L 9 U 3539/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 5115/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3539/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. Mai 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob weitere Unfallfolgen wegen eines Arbeitsunfalles vom 18. Juni 1998 vorliegen und der Kläger einen Anspruch auf Verletztengeld sowie Verletztenrente ab 25. März 2004 hat.

Der 1957 geborene Kläger erlitt am 18. Juni 1998 bei Reinigungsarbeiten an einer Maschine einen Arbeitsunfall, als er auf einer Leiter stand, diese wegrutschte und er sich mit der rechten Hand an einem Rohr am Maschinenkörper festhielt und frei über dem Boden hing, wobei er sich eine Verletzung im Bereich der rechten Schulter zuzog. Gemäß seinen Angaben vom 21. Januar und 11. Februar 1999 verspürte er beim Festhalten Schmerzen von der Schulter bis zum Oberarm, die danach von Tag zu Tag stärker wurden. Zu einer gewaltsamen Verdrehung seines Armes sei es nicht gekommen. Er habe eine Art Riss von der Schulter bis zum Oberarm gespürt und ohne auf die Schmerzen zu achten versucht, die Leiter mit dem Bein wieder heranzuziehen um nicht abzustürzen. Als die Leiter wieder richtig gestanden sei, habe er sich auch mit der anderen Hand festgehalten. Es sei zu einer kurzen ruckartigen Belastung seines Armes gekommen. Ein Augenzeuge des Unfalles war nicht anwesend. Der Kläger setzte seine Arbeit fort und versuchte, die Beschwerden mit Salbe zu lindern. Ab 27. Juli 1998 war er arbeitsunfähig, am 15. Oktober 1998 nahm er seine berufliche Tätigkeit wieder auf und übte die gleiche Tätigkeit wie zuvor aus.

Am 24. Juli 1998 suchte der Kläger dann den Allgemeinmediziner Dr. F. auf, der eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der rechten Schulter, eine Schwellung und einen Schmerz erhob. Gemäß dem Durchgangsarztbericht der Dr. W., Kreiskrankenhaus Blaubeuren (KKH), bei der der Kläger am 27. Juli 1998 eintraf, fanden sich äußerlich an der rechten Schulter keine Verletzungen, keine Rötung oder Schwellung, jedoch ein deutlicher Druckschmerz im Bereich des vorderen Gelenkspaltes des Articulatio humeri sowie knapp unterhalb des Humeruskopfes lateral und konnte der Kläger den rechten Arm nicht mehr über die Horizontale abduzieren. Die Röntgenuntersuchung der rechten Schulter erbrachte keine Hin-weise für eine frische knöcherne Läsion. Das MRT der Schulter rechts vom 29. Juli 1998 ergab gemäß dem Bericht des Radiologen Dr. P. eine ausgedehnte extrartikuläre Kontrastmittel-Ausbreitung im Bereich der Subscapularissehne bei im Übrigen regulären Gelenkstrukturen und den dringenden Verdacht einer kompletten Ruptur der RM der Subscapularissehne. Dr. W., Chefarzt der chirurgischen Abteilung des KKH, berichtete am 16. September 1998, der Kläger sei weiter in ambulanter Behandlung. Bei der Ruptur der RM rechts sei eine operative Therapie nicht mehr sinnvoll, die krankengymnastische Beübung habe bereits zu einer guten Besserung der Beweglichkeit geführt. Am 9. Oktober 1998 führte Dr. W. aus, die RM-Ruptur sei Folge des Ereignisses vom 18. Juni 1998, wobei es sich um eine Teilläsion gehandelt haben müsse, da der Kläger weiter gearbeitet habe. Danach sei es zu der kompletten Ruptur der RM gekommen. Sonographisch und kernspintomographisch habe sich dann die RM komplett rupturiert gezeigt. Der Kläger wurde am 8. Oktober 1998 aus der ambulanten Behandlung entlassen sowie ab 15. Oktober 1998 für arbeitsfähig erachtet und die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde vorläufig über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus auf 10 vH geschätzt (Dr. W. am 29. Oktober 1998).

