L 7 SO 16/06 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 14 SO 157/05 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 SO 16/06 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 23. Januar 2006 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, mit dem Antragsteller eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung für die restliche Zeit des Jahres 2006 gemäß dessen Angebot vom 28. Dezember 2005 abzuschließen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller zwei Drittel seiner außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, mit ihm eine Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung für das Jahr 2006 gemäß dessen Angebot vom 28. Dezember 2005 abzuschließen, hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, über das Angebot des Antragstellers vom 3. August 2005 zu verhandeln und zu entscheiden.

Der Antragsteller betreibt als freier Träger eine Beratungsstelle in A-Stadt, die im Jahre 2005 mit einer diplomierten Sozialarbeiterin und einer diplomierten Sozialpädagogin besetzt war. Zu ihrem Leistungsangebot gehört u. a. die persönliche Beratung und Unterstützung von Sozialhilfeberechtigten bei der Sicherung des Lebensunterhaltes und in besonderen Lebenslagen. Die Zuwendungsfinanzierung des Antragstellers durch die Antragsgegnerin endete mit Ablauf des Jahres 2004.

Mit Schreiben vom 3. August 2005 unterbreitete der Antragsteller der Antragsgegnerin ein Angebot zum Abschluss einer Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für 2005/2006. Darin beschrieb er näher die Leistungen, die Leistungsmerkmale (zwei Diplom-Sozialarbeiter/Pädagogen in Teilzeitarbeit, Beratungsstelle in gemieteten gut erreichbaren Räumlichkeiten mit Telefon, PC und Literatur) und die Vergütung.

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2005 lehnte die Antragsgegnerin das Angebot ab, weil kein Bedarf bestehe.

Den am 8. November 2005 beim Sozialgericht Wiesbaden (SG) eingegangenen und unter dem 28. Dezember 2005 -im Hinblick auf ein detailliertes ausgearbeitetes Vereinbarungsangebot vom gleichen Tage -modifizierten Antrag, die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, mit dem Antragsteller eine Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung für 2006 gemäß dessen Angebot vom 28. Dezember 2005 abzuschließen, hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, über das Angebot des Antragstellers vom 3. August 2005 zu verhandeln und zu entscheiden, hat das SG durch Beschluss vom 23. Januar 2006 abgelehnt. Unzulässig sei der Antrag, soweit der Antragsteller bereits jetzt den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung begehre, weil es ohne Durchführung des gesetzlich vorgesehenen Schiedsverfahrens am Rechtsschutzbedürfnis fehle (Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 20. Juni 2005 - L 7 SO 2/05 ER). Darüber hinaus sei der Antrag zulässig. Das schiedsgerichtliche Verfahren sei nach der Bezugnahme in § 77 Abs. 1 S. 2 SGB XII auf § 76 Abs. 2 SGB XII allein im Hinblick auf den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung vorgreiflich, nicht aber für den Abschluss von Leistungs- und Prüfungsvereinbarungen im Sinne von § 75 Abs. 3 Nr. 1 und 3 SGB XII.

Soweit der Antragsteller den Abschluss einer Leistungs- und Prüfungsvereinbarung begehre, fehle es sowohl am Anordnungsgrund als auch am Anordnungsanspruch. Von einem Anordnungsgrund könne nicht ausgegangen werden, weil aus dem Vortrag des Antragstellers nicht ersichtlich sei, dass dieser in eine besondere Notlage geraten könnte, falls die von ihm begehrte einstweilige Anordnung nicht sofort erlassen werde. Eine derartige besondere Notlage könne im Falle einer Existenzgefährdung oder beim Drohen anderer schwerwiegender, nachträglich nicht reparabler Nachteile gegeben sein. Derartige Umstände seien hier nicht erkennbar. Alleine die Tatsache, dass der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin keine Kosten abrechnen könne, bevor es zu einem Abschluss einer Vereinbarung gekommen sei, begründe keine besondere Eilbedürftigkeit. Einen akuten Finanzbedarf, der allein durch Vergütungen aufgrund der angestrebten Vereinbarungen beseitigt werden könnte, habe der Antragsteller nicht dargelegt.

