L 8 AL 4293/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 3033/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 4293/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 07.01.2002 zu Recht zurückgenommen und die Erstattung des bis 31.12.2002 gezahlten Alg einschließlich entrichteter Sozialversicherungsbeiträge verlangt hat und ob der Kläger Anspruch auf Alg für die Zeit ab 21.08.2003 hat.

Der 1946 geborene Kläger meldete sich am 07.01.2002 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg. Er gab an, vom 01.09.1988 bis zur Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses zum 31.12.2001 als kaufmännischer Angestellter bei der Firma A-S. GmbH, einer Automaten-, Handels- und Gaststättenbetriebsgesellschaft in L., beschäftigt gewesen zu sein. Der Kläger legte das an ihn gerichtete Kündigungsschreiben dieser Gesellschaft vom 30.11.2001 vor, das von seiner Mutter, U. P. (P.), unterzeichnet war und die auch die Arbeitsbescheinigung der A-S. GmbH vom 07.01.2002 unterschrieben hatte. P. gab in der genannten Arbeitsbescheinigung für die Zeit von Januar 2001 bis Dezember 2001 ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt des Klägers von 4.031,00 DM bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 36 Stunden an und verneinte eine Beteiligung des Klägers am Unternehmen. Die Beklagte bewilligte daraufhin dem Kläger mit Bescheid vom 22.02.2002 Alg mit einer Anspruchsdauer von 780 Tagen in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 30,82 EUR (Bemessungsentgelt 473,80 EUR) für die Zeit ab 07.01.2002 und verneinte eine Beteiligung des Klägers am Unternehmen. Mit Bescheid vom 19.04.2002 entschied die Beklagte, dass gegen den Anspruch auf Alg mit einem Erstattungsanspruch der Beklagten in Höhe von 645,94 EUR (Insolvenzgeld 1988) in Höhe des pfändbaren Betrages ab 01.04.2002 in Höhe von 0,56 EUR täglich aufgerechnet werde.

Mit am 01.07.2003 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) - diese hatte eine Strafanzeige gegen die A-S. GmbH wegen der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Kläger gestellt - erfuhr die Beklagte, dass der Kläger nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe (51 Js 25560/01) Gesellschafter und faktischer Geschäftsführer der A-S. GmbH gewesen sei, das unternehmerische Risiko getragen habe und somit einem Arbeitnehmer nicht gleichzustellen sei.

Mit Schreiben vom 07.10.2003 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Rücknahme der Leistungsbewilligung an und gab ihm Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Zur Begründung der beabsichtigten Entscheidung führte die Beklagte aus, der Kläger habe in der Zeit vom 07.01.2002 bis 31.12.2002 Alg in Höhe von 17.564,30 EUR zu Unrecht bezogen. Seine Beschäftigung vom 01.09.1988 bis 31.12.2001 bei der Firma A-S. GmbH sei keine Arbeitnehmertätigkeit und damit auch nicht anwartschaftszeitbegründend für den Anspruch auf Alg gewesen. Zwar habe der Kläger die Überzahlung nicht verursacht. Er hätte jedoch erkennen können, dass die Voraussetzungen für die Leistung nicht vorgelegen haben. Der Erstattungsanspruch erstrecke sich auch auf die in der maßgeblichen Zeit entrichteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 4.711,56 EUR bzw. 526,96 EUR. Der Kläger äußerte sich hierzu am 20.10.2003 dahingehend, dass die Beklagte die Behauptung, er sei kein Arbeitnehmer gewesen, nicht begründet habe. Nach seiner Auffassung sei er Arbeitnehmer gewesen.

Mit Bescheid vom 06.08.2003 hatte die Beklagte die Bewilligung von Alg ab 29.07.2003 wegen des Eintritts einer Säumniszeit aufgehoben. Dagegen hatte der Kläger am 26.08.2003 Widerspruch eingelegt.

Am 21.08.2003 meldete sich der Kläger bei der Beklagten erneut arbeitslos und beantragte die Weitergewährung von Alg. Mit Bescheid vom 07.10.2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da der Kläger vom 01.09.1988 bis 31.12.2001 nicht als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen und deshalb die Anwartschaftszeit für das Alg nicht erfüllt sei.

