L 6 U 53/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 U 48/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 53/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall.

Der am. 1958 geborene, hauptberuflich als selbstständiger Beratungs-stellenleiter eines Lohnsteuerhilfevereins tätige Kläger bekleidete seinerzeit als Mitglied des Rates der Stadt S ein öffentlich-rechtliches Ehrenamt, für das er eine nicht der Bestreitung des laufenden Lebensunterhaltes dienende monatliche Aufwandsent-schädigung erhielt. Am 14. Mai 2004 kam es zu einem Fußballspiel zwischen einer Mannschaft der Stadt, der außer dem Kläger weitere Stadträte, der Oberbürgermeister der Stadt S , dessen Stellvertreter sowie mehrere städtische Amtsleiter und Be-schäftigte angehörten, und einer Mannschaft der Stadtwerke S GmbH. Während des Spiels knickte der Kläger beim Zweikampf um den Ball um und zog sich hierbei nach der gutachtlichen Bewertung der Fachärzte für Orthopädie Dres. S und T einen Riss der linken Achillessehne zu (Gutachten vom 22. Juni 2006).

Zur Teilnahme der Stadt-Mannschaft an dem Fußballspiel war es wie folgt gekommen: Mit Schreiben vom 26. April 2004 hatte sich der Oberbürgermeister der Stadt S an die Fraktionen des Stadtrates gewandt sowie u.a. mitgeteilt:

"Die Stadtwerke S haben die Initiative ergriffen und die Stadt S zu einem freundschaftlichen Fußballvergleich aufgerufen. Dieser soll am 14. Mai 2004, 16.00 Uhr, auf dem Sportplatz in der G Straße stattfinden. Vorgesehen ist ein Spiel auf dem Großfeld, so dass für eine Mannschaft mindestens 15 Spieler besser noch ein paar mehr benötigt werden. Bei diesem Spiel soll der Spaßcharakter überwiegen, ohne jedoch den sportlichen Teil unter den Tisch fallen zu lassen. Da in der Vergangenheit bei ähnlichen Anlässen sportbegeisterte Interessierte aus den Fraktionen das jeweilige sportliche Team der Stadt mitgeprägt haben, wäre es schön, wenn auch zu diesem Ereignis sich Interessenten aus den Fraktionen bereitfinden könnten.”

Dem Schreiben war ein Plakat beigefügt worden, das die Ankündigung enthielt: "Sten-dal World Championship 2004, 14. Mai 2004 ab 16.00 Uhr Sportplatz G Straße, S. Es spielt eine Auswahl der Energiegiganten Stadtwerke S , avacon, SWM (Städtische Werke M ) gegen eine Auswahl der Stadt S. Für das leibliche Wohl der Spieler und aller Fans ist gesorgt!” Am 13. Mai 2004 war der Kläger von einem Mitarbeiter des Sportamtes der Stadt S gefragt worden, ob er am Spiel teilnehme. Aus Pressemitteilungen vom 17. Mai 2004 war u.a. hervorgegangen, dass das Freundschaftsspiel vom Vorsitzenden der Be-triebssportgemeinschaft der Stadtwerke GmbH organisiert wurde und beide Mann-schaften dem Wunsch der Energieversorger nachgekommen seien, sich auf diesem Wege näher kennenzulernen sowie ihr Verhältnis zu stärken.

Mit Bescheid vom 27. Juli 2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab, da der Kläger während seiner Teilnahme am Fußballspiel nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Zwischen der Mit-wirkung am Spiel und seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Stadtrat habe lediglich ein loser Zusammenhang bestanden, vordergründig sei der Spaßcharakter des Spiels ge-wesen. Der Stadtrat habe auch keinen Beschluss über die Teilnahme seiner Mitglieder am Spiel gefasst. Leistungen seien daher nicht zu erbringen.