Dr. M. stellte bei dem 164 cm großen und 73 kg schweren Kläger im orthopädischen Gutachten vom 9. April 1999 noch eine (mittel- bis) geringradig konzentrisch eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Schultergelenkes fest. Eine vollständige Zusammenhangstrennung der RM sei im Bericht über die Untersuchung vom 29. Juli 1998 nicht beschrieben. Die funktionellen Einschränkungen seien alleine und ausschließlich auf das Unfallereignis zurückzuführen. Die MdE schätzte er ab Ende der Arbeitsunfähigkeit bis zum 8. April 1999 (Tag der Untersuchung) auf 20 vH, danach auf 10 vH. In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 28. Juni 1999 gelangte der Chirurg Dr. v. M. nach Auswertung der Unterlagen zum Ergebnis, das Ereignis - ruckartiges Abfangen von 73 kg Körpergewicht - sei auf Grund der Unfallschilderung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geeignet gewesen, einen Riss der Subscapularissehne zu verursachen. Konkrete Befunde über die Funktion bei Wiederaufnahme der Arbeit am 15. Oktober 1998 lägen nicht vor, im Zwischenbericht vom 9. Oktober 1998 sei lediglich mitgeteilt, die Beweglichkeit des Schultergelenkes sei gut. Insofern erscheine eine MdE um 20 vH zu hoch. Er schätzte die MdE ab Wiederaufnahme der Arbeit auf 10 vH.

Mit Bescheid vom 26. August 1999 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalles ab, da die verbliebende endgradige Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk lediglich eine MdE vom 10 vH bedinge. Ein Anspruch auf Verletztengeld habe bis 14. Oktober 1998 bestanden.

Am 25. März 2004 stellte sich der Kläger, der davor verstärkt Überkopfarbeiten verrichtet hatte, bei dem Orthopäden Dr. K. vor und machte "seit fünf Tagen wieder langsam zunehmende Beschwerden im Bereich der rechten Schulter" geltend. Dr. K. diagnostizierte nach einer Röntgenuntersuchung eine Impingementsymptomatik der rechten Schulter mit Verdacht auf Bursitis subacromialis und einen "Zustand nach RM-Ruptur 1998".

Der Radiologe Dr. K. stellte nach einem MRT der rechten Schulter vom 7. Juli 2004, eine die gesamte Dicke der Sehne betreffende "Knopflochruptur" der Supraspinatussehne der rechten Schulter, deutlich progredient zur Voruntersuchung vom 29. Juli 1998, einen ausgedehnten Erguss in der Bursa subacromialis und dem Gelenkraum, eine subakromiale Enge bei Akromion Formtyp III, eine intakte lange Bizepssehne und eine AC-Arthrose fest. Darauf nahm Dr. K. am 14. Juli 2004 eine operative RM-Rekonstruktion im Rahmen einer Arthroskopie vor. Dabei waren Bizeps- und Subscapularissehne intakt und zeigte sich eine große Rotatorenläsion im Bereich des Ansatzes der Supraspinatussehne mit Ausstrahlung in das Rotatorenintervall. Der post-operative Verlauf war komplikationslos bei (seit 14. Juli 2004) fortbestehender Arbeitsunfähigkeit. Die histologische Untersuchung des Supraspinatussehnengewebes ergab eine frische Läsion, die auf ein vorgeschädigtes teils verkalktes Gewebe getroffen habe (Bericht Dr. Q. vom 16. Juli 2004). Dr. K. hielt im weiteren Verlauf eine - am 17. November 2004 durchgeführte - Arthroskopie und eine laterale Clavicularesektion der rechten Schulter wegen der AC-Gelenksarthrose für erforderlich (Bericht vom 4. November 2004, Operationsbericht vom 17. November 2004).

In der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15. November 2004 kam Dr. S. zum Ergebnis, der Schaden an der Supraspinatussehne sei nicht unfallbedingt. Es bestehe eine Schadensanlage infolge AC-Arthrose und Akromion Typ III, weswegen die Operation vom 14. Juli 2004 "sehr fraglich" Unfallfolge sei.

Dr. K. vertrat dann am 7. Dezember 2004 die Auffassung, Folge des Arbeitsunfalles sei auch der große Riss der Supraspinatussehne, den er am 14. Juli 2004 operativ versorgt habe. Hinsichtlich der Arthrose des Schultereckgelenkes könne er die Unfallursächlichkeit nicht eindeutig beurteilen. Unabhängig davon sei die Rehabilitation des Klägers durch diese Schultereckgelenksarthrose deutlich verzögert. Er habe beim zweiten Eingriff am 17. November 2004 eine laterale Clavicularesektion (Interpositionsarthroplastik) vornehmen müssen. Der große Supraspinatus-sehnendefekt sei komplett verschlossen.