Dagegen legte der Kläger am 22.10.2003 Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf seine Äußerung zum Anhörungsschreiben der Beklagten vom 20.10.2003. Ferner brachte er vor, er sei zu keinem Zeitpunkt Gesellschafter der A-S. GmbH gewesen. Die von den Gesellschaftern O. P. (verstorben 1995) und P. gegründete GmbH sei im Jahre 1988 zunächst von P. und ihm als Geschäftsführer geleitet worden. Nach dem Tod seines Vaters O. P. sei P. zunächst Alleingesellschafterin geworden. Einen Teil habe sie an seine Ehefrau M. P. veräußert. Er selbst sei bereits seit Anfang 1996 nicht mehr Geschäftsführer gewesen. Alleinige Geschäftsführerin dieser GmbH sei P. (eingetragen im Handelsregister am 03.04.1996) gewesen. Er habe sich seither lediglich in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis als Angestellter befunden. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten, auf die sich die Einschätzungen der DAK und dieser folgend auch der Beklagten stützen, seien nachweislich falsch. Der Kläger legte die notarielle Urkunde vom 09.09.1988 über die Änderung der Firma der Gesellschaft Firma A-S. Handels- und Gaststättenbetriebsgesellschaft mbH in A-S. Automaten-, Handels- und Gaststättenbetriebs GmbH, den notariellen Kauf- und Abtretungsvertrag vom 08.05.1995 (Veräußerung und Abtretung eines Teilgeschäftsanteils des von P. ererbten Geschäftsanteils (25.000,00 DM) in Höhe von 1.000,00 DM an M. P.) und Auszüge aus dem Handelsregister des Amtsgerichts Karlsruhe mit den am 29.09.1988 (Geschäftsführer Kläger und P.), 18.01.1991 (Änderung des Gegenstandes des Unternehmens), 03.04.1996, wonach der Kläger nicht mehr Geschäftsführer ist, und 28.12.2000 (Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters durch Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 18.12.2000 - Aktenzeichen 1 IN 433/00 -) erfolgten Eintragungen vor. Die Beklagte zog die betreffenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten (51 Js 25560/01) - das durch Beschluss der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 23.10.2001 eingestellte Ermittlungsverfahren richtete sich gegen P. und den Kläger wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt - und erließ am 24.03.2004 den streitgegenständlichen Rücknahme- und Erstattungsbescheid. Darin heißt es, die Entscheidung über die Bewilligung von Alg für die Zeit ab 07.01.2002 werde zurückgenommen und die zu Unrecht gezahlten Leistungen seien vom Kläger zu erstatten. Der Kläger sei während seiner Beschäftigung bei der Firma A-S. GmbH vom 01.09.1988 bis 31.12.2001 nicht als Arbeitnehmer tätig gewesen. Formal sei er zwar ab 03.04.1996 nicht mehr Geschäftsführer der GmbH gewesen. Entscheidend seien jedoch die tatsächlichen Verhältnisse. Gegenüber der Staatsanwaltschaft habe der Kläger selbst angegeben, dass seine Mutter P. die Geschäftsführerin sei, er selbst aber alle Vollmachten habe. Seine Ehegattin habe diese Fakten ebenfalls bestätigt. Durch diese Vollmachten habe der Kläger einen wesentlichen Einfluss auf die gesamte Geschäftstätigkeit in allen Bereichen nehmen können, während seine Mutter lediglich formal als "Platzhalterin" fungiert habe. Der Kläger habe die Geschäfte in eigener Verantwortung geleitet und sei somit kein Arbeitnehmer gewesen. Die betreffende Beschäftigung sei deshalb nicht versicherungspflichtig und damit nicht anwartschaftszeitbegründend für das Alg gewesen. Die Bewilligung für die Zeit ab 07.01.2002 sei zurückzunehmen, weil der Kläger in seinem Antrag vom 07.01.2002 zumindest grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht habe. Das ihm gezahlte Alg in Höhe von 17.564,30 EUR sowie die entrichteten Krankenversicherungsbeiträge (4.575,15 EUR) und Pflegeversicherungsbeiträge (526,96 EUR), insgesamt 22.666,41 EUR, seien von ihm zu erstatten.

Dagegen legte der Kläger unter Verweis auf seine Schreiben vom 19.12.2003 Widerspruch ein.

Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 24.06.2004 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 07.10.2003 und 24.03.2004 zurück. Die angegriffenen Bescheide seien nicht zu beanstanden, da der Kläger mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit keinen Anspruch auf Alg ab 07.01.2002 bzw. 21.08.2003 habe. Der Kläger sei vom 01.09.1988 bis 31.12.2001 mindestens 15 Stunden wöchentlich selbstständig tätig gewesen. Er habe in keinem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Dabei komme es nicht darauf an, ob Beiträge entrichtet worden seien. Der Kläger sei vom 01.09.1988 bis 02.04.1996 Geschäftsführer der Firma A-S. GmbH gewesen. Zwar sei am 03.04.1996 im Handelsregister eingetragen worden, dass er nicht mehr Geschäftsführer sei. Nach den Angaben des Klägers und dessen Ehefrau im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren stehe jedoch fest, dass er weiterhin als Geschäftsführer tätig gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne auch bei am Stammkapital der Gesellschaft nicht beteiligten Geschäftsführern ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis - z.B. in einer Familien-GmbH oder in Gesellschaften, in denen familienhafte Bindungen zu Mehrheitsgesellschaftern bestehen - verneint werden. Es könne dann an der für eine Beschäftigung unabdingbaren Voraussetzung der persönlichen Abhängigkeit fehlen, so dass der Geschäftsführer nicht für ein fremdes, sondern im "eigenen" Unternehmen weisungsfrei und somit selbstständig tätig werde. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sei der Kläger nicht abhängig beschäftigt gewesen. Bei der von ihm ausgeübten Tätigkeit habe es sich um ein Scheinarbeitsverhältnis gehandelt, so dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht vorgelegen habe. Die Voraussetzungen für die Rücknahme der Bewilligung von Alg seien ebenfalls erfüllt, da der Kläger in seinem Antrag auf Alg grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht habe, die nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen hätten. Die Rücknahme der Bewilligung für die Vergangenheit sei auch deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger die Rechtswidrigkeit der Bewilligung infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Der Kläger habe alle Vollmachten gehabt und die Geschäfte der Firma A-S. GmbH ausschließlich allein geführt. Darüber hinaus seien jahrelang keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden, so dass der Kläger leicht hätte erkennen können, dass es sich bei seiner Tätigkeit nicht um die eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers gehandelt habe und somit die Bewilligung von Alg rechtswidrig gewesen sei. Die bereits gezahlten Leistungen und die entrichteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge seien daher von ihm zu erstatten. Einen Anspruch auf Alg für die Zeit ab 21.08.2003 verneinte die Beklagte im weiteren Widerspruchsbescheid aus denselben Gründen. Insoweit nahm sie auf die Ausführungen im die Rücknahme der Bewilligung von Alg ab 07.01.2002 betreffenden Widerspruchsbescheid Bezug. Der Kläger habe auch keinen Restanspruch auf Alg aufgrund einer vorhergehenden Bewilligung, da die Bewilligung von Alg ab 07.01.2002 mit Bescheid vom 24.03.2004 - bestätigt durch den betreffenden Widerspruchsbescheid vom 24.06.2004 - zurückgenommen worden sei.

