L 13 SB 61/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 46 SB 2345/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 61/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Kosten für ärztliche Atteste, die ein Widerspruchsführer im Widerspruchsverfahren selbst beschafft und der Widerspruchsbehörde vorlegt, sind bei Erfolg es Widerspruchs jedenfalls dann erstattungsfähig, wenn die Behörde den Widerspruchsführer zur Einholung der Atteste aufgefordert hatte. Gleiches gilt, wenn der Widerspruchsführer annehmen durfte, die Behörde verlange die Selbstbeschaffung der Atteste.

2. Kosten für ärztliche Untersuchungen des Widerspruchsführers, die zur Erlangung der Kenntnisse für seine weitere medizinische Behandlung erforderlich waren, sind allein Behandlungskosten. Als Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sind sie selbst dann nicht erstattungsfähig, wenn die Untersuchungsergebnisse den Erfolg des Widerspruchs (mit) herbeigeführt haben.

3. Kosten für aufwändigere ärztliche Untersuchungen, die der Widerspruchsführer durchführen lässt, um seinem Widerspruch zum Erfolg zu verhelfen, sind nicht als Kosten zweckentsprechender Rechtsverfolgung erstattungsfähig, wenn die Widerspruchsbehörde vor Durchführung der Untersuchungen keine Gelegenheit hatte, sich zu den geplanten Untersuchungen zu äußern.
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. Februar 2008 und der Bescheid des Beklagten vom 21. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2007 geändert und der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 53,39 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für ärztliche Untersuchungen und Atteste, die der Kläger im auf die Zuerkennung eines höheren Grades der Behinderung gerichteten Widerspruchsverfahren veranlasste.

Der 1953 geborene Kläger ist privat krankenversichert. Am 1. Februar 2006 beantragte er beim Beklagten die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) und die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises. Im Antrag gab er die Namen und Anschriften seiner Hausärztin und der seinerzeit behandelnden Kardiologin an. Für die Kardiologin teilte er einen Behandlungszeitraum bis November 2005 mit. Der Beklagte holte bei der behandelnden Hausärztin den Befundbericht vom 5. April 2006 ein. Er stellte mit Bescheid vom 8. November 2006 einen GdB von 20 fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen stellte der Beklagte fest: abgelaufener Herzinfarkt, koronare Herzkrankheit (Durchblutungsstörungen des Herzens), Coronardilatation/Stent, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen.

Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 24. November 2006. Die aufgeführten Funktionsbeeinträchtigungen seien zwar korrekt, aber unvollständig, da die Hauptbehinderungen gar nicht aufgeführt worden seien. Diese bestünden vor allem darin, dass der Kläger seit dem Herzinfarkt zusätzlich zu den Blutdrucksenkern weitere Medikamente einnehmen müsse, deren Nebenwirkungen so erheblich seien, dass er fast nur noch müde und kraftlos sei. Fast ebenso behindernd sei seine erhebliche Temperaturempfindlichkeit. Er bat um Hinweise, welche Belege oder Untersuchungen dem Beklagten fehlen würden.

Mit Schreiben vom 8. Dezember 2006 bestätigte der Beklagte den Empfang des Widerspruchs. Er führte weiter aus: "In Ihrem eigenen Interesse bitte ich Sie, bis zum 19.1.2007 mit aussagekräftigen neueren ärztlichen Unterlagen den Widerspruch zu begründen; anderenfalls wird das Landesamt nach Lage der Akten entscheiden. Abschließend weise ich darauf hin, dass Kosten für die von Ihnen selbst beschafften ärztlichen Unterlagen nur erstattet werden können, soweit der Widerspruch erfolgreich ist und die eingereichten Unterlagen dazu beigetragen haben."