Nach Beiziehung der Operationsberichte vom 14. Juli und 17. November 2004 sowie von Berichten des Pathologen Dr. Q. (Untersuchungen vom 16. Juli und 22. November 2004) und Eingang des weiteren Berichtes des Dr. K. vom 25. Januar 2005 kam Dr. G. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30. März 2005 zum Ergebnis, der Schulterbefund mit Arthrose des AC-Gelenkes und vor allem der Defekt an der RM seien nicht mehr auf den Sturz vom 18. Juni 1998 zurückzuführen sondern degenerativ bedingt. Am 26. August 2005 vertrat Dr. K. die Auffassung, die Behandlungsmaßnahmen und die Arbeitsunfähigkeit vom 14. Juli 2004 bis 13. März 2005 seien mit Ausnahme der Behandlung der Schultereckgelenksarthrose unfallbedingt. Die Bewegungseinschränkung der rechten Schulter sei allein auf den Schaden an der Supraspinatussehne zurückzuführen, wobei es sich um eine Fibroarthrose handle, die hin und wieder nach operativen Gelenkserkrankungen vorkomme. Dem trat Dr. G. am 7. September 2005 entgegen.

Die Beklagte veranlasste eine weitere Begutachtung bei dem Orthopäden Dr. M ... Dieser kam (unter Mitberücksichtigung des radiologischen Zusatzgutachtens des Prof. Dr. B. vom 2. März 2006) in seinem am 15. März 2006 vorgelegten Gutachten zum Ergebnis, beim Kläger bestehe eine mittel- bis geringgradig konzentrische Einschränkung der Schultergelenksfunktion rechts. Er habe sich bei dem Unfall wahrscheinlich eine Zerrung des rechten Schultergelenkes zugezogen. Mangels nachgewiesener anderer Ursache sei von einem ursächlichem Zusammenhang der Funktionseinbuße der rechten Schulter unter Hintanstellung einer damals noch verdachtsweise geäußertem Mitbeteiligung der Sehne des Unterschulterblattmuskels auszugehen gewesen. Wahrscheinlich sei diese Sehne, wie nun durch das radiologische Gutachten bestätigt, damals mitbeteiligt gewesen, wobei beim Eingriff vom 14. Juli 2004 deutlichere Unfallfolgen an dieser Sehne nicht mehr feststellbar gewesen seien. Nach dem OP-Bericht vom 14. Juli 2004 sei die bei dem Unfall verletzte Struktur ohne wesentliche Folgen ausgeheilt gewesen. Nach einem beschwerdefreien Intervall - ohne Brückensymptome - sei es 2004 offensichtlich spontan zu erneuten langsam zunehmenden Beschwerden im Bereich der rechten Schulter nach vermehrter Überkopfarbeit gekommen. Es habe sich ein schon 1998 vorbestehendes unfallunabhängiges Verschleißleiden der Sehne des Obergrätenmuskels schicksalhaft fortentwickelt, bei zusätzlichen vorbestehenden Zeichen eines deutlichen Verschleißleidens des Schultereckgelenkes mit Druck auf die Sehne des Obergrätenmuskels im Raum unter dem Schultereck. Eine funktionelle Trennung der in seinem früheren Gutachten dokumentieren Befunde im Vergleich mit den aktuellen sei nicht möglich. Die beiden Eingriffe hätten anteilig mehr oder weniger ebenfalls Funktionseinbußen hinterlassen. Insgesamt zeige sich anlässlich der aktuellen Untersuchung aber eine bessere Funktion als bei seiner Begutachtung im Jahr 1999. Der Unfall sei keine alleinige Ursache oder wesentliche Teilursache im Sinne der Entstehung oder Verschlimmerung für die ab 14. Juli 2004 vorliegenden Gesundheitsschäden und für die jetzt bestehenden Veränderungen nicht wesentlich.

Mit Bescheid vom 29. Mai 2005 anerkannte die Beklagte als Unfallfolge einen "Riss der Subscapularissehne". Die Anerkennung eines RM-Defektes rechts mit degenerativ vorgeschädigter Supraspinatussehne und Schultereckgelenksarthrose als Unfallfolge sowie Leistungsansprüche über den 25. März 2004 hinaus lehnte sie ab. Die fortbestehenden Beschwerden seien nicht auf den Unfall zurückzuführen. Der Riss der Subscapularissehne rechts sei unter Narbenbildung folgenlos verheilt und erfordere keine weitere Behandlung. Den Widerspruch des Klägers vom 26. Juni 2006, mit dem er geltend machte, der RM-Defekt rechts sei Unfallfolge, und zu dem er u. a. den Bericht des Dr. K. vom 4. Juli 2006 in Kopie vorlegte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2006 zurück.

Deswegen hat der Kläger am 29. Dezember 2006 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, mit der er zuletzt noch die Anerkennung einer Supraspinatussehnenruptur als weitere Unfallfolge sowie die Gewährung von Verletztengeld für die Zeit unfallabhängiger Arbeitsunfähigkeit und die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH begehrt hat.

