Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 4933/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3956/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1960 geborene, contergangeschädigte Kläger hat keinen Beruf erlernt. Von August 1977 bis September 2002 arbeitete er als Betriebsfahrer und Hilfsarbeiter bzw. Maschinenarbeiter und -bediener. Von September 2003 bis Februar 2004 arbeitete er als Gastwirt. Von Januar 2005 bis September 2006 (seiner erneuten Heirat) bezog er Arbeitslosengeld II.
Am 13. März 2007 beantragte der Kläger zum wiederholten Mal die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, nachdem zuvor ein Rentenantrag vom 3. März 2004 keinen Erfolg hatte (Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Januar 2007 - L 3 R 1341/06, Gutachten von Prof. Dr. T., Direktor des Zentrums für Seelische Gesundheit am Bürgerhospital und Institut für Psychiatrische Begutachtung, vom 9. November 2006: keine Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet).
Mit Bescheid vom 19. April 2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2007 zurück. Grundlage der Entscheidung waren das Gutachten von Dr. B., Arzt für Orthopädie und Sozialmedizin, vom 11. April 2007 sowie das Zusatzgutachten des Internisten Dr. M. vom 10. April 2007. Dr. B. stellte beim Kläger unter Mitberücksichtigung des Zusatzgutachtens folgende Diagnosen: • Dysmelie linker Arm (Conterganschädigung) mit hochgradiger Gebrauchsminderung des linken Armes • Leichtgradige Dysmelie rechter Daumen (im langjährigen Stadium der Anpassung und Gewöhnung ohne wesentliche Funktionseinschränkung) • Ausgeprägter Rundrücken als Haltungsstörung • Leichtgradige Aorteninsuffizienz ohne Auswirkungen auf den Kreislauf • Angegebene Herzrhythmusstörungen. Leichte körperliche Tätigkeiten ohne andauernde und häufige Wirbelsäulenzwangshaltungen, z.B. als Pförtner, könne der Kläger täglich 6 Stunden und mehr verrichten. Der linke Arm könne nur als Beihand eingesetzt werden.
Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 27. Dezember 2007 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen, mit der er die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgte. Er trug vor, mit Bescheid vom 30. Oktober 2007 habe das Landratsamt Tuttlingen - Versorgungsamt - ein Grad der Behinderung von 100 und das Merkzeichen G festgestellt.
Das SG hörte die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen.
Der Orthopäde Dr. A. teilte unter dem 10. März 2008 mit, er habe den Kläger vom 15. Oktober 2001 bis 9. August 2007 behandelt. In den letzten drei Jahren sei der Kläger lediglich dreimal in seiner Praxis vorstellig gewesen, und zwar am 20. Juni und 17. August 2006 sowie am 9. August 2007. Leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen, z.B. als Pförtner, seien dem Kläger mindestens 6 Stunden täglich möglich.
Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. W., der den Kläger von August 1985 bis 8. August 2007 behandelt hat, hielt in der schriftlichen Auskunft vom 17. März 2008 ebenfalls Tätigkeiten 6 Stunden täglich für möglich. Er legte Arztbriefe des Internisten und Kardiologen Dr. E. vom 31. August 2006, des Orthopäden Dr. A. vom 17. August 2006, des Internisten und Lungenarztes Dr. Sch. vom 20. Oktober 2006 sowie des Neurologen und Psychiaters Dr. M. vom 28. August 2007 (Diagnose: Anpassungsstörung; keine Hinweise für eine tiefgehende Depressivität) vor. Der Internist Dr. E. berichtete dem SG am 15.4.2008 über Behandlungen des Klägers vom 31. August bis 16. Oktober 2006 (Diagnosen: geringgradige Aorten-klappeninsuffizienz, bikuspide Aortenklappe, kontrollbedürftige Blutdruckwerte) und stimmte dem beschriebenen Leistungsvermögen (6 Stunden, z.B. Pförtner) zu.
