S 12 KA 281/09

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 281/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine „qualifizierte Versorgungsverbesserung" i.S. des § 24 Ärzte-ZV (vgl. BSG, Urt. v. 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R – juris) liegt nicht bereits in der Verkürzung der Wege vor, wenn in einer Entfernung von 17 km und 19 km das gleiche – hier: nephrologische – Versorgungsangebot besteht.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Gerichtskosten zu tragen und dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die uneingeschränkte Ermächtigungsaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in der Zweigpraxis C-Stadt, C-Straße.

Der Kläger ist als Internist mit dem Schwerpunkt Nephrologie zur vertragsärztlichen Versorgung in A-Stadt, A-Straße im Bezirk der KV Rheinland-Pfalz zugelassen. Er führt mit zwei weiteren Ärzten eine Gemeinschaftspraxis. Die Gemeinschaftspraxis unterhält am Sitz der Zweigpraxis ein Dialysezentrum als Zweigpraxis zur Limited-Care-Dialysebehandlung. Ein entsprechender Versorgungsauftrag nach der Anlage 9.1 zum BMV-Ä liegt vor.

Die Gemeinschaftspraxis beantragte am 18.02.2008 die Eröffnung einer Praxisfiliale zur verbesserten Patientenversorgung in der Stadt C-Stadt. Sie verwies auf ihr bereits dort betriebenes Dialysezentrum als ausgelagerte Betriebsstätte. In den gleichen Räumen solle eine Sprechstunde stattfinden für nephrologische Krankheitsfälle. Sie erläuterte unter Datum vom 20.03.2008, welche EBM-Ziffern sie im Einzelnen abrechnen wolle. Ferner führte sie aus, ein primäres medizinisches Ziel sei es, eine wohnortnahe Betreuung der nephrologischen Patienten zu gewährleisten. In C-Stadt sei kein Nephrologe niedergelassen. Die Patienten hätten bisher nach A-Stadt fahren müssen, um nephrologisch abgeklärt und betreut zu werden. Es falle auch die häufig als Barriere empfundene Fahrt in eine andere Stadt/Praxis, in der man sich nicht auskenne, weg. Dies bedeute eine Verbesserung der Compliance. Von den niedergelassenen Ärzten in C-Stadt sei eine nephrologische Versorgung schon lange gefordert worden. Sie seien auch in einem Ärztenetz tätig. Eine engmaschige Versorgung könne das Fortschreiten von Erkrankungen und ggf. von einer Dialysepflicht verhindern. Im auf seine Person begrenzten förmlichen Antrag vom 03.04.2008 gab der Kläger an, er plane Sprechzeiten von 10.00 bis 13.00 Uhr jeweils am Montag, Mittwoch und Freitag. Aufgrund der geringen Sprechzeiten werde die eigentliche Versorgung am Vertragsarztsitz nicht beeinträchtigt.

Die KV Rheinland-Pfalz gab unter Datum vom 14.04.2008 an, die geplante Zweigpraxis führe zu keiner Beeinträchtigung der Versorgung der Versicherten in A-Stadt. Es bestünden daher keine Bedenken.