Auch ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Der Abschluss von Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII stehe im Ermessen des Leistungsträgers. Die Ermessensausübung habe sich -neben der Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes- an den Kriterien des § 75 Abs. 3 S. 2 SGB XII zu orientieren. Erforderlich seien demnach Leistungsfähigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit bei der Leistungserbringung. Diese Kriterien bezögen sich nur auf den Leistungserbringer und nicht -wie die Antragsgegnerin anzunehmen scheine- auf die Tätigkeit des Leistungsträgers. Andere Kriterien dürfe der Leistungsträger in seine Ermessensentscheidung nicht einfließen lassen, insbesondere nicht, ob ein entsprechender Bedarf vorliege. Solche Bedarfsgesichtspunkte könnten zur Verweigerung eines Vertragsabschlusses nicht herangezogen werden. Dem Vortrag des Antragstellers seien keine Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null zu entnehmen. Die Antragsgegnerin habe sich zur Ablehnung eines Vertragsabschlusses zwar vorliegend ausschließlich auf Bedarfsgesichtspunkte bezogen, doch könne aus der unzureichenden Begründung der Ablehnung eines Vertragsabschlusses nicht gefolgert werden, dass eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege und es der Antragsgegnerin verwehrt wäre, bei Vornahme ermessensfehlerfreie Erwägungen einen Vertragsabschluss rechtmäßig zu verweigern.

Auch der Hilfsantrag habe keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin habe den Abschluss von Vereinbarungen kategorisch ausgeschlossen. Stehe somit die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Abschluss einer Vereinbarung endgültig abzulehnen, fest, kämen ergebnisoffene Verhandlungen zum Abschluss von Vereinbarungen nicht in Betracht. Bei dieser Sachlage sei nicht erkennbar, welches schutzwürdige Interesse der Antragsteller für einen auf Aufnahme von Verhandlungen gerichteten Antrag haben sollte.

Gegen diese ihm am 25. Januar 2006 zugestellte Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner am 15. Februar 2006 eingegangenen Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 17. Februar 2006).

Zur Begründung führt der Antragsteller im Wesentlichen aus: Hinsichtlich des Anordnungsgrundes hänge das SG "die Trauben entschieden zu hoch". § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verlange eine wesentliche Erschwernis für die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers beziehungsweise eine Abwendung wesentlicher Nachteile. Solche lägen vor dem Hintergrund, dass er sich auf das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Artikel 12 Grundgesetz (GG) berufen könne und dieses beeinträchtigt sei, vor. Außerdem habe er gerade auch den vom SG geforderten akuten Finanzierungsbedarf. Nachdem er 2005 seine beiden angestellten Mitarbeiterinnen habe kündigen müssen, habe er zum Jahresbeginn wieder eine "Halbtags-Mitarbeiterin" eingestellt, deren Personalkosten für 2006 sich auf 23.779 EUR belaufen würden. Diese würden in Höhe von 15.000 EUR gedeckt aufgrund eines zum Jahresbeginn abgeschlossenen Kooperationsvertrages mit dem Sozialdienst katholischer Frauen, so dass noch eine ungedeckte Finanzierungslücke von 8.779 EUR bestehe, für welche die Vergütungen aufgrund der angestrebten Vereinbarungen benötigt würden und die Sachkosten von circa 5.000 EUR könnten durch noch vorhandenen Rücklagen in etwa gleichem Umfang aufgebracht werden. Bezüglich des Anordnungsanspruchs gehe das SG zwar von einer fehlerhaften Ermessensbetätigung aus, verneine jedoch eine Ermessensreduzierung auf Null, ohne einen erkennbaren Ermessensspielraum erkennen zu lassen und ohne dass dafür in der Begründung der Antragsgegnerin und des SG der "Hauch eines Indiz" spürbar sei. Das sei schlechterdings nicht nachvollziehbar. Erst recht unverständlich sei die Verneinung der Begründetheit des Hilfsantrags. Das SG gestehe der Antragsgegnerin unbesehen zu, die Aufnahme von Verhandlungen willkürlich abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 23. Januar 2006 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, mit dem Antragsteller eine Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung für 2006 gemäß dessen Angebot vom 28. Dezember 2005 abzuschließen,
hilfsweise,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, über das Angebot des Antragstellers vom 28. Dezember 2005 zu verhandeln und zu entscheiden.

Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie führt aus: Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) müsse, wenn eine den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechende Vereinbarung nicht zu erreichen sei, der Sozialhilfeträger den Abschluss einer Vereinbarung verweigern. Zwar habe der Berichterstatter des Senats in einem anderen Verfahren die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Antragsteller "bereits seit 20 Jahren" im Geltungsbereich einschlägiger Vereinbarungen gemäß § 93 BSHG tätig gewesen sei. Angesichts des Umstandes, dass die "Halbtags-Mitarbeiterin", die von dem Antragsteller 2006 eingestellt worden sei, zu mehr als 3/5 für Angelegenheiten des Sozialdienstes katholischer Frauen zur Verfügung stehen müsse, frage er sich indes, wie sich der Antragsteller eine leistungsfähige Beratungsarbeit vorstelle. Die Annahme des Berichterstatters, dass der Antragsteller ein geeigneter Träger im Sinne von § 75 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 und 3 SGB XII sei, erscheine vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt.

Der Antragsteller hat hierauf erwidert, dass die Antragsgegnerin fast 20 Jahre lang keine Zweifel an der Eignung des Antragstellers gehabt habe, sondern ihm auch noch nach Auslaufen der Zuwendungsfinanzierung Ende 2004 ein Angebot gemacht habe, eine Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung mit dem Inhalt Budgetberatung für SGB II-Berechtigte abzuschließen, welches von dem Antragsteller in der vorgeschlagenen Form habe abgelehnt werden müssen, weil er dann Erfüllungsgehilfe der Antragsgegnerin geworden wäre und seine Freiheit sowie Satzungsziele hätte aufgeben müssen.

Die Antragsgegnerin verweist demgegenüber darauf, dass der Versuch, Anfang 2005 mit dem Antragsteller eine Budgetberatung einzurichten, nach monatelangen Verhandlungen kurz vor Abschluss völlig überraschend mit deren Abbruch geendet habe. Auch ein von ihr unterbreiteten Kompromissvorschlag, die Budgetberatung unter den ansonsten gemeinsam ausgearbeiteten Bedingungen wenigstens für die Dauer von sechs Monaten auszuführen, habe der Antragsteller damals abgelehnt, und dies vor dem Hintergrund und in Kenntnis des Umstandes, dass mit keinem anderen Träger Verhandlungen zur Budgetberatung geführt worden seien und dieses im Gesetz institutionalisierte Instrument dann W. Bürgern auf unabsehbare Zeit nicht zur Verfügung stehen würde. Nach alledem sei nicht zu erkennen, dass es sich bei dem Antragsteller um einen geeigneten und zuverlässigen Partner handele.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Akten der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zum überwiegenden Teil begründet. Das SG hat es zu Unrecht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung für 2006 mit dem Antragsteller abzuschließen. Soweit es das SG abgelehnt hat, die Antragsgegnerin zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung zu verpflichten, besteht diese Entscheidung indes zu Recht.

Nach § 86 b Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach S. 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden solle sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt voraus, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet.

Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. etwa Beschluss vom 29. Juni 2005 -L 7 AS 1/05 ER -und Beschluss vom 6. Januar 2006 – L 7 AS 87/05 ER; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86 b, Rdnrn. 27 und 29 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden.

Sowohl Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen. Diese Glaubhaftmachung ist bereits hinsichtlich eines Anordnungsanspruchs nicht erfolgt.