Mit Gerichtsbescheid vom 9. Juli 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die für die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens maßgeblichen Gesundheitsstörungen lägen vorrangig auf orthopädischem Gebiet. Auf diesem Fachgebiet sei der Kläger von Dr. B. eingehend untersucht worden. Nachdem auf anderen medizinischen Fachgebieten keine wesentlichen zusätzlichen leistungseinschränkenden Befunde hinzukämen, habe es bei der von Dr. B. vorgenommenen Leistungsbeurteilung zu verbleiben, der auch der behandelnde Orthopäde Dr. A. zugestimmt habe. Mit Benennung einer Tätigkeit als Pförtner (an einer Nebenpforte), wie sie bereits im Widerspruchsbescheid erfolgt sei, werde dem Erfordernis der konkreten Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit bei Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung Rechnung getragen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen den am 16. Juli 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, dem 18. August 2008, Berufung eingelegt und vorgetragen, der Sachverhalt sei nicht genügend aufgeklärt. Aus den sachverständigen Zeugenauskünften ergebe sich nicht, ob er wegen der orthopädischen Beeinträchtigungen und des dadurch verlangsamten Arbeitstempos zu leichten körperlichen Tätigkeiten 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch in der Lage sei und ihm dies wegen der fortlaufenden Verschlimmerung und Schmerzzustände noch zumutbar sei. Der Umstand, dass er sich nicht in entsprechende fachärztliche Behandlung begeben habe, spreche nicht gegen das Vorliegen einer depressiven Erkrankung. Es werde deswegen die Einholung von Gutachten gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Gebiet beantragt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. Juli 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, hilfsweise ein neurologisches Sachverständigengutachten von Amts wegen, hilfsweise nach § 109 SGG, bei Dr. K. einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die nach § 109 SGG beantragten Gutachten bei Dr. Z. und Dr. B. eingeholt.
Der Orthopäde Dr. Z. hat im Gutachten vom 23. Februar 2009 beim Kläger folgende Diagnosen gestellt: • Dysmelie der oberen Extremität, links mehr als rechts, mit erheblicher Gebrauchseinschränkung des linken Armes sowohl im Schulter-, Ellenbogen- wie Handbereich • Funktionseinschränkung des rechten Armes aufgrund von Hypoplasien der rechten Schulter und solcher im Handwurzelbereich • Kyphoskoliose der Brustwirbelsäule mit Rundrückenbildung und statischer Überlastung der unteren Lendenwirbelsäule • Senk-Spreiz-Fuß • Hüftgelenksarthrose 1. Grades. Er hat ausgeführt, der Kläger sei aufgrund der angeborenen Conterganschädigung in qualitativer Hinsicht erheblich eingeschränkt, so dass nur noch körperlich leichte Tätigkeiten verrichtet werden könnten. Die beschriebene Tätigkeit als Pförtner einer Nebenpforte könne der Kläger mindestens 6 Stunden täglich ausüben. Die Tätigkeit als Pförtner sollte dergestalt sein, dass dem Kläger jede denkbare Erleichterung zur Verfügung gestellt werde. So könnte man sich vorstellen, dass das Telefonieren z.B. mit einem Headset erfolge und hier nicht dauernd der Hörer mit der rechten Hand zum Ohr geführt werden müsse und dann nur noch mit der linken Hand gearbeitet werde, sondern auf diese Weise beide Hände frei würden. Einfache Arbeiten - wie bereits mehrmals vorbeschrieben - würden zu keiner zusätzlichen Belastung der rechten oberen Extremität über den normalen Gebrauch hinaus führen.
Dr. B., Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, hat im psychiatrisch-schmerz-psychologischen Gutachten vom 22. Juli 2009 auf seinen Fachgebieten folgende Diagnosen gestellt: • Leichte anhaltende depressive affektive Störung • Nikotinabusus • Alkoholgebrauch ohne Komplikationen • Multilokales Schmerzsyndrom polymyalg mit orthopädischer Grundlage • Einfache Migräne. Die körperliche Belastbarkeit müsse eindeutig von einem Orthopäden beurteilt werden. Wegen der depressiven Störungen seien schwere und mittelschwere körperliche Tätigkeiten, Akkord- und Nachtarbeit, Arbeiten mit Publikumsverkehr und besonderer hoher geistiger Beanspruchung nicht zumutbar. Die noch zumutbaren Arbeiten könnten seines Erachtens aktuell nur 3 bis 4 Stunden täglich verrichtet werden. Damit der Kläger 6 Stunden täglich arbeiten könnte, wäre eine durchgreifende Stabilisierung der depressiven Tönung einerseits und eine nachhaltige Verbesserung der Schlafarchitektur andererseits erforderlich. Im Laufe eines Arbeitstages bräuchte der Kläger 3 bis 4 kurze Pausen à 5 bis 10 Minuten zur Haltungskorrektur und kurzen Regeneration zwecks Wiedererlangung einer ordentlichen Konzentrationsfähigkeit. Die Beklagte hat dazu eine ärztliche Stellungnahme der Ärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. J. vom 6. August 2009 vorgelegt, die darin ausführt, der Leistungsbeurteilung von Dr. B. könne nicht zugestimmt werden. Auf psychiatrischem Fachgebiet habe der Sachverständige eine leichte depressive Störung sowie aus schmerzpsychologischer