Zur Begründung des hiergegen am 25. August 2004 erhobenen Widerspruchs vertrat der Kläger die Ansicht, seine Tätigkeit als Stadtrat sei sehr wohl in direktem Zusam-menhang zu dem Fußballspiel zu sehen, was der Oberbürgermeister in einem Ge-spräch bestätigt habe.

Dieser wandte sich mit einem Schreiben vom 2. September 2004 an die Beklagte und verwies darauf, dass es nicht üblich sei, für entsprechende Veranstaltungen einen Stadtratsbeschluss zu fassen. Bei dem Spiel habe es sich um einen freundschaftlichen Wettbewerb zwischen der Stadt und den Stadtwerken gehandelt, bei dem die Stadt nach offizieller Einladung durch ihn sowie u.a. den Kläger würdig vertreten worden sei. Der Spaßcharakter habe auch nicht überwogen, denn der Kläger habe für das Spiel seine Freizeit geopfert und sei in der Annahme das Risiko eines Unfalls eingegangen, hierbei (gesetzlich) unfallversichert zu sein. Das Fußballspiel sei als betriebliche Ge-meinschaftsveranstaltung zu verstehen, das allen Mitarbeitern der Stadt S und den Stadtratsmitgliedern offen gestanden habe und dessen Durchführung von der Stadt mitgetragen worden sei.

Im Schreiben vom 6. April 2005 bekräftigte der Kläger seine Auffassung, als gewählter Volksvertreter auch immer im Auftrag des Wählers und des Rates unterwegs zu sein.

Mit am 7. Juli 2005 abgesandten Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2005 wies die Be-klagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das Spiel habe weder einen gemein-nützigen Charakter aufgewiesen noch der Werbung bzw. Repräsentation der Stadt gedient. Auch sei nicht zu erkennen, dass mit ihm der Kontakt zu den Bürgern habe gepflegt werden sollen. Vielmehr sei dem Einladungsschreiben des Oberbürgermeis-ters vom 26. April 2004 sowie den Presseartikeln zu entnehmen, dass der Spaß an erster Stelle gestanden habe bzw. die Stadtwerke mit ihm den Wunsch verfolgt hätten, sich auf diesem Wege näher kennenzulernen.

Am 8. August 2005 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Stendal mit dem Antrag, das Ereignis vom 14. Mai 2004 als Arbeitsunfall anzuerkennen, Klage erhoben und geltend gemacht: Bereits mit Schreiben vom 2. September 2004 habe der Oberbür-germeister klargestellt, dass er im Auftrag der Stadt Stendal am Fußballspiel teilge-nommen habe. Auf einen Stadtratsbeschluss komme es insoweit ebenso wenig an wie darauf, dass Fußballspielen auch Spaß mache.

Mit Urteil vom 23. Januar 2006 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Ein Arbeitsunfall liege deshalb nicht vor, weil die Teilnahme des Klägers am Fußballspiel nicht wesentlich im sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit als ehrenamtliches Stadtratsmitglied gestanden habe. In der Mannschaft des Klägers hätten nicht lediglich Stadtratsmitglieder mitgespielt, sondern bei ihr habe es sich um eine solche der Stadt im Allgemeinen gehandelt, wodurch die Repräsentationsfunktion deutlich abgeschwächt worden sei. Zwar sei das Spiel durch Plakate öffentlich angekündigt gewesen. Die Öffentlichkeit habe hierdurch im Vorfeld jedoch nicht erkennen können, dass in der Stadtmannschaft Fraktionsmitglieder mit-spielen würden. Ebenso sei aus den Vorinformationen sowie insbesondere dem Einla-dungsschreiben des Oberbürgermeisters vom 26. April 2004 nicht hervorgegangen, dass mit dem Spiel ein bestimmter Zweck, wie etwa ein Benefizmotiv, habe verfolgt werden sollen, der über das bloße Spiel als solches hinausgegangen sei. Der Ober-bürgermeister habe vielmehr nur von einem Spaßcharakter gesprochen. Ob für einen Versicherungsschutz ein Stadtratsbeschluss zu fordern sei, könne dahingestellt blei-ben. Die allgemeine Bitte des Oberbürgermeisters stelle jedenfalls keine ausreichende Grundlage zur Vermittlung des sachlichen Zusammenhangs dar.