Die Beigeladene zu 1) erklärte unter Datum vom 13.06.2008, die Genehmigung für die Dialyseeinrichtung in C-Stadt sei bis Mai 2013 befristet, da zum Zeitpunkt der Verteilung grundsätzlich die KV-bezirksübergreifende vertragsärztliche Tätigkeit nicht zulässig gewesen sei. Die Einwohnerzahlen des gesamten Planungsbereichs betrügen (Stand: 31.12.2006) 264.985 Einwohner. Im Planungsbereich Landkreis AO. bestehe in der Fachgruppe der fachärztlichen Internisten eine Überversorgung von 155,71 % (lt. Bedarfsplan vom 24.04.2008). Derzeit seien insgesamt 12 fachärztlich tätige Internisten sowie ein Facharzt für Allgemeinmedizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie im Planungsbereich niedergelassen. Folgende Schwerpunkte seien vorhanden: 2 Pneumologen, 2 Kardiologen, 1 Rheumatologe, 2 Nephrologen, 6 fachärztlich tätige Internisten ohne Schwerpunkt. Weiterhin gebe es im Planungsbereich das Medizinische Versorgungszentrums für Nieren- und Hochdruckkrankheiten‚ AL. GmbH, in dem 2 angestellte Ärzte im Bereich der Nephrologie tätig seien. AL. liege ca. 19 km von C Stadt entfernt und sei in ca. 20 Minuten erreichbar. Eine Nephrologin und der Facharzt für Allgemeinmedizin (Nephrologie) seien in D-Stadt vertragsärztlich tätig. D-Stadt liege ca. 17 km von C-Stadt entfernt und sei in ca. 20 Minuten Fahrzeit zu erreichen. Eine durchgeführte Umfrage bei den niedergelassenen fachärztlichen Internisten und dem genannten MVZ habe ergeben, dass die Praxen vor Ort sowie in näherer Umgebung die vertragsärztliche Versorgung sicherstellten. Es bestehe kein zusätzlicher Bedarf zur Erbringung von Sprechstunden für nephrologische Krankheitsbilder. Eine Gemeinschaftspraxis mit 2 Nephrologen habe erläutert, dass die erwähnten Leistungen im vollen Umfang von ihnen erbracht werden könnten. Sie habe noch Kapazitäten frei, es bestünden keine Wartezeiten. Das MVZ sei der Auffassung, die Versorgung der Patienten in AL., BL., CL., DL. sowie auch C-Stadt seien bereits ausreichend durch sie selbst sichergestellt. Patienten mit Verdacht auf akute Nephritis erhielten innerhalb eines Tages einen Termin. Für Patienten ohne jede Dringlichkeit betrage die Wartezeit ungefähr 2-3 Wochen. Nach den Vorschriften Anlage 9.1 BMV-Ä für die Genehmigung von Dialysepraxen könne lt. Anhang 9.1.5 BMV-Ä die Genehmigung insbesondere nur dann erteilt werden, wenn die projektierte Zweigpraxis nicht gleichzeitig in der Versorgungsregion einer anderen Praxis liege. Die geplante Zweigpraxis liege in der Versorgungsregion des MVZ in AL ... Bei dem Planungsbereich handele sich um einen Kreistyp II und daher eine Versorgungsregion mit einem Radius von 20 km. Eine Genehmigung sei daher nur aus Gründen der Sicherstellung möglich. Die Versorgung sei aber ausreichend gewährleistet. Sie könne daher den Antrag nicht befürworten.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen lehnte mit Beschluss vom 24.06.2008 den Antrag ab. Er folgte der Bedarfsanalyse durch das Kompetenzzentrum für Bedarfsprüfung und Sicherstellung der Beigeladenen zu 1).

Hiergegen legte die Gemeinschaftspraxis am 11.09.2008 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, die Anlage 9.1 des BMV-Ä könne nicht herangezogen werden. Maßgeblich sei ausschließlich § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV, denn hier gehe es allein um die nephrologische Zweigsprechstunde. Auf das Vorliegen eines Bedarfs komme es nicht an. Unerheblich sei es daher auch, dass eine Überversorgung durch fachärztliche Internisten im Planungsbereich Landkreis AO. bestehe. Allenfalls könne auf einen nephrologischen Bedarf abgestellt werden. Nach den Feststellungen des Zulassungsausschusses gebe es im Umkreis von 17 km von C-Stadt kein nephrologisches Angebot. Damit stehe fest, dass die Fahrzeiten verkürzt würden. Auch die bei bereits jetzt in der Dialyse-Zweigpraxis behandelten Patienten müssten sich für sonstige nephrologische Fragestellungen nicht mehr an den Hauptpraxissitz begeben. Die Patienten, um die es gehe, zeichneten sich häufig durch eine bestehende Multimorbidität aus, so dass gerade für diese Patienten die angenommene Mobilität nicht zutreffe. Es werde auch das Patientenwahlrecht gestärkt. Nach Beginn der Dialysepflichtigkeit müsse der Behandler nicht gewechselt werden. Die Möglichkeit einer Zweigpraxis liege ausdrücklich unterhalb der Schwelle einer Versorgungsnotwendigkeit schon bei einer Versorgungsverbesserung. Die Zumutbarkeit sei daher das falsche Kriterium.