Mit einem weiteren Widerspruchsbescheid vom 24.06.2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 06.08.2003 zurück. Ob die damit erfolgte Aufhebung der Bewilligung von Alg ab 29.07.2003 wegen des Eintritts einer Säumniszeit zu Recht ergangen sei, könne dahingestellt bleiben, da ein Leistungsanspruch bereits aus anderen Gründen - nämlich mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit - nicht bestehe.

Am 26.07.2004 erhob der Kläger Klagen (S 7 AL 3033/04 und S 7 AL 3034/04) zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit denen er sich (nur) gegen die Rücknahme der Bewilligung von Alg ab 07.01.2002 und die Ablehnung von Alg ab 21.08.2003 wandte. Mit Beschluss vom 07.08.2006 verband das SG die beiden Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Der Kläger machte geltend, er sei seit 03.04.1996 Angestellter (und nicht mehr Geschäftsführer) der Firma A-S. GmbH gewesen. Ab diesem Zeitpunkt habe P. die Gesellschaft als Geschäftsführerin vertreten. Er sei an dieser Gesellschaft zu keinem Zeitpunkt mit einem Kapitalanteil beteiligt und seit 1996 auch nicht faktischer Geschäftsführer gewesen. Er habe lediglich seine Mutter, die im Frühjahr 2000 an Krebs erkrankt sei und sich im Mai 2000 einer entsprechenden Operation habe unterziehen müssen, zeitweise vertreten, da diese gesundheitlich nicht mehr in der Lage gewesen sei, die A-S. GmbH - wie in der Zeit zuvor - als alleinige Geschäftsführerin zu leiten. Es habe nahegelegen, ihn als bei der A-S. GmbH angestellten Mitarbeiter mit diesen Aufgaben zu betrauen. Seine Mutter, die Geschäftsführerin P., habe im Laufe des Jahres 2000 im Hinblick auf ihre Krankheit und die ärztliche Prognose, dass sie sich nicht mehr um ihre Firma in dem Maße werde kümmern können, wie es die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft erfordere, entschieden, den Betrieb einzustellen. Da sie krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, die Abwicklung selbst durchzuführen, habe sie hiermit ihn beauftragt. Einer geordneten Betriebseinstellung sei dann aber die von der DAK wegen Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen für ihn beantragte Eröffnung des Insolvenzverfahrens (1 IN 433/00) zuvorgekommen. Der Kläger legte hierzu das im Insolvenzverfahren erstattete Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters Rechtsanwalt E. vom 26.03.2001 vor und verwies auf das dort wiedergegebene Telefongespräch vom 15.01.2001 zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter und ihm, wonach er angegeben habe, dass seine Mutter nicht mehr als Geschäftsführerin bestellt sei und nunmehr er die Rolle des Geschäftsführers übernommen habe. Er habe dies jedoch nur getan, um seine Mutter zu entlasten und nunmehr selbst die Betriebseinstellung vornehmen zu können. Seine Angaben und die seiner Ehefrau im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren würden nur teilweise zutreffen. Sie seien vor einem ganz persönlichen (schwere Krankheit von P.) und auch wirtschaftlichen Hintergrund gemacht worden, die aber nicht geeignet seien, ein Scheinarbeitsverhältnis bzw. eine faktische Geschäftsführung zu begründen. Im Jahre 2002 habe die DAK einen weiteren Insolvenzantrag gestellt, der mangels einer die Kosten deckenden Masse abgelehnt worden sei. Die A-S. GmbH sei am 20.12.2002 im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden. Der Kläger legte neben dem bereits genannten Gutachten vom 26.03.2001 eine Fotokopie der entsprechenden Eintragungsnachricht des Handelsregisters sowie ein an P. gerichtetes und eine Kernspintomographie der Mamma betreffendes Schreiben vom 17.08.2000 sowie ein an ihn wegen Beitragsrückständen der Firma A-S. GmbH adressiertes Schreiben der DAK vom 04.12.2003 vor.

Die Beklagte trat den Klagen entgegen und machte geltend, der Kläger habe im staats-anwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren 51 Js 25560/01 am 13.09.2001 im Rahmen seine Vernehmung als Beschuldigter angegeben, er habe die Firma 1988 von seiner Mutter übernommen. Der Vorwurf gegen P. wegen der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen habe aber einen viel späteren Zeitraum, nämlich die Jahre 2000 und 2001 betroffen und P. sei auch erst ab 1995/1996 - vorher sei der Kläger Geschäftsführer gewesen - "alleinige eingetragene Geschäftsführerin" gewesen, so dass die Erklärung, er habe trotzdem alle Vollmachten gehabt, überzeuge. Der Kläger sei selbst dann, wenn er keine Geschäftsanteile gehabt hätte, der tatsächliche "Macher" der Familien-GmbH und damit auch nicht abhängig beschäftigt gewesen. Entscheidend seien die tatsächlichen Verhältnisse innerhalb der Rahmenfrist.

Das SG zog das weitere Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters - neu ausgedruckt unter dem 26.06.2007 - bei (Bl. 46/54 SG-Akte) und hörte in der mündlichen Verhandlung am 03.07.2007 Rechtsanwalt M., M., und die Ehefrau des Klägers, M. P., als Zeugen. Die ebenfalls zum Termin als Zeugin geladene P. ließ das ärztliche Attest von Dr. L. vom 02.07.2007 vorlegen, wonach sie unter Demenz in fortgeschrittenem Stadium leide und ihr Erinnerungsvermögen sowohl im Kurzzeit- als auch im Langzeitgedächtnis stark eingeschränkt sei. Rechtsanwalt M. gab an, die Angaben für sein Gutachten im ersten Insolvenzverfahren seien vom Kläger gemacht worden. Der Kläger habe ihm gesagt, dass seine Mutter - er glaube, er habe gesagt, sie sei krank - keine Auskünfte geben könne und er deshalb Auskunft geben werde. Er habe ihm ferner gesagt, dass er im Moment die Geschäfte führe. Er könne sich noch irgendwie dunkel daran erinnern, dass noch acht oder neun Automatenständer vorhanden gewesen seien. Außerdem sei noch das - hochbelastete - Geschäftsgrundstück vorhanden gewesen, über das der Kläger detailliert Bescheid gewusst habe. Er sei in seinem Gutachten aufgrund der Angaben des Klägers zu dem Ergebnis gekommen, dass das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet werden sollte.