Der Kläger reichte die an die Hausärztin des Klägers adressierten Arztberichte des Kardiologen PD Dr. A. F vom 23. Januar 2007, des Orthopäden Dr. E. F vom 10. Februar 2007 und der Pneumologin Dr. K. F vom 1. März 2007 ein. Der Beklagte holte das allgemeinmedizinische Gutachten nach Aktenlage vom 2. April 2007 (Dr. H) ein. Er erließ am 12. April 2007 einen Abhilfebescheid, mit welchem er neben den im Ausgangsbescheid genannten Funktionsbeeinträchtigungen auch eine Lungenfunktions-einschränkung sowie Wirbelgleiten, Bandscheibenschäden feststellte; der GdB betrage 30. Ein Schwerbehindertenausweis könne nicht ausgestellt werden, weil der GdB nicht mindestens 50 betrage. Da dem Widerspruch voll entsprochen worden sei, seien die dem Kläger zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Mit Schreiben vom 9. Mai 2007 beantragte der Kläger die Erstattung von Kosten in Höhe von insgesamt 1.424,21 EUR (Rechnung des Kardiologen 394,44 EUR, Rechnung der Pneumologin 244,24 EUR, Rechnung des Orthopäden 148,54 EUR, Rechnung der Radiologen für eine MRT-Untersuchung auf Anforderung des Orthopäden 636,99 EUR). Die vom Kläger in Kopie beigelegten Rechnungen wiesen neben anderen Positionen jeweils für einen ausführlichen Befund oder Krankheitsbericht einen Betrag von 17,43 EUR aus, die Rechnung des Kardiologen, der Pneumologin und der Radiologen Portokosten von jeweils 0,55 EUR. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21. Mai 2007 den Antrag auf Kostenerstattung ab. Bei den vom Kläger eingereichten ärztlichen Unterlagen handele es sich nicht um kostenpflichtige Atteste, die für das Widerspruchsverfahren ausschließlich gefertigt worden seien, sondern um Kopien des Schriftverkehrs der Fachärzte mit der Hausärztin des Klägers.

Seinen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass die Atteste ausschließlich für das Widerspruchsverfahren aufgrund der Anforderung vom 8. Dezember 2006 gefertigt worden seien. Die Arztbriefe seien an die alte Hausärztin adressiert gewesen, weil die Fachärzte vom Kläger keine anderen Weisungen erhalten hätten; die Atteste seien jedoch dem Kläger zugeschickt worden, welche ihm im Original vorliegen würden. Der Kläger habe vom Beklagten keine Anweisung erhalten, dass die Atteste an das Versorgungsamt zu richten seien. Weil der Beklagte den Hilfesuchenden keinerlei Beratungen zukommen lasse, sei es nicht verwunderlich, dass die Nichtfachleute die Feinheiten der Verwaltungsvorschriften nicht beherrschen würden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Bei Streitigkeiten auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts sei die Benennung der bestehenden Erkrankungen aus Sicht des medizinischen Laien und die Angabe, wo das Versorgungsamt Auskünfte einholen könne, in der Regel vollkommen ausreichend. Selbst Atteste seien i.d.R. nicht verfahrensfördernd, weil sie die zur Beurteilung notwendigen Feststellungen zur Funktionsauswirkungen zumeist nicht enthalten würden. Nach Einzelfallprüfung könnten die Kosten für die Anfertigung eines ärztlichen Attestes jedoch erstattungspflichtig sein. Die vom Kläger geltend gemachten Kosten für die Diagnostik und Behandlung seiner Erkrankungen würden nicht zu den nach § 193 Abs 2 SGG zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen erstattungsfähigen Kosten gehören.

Das Sozialgericht Berlin hat die anschließende Klage mit Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2008 abgewiesen. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung auf die angefochtenen Bescheide verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass bereits im Antragsformular durch den Beklagten darauf hingewiesen worden sei, dass die Behörde die notwendigen Auskünfte und Unterlagen von Amts wegen anfordere. Dem stehe auch nicht das Schreiben des Beklagten vom 8. Dezember 2006 entgegen, weil diese Aussage begrenzt auf den Inhalt sei, dass die Versorgungsverwaltung sich mangels weiterer ärztlicher Erkenntnis in der Lage gesehen hätte, den Fall auch aufgrund bereits aktenkundiger ärztlicher Unterlagen zu überprüfen und zu entscheiden. Jedenfalls in zwei Arztberichten sei explizit auf eine Überweisung durch die Hausärztin hingewiesen worden. Atteste und Arztbefunde seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nur notwendig, wenn sie der Begründung des Widerspruchs dienen, d h wenn die vom Kläger eingeschalteten Ärzte sich spezifisch mit den medizinischen Aussagen des angefochtenen Bescheides auseinander setzen und das Widerspruchsvorbringen ärztlich untermauern würden. Dies sei bei keinem der eingereichten Befunde der Fall.