Gegen das am 17. März 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. April 2006 Beru-fung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt, an seiner Meinung festgehal-ten und neben der Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall die Verurteilung zur Ge-währung von Leistungen beantragt. Er sei davon ausgegangen, dass seine Mitwirkung am Spiel repräsentativen Charakter gehabt und der Stadt gedient habe. Es sei nicht hinnehmbar, ständig darüber nachdenken zu müssen, ob seine ehrenamtliche Tätigkeit, auch und gerade wenn sie nicht in Sitzungen stattfinde, der Stadt dienlich sei. Ergän-zend hat der Kläger vorgetragen, dass es vor dem Fußballspiel zwischen den Stadtrats-fraktionen deswegen zu erheblichen Kontroversen gekommen sei, weil die Mehrheit der Mitglieder des Stadtrates für einen Verkauf von städtischen Anteilen an der Stadtwerke GmbH gestimmt habe. Im Rahmen der diesem Beschluss vorausgegangenen Beratun-gen seien heftige Auseinandersetzungen aufgetreten, die durch die Presse gegangen und bei denen auch Mitarbeiter der Stadtwerke GmbH angegriffen worden seien. Die Spannungen seien insbesondere auf diejenigen Stadträte übergegangen, die als Mit-glieder des Aufsichtsrates der Stadtwerke GmbH tätig gewesen seien. Um diese Ausei-nandersetzungen beizulegen und wieder für Vertrauen zu werben, sei das Spiel ange-setzt worden.

Der Kläger beantragt seinem Vorbringen nach,

das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 23. Januar 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2005 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall vom 14. Mai 2004 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG im Ergebnis für richtig. Werde der Argumentation des Klä-gers gefolgt, führe dies zu einer Sonderstellung einer Gruppe von ehrenamtlich Täti-gen, die im Gesetz keine Stütze finde. Den Vorankündigungen des Fußballspiels sei kein Hinweis auf eventuelle Streitigkeiten des Stadtrats im Vorfeld zu entnehmen.

Auf Anforderung des Senats hat der Kläger Pressemitteilungen vom 6., 10., 11. und 12. Juli 2002 vorgelegt. Hieraus geht u.a. hervor, dass der Rat der Stadt S in seiner Sitzung am 11. Juli 2002 den Verkauf von 74,9 Prozent städtischer Anteile an der Stadtwerke GmbH an die avacon und die SWM mit den Stimmen der Fraktionen der CDU, der FDP, des Zentrums, der Bündnisgrünen sowie des Oberbürgermeisters und eines SPD-Abgeordneten gegen die Voten der SPD- und PDS-Fraktionen, deren Mitglieder der Sitzung ferngeblieben waren, zugestimmt hatte. In der Stadtratssitzung vom 20. Juni 2002 hatte ein solcher Beschluss dagegen noch keine Mehrheit gefun-den.