Sicht ein multilokales Schmerzsyndrom mit orthopädischer Grundlage und eine einfache Migräne diagnostiziert. Da dieses Schmerzsyndrom auf orthopädischen Leiden beruhe, falle die Beurteilung in die Kompetenz des orthopädischen Fachgebiets. Der Orthopäde Dr. Z. habe jedoch keine quantitative Leistungseinschränkung festgestellt. Die Migräne schränke die Erwerbsfähigkeit nicht ein. Im psychopathologischen Befund werde kein deutlich depressiver Affekt beschrieben, Antrieb und Psychomotorik seien nur leicht reduziert, Aufmerksamkeit und Konzentration seien grundsätzlich erhalten bei reduzierter Aufmerksamkeitsspanne. Aus diesem Befund lasse sich keine quantitative Leistungseinschränkung ableiten. Auch der beschriebene Tagesablauf mit Versorgung der Wohnung, Staubsaugen, Kochen, Spaziergängen, selbstständigem Autofahren und Mitgliedschaft in einem CB-Funker-Verein mit monatlichen Treffen spreche gegen eine wesentliche Einschränkung der Lebensgestaltung infolge einer depressiven Störung. Eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung finde nicht statt, was ebenfalls gegen einen stärkeren Leidensdruck auf psychiatrischem Gebiet spreche. Das Restless-legs-Syndrom und die Schlafstörungen, die Dr. B. als Grund für ein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen anführe, wären sicherlich durch eine nervenfachärztliche Behandlung zu bessern.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 18. Oktober 2009 hat Dr. B. ausgeführt, wenn Dr. J. eine Besserungsfähigkeit durch nervenärztliche Behandlung bejahe, sei auch eine quantitative Leistungseinschränkung nachvollziehbar. Da er Aggravation und Simulation ausgeschlossen habe, rege er eine stationäre psychiatrische Behandlung des Klägers ein. Nach sechs Monaten könne eine neue Beurteilung abgegeben werden.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtenen Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Kläger ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.
Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der Gutachten des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. T. vom 9. November 2006, des Internisten Dr. M. vom 10. April 2007 sowie der Orthopäden Dr. B. vom 11. April 2007 und Dr. Z. vom 23. Februar 2009.
Im Vordergrund stehen beim Kläger die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet. Es handelt sich hierbei im Wesentlichen um eine Conterganschädigung (Dysmelie) des linken Armes, der infolge einer hochgradigen Muskelatrophie verschmächtigt und um ca. 6 cm gegenüber rechts verkürzt ist. Die Abduktion ist im linken Schultergelenk aktiv bis 100° möglich, die Rotation ist hälftig eingeschränkt. Im linken Ellenbogen ist eine Beugung bis 90° möglich. Es findet sich eine Fehlstellung des linken Handgelenks, das bis 70° gebeugt werden kann. Anstelle des linken Daumens findet sich ein stummelförmiger Fortsatz, der keinerlei Funktion übernehmen kann. Die Greiffunktion der linken Hand ist erheblich eingeschränkt; sie vollzieht sich zwischen dem Zeigefinger und den Langfingern 3 - 5. Der Zeigefinger selbst ist in Beugestellung teilweise versteift; es existiert ein Bewegungsausmaß von 30°.
An der rechten Hand sind die Langfinger unauffällig; lediglich der rechte Daumen weist eine leichtgradige Dysmelie auf. Hierbei handelt es sich um einen funktionsfähigen Daumenersatz bei fixierter Adduktion im Grund- und Mittelglied. Die Greiffunktion der rechten Hand ist erhalten, ebenso die grobe Kraft; auch der Faustschluss gelingt rechts vollständig.
Eine wesentliche Gesundheitsstörung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet vermag der Senat beim Kläger aufgrund der Ausführungen des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. T. im Gutachten vom 9. November 2006, des Neurologen und Psychiaters Dr. M. im Arztbrief vom 28. August 2007 sowie des Psychiaters Dr. B. im Gutachten vom 22. Juli 2009 nicht festzustellen. So hat Prof. Dr. T. bei seiner gutachterlichen Untersuchung vom 24. Oktober 2006 - bis auf ein negativ geprägtes Denken, eingeengt auf die bestehende Problematik - keine Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet diagnostizieren können. Der Neurologe und Psychiater Dr. M. vermochte keine Hinweise auf eine tiefgehende Depressivität beim Kläger zu finden und ging von einer Anpassungsstörung - angesichts der vom Kläger geschilderten Zukunftssorgen bei bestehender Arbeitslosigkeit - aus. Der Psychiater Dr. B. hat beim Kläger zwar eine leichte depressive Störung diagnostiziert und wegen der depressiven Tönung und der Schlafstörungen des Klägers aktuell ein 3- bis 4-stündiges Leistungsvermögen angenommen. Dieser Beurteilung vermag sich der Senat jedoch unter Berücksichtigung des von Dr. B. selbst beschriebenen Befundes, der beim Kläger erhaltenden Tagesstruktur und seiner Aktivitäten nicht anzuschließen. Vielmehr hält er die Einwendungen von Dr. J. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 6. August 2009 gegen die Beurteilung von Dr. B. für zutreffend und ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für gegeben.