Der Kläger verfolgt sein Begehren mit seiner Berufung weiter. Nach seiner Beurteilung sei das Sozialgericht vollständig der falschen Behauptung der Beklagten gefolgt, die Atteste seien nicht zum Zwecke des Widerspruchsverfahrens gefertigt worden. Trotz gegenteiliger Versicherung des Klägers habe sich das Sozialgericht nicht ungeprüft auf die Tatsachenbehauptung des Beklagten stützen dürfen. Die vom Kläger eingereichten Atteste seien notwendig gewesen, weil allein auf deren Auswertung fußend der Beklagte seinen Bescheid zu Gunsten des Klägers geändert und dem Widerspruch stattgegeben habe. Der Beklagte müsse sich fragen lassen, warum er sich nicht selbst an die Ärzte des Klägers gewandt oder einen Gutachter beauftragt habe, sondern ultimativ mit Schreiben vom 8. Dezember 2006 und März 2007 vom Kläger die Beibringung aussagekräftiger neuerer ärztlicher Unterlagen gefordert habe. Überweisungen zu den Fachärzten durch die Hausärztin habe es nicht gegeben; dies sei für ihn als Privatversicherten auch nicht erforderlich gewesen. Es müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger den Beklagten ausdrücklich darum gebeten habe mitzuteilen, welche Belege oder Untersuchungen fehlen würden. Aufgrund der daraufhin ergangenen Antwort des Beklagten seien vom Kläger die Fachärzte eingeschaltet worden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. Februar 2008 und den Bescheid des Beklagten vom 21. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen dem Kläger die Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 8. November 2006 in Höhe von 1.424,21 EUR zuzüglich Zinsen seit dem 21. Mai 2007 zu erstatten, hilfsweise: den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Sozialgericht Berlin zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der angefochtene Gerichtsbescheid sei zutreffend. Die Ärzte hätten ausweislich der Rechnungen Beratungen und Untersuchungen vorgenommen. Entsprechende Behandlungen und Beratungen seien vom Beklagten nicht zu bezahlen. Eine negative Entscheidung der privaten Krankenversicherung über die Kostenerstattung liege nach dem Vortrag des Klägers bislang nicht vor. Nach Wissen des Beklagten könne dieser seine Kostenansprüche für ärztliche Behandlungen und Untersuchungen bis Dezember 2010 geltend machen.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsakten des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg. Der Kläger hat entgegen der Auffassung des SG nach § 63 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 SGB X Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anfertigung und Zusendung von Befund- und Krankheitsberichten in einem Umfang von 53,39 EUR. Die weitergehende Klageabweisung ist dagegen nicht zu beanstanden. Insoweit hat der Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung, weil die insoweit von ihm geltend gemachten Aufwendungen nicht für das Widerspruchsverfahren notwendig waren.

Nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X hat bei einem erfolgreichen (isolierten) Vorverfahren der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Aufwendungen, die der Widerspruchsführer verschuldet hat, sind von diesem selbst zu tragen (vgl Satz 3). Die Kostenerstattungspflicht des § 63 SGB X soll die Verwaltung veranlassen, mit Hilfe einer ausreichenden Aufklärungstätigkeit, wozu eine gezielte fachliche Beratung des Antragstellers gehört, schon im ursprünglichen Verwaltungsverfahren eine zutreffende Entscheidung herbeizuführen. Vor einer unzumutbaren Erstattungspflicht wird die Verwaltung durch die Einschränkung in Verschuldensfällen geschützt. Diese kommt aber erst in Betracht, wenn die Verwaltung ihre Aufklärungspflicht erfüllt hat. (BSG, Urteil vom 08.10.1987, 9a RVs 10/87 JURIS-RdNr 15) Eine Leitlinie für die Aufklärungspflicht der Verwaltung, die ein Verschulden des Antragstellers ausschließt, findet sich in der Beratungspflicht des § 14 SGB I (BSG ebd).

Ob die Aufwendungen eines Widerspruchsführers zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, beurteilt sich nicht nach der subjektiven Auffassung des jeweiligen Widerspruchsführers, sondern danach, wie ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage seine Interessen wahrgenommen hätte (vgl BVerwG, Beschluss vom 11.04.2001, 9 KSt 2/01, 11 A 13/97, JURIS-RdNr 3 zum vergleichbaren Tatbestandsmerkmal in § 162 VwGO mit weiteren Nachweisen). Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dem gemäß § 20 SGB X von der Untersuchungsmaxime beherrschten Verfahren von Amts wegen der Sachverhalt zu erforschen und der Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen ist. Ergänzt wird die Amtsermittlungspflicht der Sozialverwaltung durch die Mitwirkungspflichten des Betroffenen. Nach § 21 Abs 3 Satz 2 SGB X "soll" ein Beteiligter die ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel angeben. Diese – eingeschränkte – Obliegenheit gehört aber zu seinen Mitwirkungspflichten im weiteren Sinn innerhalb der Sachaufklärung, wie sich aus dem Zusammenhang mit § 21 Abs 1 und 2 Satz 1 SGB X ergibt, und setzt mithin voraus, dass die Verwaltung ihn dazu auffordert. (BSG, Urteil vom 08.10.1987, 9a RVs 10/87 JURIS-RdNr 14) Eine Pflicht des Widerspruchsführers zur eigenständigen Veranlassung von Gutachten oder ärztlichen Attesten und die Veranlassung von ärztlichen Untersuchungen besteht daher nicht. Fordert allerdings die Behörde unter Inanspruchnahme der Mitwirkungspflicht des Widerspruchsführers oder unter Verletzung ihrer Amtsermittlungs- und Beratungspflichten den Betroffenen zur Einholung von Attesten auf, sind die Kosten dafür bei Erfolg des Widerspruchs als notwendige Aufwendungen erstattungsfähig. Gleiches gilt, wenn der Widerspruchsführer bei Auslegung der Behördenäußerungen nach objektiven Maßstäben annehmen durfte, die Behörde verlange die Selbstbeschaffung der Atteste.

