Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 4400/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 288/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Berufungsverfahrens, an das Sozialgericht Stuttgart zurückverwiesen.
Der Streitwert für dieses Berufungsverfahren wird auf EUR 3.997,80 festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich gegen die Aufhebung eines Bescheids über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Umlagen bis 31. Dezember 2005 nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) und seit 01. Januar 2006 nach dem Aufwendungsausgleichgesetz (AAG) nach § 131 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart (SG).
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die - unter anderem - mit Büroeinrichtungen und technischen Geräten handelt. Für sie war in der Zeit vom 01. Oktober 2004 bis zum 31. Dezember 2007 der bislang nicht zum Verfahren beigeladene G. B. (im Folgenden B.) tätig, er transportiere Möbel zu Kunden und montierte sie dort z.T. B. beantragte spätestens Ende 2005 bei der Beklagten, von der Versicherungspflicht als Selbstständiger mit nur einem Auftraggeber befreit zu werden. Er machte dort Angaben zu seiner Tätigkeit für die Klägerin, auf die verwiesen wird. Die Beklagte erließ gegenüber B. den Bescheid vom 07. November 2006, mit dem sie seinen Befreiungsantrag ablehnte und außerdem feststellte, dass er in seiner Tätigkeit für die Klägerin abhängig beschäftigt sei.
Die Beklagte führte bei der Klägerin im Oktober 2008 eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 durch. Hierbei wurde u.a. festgestellt, dass die Klägerin für B. keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen abgeführt hatte. Die Klägerin teilte über ihren Steuerberater der Beklagten mit Schreiben vom 09. Oktober 2006 mit, sie habe B. lediglich beauftragt, den Aufbau oder die Montage von Möbeln gelegentlich vorzunehmen. Das dafür notwendige Werkzeug habe er selbst stellen müssen. Auch Ersatzteile und Materialien, die das äußere Erscheinungsbild der Möbel nicht beeinträchtigt hätten, habe er selbst beschafft. Er habe sich lediglich nach den Wünschen und Begebenheiten der Möbelabnehmer gerichtet. Nur bei einigen Aufträgen für die amerikanischen Streitkräfte habe ein Mitarbeiter von ihr (der Klägerin) dabei sein müssen. Sie selbst sei auf den Handel spezialisiert und habe daher fremde, fachkundige Gewerbetreibende mit solchen Aufträgen betrauen müssen.
Mit Bescheid vom 31. Oktober 2008 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Nachforderung an Gesamtsozialversicherungsbeiträgen sowie Umlagen in Höhe von EUR 8.421,19 fest. Hiervon entfielen EUR 425,59 auf eine andere Mitarbeiterin; dieser Punkt ist nicht mehr in Streit. Die restlichen EUR 7.995,60 entfielen auf die Tätigkeit des B. für die Zeit vom 01. Oktober 2004 bis 31. Mai 2007. Hierzu führt der Prüfbescheid aus, B. habe 2000 ein Gewerbe zum Be- und Entladen von Lkw sowie für Kleintransporte angemeldet. Der Bescheid vom 07. November 2006, mit dem seine abhängige Beschäftigung festgestellt worden sei, sei auch der Klägerin übersandt worden. Der Steuerberater der Klägerin habe zwar bestritten, den Bescheid vom 07. November 2006 erhalten zu haben, und auch die Angaben des B. zu seiner Tätigkeit erheblich angezweifelt. Diesen Aussagen könne jedoch nicht gefolgt werden, da die Angaben des B. und seine Gewerbeanmeldung schlüssig und glaubhaft seien.
Die Klägerin erhob Widerspruch hinsichtlich der Nachforderung für B ... Die Beklagte sei in ihrem Bescheid vom 07. November 2006 davon ausgegangen, dass B. als Ladehilfe tätig sei. Dies sei nicht der Fall, was der Beklagten auch schon "beim teilweisen Bekanntwerden des Problems im Herbst 2007" mitgeteilt worden sei. Die Lieferungen seien direkt aus Spanien, Belgien oder England an die Abnehmer erfolgt. Eine Weisungsgebundenheit oder gar eine Eingebundenheit (des B.) in ihren Betrieb lasse sich an Hand der Angaben des B. in den Fragebögen vom 21. November 2005 und 09. Januar 2006 nicht nachvollziehen. Auch habe er durch Werbung mehrere - private - Kunden gewonnen. Seine Spezialwerkzeuge, Fachkenntnisse und seine steuerliche Beratung seien ein klares Indiz für einen vollständig eingerichteten Gewerbebetrieb und das Tragen von Unternehmerrisiken.
Unter dem 27. Januar 2009 schrieb die Beklagte B. unter der ihr bekannten deutschen Anschrift an und bat um Mitteilung, ob die Angaben der Klägerin zuträfen. Gegebenenfalls möge er seine Arbeiten genau schildern und angeben, warum er in den Fragebögen andere Angaben gemacht habe. Nachdem dieses Schreiben mit dem Postvermerk "unbekannt" zurückgelangt war, teilte die Landeshauptstadt Stuttgart - Bürgerbüro Stuttgart-Bad Cannstatt - der Beklagten auf Anfrage mit, B. sei zu einer unbekannten Anschrift in Polen abgemeldet.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2009). Nach den Angaben des B. in den beiden Fragebögen sei von einer Tätigkeit als Ladehilfe auszugehen. Die Angaben seien glaubhaft. Sie seien zeitnah ohne Zusammenhang zur jetzigen Betriebsprüfung erfolgt. Sie stimmten mit der Gewerbeanmeldung überein. Es sei nicht erkennbar, mit welchem Ziel B. falsche Angaben hätte machen sollen. Er habe sich keine Vorteile verschaffen können.