Das SG hat bildgebende Befunde beigezogen und ein Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. H. vom 24. Juni 2007 sowie - nach Einwendungen der Beklagten - dessen ergänzende Stellungnahme vom 25. Oktober 2007 eingeholt. Er hat ausgeführt, Risse im Bereich der RM könnten sowohl unfallbedingt wie auch auf Grund degenerativer Sehnenschäden auftreten. Beim Kläger ergäben sich keine Hinweise auf einen relevanten Vorschaden im rechten Schultergelenk. Hinweise auf eine relevante degenerative Sehnenschädigung links gebe es auch nicht. Der Unfallmechanismus sei zwar nicht exakt rekonstruierbar, doch handle es sich nach der Beschreibung des Klägers am ehesten um eine gewaltsame Beugung und Außendrehung, evtl. zusätzlich verbunden mit einer Abspreizung, im rechten Schultergelenk. Diese sei geeignet, eine Teilzerreissung der RM auszulösen. Dass der Kläger weiter gearbeitet und erst ca. nach fünf Wochen einen Arzt aufgesucht habe, spreche eher gegen einen unfallbedingten Sehnenschaden. Der ärztliche Erstbefund, der Röntgenbefund und der kernspintomographische Befund vom Juli 1998 seien vereinbar mit einer unfallbedingten Teilzerreissung der Subscapularissehne. Der kernspintomographische Befund vom 7. Juli 2004 unterscheide sich deutlich vom ersten. Es könne beim Unfall zu einer Zerreissung von Anteilen der Subscapularissehne und auch zu Schäden im Bereich der Supraspinatussehne ohne durchgängige Rissbildung gekommen sein, worauf der Teilriss im Bereich der Subscapularissehne vernarbt sei und ein Fortschreiten der Schädigung der Supraspinatussehne zu einer nachfolgender Rissbildung geführt habe. Es könnten aber auch unfallunabhängig zunehmende degenerative Veränderungen der Supraspinatussehne zu dem Riss im Jahr 2004 geführt haben. Seines Erachtens habe das Unfallereignis auch eine "strukturelle Schädigung der Supraspinatussehne" verursacht, die dann zur Rissbildung geführt habe. Er sehe bereits 1998 nachweisbare Signaländerungen in der Sehne des Supraspinatusmuskels als unfallbedingt an, ohne vollständige Zerreissung. Der Operationsbefund sei insofern unspezifisch und auch der histologische Befund sechs Jahre nach dem Ereignis wenig hilfreich. Das Operationsergebnis drei Jahre nach dem Ersteingriff deute eher auf eine prinzipiell intakte Sehnensubstanz und nicht auf eine diffuse Sehnendegeneration hin. Die endgradige schmerzhafte, deutliche Bewegungseinschränkung der rechten Schulter nach mehrfacher Operation im Bereich der RM sei zumindest wesentlich durch den Arbeitsunfall verursacht oder verschlimmert worden. Vom 25. März bis 13. Juli 2004 hat er die unfallbedingte MdE auf 20 vH geschätzt und ab 1. Mai 2005 wiederum auf 20 vH. Vom 14. Juli 2004 bis 30. April 2005 sei der Kläger u. a. in Folge unfallbedingter operativer Eingriffe arbeitsunfähig gewesen.

Das SG hat mit Urteil vom 13. Mai 2008 die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung eines Risses der Supraspinatussehne als zusätzliche Unfallfolge Verletztengeld in gesetzlicher Höhe vom 14. Juli 2004 bis 30. April 2005 sowie Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH vom 25. März 2004 bis 13. Juli 2004 und ab 1. Mai 2005 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Bei seiner Entscheidung hat sich das SG im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. H. gestützt.

Gegen das am 3. Juli 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25. Juli 2008 Berufung eingelegt.

Der Senat hat Sachverständigengutachten des Prof. Dr. L. vom 8. Dezember 2008 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 23. Oktober 2009 sowie - auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - des Prof. Dr. M. vom 1. August 2009 (mit radiologischem Zusatzgutachten des Prof. Dr. Dr. R. vom 6. Juli 2009) eingeholt.

