L 9 R 1208/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 3659/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1208/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der ihm mit Bescheid vom 18. Oktober 2001 zuerkannten Rente wegen teilW.er Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der 1951 geborene Kläger, der zuletzt als selbstständiger Kundendienstmonteur erwerbstätig war, beantragte am 2. Dezember 2005 die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte bei und ließ den Kläger durch den Orthopäden Dr. E. gutachterlich untersuchen. Dieser stellte im Gutachten vom 24. März 2006 folgende Diagnosen: Zervikobrachiales Syndrom Lumbales Wurzelreizsyndrom Beginnende Polyarthrose der Knie- und Hüftgelenke und führte aus, der Kläger könne zwar als Kundendienstmonteur mit Arbeiten im Knien und Hocken nicht mehr vollschichtig tätig sein, leichte körperliche Arbeiten mit mittelschweren Belastungsspitzen, ohne Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten, ohne Zwangshaltungen, ohne Arbeiten über Kopf und in der Armvorhalte könne der Kläger aber noch vollschichtig verrichten.

Mit Bescheid vom 18. April 2006 lehnte die Beklagten den Rentenantrag ab.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren erstatteten der Internist Dr. F. das Gutachten vom 12. Juli 2006 und die Neurologin und Psychiaterin Dr. Sch. das Gutachten vom 23. Juni 2006. Beide Ärzte schlossen sich in ihrer Leistungsbeurteilung Dr. E. an, da die orthopädischen Funktionseinschränkungen und ein chronisches Schmerzsyndrom im Vordergrund stünden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 2. November 2006 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG).

Das SG hörte zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers, den Orthopäden Dr. H. und den Allgemeinmediziner Dr. D. als sachverständige Zeugen auf schriftlichen Weg (Auskünfte vom 25. Januar 2007 und vom 27. Februar 2007) und holte von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden Dr. W. vom 27. Juni 2007 und auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. R. vom 23. Januar 2008 ein.

Dr. W. diagnostizierte beim Kläger 1. Chronische Nacken-Schulterschmerzen bei zufriedenstellend bis guter Schulter- und Halswirbelsäulenbeweglichkeit, ohne Nervenwurzelreizsymptomatik und ohne wesentlich vorauseilende degenerative Veränderungen 2. Lendenwirbelsäulensyndrom bei mäßig dem Alter vorauseilenden Abnutzungserscheinungen ohne periphere Nervenwurzelreizsymptomatik 3. Femuropatellares Schmerzsyndrom beidseits, derzeit nahezu beschwerdefrei, äußerlich reizerscheinungsfrei, ohne vorauseilende degenerative Veränderungen, und führte aus, der Kläger könne noch 6 Stunden täglich und mehr leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Bewegungswechsel ausüben. Ausgeschlossen seien das Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, Arbeiten ständig über Kopf oder in extremen Haltungskonstanzen, überwiegend im Bücken, in der Vorbeuge, im Knien oder in der tiefen Hocke, auf Leitern und Gerüsten und mit häufigem Treppensteigen sowie Akkord- und Fließbandarbeiten mit erhöhter Rückenbelastung. Einschränkungen der Wegefähigkeit bestünden nicht. Er stimme im Wesentlichen mit den Befunden und der Beurteilung von Dr. E. überein. Hinweise auf wesentliche Befundverschlechterungen ergäben sich nicht.

Prof. Dr. R., dem der Kläger berichtete, er sei vom 28. November bis zum 10. Dezember 2007 wegen einer Lungenembolie im Universitätsklinikum Heidelberg behandelt worden, führte aus, auf orthopädischem Fachgebiet weiche er in der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers nicht von den Vorgutachten ab. Es solle aber wegen der Lungenembolie eine Überprüfung auf internistischem Gebiet stattfinden.

Das SG befragte daraufhin dem Allgemeinmediziner W., der am 1. April 2008 unter Vorlage von Befundberichten insbesondere des Internisten H.-P. vom 27. Februar 2008 mitteilte, der Kläger könne aus seiner Sicht maximal noch 3 Stunden täglich arbeiten. Der Internist H.-P. berichtete, die Belastungsuntersuchung am 27. Februar 2008 habe erfreulicherweise keine wesentlichen Einschränkungen gezeigt. Eine regelmäßige körperliche Aktivität könne problemlos empfohlen werden, eine fachspezifische Medikation sei nicht erforderlich. Der Kläger legte schließlich noch Atteste des Arztes W. vom 7. Oktober und 1. Dezember 2008 sowie den Befundbericht des Arztes für Psychiatrie- Psychotherapie Dr. St. vor, wonach dieser bei der erstmaligen Vorstellung in der Praxis am 6. November 2008 beim Kläger eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert und eine medikamentöse Behandlung eingeleitet habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 11. Februar 2009 wies das SG die Klage ab. Nach den Feststellungen von Dr. W. und Prof. Dr. R. sei der Kläger fähig, mehr als 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein, sofern der Arbeitsplatz den qualitativen Einschränkungen entspreche. Wesentliche Einschränkungen der Lungenfunktion bestünden nicht mehr.