Schließlich hat der Senat von der Stadt S Unterlagen über verschiedene Stadtrats-sitzungen beigezogen: So wurde in der Sitzung am 23. August 2001 der Beschluss über den Eintritt in Vertragsverhandlungen über den Anteilsverkauf mit der avacon so-wie den SWM gefasst. Das Protokoll der Sitzung vom 20. Juni 2002 weist die Ableh-nung der Beschlussvorlage zum Verkauf mit 19 Ja-Stimmen bei ebenso vielen Gegen-stimmen und einer Stimmenthaltung aus. Am 11. Juli 2002 wurde der Verkauf der Ka-pitalanteile an der Stadtwerke S GmbH mit 21 Ja-Stimmen einstimmig beschlos-sen. Dem Protokoll der Sitzung vom 25. Oktober 2004 ist zu entnehmen, dass sich eine Stadträtin der PDS-Fraktion nach dem Versicherungsschutz der Ratsmitglieder während der Ausübung ihres Ehrenamtes im Hinblick auf die Teilnahme an Veranstal-tungen erkundigt hatte. In seiner dazu erstellten schriftlichen Antwort vom 16. Novem-ber 2004 hatte der Oberbürgermeister ausgeführt, Voraussetzung des Schutzes in der gesetzlichen Unfallversicherung sei das Vorliegen eines unmittelbaren Zusammen-hangs zwischen der jeweiligen Tätigkeit und der Ausübung des ehrenamtlichen Man-dats. Demnach seien z.B. der Besuch eines Wohltätigkeitsballs, einer allgemeinen Fortbildung oder die Durchführung von Sportveranstaltungen nicht versichert, so dass derartige Risiken über eine private Unfallversicherung abgesichert werden sollten. Aus dem Protokoll vom 11. Juli 2005 geht hervor, dass der Kläger über den Ablehnungsbe-scheid der Beklagten informiert war und angeregt hatte, bereits vor einer Teilnahme an einer Veranstaltung zu klären, ob hierfür Versicherungsschutz bestehe.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhand-lung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteilig-ten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrens-weise einverstanden erklärt haben.

Die nach § 143 SGG statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das SG hat die Klage zu-treffend abgewiesen. Hierbei legt der Senat bei sinnentsprechender Auslegung des klägerischen Vorbringens (§ 123 SGG) den ursprünglichen Antrag als weiterhin ge-wollt, weil sachdienlich, zugrunde. Denn eine kombinierte Anfechtungs- und Feststel-lungsklage nach den §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG wird dem Rechts-schutzanliegen des Klägers am besten gerecht. Zwar hat er im Berufungsschriftsatz auch die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen erstrebt, insoweit jedoch schon keinen konkreten Anspruch aus dem Spektrum der gesetzlichen Unfall-versicherung (z.B. Verletztengeld, Verletztenrente) geltend gemacht. Demnach geht es ihm in erster Linie um die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall und ersichtlich nicht um die Verfolgung eines – unzulässigen – unbestimmten Leistungsbegehrens (vgl. näher hierzu BSG, Urteil vom 15. Februar 2005 – B 2 U 1/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Dies gilt umso mehr, als auch ein Feststellungsausspruch unmittelbare Folge-wirkungen begründen würde (etwa Heilbehandlungsanspruch).

Der Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 6. Juli 2005 ist nicht zu beanstanden und beschwert den Kläger daher nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Denn bei dem Unfall vom 14. Mai 2004 handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzli-che Unfallversicherung (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versiche-rungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tä-tigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereig-nisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall ist danach in der Regel erfor-derlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls seiner versicherten Haupttätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher bzw. innerer Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfaller-eignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dieses Unfallereignis einen Gesundheitserst-schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (siehe nur BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 14; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17; Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 18 oder Urteil vom 4. September 2007 – B 2 U 24/06 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 24, m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger ist im Rahmen seiner Tätig-keit als Stadtrat zwar grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 erste Variante SGB VII (in der hier noch anwendbaren und bis zum 31. Dezember 2004 gültigen Fassung vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254; nunmehr § 2 Abs. 1 Nr. 10 a) erste Variante SGB VII) versichert. Der am 14. Mai 2004 erlittene Riss der linken Achillessehne, der nach den Darlegungen der Dres. S und T mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Wesentli-chen durch das im Rahmen des Fußballspiels geschehene Umknicken verursacht wor-den ist, stellt auch einen Unfall dar. Dieser Unfall ist jedoch deshalb kein Arbeitsunfall, weil es am sachlichen Zusammenhang zwischen ihm und der versicherten Haupttätig-keit des Klägers fehlt. Ein solcher lässt sich weder im Hinblick auf den Versicherungs-schutz des Klägers als ehrenamtlich Tätiger nach § 2 Abs 1 Nr. 10 erste Variante SGB VII (nachfolgend unter 1.) noch nach den Grundsätzen eines versicherten Betriebs-sports bzw. einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung (hierzu unter 2.) herstel-len. Dass die Teilnahme des Klägers am Fußballspiel einen Zusammenhang mit seiner Fraktionstätigkeit aufweist, hat er selbst nicht behauptet noch liegen dafür sonst ir-gendwelche Anhaltspunkte vor. Ein diesbezüglicher Versicherungsschutz nach § 3 SGB VII, der überdies in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungs-Berufsgenossen-schaft (VBG) fiele (vgl. §§ 121 Abs. 1, 133 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 33 der Satzung der VBG; abrufbar unter: www.vbg.de), kommt damit von vornherein nicht in Betracht.