Prof. Dr. L. ist im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, beim Kläger fänden sich Narben, eine Muskelminderung, Bewegungsschmerzen, eine starke aktive und endgradige passive Bewegungseinschränkung und Kraftminderung der rechten Schulter nach chirurgisch versorgter Läsion der RM und knöcherner subakromialer Enge. Diese Gesundheitsstörungen seien auf alterungs- und verschleißbedingte Veränderungen zurückzuführen und stünden nicht in einem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall. Für einen Zusammenhang spreche die angebliche Beschwerdefreiheit bis zum Zeitpunkt des Sturzes mit leerem Vorerkrankungsverzeichnis, der grundsätzlich für eine Zerreissung der vorderen und oberen Anteile der RM geeignete Verletzungsmechanismus und das angeblich unmittelbare Eintreten der Beschwerden nach dem Sturz. Gegen einen Zusammenhang spreche die verzögerte Inanspruchnahme medizinischer Hilfe fünf Wochen nach dem Ereignis, die Tatsache, dass im Rahmen der zeitnah angefertigten Kernspintomographie die Obergrätensehne als nicht verletzt, aber degenerativ vorgeschädigt beschrieben sei und die in der Kernspintomographie vom 29. Juli 1998 beschriebene Einengung des Gleitraumes für die Obergrätensehne unter dem Schulterdach. Mit hoher Wahrscheinlichkeit habe sich der Kläger bei dem Unfall eine schwere Zerrung der rechten Schulter zugezogen, bei der es zu einem Sehnenfaserriss des Unterschulterblattmuskels gekommen sei, der nach physiotherapeutischer Behandlung nach einigen Monaten vollständig ausgeheilt gewesen sei. Ausgelöst durch eine Schadensanlage in Form einer Einengung der Gleitraumes für die Obergrätensehne unter dem Schulterdach sei es im zeitlichen Verlauf zu einer degenerativen Läsion dieser Sehne gekommen, was vier Jahre nach dem Unfall zum Auftreten von Beschwerden sowie zu den operativen Interventionen geführt habe. Der aktuelle Zustand sei auf die Voroperation mit ausgedehnter Narbenbildung und die noch fortbestehende Einengung des Gleitraumes unter dem Schulterdach durch eine nach unten gerichtete Zacke der vorderen Schulterblattgräte zurückzuführen. Ein Zusammenhang der aktuellen Beschwerden und Einschränkungen mit dem Unfall sei nicht wahrscheinlich. Eine unfallbedingte MdE sei nach dem 25. März 2004 nicht feststellbar. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit lasse sich für maximal drei Monate nach dem Unfall, nämlich bis Ende September 1998 begründen.

Prof. Dr. M. ist zum Ergebnis gelangt, beim Kläger bestünden im Bereich der rechten Schulter eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung mit reduzierter Kraft bei Zustand nach Subscapularispartial- und Supraspinatussehnenruptur mit operativer Rekonstruktion sowie ein Zustand nach Frozen Shoulder mit Arthrolyse und lateraler Clavikularesektion bei AC-Gelenksarthrose. Die Subscapularispartialruptur könne eindeutig dem Unfall zugewiesen werden. Die nach dem Unfall festgestellte bursaseitige Supraspinatussehnenpartialruptur, welche sich zu einer Komplettruptur mit Atrophie des Muskels und Frozen Shoulder nach operativer Therapie entwickelt habe und die die heutigen Beschwerden und Einschränkungen verursache, sei mit hoher Wahrscheinlichkeit unfallbedingt oder teilunfallbedingt entstanden. Die ca. einen Monat nach dem Unfall gefertigten MRT-Bilder ließen eine Beurteilung, ob die Ruptur traumatisch oder degenerativ entstanden sei, nicht zu. Zwar liege eine AC-Gelenksarthrose vor, doch komme es bei vielen Menschen mit einer AC-Gelenksarthrose und subacromialer Einengung nicht zu einer Supraspinatussehnenruptur. Auch die degenerativen Zysten und Erosionen könnten eine degenerative Genese der Ruptur nicht beweisen. Für den Zusammenhang sprächen die Beschwerdefreiheit vor dem Unfall, das Vorliegen eines geeigneten Verletzungsmechanismus, ein Alter, in dem degenerative Sehnenrupturen im Bereich der Schultern ungewöhnlich seien, und das Neuauftreten einer passenden Beschwerdesymptomatik nach dem Unfall. Die MdE schätze er ab 25. März 2004 auf 20 vH. Nach der Operation sei der Kläger arbeitsunfähig gewesen, wobei dies bis ca. zwei Wochen nach der letzten Operation, also bis Ende April 2005 angedauert habe. Prof. Dr. L. sei in weiten Teilen zuzustimmen, allerdings weiche er von dessen Einschätzung des Primärbefundes ab, soweit er ihn nicht typisch für eine Zerreissung der RM ansehe. Es sei zu unterscheiden, ob es sich um eine komplette oder um eine Partialruptur wie hier handle. Prof. Dr. L. habe ferner die MRT-Bilder nicht eingesehen und stütze sich nur auf die schriftlichen Befunde, ohne die Frage, ob die Partialruptur der Supraspinatussehne degenerativ oder traumatisch sei, zu beurteilen.