Die Klägerin erhob am 26. Juni 2009 Klage zum SG. B. sei nicht als Ladehilfe tätig gewesen, sondern ihr gegenüber als Unternehmer aufgetreten. Auf Grund seines unbekannten Aufenthalts lasse sich ihr Vortrag durch Nachfragen nicht entkräften.
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage von Verwaltungsakten (beim SG am 20. Juli 2009 eingegangen) entgegen. Selbst wenn B. Möbel aufgebaut haben sollte, so sei hierin keine selbstständige Tätigkeit zu erkennen. Da die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg als Verbindungsstelle für Polen die Möglichkeit habe, die Adresse in Erfahrung zu bringen, werde angeregt, dort anzufragen, damit B. direkt zum Sachverhalt gehört werden könne. Es könne auch bei der polnischen oder der letzten deutschen Krankenkasse die aktuelle Adresse bekannt sein.
Mit Schreiben vom 12. November 2009 teilte das SG den Beteiligten mit, da B. zur Zeit des Widerspruchsbescheids bereits im Ausland gewesen sei, hätte die Beklagte die - nunmehr - dem Gericht nahe gelegten Ermittlungen übernehmen müssen und können. Es sei beabsichtigt, eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG zu treffen. Die Beklagte trat dem entgegen. Es seien keine erheblichen Ermittlungen notwendig. Sie (die Beklagte) könnte die Befragung des B. nicht besser oder effizienter durchführen als das SG. Sie bot an, bei der Verbindungsstelle Polen selbst nach der Anschrift zu forschen, anschließend könne das SG ihn befragen.
Mit Gerichtsbescheid vom 18. Dezember 2009 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids auf. Es lägen die Voraussetzungen einer Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG vor. Hierüber habe auch durch Gerichtsbescheid entscheiden werden können. Die hierfür nötigen Voraussetzungen der Klärung des Sachverhalts und des Fehlens rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten bezögen sich hier auf die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG. Es liege in der Natur der Sache einer solchen Entscheidung, dass die Sache gerade nicht entscheidungsreif sei und weiterer Aufklärung bedürfe. Die in § 131 Abs. 5 Satz 4 SGG genannte Frist sei gewahrt, da die Verwaltungsakten am 09. September 2009 beim SG eingegangen seien. Zur weiteren Sachaufklärung sei die fallbezogene Anhörung des B. unbedingt erforderlich. Die Fragebögen seien sehr allgemein gehalten und reichten zur Feststellung der Beitragspflicht nicht aus. Die nachzuholenden Ermittlungen seien auch erheblich, da eine konkrete Befragung notwendig sei. Eine Entscheidung auf Grundlage eines nicht aktuellen Fragebogens genüge nicht dem Amtsermittlungsgrundsatz. Das Ausfindigmachen des B. stelle einen erheblichen Aufwand für das Gericht dar. Hinzu komme, dass die Beklagte über die Verbindungsstelle Polen mit B. leichter in Kontakt treten und die Informationen sehr viel schneller und kostensparender auswerten könne als das Gericht. Die Zurückverweisung sei auch sachdienlich, da die Beklagte die erforderlichen Ermittlungen nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung besser durchführen könne als das Gericht sowie möglicherweise nach Einholung der Auskunft ihren Rechtsstandpunkt ändern werde.
Am 18. Januar 2010 hat die Beklagte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG hätten nicht vorgelegen. Das Kriterium des erheblichen Umfangs sei nicht erfüllt. B. könne nur noch schriftlich oder im Wege der Amtshilfe befragt werden. Sie (die Beklagte) habe angeboten, über die Verbindungsstelle die aktuelle Adresse zu ermitteln. Eine sich daran anschließende schriftliche Befragung durch das SG dürfte nicht erheblich sein. Bei einem zu erhebenden Zeugenbeweis sei es auch nicht sachdienlich, dass die Verwaltung die erforderliche Ermittlung durchführe. Das Gericht habe die besseren Möglichkeiten durch Durchsetzung und eine Einvernahme unter Eid sei nur durch die Gerichte möglich. Zudem mache eine Vernehmung von Zeugen durch die Behörde eine erneute Vernehmung durch das Gericht nicht entbehrlich.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte stütze ihre Argumentation ausschließlich auf äußerst fragwürdige Unterlagen. Sie (die Klägerin) habe alle ihr möglichen Mittel ergriffen, um zur Klärung des Sachverhalts beizutragen. Dies scheine bei der Beklagten nicht der Fall gewesen zu sein.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis beider Beteiligter nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig und im Sinne der Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens an die erste Instanz auch begründet.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Diese Vorschrift kann erweiternd ausgelegt werden (BSG SozR 1500 § 159 Nr. 2). So kann sie z. B. entsprechend angewandt werden, wenn das Sozialgericht einen Verwaltungsakt zu Unrecht aus formellen Gründen bzw. ohne Sachentscheidung aufgehoben hat, der Klage also - wie hier - stattgegeben hat (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 159 Rn. 2b). Dies ist u. a. der Fall, wenn das Sozialgericht nach § 131 Abs. 5 SGG entschieden hat, die Voraussetzungen hierfür nach Ansicht des Berufungsgerichts aber nicht vorlagen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2009, L 4 R 1519/08, veröffentlicht in Juris, Rn. 18; Sächsisches LSG, Urteil vom 26. Oktober 2005, L 6 SB 34/05, veröffentlicht in Juris, Rn. 70). Die Zurückverweisung steht im Ermessen des Senats. Es ist zwischen dem Interesse der Beteiligten an einer raschen Sachentscheidung und dem Grundsatz der Prozessökonomie einerseits und dem Verlust einer Instanz andererseits abzuwägen. Der Senat übt das Ermessen dahin aus, dass der Rechtsstreit an das SG zurückverwiesen wird, weil das SG zu Unrecht in der Sache nicht entschieden hat und den Beteiligten damit eine Instanz verloren ginge.