Der Prozessbevollmächtigte der Gemeinschaftspraxis erklärte unter dem Datum vom 18.09.2008 gegenüber der Geschäftsstelle des Zulassungs- und Berufungsausschusses, entsprechend deren Bitte bestehe aus Vereinfachungsgründen Einverständnis damit, dass das Widerspruchsverfahren unter dem Namen nur eines der Mitglieder der Gemeinschaftspraxis fortgeführt werde.

Der Beklagte beteiligte mit Beschluss die beiden weiteren Mitglieder der Gemeinschaftspraxis.

Die Beigeladene zu 1) teilte unter Datum vom 06.03.2009 mit, sie lehne weiterhin eine Genehmigung ab. Eine Berufsausübungsgemeinschaft aus E-Stadt, KV E-Kreis, habe bereits einen ähnlichen Antrag beim Zulassungsausschuss in Hessen für eine Zweigpraxisgenehmigung in OY. und F-Stadt gestellt. Es habe sich um vorher ausgelagerte Praxisstätten zur Limited-Care-Dialysebehandlungen gehandelt. Der Zulassungsausschuss habe die Anträge abgelehnt. Im Verfahren vor dem Berufungsausschuss sei dem Antrag für OY. stattgegeben worden, zur Erbringung vertragsärztlicher Leistungen eingeschränkt für Patienten, deren Wohnsitz innerhalb von 10 km Luftlinie von der Ortsmitte von OY. liege. Der Antrag für F-Stadt sei abgelehnt worden. Ferner legte sie aktualisierte Zahlen bezüglich des Planungsbereichs und der Versorgung vor.

Der Beklagte gab mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2009, dem Kläger am 14.04 zugestellt, dem Widerspruch teilweise statt. Er ermächtigte die Gemeinschaftspraxis zur Aufnahme einer weiteren Tätigkeit im Rahmen einer Filiale gemäß § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV im Dialysezentrum C-Stadt, C-Straße, Kreis AO ... Die Ermächtigung schränkte er dahingehend ein, dass im Rahmen dieser Filiale lediglich Patienten behandelt werden können, die bereits durch dieses Dialysezentrum im Rahmen einer Dialyse versorgt werden. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück. Der Umfang der erteilten Ermächtigung gewährleiste im Rahmen der kontinuierlichen Dialyse eine weitgehende, bereits durch die entsprechenden Leistungsziffern abgedeckte nephrologische Versorgung durch die dialysierenden Ärzte. Es erscheine nicht angezeigt, diese Patienten bezüglich der weitergehenden Leistungen auf andere Leistungsanbieter zu verweisen. Eine Kollision mit den Dialyserichtlinien sei ausgeschlossen, da die Gemeinschaftspraxis bereits über eine Genehmigung zur Durchführung der Dialyse verfüge. Bei den übrigen Patienten handele es sich um Patienten mit präterminaler Niereninsuffizienz. Angesichts der Entfernungen von C-Stadt zu niedergelassenen Nephrologen in D-Stadt und AL. mit Entfernungen von 17 km bzw. 19 km liege eine ausreichende und auch noch zumutbare Versorgungsmöglichkeit vor. Auch liege der Hauptsitz der Gemeinschaftspraxis in A-Stadt lediglich 15 km entfernt von C-Stadt. Soweit es um eine Zweigpraxisgenehmigung in einem benachbarten Planungsbereich gehe, könne auch eine solche Versorgungssituation berücksichtigt werden. Allein auf den Gesichtspunkt einer leichteren Erreichbarkeit sei nicht abzustellen. Ansonsten müsste eine Ermächtigung bereits deshalb erteilt werden, weil der zu ermächtigende Arzt räumlich näher zum potenziellen Patienten liege als ein niedergelassener Arzt, dessen Praxissitz zwar noch in zumutbarer Entfernung liege, aber weiter entfernt sei als die Praxis des Arztes, dessen Ermächtigung zu prüfen sei.