Die Zeugin M. P. erklärte, sie sei selbst auch bei der A-S. GmbH angestellt gewesen und habe die Gaststätte des Tennisclubs geführt. Die Gaststättenkonzession habe bis zu deren Insolvenz die A-S. GmbH gehabt. Als ihr Schwiegervater ca. 1993/1994 gestorben sei - bis dahin hätten ihre Schwiegereltern die Geschäfte geleitet, insbesondere die Automaten geleert - habe ihr Mann seine Mutter unterstützt. Automaten seien nach dem Tod ihres Schwiegervaters nicht mehr aufgestellt worden. Das Geschäft sei so vor sich hin "geplätschert." Sie habe die Tennisclubgaststätte geführt und ein Gehalt bezogen. Genauere Angaben könne sie zu den finanziellen Dingen nicht machen, da diese von ihrem Mann geregelt worden seien.

Der Kläger gab noch an, das monatliche Gehalt von 4.031,00 DM habe er für die Tätigkeit bei der A Abbruch- und Bauvermittlungs GmbH, einer Tochtergesellschaft der A-S. GmbH, erhalten. Er sei sozusagen Angestellter der A-S. GmbH gewesen und quasi von der A "ausgeliehen" worden. Hierzu legte der Kläger die Vereinbarung vom 07.02.1994 zwischen der A GmbH und der A-S. GmbH vor, nach der die A-S. GmbH in der Person ihres Geschäftsführers, dem Kläger, Arbeiten für die A GmbH erbringe. Ferner wurden in dieser Vereinbarung die Vergütung für diese Tätigkeit und der Ersatz der anfallenden Aufwendungen geregelt.

Mit Urteil vom 03.07.2007 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen für die Rücknahme der Bewilligung von Alg lägen vor, da der Bewilligungsbescheid vom 22.02.2002 deshalb rechtswidrig gewesen sei, weil der Kläger in der Rahmenfrist vom 07.01.1999 bis 06.01.2002 nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe und deshalb die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei. Er sei als Geschäftsführer der A GmbH und als derjenige, der die Geschäfte der A-S. GmbH nach der Erkrankung von P. tatsächlich geleitet habe, selbstständig tätig gewesen. Nach der Erkrankung von P. habe die A-S. GmbH keine weiteren Aktivitäten entfaltet. Der Kläger habe das laufende Geschäft der A-S. GmbH abgewickelt. Weder seine Ehefrau, die Gesellschafterin der A-S. GmbH gewesen sei, sich aber ausschließlich dem Betrieb der Tennisclubgaststätte gewidmet habe, noch P. nach ihrer Erkrankung hätten Einfluss auf die Geschicke der A-S. GmbH genommen. Die Anstellung des Klägers bei der A-S. GmbH sei lediglich formeller Art gewesen und habe keine tatsächliche Bedeutung gehabt. Dies werde auch durch die Angaben des Rechtsanwalts M. bestätigt, der angegeben habe, dass die Angaben zur A-S. GmbH ausschließlich vom Kläger gemacht worden seien. All dies zeige, dass der Kläger weder in die Arbeitsorganisation der A-S. GmbH eingegliedert noch an die Weisungen seiner Mutter als alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin gebunden gewesen sei. Der Kläger sei selbstständig tätig und nicht als Beschäftigter versicherungspflichtig gewesen. Die Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Alg habe auf Angaben beruht, die der Kläger in seinem Antrag auf Alg zumindest grob fahrlässig falsch gemacht habe. Es hätte ihm einleuchten müssen, dass er nicht als Beschäftigter tätig gewesen sei. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg ab 21.08.2003 lägen folglich ebenfalls nicht vor. Das schriftliche Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 03.08.2007 zugestellt.