Bei der psychiatrischen Untersuchung durch Dr. B. war der Kläger bewusstseinsklar und voll orientiert. Aufmerksamkeit und Konzentration waren grundsätzlich erhalten, wenn auch die Aufmerksamkeitsspanne etwas reduziert war. Es fand sich lediglich eine leichte Antriebsstörung und eine reduzierte Psychomotorik, einen deutlichen depressiven Affekt hat Dr. B. jedoch ausgeschlossen. Auch der beschriebene Tagesablauf mit Versorgung der Wohnung, Staubsaugen, Kochen, Spaziergängen, Zeitunglesen, selbstständigem Autofahren und Mitgliedschaft in einem CB-Funker-Verein mit monatlichem Treffen spricht gegen eine wesentliche Einschränkung der Lebensgestaltung infolge einer depressiven Störung. Die Kontaktfähigkeit ist beim Kläger nicht wesentlich eingeschränkt. So beschreibt Dr. B. den Kläger im Kontaktverhalten zwar etwas zögerlich, aber grundsätzlich freundlich. Neben Kontakten zu seiner jetzigen Ehefrau verfügt der Kläger über Kontakte zu seinen Kindern aus erster Ehe, gelegentlich zu seiner ersten Ehefrau sowie den Mitgliedern des CB-Funker-Vereins. Darüber hinaus geht der Kläger mit seiner Frau zwei- bis dreimal pro Woche aus. Angesichts dessen vermag der Senat nicht festzustellen, dass das Leistungsvermögen des Klägers aus gesundheitlichen Gründen so sehr eingeschränkt ist, dass er körperlich leichte Tätigkeiten, bei denen die linke Hand lediglich als Beihand eingesetzt werden muss, nicht mehr ausüben könnte. Gegen eine gravierende Einschränkung durch Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet spricht vor allem auch, dass eine einschlägige psychiatrische Behandlung nicht durchgeführt wird und der Kläger seit längerem keine Psychopharmaka mehr einnimmt.
Eine wesentliche Leistungseinschränkung aufgrund von Schlafstörungen bzw. des Restless-legs-Syndroms vermag der Senat - ebenso wie Dr. J. - nicht festzustellen. Denn trotz der vom Kläger geschilderten Schlafstörungen waren Konzentration und Aufmerksamkeit beim Kläger nicht gestört, wie sich sowohl aus dem Gutachten des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. T. als auch dem Gutachten des Psychiaters Dr. B. ergibt. Darüber hinaus befindet sich der Kläger wegen der Schlafstörungen und des Restless-legs-Syndroms auch nicht einmal in fachärztlicher Behandlung.
Angesichts dessen hält der Senat die Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen nicht für erforderlich. Die Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 109 SGG bei dem Neurologen und Psychiater Dr. K. hat der Senat abgelehnt. Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG muss auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachterlich gehört werden. Einem wiederholenden Antrag muss nur dann gefolgt werden, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen; andernfalls kann das Gericht diesen Antrag ablehnen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar 9. Aufl. § 109 Rn. 10b). Vorliegend hat der Kläger mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2008 die Einholung eines orthopädischen Gutachtens gemäß § 109 SGG bei Dr. Z. und die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens gem. § 109 SGG beantragt und mit Schriftsatz vom 6.3.2009 Dr. B., einen Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, benannt, und keinen Arzt für Neurologie und Psychiatrie. Durch die Einholung eines weiteren, d.h. eines dritten, Gutachtens gemäß § 109 SGG würde der Rechtsstreit verzögert. Darüber hinaus sieht es der Senat als grob nachlässig an, lediglich einen Arzt für Psychiatrie zu benennen, wenn ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten gem. § 109 SGG (wie im Schriftsatz vom 28. Oktober 2008 angekündigt) begehrt wird, zumal das Restless-legs-Syndrom nicht neu aufgetreten ist, sondern seit längerem besteht. Ferner vermag der Senat auch keine besonderen Umstände zu erkennen, die die Einholung eines dritten Gutachtens gemäß § 109 SGG rechtfertigen könnten.
Aufgrund der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen ist der Kläger nicht gehindert, eine Tätigkeit als Pförtner (an einer Nebenpforte), wie von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 28. November 2007 und vom SG in Gerichtsbescheid vom 9. Juli 2008 benannt und vom Landessozialgericht im Urteil vom 24. Januar 2007 näher beschrieben, auszuüben. Der Umstand, dass der Kläger aufgrund der ungünstigen Arbeitsmarktlage (und gegebenenfalls seines Wohnorts) keine Arbeitsstelle als Pförtner finden konnte, führt nicht zu einer Rentengewährung.
Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1960 geborene, contergangeschädigte Kläger hat keinen Beruf erlernt. Von August 1977 bis September 2002 arbeitete er als Betriebsfahrer und Hilfsarbeiter bzw. Maschinenarbeiter und -bediener. Von September 2003 bis Februar 2004 arbeitete er als Gastwirt. Von Januar 2005 bis September 2006 (seiner erneuten Heirat) bezog er Arbeitslosengeld II.
Am 13. März 2007 beantragte der Kläger zum wiederholten Mal die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, nachdem zuvor ein Rentenantrag vom 3. März 2004 keinen Erfolg hatte (Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Januar 2007 - L 3 R 1341/06, Gutachten von Prof. Dr. T., Direktor des Zentrums für Seelische Gesundheit am Bürgerhospital und Institut für Psychiatrische Begutachtung, vom 9. November 2006: keine Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet).
Mit Bescheid vom 19. April 2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2007 zurück. Grundlage der Entscheidung waren das Gutachten von Dr. B., Arzt für Orthopädie und Sozialmedizin, vom 11. April 2007 sowie das Zusatzgutachten des Internisten Dr. M. vom 10. April 2007. Dr. B. stellte beim Kläger unter Mitberücksichtigung des Zusatzgutachtens folgende Diagnosen: • Dysmelie linker Arm (Conterganschädigung) mit hochgradiger Gebrauchsminderung des linken Armes • Leichtgradige Dysmelie rechter Daumen (im langjährigen Stadium der Anpassung und Gewöhnung ohne wesentliche Funktionseinschränkung) • Ausgeprägter Rundrücken als Haltungsstörung • Leichtgradige Aorteninsuffizienz ohne Auswirkungen auf den Kreislauf • Angegebene Herzrhythmusstörungen. Leichte körperliche Tätigkeiten ohne andauernde und häufige Wirbelsäulenzwangshaltungen, z.B. als Pförtner, könne der Kläger täglich 6 Stunden und mehr verrichten. Der linke Arm könne nur als Beihand eingesetzt werden.
Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 27. Dezember 2007 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen, mit der er die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgte. Er trug vor, mit Bescheid vom 30. Oktober 2007 habe das Landratsamt Tuttlingen - Versorgungsamt - ein Grad der Behinderung von 100 und das Merkzeichen G festgestellt.
Das SG hörte die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen.
Der Orthopäde Dr. A. teilte unter dem 10. März 2008 mit, er habe den Kläger vom 15. Oktober 2001 bis 9. August 2007 behandelt. In den letzten drei Jahren sei der Kläger lediglich dreimal in seiner Praxis vorstellig gewesen, und zwar am 20. Juni und 17. August 2006 sowie am 9. August 2007. Leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen, z.B. als Pförtner, seien dem Kläger mindestens 6 Stunden täglich möglich.
Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. W., der den Kläger von August 1985 bis 8. August 2007 behandelt hat, hielt in der schriftlichen Auskunft vom 17. März 2008 ebenfalls Tätigkeiten 6 Stunden täglich für möglich. Er legte Arztbriefe des Internisten und Kardiologen Dr. E. vom 31. August 2006, des Orthopäden Dr. A. vom 17. August 2006, des Internisten und Lungenarztes Dr. Sch. vom 20. Oktober 2006 sowie des Neurologen und Psychiaters Dr. M. vom 28. August 2007 (Diagnose: Anpassungsstörung; keine Hinweise für eine tiefgehende Depressivität) vor. Der Internist Dr. E. berichtete dem SG am 15.4.2008 über Behandlungen des Klägers vom 31. August bis 16. Oktober 2006 (Diagnosen: geringgradige Aorten-klappeninsuffizienz, bikuspide Aortenklappe, kontrollbedürftige Blutdruckwerte) und stimmte dem beschriebenen Leistungsvermögen (6 Stunden, z.B. Pförtner) zu.