1. Die Teilnahme des Klägers am Fußballspiel als unfallbringende Verrichtung stand nicht in einem rechtlich wesentlichen sachlichen Zusammenhang mit seiner nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 erste Variante SGB VII versicherten Tätigkeit als ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats von Stendal. Zwar mag sie hierdurch mit motiviert gewesen sein. Allein dies reicht für den sachlichen Zusammenhang im Rahmen des § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII jedoch nicht aus. Die sachliche Verknüpfung zwischen dem Unfallgeschehen und dem Kernbereich der den Unfallversicherungsschutz begründenden Haupttätigkeit wird durch die Handlungstendenz nur indiziert (BSG, Urteil vom 10. Oktober 2002 – B 2 U 14/02 R – juris, m.w.N.). Wie auch sonst kommt es zusätzlich darauf an, ob die Vorstel-lungen des Versicherten durch die objektiven Umständen gestützt werden (siehe etwa BSG, Urteil vom 20. März 2007 – B 2 U 19/06 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 23). Abgese-hen davon existiert im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung – mit Ausnahme von § 10 SGB VII – gerade kein Versicherungsschutz "rund um die Uhr". Vielmehr ist nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (Unfälle "infolge" der versicherten Tätig-keit) stets maßgeblich, ob die jeweilige Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicher-ten Haupttätigkeit zuzurechnen ist (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2008 – B 2 U 31/07 R – juris).

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 erste Variante SGB VII) sind kraft Gesetzes Personen versi-chert, die für Körperschaften des öffentlichen Rechts ehrenamtlich tätig sind. Ehren-amtliche Tätigkeit ist ein Unterfall der unentgeltlichen Tätigkeit und setzt neben dieser einen bestimmten, qualifizierten Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbe-reich der öffentlich-rechtlichen Körperschaft voraus, innerhalb dessen die ehrenamtli-che Tätigkeit für die Körperschaft ausgeübt werden muss. Wenn dieser in Bezug auf die fragliche Verrichtung nicht bereits gesetz- oder satzungsmäßig von vornherein festgelegt ist, bedarf es eines besonderen Zuordnungsgrundes zwischen der jeweiligen Verrichtung und der Ausübung des ehrenamtlichen Mandats im Sinne eines gesamt-bezogenen eigenständigen Aktes der Körperschaft (BSG, Urteil vom 10. Oktober 2002, a.a.O.; Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 45/03 RSozR 4-2700 § 2 Nr. 2). Eh-renamtlich wird demnach derjenige tätig, der entweder einen ausdrücklichen oder ei-nen stillschweigenden Auftrag zum Tätigwerden erhalten hat. Ein stillschweigender Auftrag setzt einen klaren Zuordnungsgrund zum Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich der öffentlich-rechtlichen Körperschaft sowie deren erkennbare Bereitschaft voraus, den Einzelnen demgemäß zu beauftragen. Wie das BSG im zuvor genannten Urteil ausgeführt hat, ist außerdem erforderlich, dass die betroffene Verrich-tung bzw. Veranstaltung für die Körperschaft insgesamt bedeutsam sein muss; ein nur – auf einzelne Personen – beschränktes Interesse genügt nicht.