1. Das SG hätte den Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2009 nicht aufheben und die Sache an die Verwaltung zurückverweisen dürfen. Eine Aufhebung im Ganzen kam ohnehin nicht in Betracht, nachdem die Klägerin die Nachforderung von EUR 425,59 hinsichtlich der anderen Mitarbeiterin akzeptiert und den Bescheid insoweit nicht angefochten hatte. Aber auch im Übrigen liegen hier die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG nicht vor.
a) Gemäß § 131 Abs. 5 Satz 1 und 4 SGG kann das Gericht binnen sechs Monaten seit Eingang der Behördenakten bei Gericht den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Die Anwendung dieser Vorschrift führt in den genannten Fällen zu einer vollständigen Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Behörde zum Zweck erneuter Ermittlungen und neuer Bescheiderteilung (grundlegend zum gesamten Komplex Sächsisches LSG, Urteil vom 26. Oktober 2005, L 6 SB 34/05, veröffentlicht in Juris, Rn. 24 ff.).
Die Vorschrift wurde durch Artikel 8 Nr. 1 des Ersten Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. August 2004 (BGBl. I, S. 2198 ff., 2205) mit Wirkung vom 01. September 2004 angefügt und gilt seit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444) mit Wirkung vom 01. April 2008 nunmehr auch für kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Sie lehnt sich nach den Motiven des Gesetzgebers unmittelbar an die bereits vorhandenen, fast wortgleichen Vorschriften des § 113 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie des § 100 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an und soll dem Gericht eine zeit- und kostenintensive Ermittlung ersparen, die eigentlich der Behörde obliegt, weil nach Beobachtungen der Praxis die erforderliche Sachverhaltsaufklärung von den Verwaltungsbehörden zum Teil unterlassen werde, was zu einer sachwidrigen Aufwandsverlagerung auf die Gerichte führe (BT-Drs. 15/1508, S. 29, BR-Drs. 378/03, S. 67). Die Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG enthält eine – grundsätzlich eng auszulegende – Ausnahme von dem Grundsatz, dass das Gericht selbst eine Sachentscheidung über eine zulässige Klage treffen muss (Keller, a.a.O., § 131 Rn. 20). In der Rechtsmittelinstanz ist die Frage, ob die drei Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG, nämlich noch erforderliche Ermittlungen, Erheblichkeit der Ermittlungen und Sachdienlichkeit der Zurückverweisung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten vorliegen, uneingeschränkt überprüfbar (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Juni 2006, L 4 SB 24/06, veröffentlicht in Juris, Rn. 26; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2009, L 4 R 1519/08, veröffentlicht in Juris, Rn. 22; Keller, a.a.O., Rn. 20).
b) Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lagen nicht vor. Zwar war die Sechs-Monats-Frist des § 131 Abs. 5 Satz 4 SGG eingehalten. Allerdings hat diese Frist nicht am 09. September 2009, wovon das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid ausgegangen ist, begonnen, sondern bereits am 20. Juli 2009. Mit dem an diesen Tag beim SG eingegangenen Schriftsatz vom 15. Juli 2009 hat die Beklagte Verwaltungsakten vorgelegt. Jedoch sind nach Auffassung des Senats weder die aus Sicht des SG erforderlichen Ermittlungen erheblich, noch ist die Aufhebung der angefochtenen Bescheide unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich.
aa) Die Erheblichkeit einer nachzuholenden Ermittlung kann sich aus Zeitdauer, Umfang und den personellen Möglichkeiten des Gerichts, aber auch aus besonders hohen Kosten ergeben (Keller, a.a.O., Rn. 19). Erheblich ist eine nachzuholende Ermittlung aber nur dann, wenn sie gegenüber den üblichen Ermittlungsmaßnahmen eines (Sozial)gerichts "aus dem Rahmen fällt". Deshalb gehört z. B. die Einholung eines Sachverständigengutachtens i.d.R. nicht dazu (Keller, a.a.O.). Auch die Anhörung Beteiligter und die Vernehmung von Zeugen ist hiernach nach Ansicht des Senats i.d.R. nicht erheblich. Sie gehört zu den typischen richterlichen Handlungen. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die anzuhörende Person im In- oder Ausland aufhält. Der Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland ist ebenfalls eine typische richterliche Tätigkeit. Jedenfalls bei einem Aufenthalt in einem Nachbarstaat Deutschlands und/oder einem Mitgliedsstaat der EU kann eine solche Anhörung bzw. Vernehmung sowohl in Deutschland als auch in dem jeweiligen ausländischen Staat durchgeführt werden, ohne dass dies einen Aufwand verursachen würde, der erheblich über dem Aufwand läge, der anfiele, wenn sich die Person in Deutschland aufhielte.
bb) Eine Aufhebung des angefochtenen Bescheids und die Zurückverweisung der Sache an die Verwaltung ist in der Regel dann sachdienlich, wenn die Behörde nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung die Ermittlungen besser als das Gericht durchführen kann und es auch unter übergeordneten Gesichtspunkten sachgerechter wäre, die Behörde tätig werden zu lassen (BSG, SozR 4-1500 § 131 Nr. 2). Dies ist hier nicht der Fall.
Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die Verweisung an die Beklagte ist bereits deshalb nicht sachdienlich, weil aufgrund der von der Beklagten unterlassenen Anhörung des B. kein zusätzlicher Aufwand für das SG entsteht. Das SG hat übersehen, dass B. - wie auch die übrigen die weitere betroffenen Sozialleistungsträger - nach § 75 Abs. 2 SGG zum Verfahren beizuladen ist. Denn gegenüber diesen kann die Entscheidung, ob Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung besteht, nur einheitlich ergehen (vgl. BSG, Urteil vom 15. Juli 2009 - B 12 KR 1/09 R -, veröffentlicht in Juris, Rn. 11). Da B. mithin Beteiligter des Rechtsstreites sein wird, kommt seine Vernehmung als Zeuge nicht in Betracht, sondern nur seine Anhörung als Beteiligter. Die Beiladung hat unabhängig von dem Umstand zu erfolgen, ob die Beklagte es zu Recht unterlassen hat, die vom SG für erforderlich gehaltenen Schritte zur Anhörung des B. vorzunehmen. Da er auch nach erfolgter Anhörung durch die Beklagte Beteiligter des Rechtsstreits sein wird, muss das SG bereits deshalb versuchen, B. die Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
Das SG hat auch mehr und bessere Möglichkeiten, B. nach seiner Beiladung zu dem Inhalt und der Ausgestaltung seiner Tätigkeit für die Klägerin anzuhören als die Beklagte. Die Anschriftenermittlung dürfte dem SG und der Beklagten den gleichen Aufwand verursachen, wobei sich die Beklagte schon bereit erklärt hat, diese Aufgabe zumindest bei der Verbindungsstelle Polen zu übernehmen. Anfragen bei einer deutschen Vertretung in Polen oder einer polnischen Behörde direkt, z. B. der von der Beklagten benannten polnischen Krankenkasse des B., sind beiden gleichermaßen möglich. Das gleiche gilt für eine dann ggfs. folgende schriftliche Anhörung. Nur das SG allerdings könnte B. zu einer mündlichen Anhörung nach Deutschland laden, entweder nach Stuttgart oder im Wege der - deutschen - Rechtshilfe nach § 5 Abs. 1 und 2 SGG - etwa an das Sozialgericht Frankfurt/Oder oder ein anderes grenznahes Sozial- oder notfalls Amtsgericht, wobei zwar die Ladung nach der EU-Zustellungsverordung (EuZVO) durch polnische Stellen zugestellt, das Erscheinen vor einem deutschen Gericht jedoch nicht durchgesetzt werden könnte. Ebenso kommt eine Anhörung durch eine deutsche Vertretung in Polen in Betracht (§ 5 Abs. 1 SGG).
Unabhängig davon ist nicht gewährleistet, dass eine - schriftliche - Anhörung des B. durch die Beklagte ausreicht. Der Unmittelbarkeitsgrundsatz gebietet, dass sich das erkennende Gericht grundsätzlich selbst ein Bild von der Person eines Angehörten oder Vernommenen macht, wenn es seine Entscheidung auf ihre Angaben stützten will. Sollte die Beklagte nach einer Anhörung an ihrer Entscheidung festhalten und es zu einem neuen Verfahren kommen, müsste B. möglicherweise erneut beigeladen und angehört werden. Diese Verzögerung ist zu vermeiden.
2. Da die Berufung schon aus Gründen des § 131 Abs. 5 SGG begründet ist, musste der Senat nicht entscheiden, ob das SG die angegriffene Entscheidung gerade durch Gerichtsbescheid hätte treffen dürfen, ob also die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 SGG vorlagen. Es mag sein, dass dies grundsätzlich möglich sein muss, allerdings müssen die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 SGG (u.a. keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art) vorliegen, was im vorliegenden Fall durchaus zweifelhaft sein könnte.
3. Da der Senat den Rechtsstreit an das SG zurückverwiesen hat, hat er davon abgesehen, die erforderlichen Beiladungen selbst vorzunehmen, zumal den Beizuladenden bei einer Antragstellung in diesem Berufungsverfahren Kosten hätten entstehen können.
4. Die Entscheidung über die Kosten dieses Berufungsverfahrens muss das SG im Rahmen der Endentscheidung treffen (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 5 f.), wobei nach § 197a SGG über die Kosten des Rechtsstreits im Ganzen zu entscheiden ist.
5. Die Festsetzung des Streitwerts für dieses Berufungsverfahren beruht auf §§ 63 Abs. 2 und 3, 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Der Senat hält es für angezeigt, für dieses Berufungsverfahren nur die Hälfte der in der Sache noch streitigen Forderung von EUR 7.995,60 festzusetzen, nachdem sich die Berufung nur gegen eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG gerichtet hat. Dies entspricht der Handhabung bei Bescheidungsklagen (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Mai 1996, L 5 KA 653/96 W-A, veröffentlicht in Juris).
6. Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Der Streitwert für dieses Berufungsverfahren wird auf EUR 3.997,80 festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich gegen die Aufhebung eines Bescheids über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Umlagen bis 31. Dezember 2005 nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) und seit 01. Januar 2006 nach dem Aufwendungsausgleichgesetz (AAG) nach § 131 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart (SG).
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die - unter anderem - mit Büroeinrichtungen und technischen Geräten handelt. Für sie war in der Zeit vom 01. Oktober 2004 bis zum 31. Dezember 2007 der bislang nicht zum Verfahren beigeladene G. B. (im Folgenden B.) tätig, er transportiere Möbel zu Kunden und montierte sie dort z.T. B. beantragte spätestens Ende 2005 bei der Beklagten, von der Versicherungspflicht als Selbstständiger mit nur einem Auftraggeber befreit zu werden. Er machte dort Angaben zu seiner Tätigkeit für die Klägerin, auf die verwiesen wird. Die Beklagte erließ gegenüber B. den Bescheid vom 07. November 2006, mit dem sie seinen Befreiungsantrag ablehnte und außerdem feststellte, dass er in seiner Tätigkeit für die Klägerin abhängig beschäftigt sei.
Die Beklagte führte bei der Klägerin im Oktober 2008 eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 durch. Hierbei wurde u.a. festgestellt, dass die Klägerin für B. keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen abgeführt hatte. Die Klägerin teilte über ihren Steuerberater der Beklagten mit Schreiben vom 09. Oktober 2006 mit, sie habe B. lediglich beauftragt, den Aufbau oder die Montage von Möbeln gelegentlich vorzunehmen. Das dafür notwendige Werkzeug habe er selbst stellen müssen. Auch Ersatzteile und Materialien, die das äußere Erscheinungsbild der Möbel nicht beeinträchtigt hätten, habe er selbst beschafft. Er habe sich lediglich nach den Wünschen und Begebenheiten der Möbelabnehmer gerichtet. Nur bei einigen Aufträgen für die amerikanischen Streitkräfte habe ein Mitarbeiter von ihr (der Klägerin) dabei sein müssen. Sie selbst sei auf den Handel spezialisiert und habe daher fremde, fachkundige Gewerbetreibende mit solchen Aufträgen betrauen müssen.
Mit Bescheid vom 31. Oktober 2008 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Nachforderung an Gesamtsozialversicherungsbeiträgen sowie Umlagen in Höhe von EUR 8.421,19 fest. Hiervon entfielen EUR 425,59 auf eine andere Mitarbeiterin; dieser Punkt ist nicht mehr in Streit. Die restlichen EUR 7.995,60 entfielen auf die Tätigkeit des B. für die Zeit vom 01. Oktober 2004 bis 31. Mai 2007. Hierzu führt der Prüfbescheid aus, B. habe 2000 ein Gewerbe zum Be- und Entladen von Lkw sowie für Kleintransporte angemeldet. Der Bescheid vom 07. November 2006, mit dem seine abhängige Beschäftigung festgestellt worden sei, sei auch der Klägerin übersandt worden. Der Steuerberater der Klägerin habe zwar bestritten, den Bescheid vom 07. November 2006 erhalten zu haben, und auch die Angaben des B. zu seiner Tätigkeit erheblich angezweifelt. Diesen Aussagen könne jedoch nicht gefolgt werden, da die Angaben des B. und seine Gewerbeanmeldung schlüssig und glaubhaft seien.
Die Klägerin erhob Widerspruch hinsichtlich der Nachforderung für B ... Die Beklagte sei in ihrem Bescheid vom 07. November 2006 davon ausgegangen, dass B. als Ladehilfe tätig sei. Dies sei nicht der Fall, was der Beklagten auch schon "beim teilweisen Bekanntwerden des Problems im Herbst 2007" mitgeteilt worden sei. Die Lieferungen seien direkt aus Spanien, Belgien oder England an die Abnehmer erfolgt. Eine Weisungsgebundenheit oder gar eine Eingebundenheit (des B.) in ihren Betrieb lasse sich an Hand der Angaben des B. in den Fragebögen vom 21. November 2005 und 09. Januar 2006 nicht nachvollziehen. Auch habe er durch Werbung mehrere - private - Kunden gewonnen. Seine Spezialwerkzeuge, Fachkenntnisse und seine steuerliche Beratung seien ein klares Indiz für einen vollständig eingerichteten Gewerbebetrieb und das Tragen von Unternehmerrisiken.
Unter dem 27. Januar 2009 schrieb die Beklagte B. unter der ihr bekannten deutschen Anschrift an und bat um Mitteilung, ob die Angaben der Klägerin zuträfen. Gegebenenfalls möge er seine Arbeiten genau schildern und angeben, warum er in den Fragebögen andere Angaben gemacht habe. Nachdem dieses Schreiben mit dem Postvermerk "unbekannt" zurückgelangt war, teilte die Landeshauptstadt Stuttgart - Bürgerbüro Stuttgart-Bad Cannstatt - der Beklagten auf Anfrage mit, B. sei zu einer unbekannten Anschrift in Polen abgemeldet.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2009). Nach den Angaben des B. in den beiden Fragebögen sei von einer Tätigkeit als Ladehilfe auszugehen. Die Angaben seien glaubhaft. Sie seien zeitnah ohne Zusammenhang zur jetzigen Betriebsprüfung erfolgt. Sie stimmten mit der Gewerbeanmeldung überein. Es sei nicht erkennbar, mit welchem Ziel B. falsche Angaben hätte machen sollen. Er habe sich keine Vorteile verschaffen können.