Mit Gerichtsbescheid vom 9. Juli 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die für die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens maßgeblichen Gesundheitsstörungen lägen vorrangig auf orthopädischem Gebiet. Auf diesem Fachgebiet sei der Kläger von Dr. B. eingehend untersucht worden. Nachdem auf anderen medizinischen Fachgebieten keine wesentlichen zusätzlichen leistungseinschränkenden Befunde hinzukämen, habe es bei der von Dr. B. vorgenommenen Leistungsbeurteilung zu verbleiben, der auch der behandelnde Orthopäde Dr. A. zugestimmt habe. Mit Benennung einer Tätigkeit als Pförtner (an einer Nebenpforte), wie sie bereits im Widerspruchsbescheid erfolgt sei, werde dem Erfordernis der konkreten Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit bei Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung Rechnung getragen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen den am 16. Juli 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, dem 18. August 2008, Berufung eingelegt und vorgetragen, der Sachverhalt sei nicht genügend aufgeklärt. Aus den sachverständigen Zeugenauskünften ergebe sich nicht, ob er wegen der orthopädischen Beeinträchtigungen und des dadurch verlangsamten Arbeitstempos zu leichten körperlichen Tätigkeiten 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch in der Lage sei und ihm dies wegen der fortlaufenden Verschlimmerung und Schmerzzustände noch zumutbar sei. Der Umstand, dass er sich nicht in entsprechende fachärztliche Behandlung begeben habe, spreche nicht gegen das Vorliegen einer depressiven Erkrankung. Es werde deswegen die Einholung von Gutachten gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Gebiet beantragt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. Juli 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, hilfsweise ein neurologisches Sachverständigengutachten von Amts wegen, hilfsweise nach § 109 SGG, bei Dr. K. einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die nach § 109 SGG beantragten Gutachten bei Dr. Z. und Dr. B. eingeholt.
Der Orthopäde Dr. Z. hat im Gutachten vom 23. Februar 2009 beim Kläger folgende Diagnosen gestellt: • Dysmelie der oberen Extremität, links mehr als rechts, mit erheblicher Gebrauchseinschränkung des linken Armes sowohl im Schulter-, Ellenbogen- wie Handbereich • Funktionseinschränkung des rechten Armes aufgrund von Hypoplasien der rechten Schulter und solcher im Handwurzelbereich • Kyphoskoliose der Brustwirbelsäule mit Rundrückenbildung und statischer Überlastung der unteren Lendenwirbelsäule • Senk-Spreiz-Fuß • Hüftgelenksarthrose 1. Grades. Er hat ausgeführt, der Kläger sei aufgrund der angeborenen Conterganschädigung in qualitativer Hinsicht erheblich eingeschränkt, so dass nur noch körperlich leichte Tätigkeiten verrichtet werden könnten. Die beschriebene Tätigkeit als Pförtner einer Nebenpforte könne der Kläger mindestens 6 Stunden täglich ausüben. Die Tätigkeit als Pförtner sollte dergestalt sein, dass dem Kläger jede denkbare Erleichterung zur Verfügung gestellt werde. So könnte man sich vorstellen, dass das Telefonieren z.B. mit einem Headset erfolge und hier nicht dauernd der Hörer mit der rechten Hand zum Ohr geführt werden müsse und dann nur noch mit der linken Hand gearbeitet werde, sondern auf diese Weise beide Hände frei würden. Einfache Arbeiten - wie bereits mehrmals vorbeschrieben - würden zu keiner zusätzlichen Belastung der rechten oberen Extremität über den normalen Gebrauch hinaus führen.
Dr. B., Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, hat im psychiatrisch-schmerz-psychologischen Gutachten vom 22. Juli 2009 auf seinen Fachgebieten folgende Diagnosen gestellt: • Leichte anhaltende depressive affektive Störung • Nikotinabusus • Alkoholgebrauch ohne Komplikationen • Multilokales Schmerzsyndrom polymyalg mit orthopädischer Grundlage • Einfache Migräne. Die körperliche Belastbarkeit müsse eindeutig von einem Orthopäden beurteilt werden. Wegen der depressiven Störungen seien schwere und mittelschwere körperliche Tätigkeiten, Akkord- und Nachtarbeit, Arbeiten mit Publikumsverkehr und besonderer hoher geistiger Beanspruchung nicht zumutbar. Die noch zumutbaren Arbeiten könnten seines Erachtens aktuell nur 3 bis 4 Stunden täglich verrichtet werden. Damit der Kläger 6 Stunden täglich arbeiten könnte, wäre eine durchgreifende Stabilisierung der depressiven Tönung einerseits und eine nachhaltige Verbesserung der Schlafarchitektur andererseits erforderlich. Im Laufe eines Arbeitstages bräuchte der Kläger 3 bis 4 kurze Pausen à 5 bis 10 Minuten zur Haltungskorrektur und kurzen Regeneration zwecks Wiedererlangung einer ordentlichen Konzentrationsfähigkeit. Die Beklagte hat dazu eine ärztliche Stellungnahme der Ärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. J. vom 6. August 2009 vorgelegt, die darin ausführt, der Leistungsbeurteilung von Dr. B. könne nicht zugestimmt werden. Auf psychiatrischem Fachgebiet habe der Sachverständige eine leichte depressive Störung sowie aus schmerzpsychologischer