Übertragen auf den vorliegenden Sachverhalt war der Kläger in seiner Funktion als Ratsmitglied der Stadt Stendal als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft zwar grundsätzlich für diese sowie auch unentgeltlich im oben genannten Sinn tätig. Denn die ihm als Stadtratsmitglied zustehende Aufwandsentschädigung (vgl. § 42 Abs. 4 Gemeindeordnung Land Sachsen-Anhalt [GO LSA] in der hier noch anwendbaren und vom 1. Juli 1994 an gültigen Fassung, GVBl. 1993, 568) dient nicht der Bestreitung seines laufenden Lebensunterhaltes. Auch wenn die Teilnahme des Klägers am Fußballspiel vom 14. Mai 2004 dazu gedient haben mag, das Verhältnis zwischen der Stadtwerke GmbH und der Stadt zu stärken bzw. sich näher kennenzulernen, gehörte sie jedoch nicht zu seinem ausdrücklichen gesetzlichen Aufgabenbereich als Stadtrat. Denn der Gemeinderat ist die Vertretung der Einwohner, der als Hauptorgan der Ge-meinde die Ausführung seiner Beschlüsse überwacht. Dabei übt er sowohl Recht set-zende, verwaltende als auch kontrollierende Tätigkeit aus (§ 44 Abs. 1 und 2 Satz 2 GO LSA). Die Gemeinderäte haben an Sitzungen des Rates und der Ausschüsse, de-nen sie angehören, teilzunehmen (§ 52 Abs. 1 GO LSA). Sie üben ihr Amt nach dem Gesetz sowie nach ihrer freien, dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung aus und sind an Aufträge nicht gebunden (§ 42 Abs. 1 GO LSA). Vertretungs- und Repräsenta-tionsorgan der Gemeinde ist demgegenüber der Bürgermeister (§ 57 Abs. 2 GO LSA). Demnach kommen Gemeinderatsmitgliedern von Gesetzes wegen keine primären Repräsentationsfunktionen zu, sondern haben sie zuvörderst Kontrollaufgaben im Sin-ne einer Gewaltenteilung (ähnlich Bayerisches LSG, Urteil vom 11. Oktober 2006 – L 2 U 136/06 – juris sowie LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. Juli 2003 – L 17 U 216/02 – juris).

Auch unter dem Blickwinkel einer allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit lässt sich vorlie-gend kein Zuordnungsgrund zur ehrenamtlichen Tätigkeit des Klägers im Sinne eines stillschweigenden Auftrags feststellen. Objektive Gegebenheiten, nach denen er davon ausgehen durfte, eine Funktion als Repräsentant des Stadtrats werde durch seine Teil-nahme am Fußballspiel öffentlichkeitswirksam zum Ausdruck kommen und damit der Stadt Stendal dienlich sein, liegen nicht vor. So wies das Spiel – worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat – schon keinen über den freundschaftlichen Vergleich als solchen hinausgehenden und für die Stadt Stendal bedeutsamen gemeinnützigen Zweck auf, wie z.B. einen Benefizcharakter mit dem Anliegen, den etwaigen Erlös ei-ner städtischen Einrichtung zugute kommen zu lassen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt LSG Brandenburg, Urteil vom 28. Juli 2003 – L 7 U 76/01 – juris). Überdies bedarf es für die Annahme eines qualifizierten Aufgaben- und organisatorischen Verantwor-tungsbereichs der öffentlich-rechtlichen Körperschaft zumindest eines in irgendeiner Art und Weise erfolgten organisatorischen Tätigwerdens. Dafür sind hier keine ausrei-chenden Ansatzpunkte vorhanden. Die Stadt S hat sich nicht aktiv an der Vorberei-tung des Fußballspiels beteiligt, sondern lediglich dafür Sorge getragen, eine Mann-schaft für das Spiel bereitzustellen, das nach den Presseberichten vom 17. Mai 2004 vom Vorsitzenden der Betriebssportgemeinschaft der Stadtwerke GmbH organisiert wurde. Ihre einzige Initiative bestand also in einer Befragung, ob es mitwirkungsbereite Interessenten gebe. Ferner waren die Mitglieder des Stadtrates im Vorfeld nicht ir-gendwie gekennzeichnet oder angekündigt, so dass auch insoweit eine Verknüpfung des Spiels mit der Funktion des Stadtrats und damit auch die Teilnahme des Klägers daran in seiner Eigenschaft als Ratsmitglied nicht greifbar ist. Der Oberbürgermeister hatte schon in seinem Schreiben vom 26. April 2004 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Ratsmitglieder – neben anderen Personen – das städtische Team bei dem Spiel, dessen Spaßcharakter überwiege, nur mitprägen sollten. Nichts anderes gilt im Hin-blick auf die Durchführung des Spiels, bei der ein repräsentatives Tätigwerden des Klägers als ehrenamtlicher Mandatsträger schon deshalb nicht ersichtlich ist, weil die Stadtmannschaft nicht ausschließlich aus Gemeinderatsmitgliedern bestand. Auch un-ter Berücksichtigung der vom Kläger in der Berufung ergänzend vorgetragenen Argu-mentation ergibt sich keine andere Bewertung. Denn ein näherer Bezug zwischen dem Fußballspiel und den knapp zwei Jahre zuvor ausgetragenen (parteipolitischen) Diffe-renzen im Zusammenhang mit dem Verkauf städtischer Anteile an der Stadtwerke GmbH lässt sich weder den vorliegenden Pressemitteilungen noch den sonstigen bei-gezogenen Unterlagen und Protokollen entnehmen. Ebenso findet sich in den Stel-lungnahmen des Oberbürgermeisters nirgends eine objektive Bestätigung für den vom Kläger behaupteten Versöhnungshintergrund des Spiels.