Hiergegen hat der Kläger am 11.05.2009 die Klage erhoben. Er trägt vor, es gehe um Patienten mit fortgeschrittenen Nierenerkrankungen, die aller Voraussicht nach früher oder später dialysepflichtig würden. Die nephrologische Betreuung einer Zweigpraxis solle insbesondere die Abklärung erhöhter Nierenwerte, die Ursachenfindung, untersuchungstechnisch die Abdomensonografie, den Einsatz des Duplex/Doppler, der retroperitonealen Gefäße (Nierenarterien) und die Sonografie der Nebenschilddrüse bei Patienten mit präterminaler Niereninsuffizienz sowie die Betreuung der Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz umfassen. Bei diesen Patienten sei eine regelmäßige fachärztliche nephrologische Betreuung notwendig, die mehrmals im Quartal und vor erstmaliger Aufnahme der Dialysebehandlung bis hin zum wöchentlichen Rhythmus erfolgen müsse. Diese Patientengruppe sei aufgrund ihres Alters und ihre multimorbiden Krankheitsbildes wesentlich weniger mobil als der "normale" internistische Patient. Der Altersschnitt liege bei Beginn der Dialyse mittlerweile bei 70 Jahren. Zudem hätten 30 bis 40 % der nierenerkrankten Patienten Diabetes mellitus, über 70 % litten an Hypertonie. Häufig kämen weitere Erkrankungen wie schwere generalisierte Gefäßerkrankungen, z.B. auch der Beine, hinzu. Die Hälfte der über 75-jährigen Personen lebe in Ein-Personen-Haushalten, ca. 15 % lebten in Pflegeheimen. D.h., es seien überwiegend keine Lebenspartner vorhanden, die diese Patienten in die Arztpraxis fahren könnten. In der Verkürzung der Fahrzeiten liege eine Verbesserung der Versorgung. Auf bedarfsplanungsrechtliche Aspekte und Zumutbarkeitsgesichtspunkte komme es nicht an. Abzustellen sei nicht auf Entfernungskilometer, sondern auf die tatsächlichen Fahrzeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Fahrzeit von C-Stadt nach D-Stadt betrage zwischen 55 Minuten und 1:29 Stunden. Hinzu kämen noch die Wege zur Haltestelle. Die Wege von C-Stadt zum XYer MVZ lägen zwischen 1:01 und 1:39 Stunden. Mehrmaliges Umsteigen sei erforderlich. Dialysepatienten müssten schon aus medizinischen Gründen möglichst wohnortnah dialysiert werden. Bei Antritt der Dialysepflichtigkeit müssten die Patienten aus C-Stadt den Arzt wechseln. Die Zweigpraxisgenehmigung könne auch einer Gemeinschaftspraxis erteilt werden.