Sicht ein multilokales Schmerzsyndrom mit orthopädischer Grundlage und eine einfache Migräne diagnostiziert. Da dieses Schmerzsyndrom auf orthopädischen Leiden beruhe, falle die Beurteilung in die Kompetenz des orthopädischen Fachgebiets. Der Orthopäde Dr. Z. habe jedoch keine quantitative Leistungseinschränkung festgestellt. Die Migräne schränke die Erwerbsfähigkeit nicht ein. Im psychopathologischen Befund werde kein deutlich depressiver Affekt beschrieben, Antrieb und Psychomotorik seien nur leicht reduziert, Aufmerksamkeit und Konzentration seien grundsätzlich erhalten bei reduzierter Aufmerksamkeitsspanne. Aus diesem Befund lasse sich keine quantitative Leistungseinschränkung ableiten. Auch der beschriebene Tagesablauf mit Versorgung der Wohnung, Staubsaugen, Kochen, Spaziergängen, selbstständigem Autofahren und Mitgliedschaft in einem CB-Funker-Verein mit monatlichen Treffen spreche gegen eine wesentliche Einschränkung der Lebensgestaltung infolge einer depressiven Störung. Eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung finde nicht statt, was ebenfalls gegen einen stärkeren Leidensdruck auf psychiatrischem Gebiet spreche. Das Restless-legs-Syndrom und die Schlafstörungen, die Dr. B. als Grund für ein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen anführe, wären sicherlich durch eine nervenfachärztliche Behandlung zu bessern.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 18. Oktober 2009 hat Dr. B. ausgeführt, wenn Dr. J. eine Besserungsfähigkeit durch nervenärztliche Behandlung bejahe, sei auch eine quantitative Leistungseinschränkung nachvollziehbar. Da er Aggravation und Simulation ausgeschlossen habe, rege er eine stationäre psychiatrische Behandlung des Klägers ein. Nach sechs Monaten könne eine neue Beurteilung abgegeben werden.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtenen Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Kläger ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.
Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der Gutachten des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. T. vom 9. November 2006, des Internisten Dr. M. vom 10. April 2007 sowie der Orthopäden Dr. B. vom 11. April 2007 und Dr. Z. vom 23. Februar 2009.
Im Vordergrund stehen beim Kläger die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet. Es handelt sich hierbei im Wesentlichen um eine Conterganschädigung (Dysmelie) des linken Armes, der infolge einer hochgradigen Muskelatrophie verschmächtigt und um ca. 6 cm gegenüber rechts verkürzt ist. Die Abduktion ist im linken Schultergelenk aktiv bis 100° möglich, die Rotation ist hälftig eingeschränkt. Im linken Ellenbogen ist eine Beugung bis 90° möglich. Es findet sich eine Fehlstellung des linken Handgelenks, das bis 70° gebeugt werden kann. Anstelle des linken Daumens findet sich ein stummelförmiger Fortsatz, der keinerlei Funktion übernehmen kann. Die Greiffunktion der linken Hand ist erheblich eingeschränkt; sie vollzieht sich zwischen dem Zeigefinger und den Langfingern 3 - 5. Der Zeigefinger selbst ist in Beugestellung teilweise versteift; es existiert ein Bewegungsausmaß von 30°.
An der rechten Hand sind die Langfinger unauffällig; lediglich der rechte Daumen weist eine leichtgradige Dysmelie auf. Hierbei handelt es sich um einen funktionsfähigen Daumenersatz bei fixierter Adduktion im Grund- und Mittelglied. Die Greiffunktion der rechten Hand ist erhalten, ebenso die grobe Kraft; auch der Faustschluss gelingt rechts vollständig.
Eine wesentliche Gesundheitsstörung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet vermag der Senat beim Kläger aufgrund der Ausführungen des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. T. im Gutachten vom 9. November 2006, des Neurologen und Psychiaters Dr. M. im Arztbrief vom 28. August 2007 sowie des Psychiaters Dr. B. im Gutachten vom 22. Juli 2009 nicht festzustellen. So hat Prof. Dr. T. bei seiner gutachterlichen Untersuchung vom 24. Oktober 2006 - bis auf ein negativ geprägtes Denken, eingeengt auf die bestehende Problematik - keine Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet diagnostizieren können. Der Neurologe und Psychiater Dr. M. vermochte keine Hinweise auf eine tiefgehende Depressivität beim Kläger zu finden und ging von einer Anpassungsstörung - angesichts der vom Kläger geschilderten Zukunftssorgen bei bestehender Arbeitslosigkeit - aus. Der Psychiater Dr. B. hat beim Kläger zwar eine leichte depressive Störung diagnostiziert und wegen der depressiven Tönung und der Schlafstörungen des Klägers aktuell ein 3- bis 4-stündiges Leistungsvermögen angenommen. Dieser Beurteilung vermag sich der Senat jedoch unter Berücksichtigung des von Dr. B. selbst beschriebenen Befundes, der beim Kläger erhaltenden Tagesstruktur und seiner Aktivitäten nicht anzuschließen. Vielmehr hält er die Einwendungen von Dr. J. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 6. August 2009 gegen die Beurteilung von Dr. B. für zutreffend und ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für gegeben.