2. Schließlich lässt sich ein Versicherungsschutz vorliegend auch nicht unter dem As-pekt eines versicherten Betriebssports bzw. einer betrieblichen Gemeinschaftsveran-staltung herleiten. Unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehender Betriebssport liegt nämlich nur vor, wenn der Sport Ausgleichs- und nicht Wettkampf-charakter hat, regelmäßig stattfindet, der Teilnehmerkreis im Wesentlichen auf Unter-nehmensangehörige beschränkt ist, Übungszeit und Übungsdauer im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen und der Sport unternehmensbezogen organisiert ist (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005 – B 2 U 29/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 16). Hier ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass ein Fußballspiel zwischen einer Mannschaft der Stadt S und der Stadtwerke GmbH in gewisser Regelmäßigkeit stattgefunden hat. Allein der Umstand, dass der Oberbürgermeister in seinem Schreiben vom 26. April 2004 ähnliche Anlässe aus der Vergangenheit erwähnte, reicht hierfür nicht aus. Abgesehen davon war das Spiel von der Stadt nicht (mit) organisiert worden (s.o). Für eine von ihr getragene betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung fehlt es an der objektivierten Zielsetzung, mit dem Fußballspiel die Verbundenheit aller städtischen Bediensteten untereinander und mit der Stadt zu fördern und zu pflegen. Denn ein sol-cher Zweck wird nicht erreicht, wenn aufgrund der Eigenart der Veranstaltung von vornherein absehbar ist, dass ein nennenswerter Teil der Belegschaft nicht teilnehmen wird. Dies trifft insbesondere auf eine Veranstaltung zu, die – wie hier – mit Gefahren verbunden ist, die erwarten lassen, dass eine nicht unerhebliche Anzahl der Eingela-denen von einer Teilnahme Abstand nehmen wird. Rein sportliche Gemeinschaftsver-anstaltungen sind demnach regelmäßig nicht versichert (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 2 U 47/03 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 11; Urteil vom 22. September 2009 – B 2 U 4/08 R – juris, m.w.N.).

Ist der Unfall vom 14. Mai 2004 nach alledem kein Arbeitsunfall, konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

gez. Eyrich gez. Dr. Ulrich gez. Boldt
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Aus
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