Dagegen hat der Kläger am 22.08.2007 Berufung eingelegt, mit der er an seinen Zielen festhält. Der Kläger, der nach der im Prozesskostenhilfeverfahren vorgelegten Lohn- und Gehaltsabrechnung seit 01.01.2007 bei seinem Sohn C. als Handelsvertreter mit einem monatlichen Gehalt von 600,00 EUR versicherungspflichtig beschäftigt ist, macht geltend, er habe in der Zeit ab 07.01.2002 und ab 21.08.2003 Anspruch auf Alg gehabt. Die Anwartschaftszeit im maßgeblichen Zeitraum von 2002 bis 1999 sei erfüllt. Er sei auch in dieser Zeit lediglich Angestellter der A-S. GmbH und ausführendes Organ der Entscheidungen der alleinigen Geschäftsführerin P. gewesen. Die Geschäftstätigkeit der A-S. GmbH habe zwar nach dem Tod seines Vaters, sodann nach dem Ende seiner Tätigkeit als Geschäftsführer dieser Gesellschaft und schließlich infolge der Erkrankung von P. abgenommen. Die noch vorhandenen aktiven Geschäftsbereiche (vom Umfang her zurückgehender Automatenaufstellbetrieb, Verwaltung der Immobilie Nelkenstraße 40 in L., Verwaltung der Tennisclubgaststätte) hätten aber weiter betreut und abgewickelt werden müssen. Die anstehenden Entscheidungen bis zur Insolvenz der A-S. GmbH seien weiter von P. getroffen worden. Sie sei allerdings (ab 2000) krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage gewesen, körperlich die Geschäfte zu betreiben. Diese Tätigkeiten habe er entsprechend den Weisungen von P. ausgeführt. Dass P. die Geschicke der Gesellschaft geleitet habe und er lediglich auf deren Anweisung hin tätig geworden sei, werde besonders deutlich durch den Umstand, dass es zwei Insolvenzverfahren gegeben habe und P. im ersten Insolvenzverfahren mit allen Mitteln versucht habe, sowohl die Gesellschaft als auch die Immobilie zu retten. So habe sie die Hälfte des Geschäftsanteils der A-S. GmbH an der A GmbH veräußert und ihn ferner veranlasst, Beschwerde gegen den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels eine die Kosten deckende Masse ablehnenden Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 27.03.2001 einzulegen, um eine Löschung der Firma im Handelsregister zu verhindern. Ferner hat sie die betreffende Bank zur Zustimmung zur einstweiligen Einstellung des die Immobilie betreffenden Zwangsversteigerungsverfahrens bewegt. P. sei zwar körperlich schwer erkrankt, geistig aber nach wie vor in vollem Umfang in der Lage gewesen, solche für die Gesellschaft existenziellen Entscheidungen zu treffen. Insbesondere die grundsätzliche Entscheidung, den Geschäftsbetrieb vollständig einzustellen, wie auch das weitere Verhalten während des laufenden Insolvenzverfahrens seien allein die Entscheidungen von P. gewesen, die ihm entsprechende Anweisungen gegeben habe. Ab Januar 2001 hätte es noch zwei Entscheidungen (Einlegung von Rechtsmittel gegen den Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 27.03.2001, Versuch der Verhinderung der Zwangsversteigerung der Immobilie) gegeben, die von P. allein getroffen worden sei. Hierzu legt der Kläger den genannten Kaufvertrag vom 08.06.2000, den Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 27.03.2001, die Beschwerdebegründungsschrift vom 15.05.2001, den Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 25.07.2001, den Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 25.02.2002 (IN 63/02) sowie weitere das erste Insolvenzverfahren und das Zwangsversteigerungsverfahren 2 K 233/99 betreffende Schreiben vor. Zudem verweist der Kläger darauf, dass durch die Bewilligung von Alg ein Vertrauenstatbestand getroffen worden sei und er bis zum 31.12.2001 Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichtet habe. Für die Zeit vom 01.01.2002 bis 31.01.2005 bestehe nach der ihm erteilten Rentenauskunft eine Lücke, die er nicht (mehr) schließen könne. Der Vertrauensschutz beziehe sich daher nicht nur auf das ihm gewährte Alg, sondern auch auf die aufgrund dieser Leistungen erworbenen Rentenanwartschaften.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. Juli 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 24. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2004 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Arbeitslosengeld ab 21. August 2003 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das SG habe zu Recht festgestellt, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum selbstständig tätig gewesen sei. Sie gehe nach wie vor davon aus, dass der Kläger die Firma A-S. GmbH geführt und P. lediglich pro forma als Geschäftsführerin fungiert habe. Der Kläger sei als entscheidungsbefugter Geschäftsführer nach außen hin aufgetreten. Er habe z.B. die Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter geführt. Wenn P. in der Lage gewesen sei, dem Kläger inhaltlich Weisungen zu erteilen, hätte sie die Gespräche mit dem Steuerberater und Insolvenzverwalter - es habe sich hierbei nicht um körperliche Tätigkeiten gehandelt - auch selbst führen können. Selbst wenn man davon ausgehe, der Kläger sei abhängig beschäftigt gewesen, führe dies aber nicht per se zu einer Erfüllung der Anwartschaft. Der Kläger müsse auch in einem zeitlichen Umfang tätig gewesen sein, die zur Versicherungspflicht geführt habe. Der Kläger sei im fraglichen Zeitraum Inhaber und Geschäftsführer der Firma A GmbH gewesen, so dass er nicht auch noch gleichzeitig bei der Firma A-S. GmbH versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein könne. Entscheidend sei daher, welche Tätigkeit überwogen habe und prägend gewesen sei. Dies sei die selbstständige Tätigkeit für die Firma A GmbH gewesen. Hinzu komme, dass die Geschäftstätigkeit der Firma A-S. GmbH nach den eigenen Angaben des Klägers im fraglichen Zeitraum abgenommen habe und die zeitliche Inanspruchnahme des Klägers durch die verbliebenen Geschäftsfelder (Automatenaufstellung, Verwaltung der Immobilie, Verwaltung der Tennisclubgaststätte) nur noch eine untergeordnete Bedeutung gehabt habe.

Der Senat hat vom Amtsgericht Karlsruhe die Strafrechtsakten 51 Js 2719/01 beigezogen. Daraus geht hervor, dass der Kläger mit Strafbefehl des Amtsgerichts Karlsruhe vom 02.04.2001 als verantwortlicher Geschäftsführer der A GmbH wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a StGB hinsichtlich einer Reihe von Arbeitnehmern in der Zeit von September 2000 bis Januar 2001 rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist. Die DAK hat am 14.04.2008 mitgeteilt, dass die angeforderte Akte nicht übersandt werden könne, da diese nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist vernichtet worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Verwaltungsakten der Beklagten und die beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig.

Sie ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 24.03.2004 und 07.10.2003 (Widerspruchsbescheide vom 24.06.2004), mit denen die Beklagte die Bewilligung von Alg für die Zeit ab 07.01.2002 zurückgenommen und die Erstattung der erbrachten Leistungen verlangt sowie die Bewilligung von Alg ab 21.08.2003 abgelehnt hat, sind rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 22.02.2002 liegen vor. Auch steht dem Kläger kein Anspruch auf Alg für die Zeit ab 21.08.2003 zu.

