Untersuchung und Beobachtung des Gangbildes der Antragstellerin ausgeführt, dass ihr Gehvermögen zwar sehr stark beeinträchtigt sei, jedoch (noch) nicht in einer derartigen Weise, dass es ihr bereits vom ersten Schritt außerhalb des Kraftfahrzeugs nur noch mit fremder Hilfe oder nur noch mit großer Anstrengung möglich sei, sich fortzubewegen.

Gegen den ihr am 20.02.2010 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 08.03.2010 Anhörungsrüge und Gegenvorstellung erhoben sowie den Sachverständigen Dr. I wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Die Anhörungsrüge sei begründet, weil der Senat ihr vor Erlass der Entscheidung nicht in gehöriger Weise Gelegenheit gegeben habe, sich zu der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. I zu äußern. Diese Stellungnahme sei ihr lediglich formlos anstatt mit qualifiziertem Zugangsnachweis übersandt worden und habe auch keine Frist zur Stellungnahme, sondern lediglich den Hinweis zur Kenntnisnahme enthalten sowie die Aufforderung, die Beschwerde zurückzunehmen, da sie keine Aussicht auf Erfolg habe. Dadurch sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. Diese Verletzung sei entscheidungserheblich, denn der angegriffene Beschluss könne darauf beruhen. Wäre ihr in gehöriger Weise die Möglichkeit zur Äußerung gewährt worden, hätte sie Einwendungen gegen das Gutachten vorgebracht, die das Gericht zu weiterer Sachaufklärung veranlasst hätten, denn das Gutachten sei unbrauchbar. Die vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen fußten auf einer mangelhaften, unvollständigen Tatsachengrundlage. Im Übrigen verletze der Beschluss des Senats ihren Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch, dass er wesentliches Vorbringen, insbesondere ihre Kritik am Gutachten der X-Klinik, ersichtlich nicht erwogen habe. Gleiches gelte für ihre Ausführungen zum Beweis des ersten Anscheins. Hätte das Gericht das Gutachten der X-Klinik unberücksichtigt gelassen und hingegen nicht nur ihre orthopädischen, sondern auch ihre inneren Erkrankungen berücksichtigt, sei nicht auszuschließen, dass es zu einem für sie günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

Die zulässige Gegenvorstellung sei begründet, weil die vom Senat dem angegriffenen Beschluss beigegebenen Begründung nicht zureichend sei und damit das sich aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz ergebende Willkürverbot verletze. Sie habe mit ihrer Beschwerdebegründung als neues Vorbringen gerügt, dass und warum das SG im Rahmen seiner Beweiswürdigung das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt habe. Hierauf gehe der Beschluss des Senats in seiner Begründung nicht ein, sondern stütze sich ohne Nennung von Gründen auf die Begründung des SG und gleichzeitig die Stellungnahme des Dr. I. Dieser aber habe der maßgeblichen Begründung des SG ausdrücklich widersprochen, was den Schluss nahe lege, dass die (fehlende) Begründung auf sachfremden Erwägungen beruhe und somit willkürlich sei.

Schließlich sei der Sachverständige Dr. I als befangen abzulehnen, weil er durch völlig willkürliche Schätzung der Gehfähigkeit anhand des Gangbildes den Boden wissenschaftlicher Tatsachenermittlung verlassen und auch die aktenkundigen Herzbeschwerden nicht berücksichtigt habe. Dies gebe Anlass, an seiner Objektivität und Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen gem. § 406 Abs. 2 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) sei auch noch nicht abgelaufen, da dessen Ernennung nicht zugestellt worden sei, die Frist also nicht zu laufen begonnen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere des Vorbringens der Antragstellerin im Einzelnen, wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung sind zulässig, jedoch nicht begründet. Das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Dr. I ist unzulässig.

Die gemäß § 178a Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig erhobene Anhörungsrüge ist unbegründet. Nach dieser Vorschrift ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundeverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundessozialgerichts (BSG) soll der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 des Grundgesetzes, §§ 62, 128 Abs. 2 SGG) verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten, und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen einbezogen wird (BSG, Beschluss vom 08.11.2006, B 2 U 5/06 C, in SozR 4-1500 § 178 a Nr. 6 m.w.N.). Das Gebot des rechtlichen Gehörs erfordert lediglich, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Hingegen wird hierdurch weder die Richtigkeit der Tatsachenermittlung durch das Gericht noch die Zugrundelegung der Rechtsansicht eines Beteiligten garantiert (LSG NRW, Beschluss vom 27.08.2009, L 6 B 90/09 AS ER RG). In Anwendung dieser Grundsätze ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin nicht erkennbar. Die Stellungnahme des Dr. I ist der Antragstellerin mit gerichtlichem Schreiben vom 28.12.2009, gefertigt am 29.12.2009 und nach ihrer Erklärung mit Poststempel vom 05.01.2010 versehen, übersendet worden. Mit weiterem gerichtlichem Schreiben vom 11. Januar 2010 wurde die Antragstellerin an die Beantwortung der Anfrage erinnert. Ihr stand bis zur Beschlussfassung des Senats am 08.02.2010 etwa ein Monat - und somit eine in einem Eilverfahren überdurchschnittlich lange Zeitspanne - zur Verfügung, um Kritik an der Stellungnahme von Dr. I in das Verfahren einzubringen. Einer förmlichen Zustellung der vom Gericht eingeholten Beweise bedarf es zur Gewährung rechtlichen Gehörs entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht. Im Übrigen konnte sie durch die Entscheidung vom 08.02.2010 auch bereits deshalb nicht überrascht werden, weil sie bereits mit Übersendung der Stellungnahme des Dr. I ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg habe.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, der Senat habe wesentliches Vorbringen, insbesondere ihre Kritik am Gutachten der X-Klinik und den von ihr für einschlägig gehaltenen Beweis des ersten Anscheins ersichtlich nicht erwogen, ist dies offensichtlich unzutreffend. Schon grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht einen entgegengenommenen Vortrag in seine Erwägungen einbezieht (Meyer-Ladewig, a.a.O., Rn 7 m.w.N.). Dies gilt um so mehr wenn der Senat das Beschwerdevorbringen in den genannten Punkten - wie hier - ausdrücklich im Tatbestand der Entscheidung wiedergibt. Eine Auseinandersetzung mit allen vorgetragenen Ausführungen in den Entscheidungsgründen ist nicht erforderlich (Meyer-Ladewig, a.a.O.; BVerfG, Beschluss vom 07.10.1996, 1 BvR 520/95 = NJW 1997, 122).