Gegen den am 16. Februar 2009 zugestellten Gerichtbescheid richtet sich die Berufung des Klägers, die am 13. März 2009 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingegangen ist. Zur Begründung macht er unter Vorlage u.a. eines Attestes von Dr. St. vom 20. Februar 2009 geltend, seine Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei auf unter 6 Stunden werktäglich abgesunken. Dies folge schon, entgegen der Auffassung von Dr. W. und Prof. Dr. R., aus den Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet, die mit erheblichen Schmerzzuständen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule und im Bereich der Kniegelenke verbunden seien. Darüber hinaus sei es zu einer chronischen Depressionserkrankung gekommen, bei der trotz Behandlung mit Psychopharmaka keine Besserung eingetreten sei. Seit dem 31. Oktober 2007 sei er arbeitslos und habe eine geeignete Arbeitsstelle nicht auffinden können.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Februar 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 18. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung seit Antragstellung in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. St. vom 30. Juni 2009 und das nervenfachärztliche Gutachten des Arztes für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sch. vom 9. November 2009 eingeholt. Dr. Sch. hat aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers am 22. September 2009 auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet die Diagnosen Angst und depressive Störung, gemischt, Anpassungsstörungen und depressive Entwicklung und auf internistischem Gebiet die Diagnosen Zustand nach Tumornephrektomie links 11/1991 bei Nierenzellcarcinom, arterielle Hypertonie ohne kardiopulmonale Dekompensationszeichen und Lungenembolie 11/2007 gestellt und ausgeführt, der allgemein-körperliche, der neurologische und der psychopathologische Untersuchungsbefund seien jeweils weitgehend unauffällig gewesen. Die körperlichen Funktionen seien nicht beeinträchtigt. Es bestünden auch keine Einschränkungen des intellektuellen Leistungsvermögen. Psychisch zeige sich eine leicht gedrückte Grundbefindlichkeit mit Einschränkungen der affektiven Modulationsfähigkeit, der Spontanietät und der sozialen Aktivitäten. Eine regelmäßige nervenfachärztliche Betreuung sei erforderlich. Leichte bis mittelschwere Arbeiten in verschiedenen Körperhaltungen könnten durchaus bis zu 8 Stunden täglich verrichtet werden. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten unter Akkordbedingungen, vermehrtem Zeitdruck und vermehrten emotionalen Belastungen sowie Nachtarbeit. Ein Summationseffekt der körperlichen und seelischen Beschwerden - auch in Zusammenschau aller Fachgebiete - in dem Ausmaß, dass das zeitliche Leistungsvermögen eingeschränkt wäre, bestehe nicht. Das Umstellungs- und Anpassungsvermögen sei nicht eingeschränkt.

Der Kläger hat zuletzt das Attest von Dr. St. vom 8. Dezember 2009 vorgelegt, der ausgeführt hat, angesichts materieller Existenzängste wegen beruflicher Sorgen der Ehefrau, traumatischer Erfahrungen in der früheren DDR und der durchaus schweren zurückliegenden Erkrankungen (Zustand nach Nierenzellkarzinom und Lungenembolie) sei seines Erachten die Belastbarkeit des Klägers deutlich zu hoch eingeschätzt worden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akte des SG und die Senatsakte.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller Erwerbsminderung - § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens und des Beweisergebnisses im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass auch die weiteren Ermittlungen des Senats das Begehren des Klägers, anstelle der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu erhalten, nicht stützen. Der vom Senat beauftragte Sachverständige Dr. Sch. hat weder auf neurologisch-psychiatrischem noch auf internistischem Fachgebiet Gesundheitsstörungen in einem solchen Ausmaß festgestellt, dass hierdurch das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers für leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingeschränkt wäre. Die depressive Entwicklung bedarf zwar einer fortwährenden nervenfachärztlichen Betreuung, sie beeinträchtigt aber weder das intellektuelle Leistungsvermögen des Klägers noch seine Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit in Bezug auf die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das psychische Befinden des Klägers gewissen Schwankungen unterliegt, wie dies zuletzt von Dr. St. mitgeteilt wurde, denn die von diesem Arzt durchgeführte vorrangig medikamentöse Behandlung hat in der Vergangenheit durchaus zu einer Besserung und Stabilisierung im Befinden des Klägers geführt, wie der Senat der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. St. vom 30. Juni 2009 entnimmt. Eine fortdauernde zeitliche Leistungseinschränkung lässt sich hieraus nicht ableiten.

Nach alledem war der angefochtene Gerichtbescheid nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 192 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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