Nach § 75 Abs. 2 SGB XII sollen die Träger der Sozialhilfe zur Erfüllung der Aufgaben der Sozialhilfe eigene Einrichtungen nicht neu geschaffen, soweit geeignete Einrichtungen anderer Träger vorhanden sind, ausgebaut oder geschaffen werden können. Vereinbarungen nach Abs. 3 dieser Vorschrift sind nur mit Trägern von Einrichtungen abzuschließen, die insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit und der Sicherstellung der Grundsätze des § 9 Abs. 1 SGB XII zur Erbringung der Leistungen geeignet sind. Sind Einrichtungen vorhanden, die in gleichem Maße geeignet sind, hat der Träger der Sozialhilfe Vereinbarungen vorrangig mit Trägern abzuschließen, deren Vergütung bei vergleichbarem Inhalt, Umfang und Qualität der Leistung nicht höher ist als die anderer Träger. § 75 Abs. 3 SGB XII bestimmt für den Fall, dass die Leistung von einer Einrichtung erbracht wird, der Träger der Sozialhilfe zur Übernahme der Vergütung für die Leistung nur verpflichtet ist, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband eine Vereinbarung über
1. Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Leistungsvereinbarung),
2. die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzt (Vergütungsvereinbarung) und
3. die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Prüfungsvereinbarung) besteht. Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen, wobei der Träger der Sozialhilfe die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistung prüfen kann. Die Vereinbarungen sind vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum (Vereinbarungszeitraum) abzuschließen; nachträgliche Ausgleiche sind nicht zulässig (§ 77 Abs. 1 S. 1 SGB XII). § 76 Abs. 2 SGB XII spezifiziert die Vergütungen. Kommt eine Vereinbarung nach dieser Vorschrift innerhalb von sechs Wochen nicht zustande, nachdem eine Partei schriftlich zu Verhandlungen aufgefordert hat, entscheidet die Schiedsstelle nach § 80 SGB XII auf Antrag einer Partei unverzüglich über die Gegenstände, über die keine Einigung erreicht werden konnte (§ 77 Abs. 1 S. 2 SGB XII). Gemäß § 77 Abs. 2 SGB XII treten Vereinbarungen und Schiedsstellenentscheidungen zu dem darin bestimmten Zeitpunkt in Kraft. Wird ein Zeitpunkt nicht bestimmt, werden Vereinbarungen mit dem Tag ihres Abschlusses, Festsetzungen der Schiedsstelle mit dem Tag wirksam, an denen der Antrag bei der Schiedsstelle eingegangen ist.

Zu Recht hat das SG zunächst die Unzulässigkeit des Antrags des Antragstellers insoweit angenommen, als dieser bereits vor Durchführung des Schiedsverfahrens den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung begehrt. Insoweit fehlt es -wie der Senat mit Beschluss vom 20. Juni 2005 (L 7 SO 2/05 ER ) ausgeführt hat -am Rechtsschutzbedürfnis, was die Zurückweisung der Beschwerde zur Folge hat. Der Hinweis des Antragstellers, die Antragsgegnerin lehne generell den Abschluss jeglicher Vereinbarung ab und wende sich nicht speziell gegen die Vergütungsvereinbarung ändert daran nichts. Wenn dem so wäre, würde die Antragsgegnerin schon ohne Durchführung des Schiedsverfahrens auf Grund ihrer Verpflichtung zum Abschluss von Leistungsvereinbarung und Prüfungsvereinbarung sich der Vergütungsvereinbarung nicht widersetzen. Dann vermag sich der Antragsteller erst recht nicht auf ein Rechtsschutzbedürfnis berufen.

Im Übrigen geht der Senat – namentlich im Hinblick auf einen Beschluss der Schiedsstelle EZ. vom 16. November 2005 (18 c 05 – 03/05) mit dem SG von der Zulässigkeit des Antrags aus, weil – wie die Schiedsstelle ausgeführt hat Voraussetzung eines Tätigwerdens der Schiedsstelle das Vorhandensein einer Leistungsvereinbarung ist.

Soweit der Antrag zulässig ist, hat der Antragsteller in Bezug auf die begehrte Verpflichtung der Antragsgegnerin einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Regelung des § 75 SGB XII ist zu entnehmen, dass der Abschluss von Vereinbarungen im Sinne des Abs. 3 dieser Vorschrift im Ermessen der Antragsgegnerin steht. Dafür spricht auch die bereits vom SG zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 30. September 1993 -5 C 41.91 -BVerwGE 94, 202) zu den vergleichbaren früheren Regelungen der §§ 93 ff. BSHG. Eine Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung käme bei dieser Sach- und Rechtslage nur in Betracht, wenn -wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 20. Juni 2005 (L 7 SO 2/05 ER) ausgeführt hat -von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen, also nur eine Entscheidung im Sinne des Begehrens des Antragstellers rechtmäßig wäre. Davon ist bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anzustellenden summarischen Beurteilung auszugehen.