Die zulässige Gegenvorstellung der Antragstellerin, die auch nach Einführung der Anhörungsrüge durch Einfügung des § 178a in das SGG zum 01.01.2005 weiterhin zulässig ist (BSG, Urteil vom 28.07.2005, B 13 RJ 178/05 B in SozR 4-1500 § 178a Nr. 3) ist ebenfalls unbegründet. Eine Gegenvorstellung hat Erfolg, wenn die getroffene Entscheidung in offensichtlichem Widerspruch zum Gesetz steht und insbesondere unter Verletzung von Grundrechten ergangen ist, so dass sie im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könnte, oder wenn die Entscheidung zu einem groben prozessualen oder sozialen Unrecht führen würde (vgl. BSG, Beschluss vom 28.07.2005, B 13 RJ 178/05 B, a.a.O.; Beschluss vom 10.03.1998, B 8 KN 4/98 B m.w.N. in SozR 3-1500 § 160 a Nr. 24). Soweit die Antragstellerin meint, die Begründung des angefochtenen Beschlusses vom 08.02.2010 sei nicht zureichend, weil sie - insbesondere mangels Auseinandersetzung mit ihrem (Beschwerde-)Vorbringen - auf sachfremden Erwägungen beruhe, wendet sie sich im Kern allein gegen die materielle (inhaltliche) Richtigkeit der Entscheidung des Senats. Die Gegenvorstellung eröffnet jedoch - wie die Anhörungsrüge - keine weitergehende inhaltliche Auseinandersetzung mit einem ansonsten unanfechtbaren Beschluss. Sie dient nicht der Fortführung des Verfahrens, sondern allein der Überprüfung, ob die Entscheidung unter Verstoß gegen Verfassungsrecht zustande gekommen ist. Dies ist hier nicht der Fall. Ein grobes prozessuales oder soziales Unrecht oder eine Grundrechtsverletzung sind nicht belegt. Eine gerichtliche Entscheidung ist nicht bereits deshalb als willkürlich anzusehen, weil ein Beteiligter die Auffassung vertritt, die der Entscheidung beigefügte Begründung sei nicht ausreichend.

Der gegen den Sachverständigen Dr. I gerichtete Befangenheitsantrag ist unzulässig.

Ein Sachverständiger kann als Richtergehilfe gemäß § 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO und § 60 Abs. 3 SGG abgelehnt werden. Der Antrag ist nach § 406 Abs. 2 ZPO spätestens binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen zu stellen. Nach diesem Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Ablehnungsgrund unverschuldet nicht früher geltend gemacht werden konnte (§ 406 Abs. 2 S. 2 ZPO). Der Antrag muss dann jedoch unverzüglich nach Kenntnis des Ablehnungsgrundes gestellt werden. Hier hat die Antragstellerin auf die ihr Anfang Januar zugesandte Stellungnahme des Sachverständigen Dr. I trotz Erinnerung nicht reagiert und Ablehnungsgründe erst nach Zustellung der Entscheidung des Senats am 08. März genannt. Ob der Antrag der Antragstellerin in einem von ihr angestrengten Eilverfahren spätestens binnen weniger Tage nach Erhalt der Stellungnahme des Dr. I hätte gestellt werden müssen, kann hier dahinstehen. Jedenfalls widerspricht ihr Abwarten über zwei Monate klar dem Zweck der Vorschrift des § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO, das Verfahren zu beschleunigen und ist damit deutlich verspätet. Dies gilt um so mehr als davon ausgegangen werden kann und muss, dass der Antragstellerin in besonderem Maß an einer zügigen Bearbeitung des Verfahrens gelegen ist, wenn sie einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei Gericht verfolgt. Das Beschleunigungsgebot des § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO setzt entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine förmliche Zustellung des Gutachtens voraus.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§§ 178a Abs. 4 S. 3, 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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