In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme hat dann Prof. Dr. L. nach Einsicht und Auswertung der Röntgen- und MRT-Aufnahmen im Original an seiner Kausalitätsbeurteilung festgehalten. Bei den Veränderungen im Bereich der Subscapularissehne sei eine vollständige Unterbrechung der Sehne nicht erkennbar. Es handle sich um einen Teilanriss, der nach allgemeinen klinischen Erfahrungen innerhalb einiger oder weniger Monate vollständig abheile. Bei unvollständiger Rissbildung komme es nicht zu einem Auseinanderweichen der Rissränder. Selbst wenn ein kleiner Defekt innerhalb der Sehne entstehe, heile er vollständig aus. Anlass für die Operation vom 14. Juli 2004 sei demgegenüber der Defekt in der Obergrätensehne (Supraspinatussehne) gewesen. In Übereinstimmung mit dem radiologischen Gutachten zum Zeitpunkt sechs Wochen nach der Gewalteinwirkung sei kernspintomographisch ein Substanzdefekt der Supraspinatussehne auszuschließen. Diese Sehne und der dazu gehörende Muskel wiesen keinerlei traumatische Veränderungen auf. Innerhalb der folgenden mehr als fünf Jahre sei es dann mit hoher Wahrscheinlichkeit, ausgelöst durch die Einengung des Gleitraumes der Sehne unter dem Schulterdach, zu einer degenerativen Läsion der Supraspinatussehne gekommen. Sowohl die Einsicht in die Originalaufnahmen der zeitnah angefertigten Bildgebung, als auch das anschließend vorgenommene fachradiologische und fachorthopädische Gutachten gäben keinen Anlass zur Revision der bisherigen Einschätzung bzgl. der Kausalität, der Zeitdauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und der resultierenden MdE.

Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, es sei nachgewiesen, dass zum Unfallzeitpunkt schon erhebliche degenerative Veränderungen im Schultergelenk vorgelegen hätten. Eine Schädigung der Supraspinatussehne durch den Unfall sei nicht belegt. Die Annahme basiere auf reinen Vermutungen. Ferner spreche ein beschwerdefreies Intervall von mehr als fünf Jahren gegen eine traumatische Schädigung der Supraspinatussehne rechts durch den Arbeitsunfall. Die vorbestehenden degenerativen Veränderungen im Bereich der rechten Schulter seien durch die unfallbedingte Subscapularissehnenruptur rechts nicht wesentlich verändert worden, womit auch eine mittelbare Schädigung der Supraspinatussehne nicht in Betracht komme. Die auf den MRT-Aufnahmen vom 29. Juli 1998 erkennbare bursaseitige Partialruptur der Supraspinatussehne sei typisch für eine degenerative Schädigung bei MR-tomographischen Impingementzeichen, typischer Lokalisation der degenerativen Supraspinatusläsion anterior ansatznah und entsprechenden knöchernen zystischen Veränderungen. Traumatisch bedingte Schädigungen der Supraspinatussehne seien nicht festzustellen. Soweit Prof. Dr. M. 1998 direkt nach dem Unfall aufgetretene Beschwerden als Indiz für eine traumatische Verursachung ansehe, lasse er außer Betracht, dass diese Beschwerdesymptomatik allein schon auf Grund der eindeutig traumatisch bedingten Ruptur der Subscapularissehne rechts eingetreten sei. Ferner sei eine degenerative Zusammenhangstrennung der RM für das Lebensalter des Klägers nicht untypisch, da zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr Partialrupturen der Supraspinatussehne in Form von inkompletten, meist gelenksseitigen Teildefekten und Ausdünnungen der Sehnengewebes zunähmen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. Mai 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er sieht sich durch das auf seinen Antrag eingeholte Sachverständigengutachten des Prof. Dr. M. bestätigt. Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung bzw. Feststellung eines Risses der Supraspinatussehne als Unfallfolge sowie auf Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente nach dem 24. März 2004

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 S.tes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründeten Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Einen solchen Unfall hat der Kläger am 18. Juni 1998 erlitten.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall, der hier am 5. Juni 1998 eingetreten ist) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Verletztengeld wird gemäß § 45 Abs. 1 SGB VII erbracht, wenn Versicherte 1. infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und 2. unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise gewährtes Arbeitslosengeld II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch oder Mutterschaftsgeld hatten.

Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung entspricht dem in der gesetzlichen Krankenversicherung. Danach liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte seine zuletzt vor dem Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit bzw. im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls nicht (weiter) verrichten kann. Gibt er nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt inne gehabte Arbeitsstelle auf, ändert sich der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Kranken- bzw. Verletztengeldes eng zu ziehen ist (BSG SozR 4-2700 § 46 Nr. 3 m.w.N.). Für die tatsächliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, die zur Begründung eines Anspruchs auf Verletztengeld durch die Folgen des Arbeitsunfalls hervorgerufen sein muss, ist die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein Beweismittel wie jedes andere. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG sind Krankenkassen bzw. Unfallversicherungsträger und Gerichte an den Inhalt einer ärztlichen Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit nicht gebunden. Der durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bescheinigte Inhalt kann durch andere Beweismittel widerlegt werden (BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 7).