Festzustellen ist zunächst, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 26. Oktober 2005 offensichtlich rechtswidrig ist. Sie hat das Angebot des Antragstellers abgelehnt, weil kein Bedarf bestünde. Damit hat sich die Antragsgegnerin auf Gründe berufen, die in die Ermessensentscheidung nicht einfließen dürfen. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (a.a.O.) zu § 93 BSHG, der der Senat auch in Bezug auf § 75 SGB XII folgt, dürfen andere Kriterien als Leistungsfähigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit bei der Leistungserbringung bei der Entscheidung über den Abschluss der in dieser Vorschrift vorgesehenen Vereinbarungen keine Rolle spielen. Vor allem sind Bedarfsgesichtspunkte kein Maßstab.

Auch im weiteren Verfahren hat die Antragsgegnerin keine überzeugenden Umstände benannt, welche die Leistungsfähigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit des Antragstellers bei der Leistungserbringung ernsthaft in Frage stellen. Wären solche vorhanden, so hätte sie sich bereits vor dem SG darauf berufen; tatsächlich hat sie dort aber ebenfalls nur dargelegt, dass kein Bedarf für eine Zusammenarbeit mit dem Antragsteller bestehe. Vor diesem Hintergrund ist den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gesichtspunkten kein besonderes Gewicht beizumessen. Dass Anfang 2005 die Gespräche mit dem Antragsteller nicht zu einem Abschluss geführt haben, spricht ebenso wenig gegen seine Eignung, was Leistungsfähigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit anbetrifft, wie der Umstand, dass die Beratungsstelle des Antragstellers – nicht zuletzt wegen der Weigerung der Antragsgegnerin, die angestrebten Vereinbarungen abzuschließen – lediglich mit einer "Halbtags-Mitarbeiterin", nach glaubhafter Angabe des Antragstellers einer Diplom-Sozialpädagogin, besetzt ist. Die Leistungsfähigkeit des Antragstellers findet seinen Ausdruck u. a. in dem von ihm unterbreiteten Vereinbarungsangebot vom 28. Dezember 2005, das hinsichtlich des Personals von Fachpersonal (Dipl.-Sozialarbeiter oder verwandte Berufe) ausgeht und auf die (konsiliarische) Mitarbeit eines Juristen setzt. Schließlich ist zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass dieser in der Tat -wie es der Berichterstatter nach Angaben der Antragsgegnerin ausgedrückt hat -"bereits seit 20 Jahren im Geltungsbereich einschlägiger Vereinbarungen gemäß § 93 BSHG tätig" gewesen ist. Wenn – wie vorliegend – von der Antragsgegnerin keine durchgreifenden konkreten Punkte dargelegt werden, warum dies nicht mehr der Fall ist, ist die Schlussfolgerung, dass es sich bei dem Antragsteller um einen geeigneten Träger im Sinne von § 75 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 und 3 SGB XII handelt, sehr wohl berechtigt. Dass dessen Bevollmächtigter in ihren Augen ein "problematischer" Verhandlungspartner ist, weil dieser sich laut ihrem Schriftsatz vom 14. Juli 2006 in Eil- und Klageverfahren zunehmend auf Kosten der Antragsgegnerin "profiliert", macht den Antragsteller möglicherweise schwierig, berechtigt jedoch nicht dazu, ihm die Eignung bzw. Leistungsfähigkeit abzusprechen.

Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Vor dem Hintergrund, dass derzeit nicht nur der Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Oktober 2005 wegen mangelhafter Ermessensausübung rechtswidrig ist, sondern offensichtlich auch eine Ermessensreduzierung auf Null und damit ein Anordnungsanspruch vorliegt, sind an den Anordnungsgrund nur geringe Anforderungen zu stellen. Bei dieser Sach- und Rechtslage ist dem Antragsteller ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten, vielmehr hält der Senat den (zutreffenden) Hinweis des Antragstellers, ihm drohe ein Rechtsverlust, weil ihm mangels einer Vereinbarung die Abrechnung geleisteter Dienste nicht möglich sei und die Vereinbarungen vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode abzuschließen seien, für ausreichend.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts stützt sich auf § 197a SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 2 und 3, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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