Der Kläger beantragt,
den Beschluss vom 11.03.2009 insoweit aufzuheben, als dass durch diesen Beschluss sein Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 24.06.2008 abgelehnt wurde und die Berufsausübungsgemeinschaft gemäß § 24 Abs. 3 S. 3 i. V. mit § 24 Abs. 3 S. 1 Ärzte-ZV uneingeschränkt zur Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in der Zweigpraxis C-Stadt, C-Straße, zu ermächtigen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, der Kläger verkenne den Regelungsgehalt des § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Ärzte-ZV. Angesichts der nephrologischen Versorgung im Planungsbereich und in der Umgebung von C-Stadt trete durch die begehrte weitere Ermächtigung keine Verbesserung der Versorgung ein. Patienten mit Nierenerkrankungen – auch im präterminalen Stadium – würden in der Regel von ihren Hausärzten und ggf. fachärztlichen Internisten betreut werden, die in qualitativer Hinsicht mehr als ausreichend im Planungsbereich vorhanden seien. Eine derartige Regelversorgung entspreche dem Gebot der wohnortnahen Versorgung und auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Werde ein konsiliarischer Rat eines Spezialisten benötigt, könne diese Beratung durch die niedergelassenen Nephrologen erfolgen. Ein Arztwechsel bei Verschlechterung des Gesundheitszustandes sei im Rahmen eines abgestuften vertragsärztlichen Versorgungssystems ein regelmäßig vorkommender Vorgang, der systemimmanent zu einem mehrstufig aufgebauten ambulanten Versorgungssystem gehöre. Es würde einen Verstoß gegen die Grundsätze dieses Systems bedeuten, wenn im Interesse der Kontinuität der Patientenbetreuung bereits zu Beginn der Versorgungsnotwendigkeit das Niveau des Spezialisten mit dem Argument betreten würde, andernfalls käme es evtl. zu einem Beziehungsbruch mit dem behandelnden Arzt. Maßgeblich sei lediglich die Frage, ob die Versorgung durch einen Nephrologen notwendig sei. Er stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, dass die Regelversorgung durch Hausärzte und fachärztliche Internisten grundsätzlich als ausreichend anzusehen sei. Die fachliche Beratung durch einen Spezialisten dürfte nicht regelmäßig erforderlich werden, sondern nur zu konkreten einzelnen Fragestellungen. Der Patient müsse dann auch nicht regelmäßig die Entfernung von 17 bzw. 19 km zur nächsten nephrologischen Praxis zurücklegen, sondern nur dann, wenn der kontinuierlich behandelnde Hausarzt bzw. fachärztliche Internist dieser konsiliarischen Beratung bedürfe. Dies werde sich regelhaft auf einige wenige Patienten mit einer überschaubaren Anzahl von Vorstellungsterminen beschränken, so dass entgegen dem klägerischen Vortrag auch keine Unzumutbarkeit eintreten werde. Er gehe davon aus, dass Dr. A. stellvertretend für seine Kollegen tätig geworden sei. Demgemäß habe nicht nur er eine Ermächtigung erhalten, soweit dem Begehren gefolgt worden sei, sondern auch dessen Kollegen. Streitgegenständlich seien damit sowohl der Wunsch des Dr. A. nach einer Erweiterung der ihm zugestanden Ermächtigung wie auch die gleich gelagerten Interessen der beiden anderen Partner der Gemeinschaftspraxis. Demgemäß wäre folgerichtig, als Klagegegenstand eine Ausweitung der Ermächtigung für alle drei Partner der Gemeinschaftspraxis anzusehen. Er gehe davon aus, dass Zweigpraxisgenehmigungen nur einzelnen zugelassenen Vertragsärzten genehmigt werden könnten, nicht aber einer Gemeinschaftspraxis, erscheine die beschriebene Lösung als am interessengerechtesten.

Die Beigeladene zu 1) bis 7) beantragen,
die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene zu 8) hat keinen Antrag gestellt.

Die Beigeladene zu 1) ist der Auffassung, die Versorgung sei durch die bereits vorhandenen Leistungserbringer sichergestellt. Sie schließt sich den Ausführungen des Beklagten im Übrigen an.

Die übrigen Beigeladenen haben sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 13.05.2009 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer Vertreterin der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie einer Vertreterin der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Sie konnte dies trotz Ausbleibens des Beigeladenen zu 8) tun, weil dieser ordnungsgemäß geladen wurde.

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Soweit Zweigpraxisgenehmigungen Berufsausübungsgemeinschaften und nicht ihren einzelnen Mitgliedern zu erteilen sind, kann ein Mitglied dennoch auf Genehmigung für die Berufsausübungsgemeinschaft Klage erheben. Dem steht nicht entgegen, dass § 24 Ärzte-ZV nur den "Vertragsarzt" betrifft und § 1 Abs. 3 Ärzte-ZV keine ausdrückliche Analogieregelung für Berufsausübungsgemeinschaften vorsieht. Die Berufsausübungsgemeinschaft erbringt als Gemeinschaftspraxis die Leistungen einheitlich. Dies gilt sowohl für die am Hauptsitz als am Sitz der Zweigpraxis erbrachten Leistungen. Auch sind die Voraussetzungen wie z. B. die ordnungsgemäße Versorgung am Vertragsarztsitz (§ 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Ärzte-ZV) für die Gemeinschaftspraxis und nicht in Bezug auf ein einzelnes Mitglied zu prüfen. Es handelt sich insofern auch nicht um eine höchstpersönliche, an besondere Qualifikationen gebundene Genehmigung. Hierauf aufbauend gehen auch die Bundesmantelverträge davon aus, dass der Gemeinschaftspraxis die Genehmigung zu erteilen ist. So regelt § 15a BMV-Ä/EKV-Ä die gemeinsame Berufsausübung und für diese ausdrücklich die Genehmigung von Nebenbetriebsstätten (§ 15a Satz 3 und 10 BMV-Ä/EKV-Ä).

Aus dem Gebührenrecht nach § 46 Ärzte-ZV kann schon begrifflich keine andere Rechtsauslegung folgen. Vielmehr folgt das Gebührenrecht grundsätzlich den materiell-rechtlichen Vorgaben. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass bei Widersprüchen von Berufsausübungsgemeinschaften die Widerspruchsgebühr von jedem Mitglied anfalle, so liegt es näher, unter "Arzt" i.S.d. § 46 Ärzte-ZV nicht nur den einzelnen Arzt, sondern auch die Berufsausübungsgemeinschaft mit mehreren Ärzten als einem Leistungserbringer i.S.d. § 95 Abs. 1 SGB zu fassen, worauf auch die neuere Rechtsprechung zur Teilrechtsfähigkeit einer BGB-Gesellschaft hindeutet.

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Beklagten vom 11.03.2009 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf uneingeschränkte Ermächtigung gemäß § 24 Abs. 3 S. 3 i. V. mit § 24 Abs. 3 S. 1 Ärzte-ZV zur Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in der Zweigpraxis C Stadt, C-Straße.

Der angefochtene Beschluss des Beklagten vom 11.03.2009 ist rechtmäßig.

Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt (Vertragsarztsitz). Der Vertragsarzt muss am Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten. Er hat seine Wohnung so zu wählen, dass er für die zahnärztliche Versorgung der Versicherten an seinem Vertragsarztsitz zur Verfügung steht. Vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten sind zulässig, wenn und soweit
1. dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und
2. die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Sofern die weiteren Orte im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung liegen, in der der Vertragsarzt Mitglied ist, hat er bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 Anspruch auf vorherige Genehmigung durch seine Kassenärztliche Vereinigung (§ 24 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 u. 2 Ärzte-ZV i.d.F. d. VÄndG).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es fehlt an einer Versorgungsverbesserung. Die Versorgung der Versicherten an dem weiteren Ort wird nicht verbessert.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, erfordert im Gegensatz zu Ermächtigungen und Sonderbedarfszulassungen die Erteilung der Zweigpraxisgenehmigung nicht zwingend das Bestehen einer ausgleichsbedürftigen Versorgungslücke, sondern lediglich eine "Verbesserung" der Versorgung. Unabhängig davon, was konkret unter einer "Verbesserung" der Versorgung zu verstehen ist, ist dieser Begriff jedenfalls nicht in dem Sinne auszulegen, dass er eine - den Anforderungen an Ermächtigungen und Sonderbedarfszulassungen vergleichbare - Bedarfsprüfung erfordert. Außer Zweifel steht allein, dass die Genehmigung einer Zweigpraxis im Falle von Unterversorgung stets eine Verbesserung darstellt. In überversorgten Planungsbereichen gilt, dass ungeachtet der damit verbundenen Erweiterung der Möglichkeiten der Arztwahl nicht bereits das bloße Hinzutreten eines weiteren Behandlers eine Verbesserung der Versorgung darstellt; dies folgt bereits daraus, dass es andernfalls der einschränkenden Voraussetzung "Verbesserung" nicht bedurft hätte. Es ist im Übrigen nicht Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung bzw. der Zulassungsgremien, die Versorgung der Versicherten in der Weise zu optimieren, dass sie in jedem Ort bzw. Ortsteil die Auswahl zwischen mindestens zwei am Ort praktizierenden Vertragsärzten haben; auch ein entsprechender Anspruch der Versicherten besteht ungeachtet der in § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V verbrieften Arztwahlfreiheit nicht. Auch das mit der Tätigkeit weiterer Leistungserbringer verbundene erhöhte Leistungsangebot stellt per se noch keine Verbesserung dar, sofern die betroffenen Leistungen bereits am Ort angeboten werden. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es vielmehr, dass das bestehende Leistungsangebot zum Vorteil für die Versicherten in qualitativer - unter bestimmten Umständen aber auch in quantitativer - Hinsicht erweitert wird. Dem entspricht jedenfalls im Kern die in Rechtsprechung und Schrifttum vertretene Auffassung, welche eine Verbesserung ("wenigstens") dann als gegeben ansieht, wenn eine "Bedarfslücke" besteht, die zwar nicht unbedingt geschlossen werden muss, die aber nachhaltig eine durch Angebot oder Erreichbarkeit veränderte und im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung verbesserte Versorgungssituation. Allerdings erweckt diese Auffassung durch das Abstellen auf eine "Bedarfslücke" den - unzutreffenden - Eindruck, dass Bedarfsplanungsgesichtspunkte zu berücksichtigen sind; sachgerecht ist es, den Begriff "Bedarfslücke" durch den Begriff "qualifizierte Versorgungsverbesserung" zu ersetzen. Bei der Prüfung einer Versorgungsverbesserung ist - anders als bei der Bedarfsplanung - nicht auf den Planungsbereich abzustellen, sondern auf den "weiteren Ort", an dem die Zweigpraxis betrieben werden soll. Eine Versorgungsverbesserung dürfte in erster Linie bei einer qualitativen Veränderung des Leistungsangebots gegeben sein. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der in der Zweigpraxis tätige Vertragsarzt im Vergleich zu den bereits vor Ort tätigen Ärzten über andere Abrechnungsgenehmigungen nach § 135 Abs 2 SGB V verfügt oder ein differenzierteres Leistungsspektrum anbietet; ebenso kommt dies in Betracht, wenn er eine besondere Untersuchungs- oder Behandlungsmethode anbietet, die etwa besonders schonend ist oder bessere Diagnoseergebnisse liefert. Unter gewissen Umständen kann sich auch eine lediglich quantitative Erweiterung des bestehenden Versorgungsangebots als Verbesserung im Sinne des § 24 Abs 3 Ärzte-ZV darstellen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn durch das erhöhte Leistungsangebot Wartezeiten verringert werden, die - etwa wegen einer ungleichmäßigen Verteilung der Leistungserbringer im Planungsbereich - bei den bereits vor Ort niedergelassenen Ärzten bestehen. Als Versorgungsverbesserung können auch besondere organisatorische Maßnahmen angesehen werden, wie etwa das Angebot von Abend- und Wochenendsprechstunden. Im Einzelfall - allerdings wohl nur bei größeren "weiteren Orten" im Sinne des § 24 Abs 3 Ärzte-ZV - kann dies auch im Falle einer besseren Erreichbarkeit des Filialarztes. Letztlich wird auch bei diesen "quantitativen" Veränderungen - jedenfalls aus Sicht der Patienten - die Qualität der Versorgung verbessert. Welches Ausmaß die Verbesserungen haben müssen, ob ihnen also ein gewisses Gewicht zukommen muss, etwa Wartezeiten deutlich reduziert werden müssen, lässt sich nicht abstrakt abschließend beurteilen. Sicherlich reichen weder minimale, für die Versicherten kaum spürbare ("kosmetische") Veränderungen, noch dürfen umgekehrt die Anforderungen so hoch gespannt werden, dass der beabsichtigte Zweck einer Förderung der Filialtätigkeit verfehlt würde; dies wäre der Fall, wenn die an eine Zweigpraxisgenehmigung gestellten Anforderungen denen der "Erforderlichkeit" nach altem Rechtszustand entsprächen. Innerhalb dieser Grenzen unterfällt die Entscheidung letztlich dem Beurteilungsspielraum der Kassenärztlichen Vereinigungen bzw. der Zulassungsgremien (vgl. BSG, Urt. v. 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - juris Rdnr. - 35 und 47 bis 54).