Die Klägerin erhob am 26. Juni 2009 Klage zum SG. B. sei nicht als Ladehilfe tätig gewesen, sondern ihr gegenüber als Unternehmer aufgetreten. Auf Grund seines unbekannten Aufenthalts lasse sich ihr Vortrag durch Nachfragen nicht entkräften.
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage von Verwaltungsakten (beim SG am 20. Juli 2009 eingegangen) entgegen. Selbst wenn B. Möbel aufgebaut haben sollte, so sei hierin keine selbstständige Tätigkeit zu erkennen. Da die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg als Verbindungsstelle für Polen die Möglichkeit habe, die Adresse in Erfahrung zu bringen, werde angeregt, dort anzufragen, damit B. direkt zum Sachverhalt gehört werden könne. Es könne auch bei der polnischen oder der letzten deutschen Krankenkasse die aktuelle Adresse bekannt sein.
Mit Schreiben vom 12. November 2009 teilte das SG den Beteiligten mit, da B. zur Zeit des Widerspruchsbescheids bereits im Ausland gewesen sei, hätte die Beklagte die - nunmehr - dem Gericht nahe gelegten Ermittlungen übernehmen müssen und können. Es sei beabsichtigt, eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG zu treffen. Die Beklagte trat dem entgegen. Es seien keine erheblichen Ermittlungen notwendig. Sie (die Beklagte) könnte die Befragung des B. nicht besser oder effizienter durchführen als das SG. Sie bot an, bei der Verbindungsstelle Polen selbst nach der Anschrift zu forschen, anschließend könne das SG ihn befragen.
Mit Gerichtsbescheid vom 18. Dezember 2009 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids auf. Es lägen die Voraussetzungen einer Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG vor. Hierüber habe auch durch Gerichtsbescheid entscheiden werden können. Die hierfür nötigen Voraussetzungen der Klärung des Sachverhalts und des Fehlens rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten bezögen sich hier auf die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG. Es liege in der Natur der Sache einer solchen Entscheidung, dass die Sache gerade nicht entscheidungsreif sei und weiterer Aufklärung bedürfe. Die in § 131 Abs. 5 Satz 4 SGG genannte Frist sei gewahrt, da die Verwaltungsakten am 09. September 2009 beim SG eingegangen seien. Zur weiteren Sachaufklärung sei die fallbezogene Anhörung des B. unbedingt erforderlich. Die Fragebögen seien sehr allgemein gehalten und reichten zur Feststellung der Beitragspflicht nicht aus. Die nachzuholenden Ermittlungen seien auch erheblich, da eine konkrete Befragung notwendig sei. Eine Entscheidung auf Grundlage eines nicht aktuellen Fragebogens genüge nicht dem Amtsermittlungsgrundsatz. Das Ausfindigmachen des B. stelle einen erheblichen Aufwand für das Gericht dar. Hinzu komme, dass die Beklagte über die Verbindungsstelle Polen mit B. leichter in Kontakt treten und die Informationen sehr viel schneller und kostensparender auswerten könne als das Gericht. Die Zurückverweisung sei auch sachdienlich, da die Beklagte die erforderlichen Ermittlungen nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung besser durchführen könne als das Gericht sowie möglicherweise nach Einholung der Auskunft ihren Rechtsstandpunkt ändern werde.
Am 18. Januar 2010 hat die Beklagte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG hätten nicht vorgelegen. Das Kriterium des erheblichen Umfangs sei nicht erfüllt. B. könne nur noch schriftlich oder im Wege der Amtshilfe befragt werden. Sie (die Beklagte) habe angeboten, über die Verbindungsstelle die aktuelle Adresse zu ermitteln. Eine sich daran anschließende schriftliche Befragung durch das SG dürfte nicht erheblich sein. Bei einem zu erhebenden Zeugenbeweis sei es auch nicht sachdienlich, dass die Verwaltung die erforderliche Ermittlung durchführe. Das Gericht habe die besseren Möglichkeiten durch Durchsetzung und eine Einvernahme unter Eid sei nur durch die Gerichte möglich. Zudem mache eine Vernehmung von Zeugen durch die Behörde eine erneute Vernehmung durch das Gericht nicht entbehrlich.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte stütze ihre Argumentation ausschließlich auf äußerst fragwürdige Unterlagen. Sie (die Klägerin) habe alle ihr möglichen Mittel ergriffen, um zur Klärung des Sachverhalts beizutragen. Dies scheine bei der Beklagten nicht der Fall gewesen zu sein.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis beider Beteiligter nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig und im Sinne der Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens an die erste Instanz auch begründet.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Diese Vorschrift kann erweiternd ausgelegt werden (BSG SozR 1500 § 159 Nr. 2). So kann sie z. B. entsprechend angewandt werden, wenn das Sozialgericht einen Verwaltungsakt zu Unrecht aus formellen Gründen bzw. ohne Sachentscheidung aufgehoben hat, der Klage also - wie hier - stattgegeben hat (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 159 Rn. 2b). Dies ist u. a. der Fall, wenn das Sozialgericht nach § 131 Abs. 5 SGG entschieden hat, die Voraussetzungen hierfür nach Ansicht des Berufungsgerichts aber nicht vorlagen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2009, L 4 R 1519/08, veröffentlicht in Juris, Rn. 18; Sächsisches LSG, Urteil vom 26. Oktober 2005, L 6 SB 34/05, veröffentlicht in Juris, Rn. 70). Die Zurückverweisung steht im Ermessen des Senats. Es ist zwischen dem Interesse der Beteiligten an einer raschen Sachentscheidung und dem Grundsatz der Prozessökonomie einerseits und dem Verlust einer Instanz andererseits abzuwägen. Der Senat übt das Ermessen dahin aus, dass der Rechtsstreit an das SG zurückverwiesen wird, weil das SG zu Unrecht in der Sache nicht entschieden hat und den Beteiligten damit eine Instanz verloren ginge.