Das SG hat die für einen Anspruch auf Alg ab 07.01.2002 bzw. 21.08.2003 maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die §§ 117, 118 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung, zutreffend genannt. Zutreffend hat es auch ausgeführt, dass die für einen Anspruch auf Alg gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 3 SGB III aF erforderliche Anwartschaftszeit dann erfüllt ist, wenn der Versicherte in der (damals noch) drei Jahre dauernden Rahmenfrist des § 124 Abs. 1 SGB III aF mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 123 Satz 1 Nr. 1 SGB III aF).

Versicherungspflichtig sind nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Beschäftigung ist die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

Für die Abgrenzung der Arbeitnehmer von den Selbstständigen sind die von Lehre und Rechtsprechung zum Begriff des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Versicherungspflichtiger Arbeitnehmer ist danach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist, bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb mithin derjenige, der in den Betrieb eingegliedert ist und einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung umfasst. Demgegenüber wird die selbstständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen. Maßstab ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (BSG, Urt. vom 26.6.2007 SozR 4-2700 § 105 Nr. 2; BSG 30.01.1997 SozR 3-4100 § 141b Nr. 17).

Ein Beschäftigungsverhältnis innerhalb der Familie ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Auch stehen die im allgemeinen hierbei weniger stark ausgeprägte Abhängigkeit und daraus resultierende Einschränkungen des Weisungsrechts der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen (vgl. BSG NJW 1994, 341 für ein Beschäftigungsverhältnis zwischen Ehegatten). Familienangehörige können in den verschiedensten Formen - z.B. auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage, in familienhafter Mitarbeit oder in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis - zusammenarbeiten. Ob ein Beschäftigungsverhältnis oder andere Formen der Tätigkeit vorliegen, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen, d.h. den Umständen des Einzelfalles. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht - wie bereits erwähnt - nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Verwandten in der Regel weniger stark ausgeprägt ist (BSG aaO). Auch hier sind alle Umstände zu würdigen und festzustellen, welche Merkmale überwiegen bzw. der Beziehung das Gepräge geben (BSG NZS 2000, 147). Dabei sind vor allem zu berücksichtigen die Eingliederung des Familienangehörigen in den Betrieb, die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit und die Weisungsunterworfenheit. Allen Umständen kommt allerdings nur Indizwirkung zu.

Nach der Rechtsprechung des BSG sind bei einer GmbH zudem weitere Gesichtspunkte zu beachten: Ist der Gesellschafter mit weniger als 50 v.H. am Stammkapital beteiligt, ist sein tatsächlicher Einfluss auf die Gesellschaft aber wesentlich größer als der ihm aufgrund seines Geschäftsanteils an sich zustehende Einfluss, ist er nicht als Arbeitnehmer anzusehen (BSG SozR 4100 § 141b Nr. 41). Dies kann sogar anzunehmen sein, wenn der Geschäftsführer keinen Anteil am Stammkapital der Gesellschaft besitzt (BSG SozR 2100 § 7 Nr. 7). Eine solche Fallgestaltung kann sich vor allem bei Familiengesellschaften ergeben. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist zu verneinen, wenn die familiären Beziehungen dazu führen, dass die Geschäftsführertätigkeit überwiegend durch familienhafte Rücksichtnahmen geprägt und ein Direktionsrecht durch die Gesellschafter nicht ausgeübt wird (BSG BB 1989, 72). Zwar können Verwandte und Ehegatten ebenso wie Fremde gesellschaftsrechtlich miteinander verbunden sein. Die Tatsache z.B. der ehelichen Verbindung braucht bei der Prüfung der tatsächlichen Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft aber nicht völlig außer Acht zu bleiben (vgl. BSG Die Beiträge 1992, 310).

Ausgehend von diesen Grundsätzen stand der Kläger im maßgeblichen Zeitraum nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur A-S. GmbH. Der Zeitraum, auf den es hier allein ankommt, ist - worauf der Kläger zu Recht hingewiesen hat - die Zeit vom 06.01.2002 bis 07.01.1999 (§ 124 Abs. 1 SGB III in der bis 31.12.2003 gemäß § 434j Abs. 3 SGB III hier noch geltenden Fassung), in der der Kläger, der bis 1996 als Geschäftsführer der Gesellschaft fungierte, weder Gesellschafter noch eingetragener Geschäftsführer der A-S. GmbH war. Die Tätigkeit des Klägers für die A-S. GmbH, die der Kläger seit 1996 ausgeübt hat, war allerdings ersichtlich nicht schriftlich geregelt. Ein schriftlicher Arbeits- oder Dienstvertrag ist jedenfalls vom Kläger nicht vorgelegt worden noch sonstwie ersichtlich. Es kommt daher allein auf die tatsächlichen Verhältnisse an, wie sie sich in dem genannten Zeitraum dargestellt haben. Diese sprechen auch nach der Aufgabe der Geschäftsführertätigkeit durch den Kläger im Jahre 1996 - und verstärkt nach der Brustkrebserkrankung von P. im Jahre 2000 - dafür, dass der Kläger nicht persönlich abhängig war, sondern die Geschicke der Gesellschaft im Wesentlichen selbst leitete.

Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Geschäftstätigkeit der A-S. GmbH nach den eigenen glaubhaften Angaben des Klägers nach dem Tod seines Vaters 1995, nach dem Ende seiner Geschäftsführertätigkeit 1996 und nach der Erkrankung von P. im Jahre 2000 nach und nach zurückgegangen ist und nur noch den Automatenaufstellbetrieb sowie die Verwaltung der der Gesellschaft gehörenden Immobilie und der Tennisclubgaststätte umfasste. Die Verwaltung der Immobilie und der Tennisclubgaststätte - letztere wurde allein von der Ehefrau des Klägers, die ihrerseits Angestellte der A-S. GmbH war, geführt - erforderte keine wesentlichen geschäftlichen Aktivitäten und der zurückgehende Automatenaufstellbetrieb - nach den Angaben des Klägers gegenüber der Staatsanwaltschaft vom März 2001 waren seinerzeit noch 10-15 Automaten zu betreuen - stellte ebenfalls kein wesentliches geschäftliches Betätigungsfeld (mehr) dar. Dass der nach seinen Angaben bei der A-S. GmbH angestellte Kläger schon 1994 an die A GmbH "ausgeliehen" wurde und das von ihm bezogene Arbeitsentgelt von 4.031 DM - wiederum nach seinen eigenen Angaben - als Gegenleistung für die Tätigkeit für die A GmbH, deren Geschäftsfüher er war, anzusehen war, macht hinsichtlich des Umfangs der verbliebenen Geschäftstätigkeit der A-S. GmbH deutlich, dass es bereits zu dieser Zeit keine wesentliche Geschäftstätigkeit mehr gegeben hat.

Ausgehend von diesem stark reduzierten Umfang der Geschäftstätigkeit der A-S. GmbH sprechen die weiteren zu beachtenden Indizien gegen eine abhängige Beschäftigung des Klägers. Trotz fehlender Kapitalbeteiligung und dem Ende seiner Geschäftsführertätigkeit war der Kläger nicht von der A-S. GmbH bzw. deren Mehrheitsgesellschafterin P. persönlich abhängig. Eine Eingliederung in den Betrieb in Form einer dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess und eine Weisungsunterworfenheit bezüglich Ort, Zeit, Art und Ausführung der Arbeit lagen im Hinblick auf die familiäre Verbundenheit zwischen P. und dem Kläger nicht vor, wobei zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass der Kläger bis 1996 als Geschäftsführer der Gesellschaft tätig war und nicht anzunehmen ist, dass sich danach etwas Wesentliches an seinem beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft geändert hast. Dies wird besonders deutlich durch seine eigenen Angaben vom 13.09.2001 im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, wonach er alle Vollmachten habe, obwohl seine Mutter eingetragene Geschäftsführerin sei. Das Ermittlungsverfahren wurde denn auch mit der Begründung eingestellt, dass nicht nachgewiesen werden könne, dass der Kläger Arbeitnehmer der A-S. GmbH gewesen sei. Soweit der Kläger insoweit sinngemäß geltend macht, diese Angaben entsprächen nur teilweise den Tatsachen, weil es bei diesen Angaben darum gegangen sei, eine Verschlimmerung der Erkrankung von P. durch das Strafverfahren zu verhindern, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Der Senat sieht keinen Anlaß, diese Angaben des Klägers im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren nicht als "bare Münze" zu nehmen. Hinzu kommt, dass Ansprechpartner für den im ersten Insolvenzverfahren tätigen Gut- achter Rechtsanwalt M. am 15.01.2001 der Kläger selbst war und die nötigen, üblicherweise vom Geschäftsführer stammende Angaben zur finanziellen Situation der Gesellschaft machte. Dies spricht - auch für die Zeit vor dem 15.01.2001, in der der Kläger diese Erkenntnisse kraft seiner Tätigkeit für die Gesellschaft gewonnen hat - ebenfalls dafür, dass eigentlich der Kläger es war, der die Gesellschaft weitestgehend selbst leitete und damit nicht abhängig beschäftigt war. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Kläger, der in der maßgeblichen Zeit vom 06.01.2002 bis 07.01.1999 auch Inhaber und Geschäftsführer der A GmbH war. Der Senat verkennt nicht, dass es hier allein um die Frage geht, ob der Kläger bei der A-S. GmbH abhängig beschäftigt war. Die Stellung eines Gesellschafters und Geschäftsführers einer GmbH steht aus Rechtsgründen einer abhängigen Beschäftigung bei einer anderen Gesellschaft auch nicht von vornherein entgegen. Unabhängig von der von der Beklagten angesprochenen Frage, ob dies schon im Hinblick auf den zeitlichen Umfang der geltend gemachten abhängigen Beschäftigung gegen eine Versicherungspflicht dieser Beschäftigung spricht, ist dies aber jedenfalls ein zu berücksichtigendes Indiz dafür, dass auch im Verhältnis zur A-S. GmbH keine abhängige Beschäftigung vorlag. Das bisherige Berufsleben ist nämlich als weiteres Indiz bei der Beurteilung, ob eine selbstständige oder eine abhängige Beschäftigung vorliegt, heranzuziehen (BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 19 S. 44). Dies muss nach Auffassung des Senats auch für eine gleichzeitig ausgeübte Tätigkeit gelten.

Hinzu kommt, dass unter der vom Kläger letztlich eingeräumten - angeblich zur Entlastung der erkrankten P. - Geschäftsführertätigkeit für die A-S. GmbH kein Geschäftskonto der GmbH unterhalten wurde, wie sich aus dem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 26.03.2001 ergibt, somit - laut Gutachten - angeblich reine Bargeschäfte abgewickelt worden sind. Zusammen mit den vorgenannten Indizien spricht dies dafür, dass die Zahlungswege vom Geschäftsführer ausgingen oder bei ihm endeten, aber die Zahlungswege und die letztlich wirtschaftlich betroffene Person keiner Nachprüfung zugänglich sein sollten. Das eigentliche unternehmerische Risiko lag zur Überzeugung des Senats tatsächlich beim Kläger, was sich auch darin zeigt, dass der Kläger, obwohl formal keine Beteiligung an der Gesellschaft bestand, gleichwohl Verbindlichkeiten der GmbH zur Abwendung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück der GmbH bedient hatte. Dies ergibt sich zur vollen Überzeugung des Senats auch aus dem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters, das unter dem 26.06.2007 zur Akte gelangt ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger zu beiden Fragen nur wenig glaubhaft geäußert, dass er hierzu nichts sagen könne bzw. nichts wisse.