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt keine Versorgungsverbesserung vor. Die von dem Kläger angebotenen Leistungen werden im Planungsbereich und im Einzugsbereich der Stadt C-Stadt in ausreichendem Maße erbracht. Die Beigeladene zu 1) hat, was sich der Beklagte zu eigen gemacht hat, darauf hingewiesen, dass es im Planungsbereich das Medizinische Versorgungszentrums für Nieren- und Hochdruckkrankheiten‚ AL. GmbH, gibt, in dem zwei angestellte Ärzte im Bereich der Nephrologie tätig sind. Das MVZ hat seinen Sitz in AL., dass ca. 19 km von C-Stadt entfernt liegt und in ca. 20 Minuten erreichbar ist. Eine Nephrologin und ein Facharzt für Allgemeinmedizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie sind in D-Stadt vertragsärztlich tätig. D-Stadt liegt ca. 17 km von C-Stadt entfernt und ist in ca. 20 Minuten Fahrzeit zu erreichen. Diese Behandler verfügen noch über freie Kapazitäten, Wartezeiten bestehen nicht. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Berufsausübungsgemeinschaft andere Leistungen erbringen will oder über ein spezifisches Versorgungskonzept verfügen würde. Im Hinblick auf die genannten Entfernungen und Wegezeiten ist es auch den Versicherten aus C-Stadt mit fortgeschrittenen Nierenerkrankungen, die aller Voraussicht nach früher oder später dialysepflichtig werden, zumutbar, die Praxen in AL. oder D-Stadt aufzusuchen. Dem steht der Hinweis des Klägers auf das Alter und die Multimorbidität dieser Patienten nicht entgegen.

Es ist nicht Sinn und Zweck der durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz eingeführten Möglichkeit der Errichtung einer Zweigpraxis, u. a. die Flexibilisierung der ärztlichen Tätigkeit und gerade auch die Einführung von Wettbewerbsmöglichkeiten zu eröffnen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs zum Vertragsarztrechtsänderungsgesetz soll die durch den 107. Deutschen Ärztetag 2004 vorgenommene Lockerung der Bindung des Arztes an seinen Vertragsarztsitz nur soweit nachvollzogen werden, als dies mit der "spezifischen Pflicht eines Vertragsarztes, die vertragsärztliche Versorgung an seinem Vertragsarztsitz zu gewährleisten (vgl. § 95 Abs. 1 Satz 4 und Absatz 3 SGB V i. V. m. den Regelungen zur regionalen Bedarfsplanung), vereinbar" ist. (vgl. BT-Drs. 16/2474, S. 29). Aus Sicht des Gesetzgebers zeichnete sich in den letzten Jahren immer deutlicher ab, dass insbesondere in den neuen Ländern in bestimmten Regionen (Planungsbereichen) oder Teilen hiervon kurz- und mittelfristig die Gefahr regionaler Versorgungslücken besteht, zu deren Behebung die bisherigen Instrumente des Vertragsarztrechts (Sicherstellungsverpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung, von Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenkassen gemeinsam finanzierte Sicherstellungszuschläge in unterversorgten Planungsbereichen) ergänzt werden müssten. Deshalb seien neben der (durch den u. a. 107. Deutsche Ärztetag 2004 in Bremen erfolgten) Flexibilisierung und Liberalisierung der vertragsärztlichen Berufsausübung sowohl auf der individuellen Arztebene zielgebundene Erleichterungen notwendig. In diesem Zusammenhang nennt die Gesetzesbegründung ausdrücklich die Zweigpraxen (vgl. BT-Drs. 16/2474, S. 15). Soweit damit auch eine Liberalisierung des Vertragsarztrechts intendiert worden sein sollte (vgl. zur Problematik Wenner, GesR 2009, S. 505 ff., 506 f.), hat sich dies nur sehr begrenzt im Wortlaut des § 24 Ärzte-ZV niedergeschlagen. Mit dem Tatbestandsmerkmal der Versorgungsverbesserung ("dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert") stellt der Gesetzgeber ausschließlich auf Versorgungsgesichtspunkte ab, also ausschließlich auf quantitative und/oder qualitative Aspekte der Versorgung der Versicherten und damit nicht primär auf verbesserte "Marktchancen" des einzelnen Vertragsarztes, sondern allenfalls sekundär für den Fall, dass eine Versorgungslücke vorliegen sollte bzw. nach der Terminologie des Bundessozialgerichts eine "qualifizierte Versorgungsverbesserung" (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 10.02.2009 – S 12 KA 824/09 –www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris).

Von daher war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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