1. Das SG hätte den Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2009 nicht aufheben und die Sache an die Verwaltung zurückverweisen dürfen. Eine Aufhebung im Ganzen kam ohnehin nicht in Betracht, nachdem die Klägerin die Nachforderung von EUR 425,59 hinsichtlich der anderen Mitarbeiterin akzeptiert und den Bescheid insoweit nicht angefochten hatte. Aber auch im Übrigen liegen hier die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG nicht vor.
a) Gemäß § 131 Abs. 5 Satz 1 und 4 SGG kann das Gericht binnen sechs Monaten seit Eingang der Behördenakten bei Gericht den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Die Anwendung dieser Vorschrift führt in den genannten Fällen zu einer vollständigen Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Behörde zum Zweck erneuter Ermittlungen und neuer Bescheiderteilung (grundlegend zum gesamten Komplex Sächsisches LSG, Urteil vom 26. Oktober 2005, L 6 SB 34/05, veröffentlicht in Juris, Rn. 24 ff.).
Die Vorschrift wurde durch Artikel 8 Nr. 1 des Ersten Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. August 2004 (BGBl. I, S. 2198 ff., 2205) mit Wirkung vom 01. September 2004 angefügt und gilt seit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444) mit Wirkung vom 01. April 2008 nunmehr auch für kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Sie lehnt sich nach den Motiven des Gesetzgebers unmittelbar an die bereits vorhandenen, fast wortgleichen Vorschriften des § 113 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie des § 100 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an und soll dem Gericht eine zeit- und kostenintensive Ermittlung ersparen, die eigentlich der Behörde obliegt, weil nach Beobachtungen der Praxis die erforderliche Sachverhaltsaufklärung von den Verwaltungsbehörden zum Teil unterlassen werde, was zu einer sachwidrigen Aufwandsverlagerung auf die Gerichte führe (BT-Drs. 15/1508, S. 29, BR-Drs. 378/03, S. 67). Die Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG enthält eine – grundsätzlich eng auszulegende – Ausnahme von dem Grundsatz, dass das Gericht selbst eine Sachentscheidung über eine zulässige Klage treffen muss (Keller, a.a.O., § 131 Rn. 20). In der Rechtsmittelinstanz ist die Frage, ob die drei Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG, nämlich noch erforderliche Ermittlungen, Erheblichkeit der Ermittlungen und Sachdienlichkeit der Zurückverweisung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten vorliegen, uneingeschränkt überprüfbar (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Juni 2006, L 4 SB 24/06, veröffentlicht in Juris, Rn. 26; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2009, L 4 R 1519/08, veröffentlicht in Juris, Rn. 22; Keller, a.a.O., Rn. 20).
b) Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lagen nicht vor. Zwar war die Sechs-Monats-Frist des § 131 Abs. 5 Satz 4 SGG eingehalten. Allerdings hat diese Frist nicht am 09. September 2009, wovon das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid ausgegangen ist, begonnen, sondern bereits am 20. Juli 2009. Mit dem an diesen Tag beim SG eingegangenen Schriftsatz vom 15. Juli 2009 hat die Beklagte Verwaltungsakten vorgelegt. Jedoch sind nach Auffassung des Senats weder die aus Sicht des SG erforderlichen Ermittlungen erheblich, noch ist die Aufhebung der angefochtenen Bescheide unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich.
aa) Die Erheblichkeit einer nachzuholenden Ermittlung kann sich aus Zeitdauer, Umfang und den personellen Möglichkeiten des Gerichts, aber auch aus besonders hohen Kosten ergeben (Keller, a.a.O., Rn. 19). Erheblich ist eine nachzuholende Ermittlung aber nur dann, wenn sie gegenüber den üblichen Ermittlungsmaßnahmen eines (Sozial)gerichts "aus dem Rahmen fällt". Deshalb gehört z. B. die Einholung eines Sachverständigengutachtens i.d.R. nicht dazu (Keller, a.a.O.). Auch die Anhörung Beteiligter und die Vernehmung von Zeugen ist hiernach nach Ansicht des Senats i.d.R. nicht erheblich. Sie gehört zu den typischen richterlichen Handlungen. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die anzuhörende Person im In- oder Ausland aufhält. Der Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland ist ebenfalls eine typische richterliche Tätigkeit. Jedenfalls bei einem Aufenthalt in einem Nachbarstaat Deutschlands und/oder einem Mitgliedsstaat der EU kann eine solche Anhörung bzw. Vernehmung sowohl in Deutschland als auch in dem jeweiligen ausländischen Staat durchgeführt werden, ohne dass dies einen Aufwand verursachen würde, der erheblich über dem Aufwand läge, der anfiele, wenn sich die Person in Deutschland aufhielte.
bb) Eine Aufhebung des angefochtenen Bescheids und die Zurückverweisung der Sache an die Verwaltung ist in der Regel dann sachdienlich, wenn die Behörde nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung die Ermittlungen besser als das Gericht durchführen kann und es auch unter übergeordneten Gesichtspunkten sachgerechter wäre, die Behörde tätig werden zu lassen (BSG, SozR 4-1500 § 131 Nr. 2). Dies ist hier nicht der Fall.
Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die Verweisung an die Beklagte ist bereits deshalb nicht sachdienlich, weil aufgrund der von der Beklagten unterlassenen Anhörung des B. kein zusätzlicher Aufwand für das SG entsteht. Das SG hat übersehen, dass B. - wie auch die übrigen die weitere betroffenen Sozialleistungsträger - nach § 75 Abs. 2 SGG zum Verfahren beizuladen ist. Denn gegenüber diesen kann die Entscheidung, ob Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung besteht, nur einheitlich ergehen (vgl. BSG, Urteil vom 15. Juli 2009 - B 12 KR 1/09 R -, veröffentlicht in Juris, Rn. 11). Da B. mithin Beteiligter des Rechtsstreites sein wird, kommt seine Vernehmung als Zeuge nicht in Betracht, sondern nur seine Anhörung als Beteiligter. Die Beiladung hat unabhängig von dem Umstand zu erfolgen, ob die Beklagte es zu Recht unterlassen hat, die vom SG für erforderlich gehaltenen Schritte zur Anhörung des B. vorzunehmen. Da er auch nach erfolgter Anhörung durch die Beklagte Beteiligter des Rechtsstreits sein wird, muss das SG bereits deshalb versuchen, B. die Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
Das SG hat auch mehr und bessere Möglichkeiten, B. nach seiner Beiladung zu dem Inhalt und der Ausgestaltung seiner Tätigkeit für die Klägerin anzuhören als die Beklagte. Die Anschriftenermittlung dürfte dem SG und der Beklagten den gleichen Aufwand verursachen, wobei sich die Beklagte schon bereit erklärt hat, diese Aufgabe zumindest bei der Verbindungsstelle Polen zu übernehmen. Anfragen bei einer deutschen Vertretung in Polen oder einer polnischen Behörde direkt, z. B. der von der Beklagten benannten polnischen Krankenkasse des B., sind beiden gleichermaßen möglich. Das gleiche gilt für eine dann ggfs. folgende schriftliche Anhörung. Nur das SG allerdings könnte B. zu einer mündlichen Anhörung nach Deutschland laden, entweder nach Stuttgart oder im Wege der - deutschen - Rechtshilfe nach § 5 Abs. 1 und 2 SGG - etwa an das Sozialgericht Frankfurt/Oder oder ein anderes grenznahes Sozial- oder notfalls Amtsgericht, wobei zwar die Ladung nach der EU-Zustellungsverordung (EuZVO) durch polnische Stellen zugestellt, das Erscheinen vor einem deutschen Gericht jedoch nicht durchgesetzt werden könnte. Ebenso kommt eine Anhörung durch eine deutsche Vertretung in Polen in Betracht (§ 5 Abs. 1 SGG).
Unabhängig davon ist nicht gewährleistet, dass eine - schriftliche - Anhörung des B. durch die Beklagte ausreicht. Der Unmittelbarkeitsgrundsatz gebietet, dass sich das erkennende Gericht grundsätzlich selbst ein Bild von der Person eines Angehörten oder Vernommenen macht, wenn es seine Entscheidung auf ihre Angaben stützten will. Sollte die Beklagte nach einer Anhörung an ihrer Entscheidung festhalten und es zu einem neuen Verfahren kommen, müsste B. möglicherweise erneut beigeladen und angehört werden. Diese Verzögerung ist zu vermeiden.
2. Da die Berufung schon aus Gründen des § 131 Abs. 5 SGG begründet ist, musste der Senat nicht entscheiden, ob das SG die angegriffene Entscheidung gerade durch Gerichtsbescheid hätte treffen dürfen, ob also die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 SGG vorlagen. Es mag sein, dass dies grundsätzlich möglich sein muss, allerdings müssen die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 SGG (u.a. keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art) vorliegen, was im vorliegenden Fall durchaus zweifelhaft sein könnte.
3. Da der Senat den Rechtsstreit an das SG zurückverwiesen hat, hat er davon abgesehen, die erforderlichen Beiladungen selbst vorzunehmen, zumal den Beizuladenden bei einer Antragstellung in diesem Berufungsverfahren Kosten hätten entstehen können.
4. Die Entscheidung über die Kosten dieses Berufungsverfahrens muss das SG im Rahmen der Endentscheidung treffen (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 5 f.), wobei nach § 197a SGG über die Kosten des Rechtsstreits im Ganzen zu entscheiden ist.
5. Die Festsetzung des Streitwerts für dieses Berufungsverfahren beruht auf §§ 63 Abs. 2 und 3, 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Der Senat hält es für angezeigt, für dieses Berufungsverfahren nur die Hälfte der in der Sache noch streitigen Forderung von EUR 7.995,60 festzusetzen, nachdem sich die Berufung nur gegen eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG gerichtet hat. Dies entspricht der Handhabung bei Bescheidungsklagen (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Mai 1996, L 5 KA 653/96 W-A, veröffentlicht in Juris).
6. Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved