Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 5960/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1297/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Die 1959 geborene Klägerin beantragte am 16.06.2006 beim Landratsamt Karlsruhe (LRA) die Feststellung ihrer Behinderungen nach dem SGB IX und legte hierzu den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik Höhenblick in Baden-Baden vom 13.12.2005 vor, in dem als Diagnosen ein chronisches pseudoradikuläres Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom, ein chronisches lokales Halswirbelsäulensyndrom, eine Adipositas (BMI 32,1), ein schmerzhafter Spreizfuß links und ein Nikotinabusus gestellt worden waren. Das LRA holte von dem Internisten Dr. P. den Befundbericht vom 26.08.2006 ein, dem der Bericht von Dr. Sch. vom 01.08.2005 über die Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule und Sacrum am 29.07.2005, der Untersuchungsbericht des Neurologen Dr. H. vom 11.08.2005 und die Berichte des Kardiologen Dr. H. vom 27.09.2004 und 26.09.2005 beilagen. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme, wonach als Funktionsbeeinträchtigungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, ein Bandscheibenschaden, ein Schulter-Arm-Syndrom und ein chronisches Schmerzsyndrom (GdB 40) sowie ein Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen (GdB 10) vorlägen und insgesamt ein GdB von 40 bestehe, stellte das LRA mit Bescheid vom 08.09.2006 unter Berücksichtigung der genannten Funktionsstörungen einen GdB von 40 ab dem 16.06.2006 und eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts fest.
Dagegen legte die Klägerin am 05.10.2006 Widerspruch ein und machte geltend, ihre Krankheiten und Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigten einen GdB von mindestens 50. Nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2006 zurück.
Am 18.12.2006 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der sie unter Wiederholung ihres Widerspruchsvorbringens einen GdB von 50 geltend machte.
Das SG hörte den Internisten Dr. d. R., den Gynäkologen Dr. S., Dr. P. und den Chirurgen Privatdozent Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. d. R. schilderte am 20.04.2007 die Behandlungen am 26.09. und 21.11.2006 und gab an, bei der Klägerin liege zusätzlich ein mit einem GdB von 20 zu bewertendes Hämorrhoidalleiden vor (Untersuchung am 21.11.2006 wegen einer rektalen Blutung), das aber den GdB nicht erhöhe. Die von ihm am 26.09.2006 konstatierten erosiven Magenveränderungen seien als Helikobakterbefall zu deuten. Dieser müsse auf Konstanz geprüft werden. Dr. S. verneinte am 24.04.2007 - abgesehen von den von ihm genannten zu kontrollierenden Befunden, über die er keine Berichte erhalten habe bzw. eine Kontrolle nicht erfolgt sei - Gesundheitsstörungen (Behinderungen) der Klägerin. Am 01.05.2007 berichtete Dr. P. über die Behandlung der Klägerin und gab an, im Vordergrund stehe die Lumboischialgie. Es liege eine Lumboischialgie links mit Parästhesie des linken Unterschenkels bei bekannter Bandscheibenprotrusion L5/S1 und Foramenstenose sowie ein Halswirbelsäulensyndrom vor. Seiner Auffassung nach betrage der GdB infolge der Wirbelsäulenerkrankung nicht 40, sondern 50. Privatdozent Dr. M. gab am 24.05.2007 an, bei der Klägerin bestehe ein mittelgradiges Hämorrhoidalsyndrom. Die Gesundheitsstörung sei nach vollständiger Behandlung als vorübergehend zu bezeichnen. Es bestehe weder Dienstunfähigkeit noch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit. Er teile die Auffassung des Versorgungsärztlichen Dienstes, wonach wegen dieser Erkrankung kein höherer GdB als 40 anzunehmen sei. Das SG zog die den Rentenrechtsstreit betreffende Akte S 4 R 3859/07 des SG bei und nahm hiervon mehrere ärztliche Unterlagen zu den Akten.
Der Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin seien mit einem GdB von 40 zutreffend bewertet. Der Einschätzung von Dr. P., nach der für das Wirbelsäulenleiden ein GdB von 50 angesetzt werden solle, könne nicht gefolgt werden, da nach seinen Angaben gegenüber dem SG die Beweglichkeit der Wirbelsäule nur leicht eingeschränkt sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.02.2008 wies das SG die Klage ab. Die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin bedingten keinen höheren GdB als 40. Die Wirbelsäulenbeschwerden einschließlich der Schmerzen im linken Bein mit leicht hinkendem Gang links sowie die Beschwerden in den Armen und Fingern seien mit einem GdB von 40 ausreichend bewertet. Die psychischen Beschwerden der Klägerin seien nicht gesondert zu berücksichtigen, da diese in erster Linie durch die erheblichen Schmerzen im Bereich des Rückens und der Halswirbelsäule zum
Ausdruck kämen und dort durch den GdB von 40 bereits berücksichtigt seien. Die von Dr. H. nur als leichtgradig beschriebenen kardiologischen Beschwerden einschließlich des Bluthochdrucks bedingten keinen höheren GdB als 10. Das Hämorrhoidalleiden bedinge keinen GdB, da dieses nach den Angaben von Dr. M. zwischenzeitlich erfolgreich behandelt worden sei und daher keine Beeinträchtigung mehr vorliege. Insgesamt sei ein GdB von 40 anzunehmen. Eine Erhöhung des GdB von 40 (Wirbelsäule) infolge der leichten Herzrhythmusstörungen und des Bluthochdrucks (GdB 10) komme nicht in Betracht.
Dagegen hat die Klägerin am 27.02.2008 Berufung eingelegt, mit der sie weiterhin einen GdB von 50 geltend macht. Sie bringt vor, das nicht geheilte Hämorrhoidalleiden sei von Dr. d. R. mit einem GdB von 20 bewertet worden. Die Lumboischialgie mit Parästhesie des linken Unterschenkels bei Bandscheibenprotrusion L5/S1 und Foramenstenose und Halswirbelsäulensyndrom bedinge nach der Beurteilung von Dr. P. vom 01.05.2007 einen GdB von 50. Angesichts ihrer starken Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung in den linken Unterschenkel, der Gefühlsstörung der Außenseite des linken Unterschenkels bis zur Kleinzehe, der Schwächung der groben Kraft des linken Beines einschließlich hinkendem Gang links, der Einschränkung der Beweglichkeit der Wirbelsäule sowie der Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in den Hinterkopf und in beide Schultern und der Einschränkung der Beweglichkeit der Halswirbelsäule sei ein GdB von 50 gerechtfertigt. Am 29.05.2008 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie sich zur Zeit wegen ihres Hämorrhoidalleidens nicht in Behandlung befinde. Die Klägerin legt das im Rentenrechtsstreit S 4 R 3859/07 von Dr. T. erstattete fachorthopädisch-unfallchirurgische Gutachten vom 27.05.2008 vor.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Februar 2008 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 8. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und macht geltend, ein höherer GdB als 40 sei nicht anzunehmen. Nach dem im Rentenrechtsstreit von Dr. T. erstatteten Gutachten erscheine die bisherige Bewertung für das Wirbelsäulenleiden der Klägerin mit einem GdB von 40 eher weitreichend als zu gering bemessen. Ein wesentliches Hämorrhoidalleiden sei mangels ärztlicher Behandlung derzeit nicht anzunehmen.
Der Senat hat das im Berufungsrechtsstreit L 13 R 3528/08 von dem Nervenfacharzt M. sowie das von Prof. Dr. K., K., erstattete arbeitsmedizinische Gutachten vom 03.05.2009 zu den Akten genommen und den Beteiligten übersandt. Im nervenärztlichen Gutachten vom 13.12.2008 wurde ein Verdacht auf Alkoholmissbrauch, ein Zustand nach reaktiv-depressiver Verstimmung bei erheblichen familiären Problemen und eine Somatisierungsneigung mit im Vordergrund stehender somatoformer Schmerzstörung diagnostiziert. Die seelisch bedingten Störungen seien derzeit nur gering ausgeprägt. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. K. liegen bei der Klägerin internistischerseits eine axiale Hiatushernie, eine Gastritis; chronisch erosiv, Helikobakter - pylori-assoziiert (2006), Hämorrhoiden, eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), ein Zustand nach Myocarditis (1999) ohne maßgebliche kardiale Funktionseinschränkung, eine Adipositas (BMI 35,5 kg/M hoch 2), eine Steatosis hepatis, eine Hypercholesterinämie, eine Hypertriglyceridämie, eine Hyperurikämie und ein Nikotinabusus vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 08.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2006, mit dem der Beklagte bei der Klägerin ab 16.06.2006 einen GdB von 40 festgestellt hat. Die Klägerin macht demgegenüber geltend, dass ihre Funktionsbeeinträchtigungen, insbesondere die auf orthopädischem Gebiet liegenden Gesundheitsstörungen, höher zu bewerten
seien und auch ihr Hämorrhoidalleiden berücksichtigt werden müsse, so dass insgesamt ein GdB von 50 anzunehmen sei.
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG-) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Das SG ist unter Heranziehung der genannten gesetzlichen Vorschriften und der Beurteilungsgrundsätze der AHP zu dem Ergebnis gekommen, dass die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin mit einem GdB von 40 zutreffend bewertet sind. Der Senat kommt unter zusätzlicher Berücksichtigung der Ergebnisse der im Berufungsverfahren aktenkundig gewordenen, im Rentenrechtsstreit eingeholten orthopädischen, nervenärztlichen und arbeitsmedizinischen Gutachten vom 27.05.2008, 13.12.2008 und 03.05.2009 in Anwendung der VG zum selben Ergebnis. Die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin rechtfertigen keinen höheren GdB als 40.
Eine Würdigung der ärztlichen Unterlagen ergibt, dass die Klägerin hauptsächlich durch ihre Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Lendenwirbelsäule (einschließlich Bandscheibenschaden) beeinträchtigt ist. Hinzu kommen noch - in geringerer Ausprägung - Herzrhythmusstörungen und ein Bluthochdruck. Die Klägerin leidet an einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Bandscheibenschaden, die auch unter Berücksichtigung des Schulter-Arm-Syndroms und insbesondere der wiederkehrenden Nervenwurzelreizerscheinungen sowie des chronischen Schmerzsyndroms nicht mit einem höheren GdB als 40 zu bewerten ist. Ein GdB von 50 - wie von der Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemacht - ist hierfür nicht gerechtfertigt. Nach dem vom SG im Rentenrechtsstreit eingeholten orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachten von Dr. T. vom 27.05.2008 besteht bei der Klägerin eine mittelgradig ausgeprägte degenerative Verschleißerkrankung im Bereich der Halswirbelsäule mit Betonung der Segmente C5/6 sowie C6/7 ohne radikuläre Ausfallsymptomatik und ohne wesentliche funktionelle Beeinträchtigung. Die im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule vorliegenden Verschleißerscheinungen sind nach diesem Gutachten mit keinen funktionellen Beeinträchtigungen verbunden. Diese Befunde entsprechen allenfalls Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome), die nach Teil B Nr. 18.9 der VG (nur) mit einem GdB von 20 zu bewerten sind. Ein GdB von 40 - wie vom Beklagten angenommen - ist daher überhöht. Dies gilt auch dann, wenn man (von Dr. T. nicht beschriebene) Nervenwurzelreizerscheinungen und ein chronisches Schmerzsyndrom berücksichtigt, da sich damit lediglich eine Erhöhung des GdB um 10 auf 30 begründen lässt. Der Einschätzung von Dr. P., der als Internist insoweit ohnehin eine Beurteilung auf einem für ihn fremden Fachgebiet abgegeben hat, wonach die Wirbelsäulenerkrankung der Klägerin mit einem GdB von 50 zu bewerten sei, kann angesichts der von Dr. T. erhobenen orthopädischen Befunde nicht gefolgt werden. Hinzu kommt, dass auch Dr. P. - neben den von der Klägerin angegebenen Schmerzen und Gefühlsstörungen - nur leichte Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule und des Nackens sowie keine wesentliche Einschränkung im Bereich des linken Beines (infolge des leicht hinkenden Gangs links) beschrieben hat.
Ferner sind der Bluthochdruck und die Herzrhythmusstörungen, die vom Beklagten als Funktionsstörungen berücksichtigt worden sind, mit einem GdB von 10 nicht zu niedrig bewertet. Der Kardiologe Dr. H. diagnostizierte in seinem Untersuchungsbericht vom 26.09.2005 eine Sinustachykardie und eine leichte Mitralinsuffizienz, fand aber keine Hinweise auf eine Rechts- oder Linksherzinsuffizienz. Nach dem durchgeführten Belastungs-EKG war die Klägerin bis maximal 75 Watt belastbar. Der Blutdruck betrug RR 150/90 mmHg. Zwar ergab sich bei der Untersuchung der Klägerin durch Prof. Dr. K. am 30.03.2009 ein mit 155/105 mmHg erhöhter Blutdruck. Nach Teil B Nr. 9.3 der VG bedingt aber eine leichte Hypertonie, die nicht oder nur mit einer geringen Leistungsbeeinträchtigung (höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) verbunden ist, nur einen GdB von 0 bis 10. Erst eine - hier nicht belegte dauerhafte - mittelschwere Hypertonie mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades ist mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten. Ein einzelner erhöhter Blutdruckwert reicht hierfür noch nicht aus.
Entgegen dem Berufungsvorbringen der Klägerin ist das bei ihr vorliegende Hämorrhoidenleiden nicht mit einem GdB von 20 zu bewerten. Der Internist und Gastroenteriologe Dr. d. R. hat gegenüber dem SG zwar von einem mittelgradigen Hämorrhoidalleiden gesprochen, für das zusätzlich ein GdB von 20 (allerdings ohne Erhöhung des GdB) anzusetzen sei. Der Chirurg Privatdozent Dr. M., der am 24.05.2007 ein Hämorrhoidalleiden II. Grades bescheinigt und insoweit ebenfalls eine mittelgradige Ausprägung angenommen hat, hat jedoch angegeben, nach vollständiger Behandlung sei diese Gesundheitsstörung als vorübergehend zu bezeichnen. Es bestehe weder Dienstunfähigkeit noch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit. Daraus schließt der Senat, dass die Behandlung des Hämorrhoidalleidens der Klägerin erfolgreich abgeschlossen worden ist und insoweit keine Funktionseinschränkung in behinderndem Ausmaß mehr besteht.
Eine wesentliche psychische Störung, die neben dem chronischen Schmerzsyndrom zusätzlich bei der Beurteilung der Gesamtauswirkung der Funktionsbeeinträchtigungen zu berücksichtigen wäre, liegt bei der Klägerin nicht vor. Zu Recht hat das SG insoweit ausgeführt, dass sich die psychische Beeinträchtigung der Klägerin in erster Linie in den erheblichen Schmerzen im Be-
reich der Hals- und Lendenwirbelsäule manifestiert und eine gesonderte Berücksichtigung dieser Beeinträchtigung zu einer ungerechtfertigten Doppelbewertung führen würde. Hinzu kommt, dass die Klägerin eine psychische Beeinträchtigung im Laufe des Verfahrens - auch mit der Berufung - nicht geltend gemacht hat. Die vom SG befragten behandelnden Ärzte haben denn auch nicht angegeben, dass die Klägerin an psychischen Beschwerden leide. Im Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik Höhenblick in Baden-Baden vom 13.12.2005 ist zwar als Ergebnis eines fachpsychologischen Konzils von einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, die Rede. Im danach im Rentenrechtsstreit von dem Nervenarzt M. am 13.12.2008 erstatteten fachärztlichen Gutachten wurden ein Verdacht auf Alkoholmissbrauch, ein Zustand nach reaktiv-depressiver Verstimmung bei erheblichen familiären Problemen und eine Somatisierungsneigung mit im Vordergrund stehender somatoformer Schmerzstörung diagnostiziert. Allerdings sah der Gutachter die seelisch bedingten Störungen derzeit nur als gering ausgeprägt an und führte insoweit aus, bezüglich des Verdachts auf Alkoholmissbrauchs habe sich kein Hinweis auf eine Abhängigkeit ergeben. Am ehesten hat der Alkoholmissbrauch nach dem Gutachten im Rahmen der früheren Überlastungen vor allem in der Zweckehe eine Rolle gespielt. Letzteres trifft auch für die reaktiv-depressive Verstimmung bei erheblichen familiären Problemen zu, die inzwischen weitgehend abgeklungen sind. Bei der Klägerin bestehen daher allenfalls leichtere psychovegetative und/oder psychische Störungen, die nach Teil B Nr. 3.7 der VG mit einem GdB von 0 bis 20 zu bewerten sind. Ein GdB von mehr als 10 besteht nicht.
Insgesamt sind die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin mit einem GdB von 40 nicht zu niedrig bewertet. Dies folgt schon daraus, dass der Senat für das Wirbelsäulenleiden der Klägerin einschließlich Folgeerscheinungen, insbesondere das chronische Schmerzsyndrom, nur einen GdB von 30 annimmt. Die weitere Beeinträchtigung (Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen) ist nur mit einem GdB von 10 zu bewerten und erhöht damit den Gesamt-GdB nicht. Dies gilt ebenso für die psychische Beeinträchtigung der Klägerin, falls man insoweit einen GdB von 10 annehmen würde. Dies folgt aus den Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB (vgl. Teil A Nr. 3d ee der VG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Die 1959 geborene Klägerin beantragte am 16.06.2006 beim Landratsamt Karlsruhe (LRA) die Feststellung ihrer Behinderungen nach dem SGB IX und legte hierzu den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik Höhenblick in Baden-Baden vom 13.12.2005 vor, in dem als Diagnosen ein chronisches pseudoradikuläres Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom, ein chronisches lokales Halswirbelsäulensyndrom, eine Adipositas (BMI 32,1), ein schmerzhafter Spreizfuß links und ein Nikotinabusus gestellt worden waren. Das LRA holte von dem Internisten Dr. P. den Befundbericht vom 26.08.2006 ein, dem der Bericht von Dr. Sch. vom 01.08.2005 über die Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule und Sacrum am 29.07.2005, der Untersuchungsbericht des Neurologen Dr. H. vom 11.08.2005 und die Berichte des Kardiologen Dr. H. vom 27.09.2004 und 26.09.2005 beilagen. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme, wonach als Funktionsbeeinträchtigungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, ein Bandscheibenschaden, ein Schulter-Arm-Syndrom und ein chronisches Schmerzsyndrom (GdB 40) sowie ein Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen (GdB 10) vorlägen und insgesamt ein GdB von 40 bestehe, stellte das LRA mit Bescheid vom 08.09.2006 unter Berücksichtigung der genannten Funktionsstörungen einen GdB von 40 ab dem 16.06.2006 und eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts fest.
Dagegen legte die Klägerin am 05.10.2006 Widerspruch ein und machte geltend, ihre Krankheiten und Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigten einen GdB von mindestens 50. Nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2006 zurück.
Am 18.12.2006 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der sie unter Wiederholung ihres Widerspruchsvorbringens einen GdB von 50 geltend machte.
Das SG hörte den Internisten Dr. d. R., den Gynäkologen Dr. S., Dr. P. und den Chirurgen Privatdozent Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. d. R. schilderte am 20.04.2007 die Behandlungen am 26.09. und 21.11.2006 und gab an, bei der Klägerin liege zusätzlich ein mit einem GdB von 20 zu bewertendes Hämorrhoidalleiden vor (Untersuchung am 21.11.2006 wegen einer rektalen Blutung), das aber den GdB nicht erhöhe. Die von ihm am 26.09.2006 konstatierten erosiven Magenveränderungen seien als Helikobakterbefall zu deuten. Dieser müsse auf Konstanz geprüft werden. Dr. S. verneinte am 24.04.2007 - abgesehen von den von ihm genannten zu kontrollierenden Befunden, über die er keine Berichte erhalten habe bzw. eine Kontrolle nicht erfolgt sei - Gesundheitsstörungen (Behinderungen) der Klägerin. Am 01.05.2007 berichtete Dr. P. über die Behandlung der Klägerin und gab an, im Vordergrund stehe die Lumboischialgie. Es liege eine Lumboischialgie links mit Parästhesie des linken Unterschenkels bei bekannter Bandscheibenprotrusion L5/S1 und Foramenstenose sowie ein Halswirbelsäulensyndrom vor. Seiner Auffassung nach betrage der GdB infolge der Wirbelsäulenerkrankung nicht 40, sondern 50. Privatdozent Dr. M. gab am 24.05.2007 an, bei der Klägerin bestehe ein mittelgradiges Hämorrhoidalsyndrom. Die Gesundheitsstörung sei nach vollständiger Behandlung als vorübergehend zu bezeichnen. Es bestehe weder Dienstunfähigkeit noch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit. Er teile die Auffassung des Versorgungsärztlichen Dienstes, wonach wegen dieser Erkrankung kein höherer GdB als 40 anzunehmen sei. Das SG zog die den Rentenrechtsstreit betreffende Akte S 4 R 3859/07 des SG bei und nahm hiervon mehrere ärztliche Unterlagen zu den Akten.
Der Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin seien mit einem GdB von 40 zutreffend bewertet. Der Einschätzung von Dr. P., nach der für das Wirbelsäulenleiden ein GdB von 50 angesetzt werden solle, könne nicht gefolgt werden, da nach seinen Angaben gegenüber dem SG die Beweglichkeit der Wirbelsäule nur leicht eingeschränkt sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.02.2008 wies das SG die Klage ab. Die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin bedingten keinen höheren GdB als 40. Die Wirbelsäulenbeschwerden einschließlich der Schmerzen im linken Bein mit leicht hinkendem Gang links sowie die Beschwerden in den Armen und Fingern seien mit einem GdB von 40 ausreichend bewertet. Die psychischen Beschwerden der Klägerin seien nicht gesondert zu berücksichtigen, da diese in erster Linie durch die erheblichen Schmerzen im Bereich des Rückens und der Halswirbelsäule zum
Ausdruck kämen und dort durch den GdB von 40 bereits berücksichtigt seien. Die von Dr. H. nur als leichtgradig beschriebenen kardiologischen Beschwerden einschließlich des Bluthochdrucks bedingten keinen höheren GdB als 10. Das Hämorrhoidalleiden bedinge keinen GdB, da dieses nach den Angaben von Dr. M. zwischenzeitlich erfolgreich behandelt worden sei und daher keine Beeinträchtigung mehr vorliege. Insgesamt sei ein GdB von 40 anzunehmen. Eine Erhöhung des GdB von 40 (Wirbelsäule) infolge der leichten Herzrhythmusstörungen und des Bluthochdrucks (GdB 10) komme nicht in Betracht.
Dagegen hat die Klägerin am 27.02.2008 Berufung eingelegt, mit der sie weiterhin einen GdB von 50 geltend macht. Sie bringt vor, das nicht geheilte Hämorrhoidalleiden sei von Dr. d. R. mit einem GdB von 20 bewertet worden. Die Lumboischialgie mit Parästhesie des linken Unterschenkels bei Bandscheibenprotrusion L5/S1 und Foramenstenose und Halswirbelsäulensyndrom bedinge nach der Beurteilung von Dr. P. vom 01.05.2007 einen GdB von 50. Angesichts ihrer starken Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung in den linken Unterschenkel, der Gefühlsstörung der Außenseite des linken Unterschenkels bis zur Kleinzehe, der Schwächung der groben Kraft des linken Beines einschließlich hinkendem Gang links, der Einschränkung der Beweglichkeit der Wirbelsäule sowie der Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in den Hinterkopf und in beide Schultern und der Einschränkung der Beweglichkeit der Halswirbelsäule sei ein GdB von 50 gerechtfertigt. Am 29.05.2008 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie sich zur Zeit wegen ihres Hämorrhoidalleidens nicht in Behandlung befinde. Die Klägerin legt das im Rentenrechtsstreit S 4 R 3859/07 von Dr. T. erstattete fachorthopädisch-unfallchirurgische Gutachten vom 27.05.2008 vor.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Februar 2008 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 8. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und macht geltend, ein höherer GdB als 40 sei nicht anzunehmen. Nach dem im Rentenrechtsstreit von Dr. T. erstatteten Gutachten erscheine die bisherige Bewertung für das Wirbelsäulenleiden der Klägerin mit einem GdB von 40 eher weitreichend als zu gering bemessen. Ein wesentliches Hämorrhoidalleiden sei mangels ärztlicher Behandlung derzeit nicht anzunehmen.
Der Senat hat das im Berufungsrechtsstreit L 13 R 3528/08 von dem Nervenfacharzt M. sowie das von Prof. Dr. K., K., erstattete arbeitsmedizinische Gutachten vom 03.05.2009 zu den Akten genommen und den Beteiligten übersandt. Im nervenärztlichen Gutachten vom 13.12.2008 wurde ein Verdacht auf Alkoholmissbrauch, ein Zustand nach reaktiv-depressiver Verstimmung bei erheblichen familiären Problemen und eine Somatisierungsneigung mit im Vordergrund stehender somatoformer Schmerzstörung diagnostiziert. Die seelisch bedingten Störungen seien derzeit nur gering ausgeprägt. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. K. liegen bei der Klägerin internistischerseits eine axiale Hiatushernie, eine Gastritis; chronisch erosiv, Helikobakter - pylori-assoziiert (2006), Hämorrhoiden, eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), ein Zustand nach Myocarditis (1999) ohne maßgebliche kardiale Funktionseinschränkung, eine Adipositas (BMI 35,5 kg/M hoch 2), eine Steatosis hepatis, eine Hypercholesterinämie, eine Hypertriglyceridämie, eine Hyperurikämie und ein Nikotinabusus vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 08.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2006, mit dem der Beklagte bei der Klägerin ab 16.06.2006 einen GdB von 40 festgestellt hat. Die Klägerin macht demgegenüber geltend, dass ihre Funktionsbeeinträchtigungen, insbesondere die auf orthopädischem Gebiet liegenden Gesundheitsstörungen, höher zu bewerten
seien und auch ihr Hämorrhoidalleiden berücksichtigt werden müsse, so dass insgesamt ein GdB von 50 anzunehmen sei.
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG-) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Das SG ist unter Heranziehung der genannten gesetzlichen Vorschriften und der Beurteilungsgrundsätze der AHP zu dem Ergebnis gekommen, dass die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin mit einem GdB von 40 zutreffend bewertet sind. Der Senat kommt unter zusätzlicher Berücksichtigung der Ergebnisse der im Berufungsverfahren aktenkundig gewordenen, im Rentenrechtsstreit eingeholten orthopädischen, nervenärztlichen und arbeitsmedizinischen Gutachten vom 27.05.2008, 13.12.2008 und 03.05.2009 in Anwendung der VG zum selben Ergebnis. Die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin rechtfertigen keinen höheren GdB als 40.
Eine Würdigung der ärztlichen Unterlagen ergibt, dass die Klägerin hauptsächlich durch ihre Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Lendenwirbelsäule (einschließlich Bandscheibenschaden) beeinträchtigt ist. Hinzu kommen noch - in geringerer Ausprägung - Herzrhythmusstörungen und ein Bluthochdruck. Die Klägerin leidet an einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Bandscheibenschaden, die auch unter Berücksichtigung des Schulter-Arm-Syndroms und insbesondere der wiederkehrenden Nervenwurzelreizerscheinungen sowie des chronischen Schmerzsyndroms nicht mit einem höheren GdB als 40 zu bewerten ist. Ein GdB von 50 - wie von der Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemacht - ist hierfür nicht gerechtfertigt. Nach dem vom SG im Rentenrechtsstreit eingeholten orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachten von Dr. T. vom 27.05.2008 besteht bei der Klägerin eine mittelgradig ausgeprägte degenerative Verschleißerkrankung im Bereich der Halswirbelsäule mit Betonung der Segmente C5/6 sowie C6/7 ohne radikuläre Ausfallsymptomatik und ohne wesentliche funktionelle Beeinträchtigung. Die im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule vorliegenden Verschleißerscheinungen sind nach diesem Gutachten mit keinen funktionellen Beeinträchtigungen verbunden. Diese Befunde entsprechen allenfalls Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome), die nach Teil B Nr. 18.9 der VG (nur) mit einem GdB von 20 zu bewerten sind. Ein GdB von 40 - wie vom Beklagten angenommen - ist daher überhöht. Dies gilt auch dann, wenn man (von Dr. T. nicht beschriebene) Nervenwurzelreizerscheinungen und ein chronisches Schmerzsyndrom berücksichtigt, da sich damit lediglich eine Erhöhung des GdB um 10 auf 30 begründen lässt. Der Einschätzung von Dr. P., der als Internist insoweit ohnehin eine Beurteilung auf einem für ihn fremden Fachgebiet abgegeben hat, wonach die Wirbelsäulenerkrankung der Klägerin mit einem GdB von 50 zu bewerten sei, kann angesichts der von Dr. T. erhobenen orthopädischen Befunde nicht gefolgt werden. Hinzu kommt, dass auch Dr. P. - neben den von der Klägerin angegebenen Schmerzen und Gefühlsstörungen - nur leichte Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule und des Nackens sowie keine wesentliche Einschränkung im Bereich des linken Beines (infolge des leicht hinkenden Gangs links) beschrieben hat.
Ferner sind der Bluthochdruck und die Herzrhythmusstörungen, die vom Beklagten als Funktionsstörungen berücksichtigt worden sind, mit einem GdB von 10 nicht zu niedrig bewertet. Der Kardiologe Dr. H. diagnostizierte in seinem Untersuchungsbericht vom 26.09.2005 eine Sinustachykardie und eine leichte Mitralinsuffizienz, fand aber keine Hinweise auf eine Rechts- oder Linksherzinsuffizienz. Nach dem durchgeführten Belastungs-EKG war die Klägerin bis maximal 75 Watt belastbar. Der Blutdruck betrug RR 150/90 mmHg. Zwar ergab sich bei der Untersuchung der Klägerin durch Prof. Dr. K. am 30.03.2009 ein mit 155/105 mmHg erhöhter Blutdruck. Nach Teil B Nr. 9.3 der VG bedingt aber eine leichte Hypertonie, die nicht oder nur mit einer geringen Leistungsbeeinträchtigung (höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) verbunden ist, nur einen GdB von 0 bis 10. Erst eine - hier nicht belegte dauerhafte - mittelschwere Hypertonie mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades ist mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten. Ein einzelner erhöhter Blutdruckwert reicht hierfür noch nicht aus.