Ob die zwischen der A-S. GmbH und der A GmbH am 09.02.1994 getroffene Vereinbarung über die "Ausleihung" des Klägers an die A GmbH ebenfalls gegen das geltend gemachte Beschäftigungsverhältnis zur A-S. GmbH spricht, kann der Senat dahingestellt sein lassen. Jedenfalls sprechen die darin getroffenen Regelungen über die Vergütung und den Aufwendungsersatz dafür, dass der Kläger nicht als Arbeitnehmer, sondern als Dienstnehmer beschäftigt werden sollte.

Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass P. die für die Geschäftstätigkeit der A-S. GmbH wesentlichen Entscheidungen weiterhin selbst getroffen habe und er selbst diese Entscheidungen - im Rahmen von Besprechungen mit dem Insolvenzverwalter, Steuerberater und Rechtsanwälten - lediglich ausgeführt habe, vermag dies an der bisherigen Beurteilung nichts zu ändern. Auf ausdrückliche Nachfrage des Senats nach den ihm von P. im einzelnen erteilten Weisungen konnte der Kläger lediglich zwei Entscheidungen nennen, die P. im Zeitraum vom 06.01.2002 bis 07.01.1999 selbst getroffen habe. Hierbei handelte es sich zum einen um die Entscheidung, Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 27.03.2001 einzulegen, mit dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels einer die Kosten deckende Masse abgelehnt worden war. Zum anderen handelte es sich darum, die Einstellung des die Immobilie der Gesellschaft betreffenden Zwangsversteigerungsverfahrens zu erreichen. Diese Entscheidungen, die den Bestand bzw. das wesentliche Vermögen der Gesellschaft betrafen, wurden von P. als Hauptgesellschafterin der A-S. GmbH getroffen. Dass der Kläger die (noch verbliebenen) Geschäfte der Gesellschaft faktisch selbst führte und hierbei keinen Weisungen von P. unterworfen war, wird dadurch nicht in Frage gestellt. Eine Beschränkung der Weisungsgebundenheit bei bestimmten wichtigeren Geschäften (durch den oder die Gesellschafter), ohne einem für die persönliche Abhängigkeit ausschlaggebenden Direktionsrecht der Gesellschaft in Bezug auf die Ausführung der Tätigkeit unterworfen zu sein, führt nicht dazu, dass ein abhängige Beschäftigung anzunehmen ist. Ausschlaggebend ist, ob die Tätigkeit im Wesentlichen frei gestaltet werden konnte. Das ist hier zu bejahen.

Die hier mit Bescheid vom 24.03.2004 (Widerspruchsbescheid vom 24.06.2004) erfolgte Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 22.02.2002 für die Zeit ab 07.01.2002 setzt zusätzlich voraus, dass das Vertrauen des Klägers auf den Bestand der Bewilligung nicht schutzwürdig ist. Dies ist gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 SGB X - nur diese beiden Alternativen kommen hier in Betracht - dann zu bejahen, wenn die Bewilligung auf Angaben beruht, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat bzw. er die Rechtswidrigkeit der Bewilligung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X).

Der Senat hält die Voraussetzungen dieser gesetzlichen Bestimmungen für erfüllt. Der Kläger hat in seinem Antrag auf Alg vom 07.07.2002 angegeben, dass er vom 01.09.1988 bis 31.12.2001 bei der A-S. GmbH versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Diese für die Bewilligung von Alg wesentliche Angabe hat er vorsätzlich unrichtig abgegeben, wofür die oben genannten Umstände der widersprüchlichen Angaben und verdeckten Zahlungswege sprechen, jedoch hat er sie zumindest grob fahrlässig unrichtig gemacht (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), da ihm ohne Weiteres klar sein musste, dass die von ihm im Anschluss an seine Geschäftsführertätigkeit ausgeübte, im wesentlichen unveränderte Tätigkeit bei der A-S. GmbH, für die auch bis zum Jahr 2000 keine Sozialversicherungsbeiträge (und dann auch nur unter dem Druck des Insolvenzverfahrens) entrichtet wurden, keine abhängige Beschäftigung war. Vielmehr hat es sich - wovon der Senat überzeugt ist und was auch dem Kläger bewusst war - um ein Scheinarbeitsverhältnis gehandelt. Aus demselben Grund musste der Kläger zwingend davon ausgehen, dass die Bewilligung von Alg ab 07.07.2002 rechtswidrig war, so dass auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X erfüllt sind. Auch die Handlungsfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist gewahrt, da die Beklagte erst am 01.07.2003 durch ein Schreiben der DAK von dem Ergebnis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, wonach der Kläger faktisch Geschäftsführer der A-S. GmbH gewesen sei, erfahren hat und der Rücknahmebescheid am 24.03.2004, also vor Ablauf von einem Jahr, ergangen ist.

Eine Ermessensentscheidung war von der Beklagten nicht zu treffen. Das folgt aus § 330 Abs. 2 SGB III. Die Erstattungspflicht des Klägers beruht auf § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X und auf § 335 Abs 1 und 5 SGB III (Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge). Die Erstattungsforderung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat auch einen Anspruch des Klägers auf Alg ab 21.08.2003 zu Recht verneint. In der Rahmenfrist vom 20.08.2003 bis 21.08.2000 war der Kläger weder versicherungspflichtig beschäftigt noch hatte er Anspruch auf Alg.

Die Berufung des Klägers war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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