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls und ihrer Berücksichtigung für die Gewährung von Leistungen sowie bei der Bemessung der MdE ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und JURIS).

Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 9. Mai 2006 (aaO Rdnr. 15) nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.

Gemessen daran hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung des Risses der Supraspinatussehne als zusätzliche Unfallfolge sowie auf Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente.

Die Ruptur der Supraspinatussehne, die im MRT vom 7. Juli 2004 nachgewiesen wurde, die daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit und die dadurch erforderliche Behandlung im Jahr 2004 sowie die verbleibenden funktionellen Einschränkungen sind nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis vom 18. Juni 1998 zurückzuführen. Dies ergibt sich für den Senat schlüssig und überzeugend aus dem im Wege der Urkundenbeweises verwertbaren Gutachten des Dr. M. in Verbindung mit radiologischen Gutachten von Prof. Dr. B. und dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. L. sowie dessen ergänzender gutachterlicher Stellungnahme.

Der Kläger hat am 18. Juni 1998 einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall erlitten, als er bei Reinigungsarbeiten auf einer Leiter sich wegen der wegrutschenden Leiter mit der rechten Hand an einem Rohr festhalten musste und mit seinem ganzen Körpergewicht am rechten Arm frei über dem Boden hing, bevor er die Leiter mit den Beinen wieder heranholen und absteigen konnte.

Unstreitig hat der Kläger durch das Unfallereignis auch eine Partialruptur der Subscapularissehne erlitten. Hingegen ist eine traumatische Schädigung der Supraspinatussehne nicht erwiesen. Dies entnimmt der Senat vorrangig dem Befundbericht des Radiologen Dr. P. vom 30. Juli 1998 über die MRT-Untersuchung der Schulter rechts vom 29. Juli 1998, dem radiologischen Gutachten von Prof. Dr. B. vom 2. März 2006 und den gutachterlichen Ausführungen von Prof. Dr. L ...

Dr. P. beschrieb lediglich eine ausgedehnte extraartikuläre Kontrastmittel-Ausbreitung im Bereich der Subscapularissehne und äußerte den Verdacht auf eine komplette Ruptur der RM der Subscapularissehne. Prof. Dr. B. befundete, damit übereinstimmend, die Kernspintomographie vom 29. Juli 1998 dahingehend, dass die Subscapularissehne eine schräg verlaufende inkomplett risstypische Signalaufhellung vor der Insertion am Rande des Sulcus bizipitalis aufweist. Demgegenüber fand er bei der Supraspinatussehne eine Eindellung im myotendinösen Übergangsbereich, welche er auf die impingementtypische Verschmälerung des subacromialen Raumes infolge einer mäßig ausgeprägten Arthrose des Acromioclaviculargelenkes mit wulstig caudaler Randapposition am Rande des Schlüsselbeins und mässiger Kapselverdickung zurückführte. Die Sehne wies auch insertionsnah eine fokale Signalaufhellung und partielle Sehnenfaserkonturunterbrechung im zentralen Sehnenverlauf auf. Eine Rissfigur der degenerativ vorgeschädigten Supraspinatussehne vermochte er nicht nachzuweisen. Die fokale Signalaufhellung wurde von Prof. Dr. Dr. R. im radiologischen Gutachten vom 7. Juli 2009 als bursaseitige Partialruptur der Supraspinatussehne gedeutet, die vereinbar sei mit einer degenerativen Schädigung bei MR-tomografischen Zeichen für Impingement, der typischen Lokalisierung der degenerativen Supraspinausläsion anterior ansatznah und entsprechenden zystischen Veränderungen. Eine zusätzliche traumatische Schädigung bei degenerativem Vorschaden hielt er für möglich. Damit ist aber kein Nachweis einer traumatischen Schädigung der Supraspinatussehne erbracht. Dementsprechend hat auch Prof. Dr. L. nach Inaugenscheinnahme der Originalaufnahmen von Dr. P. und unter Berücksichtigung der Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. Dr. R. überzeugend traumatische Veränderungen an der Supraspinatussehne und dem dazugehörenden Muskel verneint.

Wie Prof. Dr. L. im Weiteren ausgeführt hat, spricht auch das Verhalten des Klägers nach dem Unfall und die Tatsache, dass er erst fünf Wochen nach den Unfall ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat, gegen eine traumatische Schädigung von zwei Sehnen der RM durch den Unfall, da dann sofort so erhebliche Beschwerden aufgetreten wären, dass der Kläger seine Arbeit nicht hätte fortsetzen können und sofort ärztliche Hilfe gesucht hätte. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass bei leerem Vorerkrankungsverzeichnis Beschwerdefreiheit bis zum Zeitpunkt des Unfalls bestand und der Unfallmechanismus grundsätzlich geeignet war für eine Zerreissung der vorderen und oberen Anteile der RM.