Entgegen dem Berufungsvorbringen der Klägerin ist das bei ihr vorliegende Hämorrhoidenleiden nicht mit einem GdB von 20 zu bewerten. Der Internist und Gastroenteriologe Dr. d. R. hat gegenüber dem SG zwar von einem mittelgradigen Hämorrhoidalleiden gesprochen, für das zusätzlich ein GdB von 20 (allerdings ohne Erhöhung des GdB) anzusetzen sei. Der Chirurg Privatdozent Dr. M., der am 24.05.2007 ein Hämorrhoidalleiden II. Grades bescheinigt und insoweit ebenfalls eine mittelgradige Ausprägung angenommen hat, hat jedoch angegeben, nach vollständiger Behandlung sei diese Gesundheitsstörung als vorübergehend zu bezeichnen. Es bestehe weder Dienstunfähigkeit noch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit. Daraus schließt der Senat, dass die Behandlung des Hämorrhoidalleidens der Klägerin erfolgreich abgeschlossen worden ist und insoweit keine Funktionseinschränkung in behinderndem Ausmaß mehr besteht.
Eine wesentliche psychische Störung, die neben dem chronischen Schmerzsyndrom zusätzlich bei der Beurteilung der Gesamtauswirkung der Funktionsbeeinträchtigungen zu berücksichtigen wäre, liegt bei der Klägerin nicht vor. Zu Recht hat das SG insoweit ausgeführt, dass sich die psychische Beeinträchtigung der Klägerin in erster Linie in den erheblichen Schmerzen im Be-
reich der Hals- und Lendenwirbelsäule manifestiert und eine gesonderte Berücksichtigung dieser Beeinträchtigung zu einer ungerechtfertigten Doppelbewertung führen würde. Hinzu kommt, dass die Klägerin eine psychische Beeinträchtigung im Laufe des Verfahrens - auch mit der Berufung - nicht geltend gemacht hat. Die vom SG befragten behandelnden Ärzte haben denn auch nicht angegeben, dass die Klägerin an psychischen Beschwerden leide. Im Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik Höhenblick in Baden-Baden vom 13.12.2005 ist zwar als Ergebnis eines fachpsychologischen Konzils von einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, die Rede. Im danach im Rentenrechtsstreit von dem Nervenarzt M. am 13.12.2008 erstatteten fachärztlichen Gutachten wurden ein Verdacht auf Alkoholmissbrauch, ein Zustand nach reaktiv-depressiver Verstimmung bei erheblichen familiären Problemen und eine Somatisierungsneigung mit im Vordergrund stehender somatoformer Schmerzstörung diagnostiziert. Allerdings sah der Gutachter die seelisch bedingten Störungen derzeit nur als gering ausgeprägt an und führte insoweit aus, bezüglich des Verdachts auf Alkoholmissbrauchs habe sich kein Hinweis auf eine Abhängigkeit ergeben. Am ehesten hat der Alkoholmissbrauch nach dem Gutachten im Rahmen der früheren Überlastungen vor allem in der Zweckehe eine Rolle gespielt. Letzteres trifft auch für die reaktiv-depressive Verstimmung bei erheblichen familiären Problemen zu, die inzwischen weitgehend abgeklungen sind. Bei der Klägerin bestehen daher allenfalls leichtere psychovegetative und/oder psychische Störungen, die nach Teil B Nr. 3.7 der VG mit einem GdB von 0 bis 20 zu bewerten sind. Ein GdB von mehr als 10 besteht nicht.
Insgesamt sind die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin mit einem GdB von 40 nicht zu niedrig bewertet. Dies folgt schon daraus, dass der Senat für das Wirbelsäulenleiden der Klägerin einschließlich Folgeerscheinungen, insbesondere das chronische Schmerzsyndrom, nur einen GdB von 30 annimmt. Die weitere Beeinträchtigung (Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen) ist nur mit einem GdB von 10 zu bewerten und erhöht damit den Gesamt-GdB nicht. Dies gilt ebenso für die psychische Beeinträchtigung der Klägerin, falls man insoweit einen GdB von 10 annehmen würde. Dies folgt aus den Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB (vgl. Teil A Nr. 3d ee der VG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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