Bei der psychiatrischen Untersuchung durch Dr. B. war der Kläger bewusstseinsklar und voll orientiert. Aufmerksamkeit und Konzentration waren grundsätzlich erhalten, wenn auch die Aufmerksamkeitsspanne etwas reduziert war. Es fand sich lediglich eine leichte Antriebsstörung und eine reduzierte Psychomotorik, einen deutlichen depressiven Affekt hat Dr. B. jedoch ausgeschlossen. Auch der beschriebene Tagesablauf mit Versorgung der Wohnung, Staubsaugen, Kochen, Spaziergängen, Zeitunglesen, selbstständigem Autofahren und Mitgliedschaft in einem CB-Funker-Verein mit monatlichem Treffen spricht gegen eine wesentliche Einschränkung der Lebensgestaltung infolge einer depressiven Störung. Die Kontaktfähigkeit ist beim Kläger nicht wesentlich eingeschränkt. So beschreibt Dr. B. den Kläger im Kontaktverhalten zwar etwas zögerlich, aber grundsätzlich freundlich. Neben Kontakten zu seiner jetzigen Ehefrau verfügt der Kläger über Kontakte zu seinen Kindern aus erster Ehe, gelegentlich zu seiner ersten Ehefrau sowie den Mitgliedern des CB-Funker-Vereins. Darüber hinaus geht der Kläger mit seiner Frau zwei- bis dreimal pro Woche aus. Angesichts dessen vermag der Senat nicht festzustellen, dass das Leistungsvermögen des Klägers aus gesundheitlichen Gründen so sehr eingeschränkt ist, dass er körperlich leichte Tätigkeiten, bei denen die linke Hand lediglich als Beihand eingesetzt werden muss, nicht mehr ausüben könnte. Gegen eine gravierende Einschränkung durch Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet spricht vor allem auch, dass eine einschlägige psychiatrische Behandlung nicht durchgeführt wird und der Kläger seit längerem keine Psychopharmaka mehr einnimmt.
Eine wesentliche Leistungseinschränkung aufgrund von Schlafstörungen bzw. des Restless-legs-Syndroms vermag der Senat - ebenso wie Dr. J. - nicht festzustellen. Denn trotz der vom Kläger geschilderten Schlafstörungen waren Konzentration und Aufmerksamkeit beim Kläger nicht gestört, wie sich sowohl aus dem Gutachten des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. T. als auch dem Gutachten des Psychiaters Dr. B. ergibt. Darüber hinaus befindet sich der Kläger wegen der Schlafstörungen und des Restless-legs-Syndroms auch nicht einmal in fachärztlicher Behandlung.
Angesichts dessen hält der Senat die Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen nicht für erforderlich. Die Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 109 SGG bei dem Neurologen und Psychiater Dr. K. hat der Senat abgelehnt. Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG muss auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachterlich gehört werden. Einem wiederholenden Antrag muss nur dann gefolgt werden, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen; andernfalls kann das Gericht diesen Antrag ablehnen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar 9. Aufl. § 109 Rn. 10b). Vorliegend hat der Kläger mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2008 die Einholung eines orthopädischen Gutachtens gemäß § 109 SGG bei Dr. Z. und die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens gem. § 109 SGG beantragt und mit Schriftsatz vom 6.3.2009 Dr. B., einen Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, benannt, und keinen Arzt für Neurologie und Psychiatrie. Durch die Einholung eines weiteren, d.h. eines dritten, Gutachtens gemäß § 109 SGG würde der Rechtsstreit verzögert. Darüber hinaus sieht es der Senat als grob nachlässig an, lediglich einen Arzt für Psychiatrie zu benennen, wenn ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten gem. § 109 SGG (wie im Schriftsatz vom 28. Oktober 2008 angekündigt) begehrt wird, zumal das Restless-legs-Syndrom nicht neu aufgetreten ist, sondern seit längerem besteht. Ferner vermag der Senat auch keine besonderen Umstände zu erkennen, die die Einholung eines dritten Gutachtens gemäß § 109 SGG rechtfertigen könnten.
Aufgrund der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen ist der Kläger nicht gehindert, eine Tätigkeit als Pförtner (an einer Nebenpforte), wie von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 28. November 2007 und vom SG in Gerichtsbescheid vom 9. Juli 2008 benannt und vom Landessozialgericht im Urteil vom 24. Januar 2007 näher beschrieben, auszuüben. Der Umstand, dass der Kläger aufgrund der ungünstigen Arbeitsmarktlage (und gegebenenfalls seines Wohnorts) keine Arbeitsstelle als Pförtner finden konnte, führt nicht zu einer Rentengewährung.
Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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