Soweit hiervon abweichend Dr. H. eine unfallbedingte "strukturelle Schädigung" der Supraspinatussehne annimmt, fehlt es hierfür - wie bereits dargelegt - an hinreichenden Befunden. Insofern ist die Prämisse, von der Dr. H. ausgeht, nicht durch einen nachgewiesenen Erstschaden belegt. Seiner Beurteilung ist damit die wesentliche Grundlage entzogen.

Auch die Argumente, die Prof. Dr. M. für eine unfallbedingte Schädigung der Supra-spinatussehne vorträgt, überzeugen den Senat nicht. Auch er geht davon aus, dass die MRT-Aufnahmen vom 29. Juli 1998 eine Supraspinatuspartialruptur zeigen, wofür es - wie dargelegt - an einem Nachweis fehlt. Sein Einwand, Prof. Dr. L. habe die Originalaufnahmen nicht eingesehen, ist dadurch entkräftet, dass Prof. Dr. L. für seine ergänzende gutachterliche Stellungnahme die gesamten Aufnahmen zur Verfügung gestellt worden sind und er mit näherer Begründung an seiner Einschätzung festgehalten hat. Soweit Prof. Dr. M. darauf hinweist, dass bei vielen Menschen, die unter einer AC-Gelenksarthrose und subacromialen Einengung litten, keine Supraspinatussehnenruptur auftrete, entkräftet dies die Argumentation von Prof. Dr. L. nicht, denn auch Prof. Dr. M. stellt nicht in Abrede, dass diese Befunde grundsätzlich ursächlich für eine Supraspinatussehnenruptur sein können und als konkurrierende Ursache neben einer traumatischen Schädigung in Betracht kommen. Das Argument von Prof. Dr. M., die Schädigung der Supraspinatussehne sei für das Lebensalter des Klägers nicht typisch, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, da der Schaden an der Supraspinatussehne in Form einer "Knopflochruptur" erst im Jahr 2004 festgestellt wurde, als der Kläger bereits im 47. Lebensjahr stand und zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr degenerative Zusammenhangstrennungen der RM generell zunehmen. Daher vermag der Senat dem Gutachten von Prof. Dr. M. bei Abwägung aller Kriterien für die Kausalitätsbetrachtung keine Argumente entnehmen, die mehr für einen ursächlichen Zusammenhang der Supraspinatussehnenruptur mit dem Unfall als gegen einen solchen Zusammenhang sprechen.

Prof. Dr. L. hat demgegenüber schlüssig und plausibel dargelegt, dass es durch die anlagebedingte Einengung der Gleitraumes für die Obergrätensehne unter dem Schulterdach und unter Berücksichtigung der bereits 1998 vorhandenen mäßig ausgeprägten Arthrose des Acromioclaviculargelenks im zeitlichen Verlauf zu einer degenerativen Läsion dieser Sehne gekommen ist, was mehr als fünf Jahre nach dem Unfall zu Beschwerden sowie zu den operativen Interventionen geführt hat. Dies führt mit der operativ bedingten ausgedehnten Narbenbildung auch des Schulterhaubenmuskels bei noch fortbestehender Einengung des Gleitraumes unter dem Schulterdach durch eine nach unten gerichtete Zacke der vorderen Schulterblattgräte zu den aufgetretenen und noch bestehenden Beschwerden. Unter Abwägung aller Gesichtspunkte spricht somit mehr gegen einen ursächlichen Zusammenhang als für einen solchen. Dies steht im Übrigen auch in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Dr. M., das die Beklagte eingeholt hat und das im Wege des Urkundenbeweises verwertbar war.

Daher ist im Ergebnis festzustellen, dass der Kläger bei dem Unfall eine Schulterzerrung mit einer traumatischen Schädigung der Subscapularissehne erlitten hat, die nach maximal drei Monaten (Prof. Dr. L.) verheilt ist. Ein Schaden und eine funktionelle Einschränkung im Bereich der Subscapularissehne bestanden im strittigen Zeitraum (ab 25. März 2004) nicht mehr, wie auch dem Operationsbefund vom 14. Juli 2004 zu entnehmen ist.

Damit haben ab 25. März 2004 keine Unfallfolgen mehr vorlegen, weshalb weder ein Anspruch auf Verletztenrente, noch auf Verletztengeld besteht.

Der Senat hebt deshalb das angefochtene Urteil auf und weist die Klage ab. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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