Überdies ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung etwa die Einholung eines Privatgutachtens durch den Widerspruchsführer nur – ausnahmsweise – dann als notwendig anzuerkennen, wenn diesem mangels genügender eigener Sachkunde sein Begehren tragende Behauptungen nur mit Hilfe des eingeholten Gutachtens darlegen und/oder unter Beweis stellen kann. Außerdem ist der jeweilige Verfahrensstand zu berücksichtigen: die Verfahrenssituation muss das Gutachten herausfordern, und dessen Inhalt muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein (BVerwG, Beschluss vom 11.04.2001, 9 KSt 2/01, 11 A 13/97, JURIS-RdNr 3 und BVerwG, Urteil vom 25.10.2000, 6 C 11/99, JURIS-RdNr 12 mit weiteren Nachweisen – zur Parallelvorschrift § 80 VwVfG). Dies gilt auch für vom Widerspruchsführer für das Widerspruchsverfahren eingeholte ärztliche Atteste und Befundberichte. Der Gesichtspunkt der Notwendigkeit bezieht sich auch auf die Höhe der Aufwendungen (BVerwG, 6 C 11/99, JURIS-RdNr 13).

Im Widerspruchsverfahren vom jeweiligen Widerspruchsführer eingereichte ärztliche Atteste/ Befundberichte werden als Beweismittel beigebracht und von der Widerspruchsbehörde als Urkunden verwertet (BSG, Urteil vom 02.10.2008, B 9/9a SB 5/07 R, RdNr 15). Inhalt der Urkunde ist die ärztliche Wissensäußerung des sachverständigen Zeugen. Soll die Äußerung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienen, hat der behandelnde Haus- oder Facharzt für die Herstellung einer entsprechenden Bescheinigung seine auf den konkreten Fall bezogenen Erkenntnisse im Hinblick auf den Gegenstand des Widerspruchsverfahrens festzuhalten. Insofern geht es um die Äußerung der Erkenntnisse, die der Arzt aus der Untersuchung und Behandlung seines Patienten bereits gewonnen hat und soweit diese für die jeweilige Rechtsverfolgung von Bedeutung sein können. Nicht erstattungsfähig sind daher vom Arzt vorgenommene Behandlungen und Beratungen seines Patienten, weil diese nicht der Wissensmitteilung im Rechtsbehelfsverfahren zuzuordnen sind. Sie erfolgen ggf nur anlässlich eines entsprechenden Widerspruchsverfahrens und einer Attesterteilung. Nicht erstattungsfähig sind auch ärztliche Untersuchungen, die zu Erlangung der Kenntnisse für die weitere medizinische Behandlung erforderlich sind. Diese Untersuchungen werden vom Haus- oder Facharzt in seiner Eigenschaft als ärztlich Behandelnder und nicht im Rahmen seiner Wissensäußerung als sachverständiger Zeuge vorgenommen. Die dafür entstehenden Kosten sind daher selbst dann nicht erstattungsfähig, wenn die Ergebnisse der Untersuchungen den Erfolg des Widerspruchs (mit) herbeigeführt haben. Untersuchungen erscheinen im Sinne der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nur dann notwendig, wenn sie über die Erlangung von medizinischen Erkenntnissen für die Behandlung hinausgehend für die Entscheidung besonderer medizinischer Problemlagen bei der Entscheidung des Widerspruchsverfahrens von Bedeutung und unabhängig von den Erfordernissen der medizinischen Behandlung des Betroffenen auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sind (vgl BVerwG, Urteil vom 25.10.2000, 6 C 11/99 – zu den Kosten von Privatgutachten in einem Musterungsverfahren). Sie sind dann wegen der besonderen Zwecksetzung grundsätzlich im Rahmen einer privat veranlassten Begutachtung vorzunehmen, weil über die ärztlichen Erkenntnisse aus der Behandlung hinaus ein besonderer medizinischer Klärungsbedarf für das Widerspruchsverfahren bestehen muss. (Dass sie für die weitere Behandlung von Bedeutung sein können, ist für ihre Genese bedeutungslos). Als derartige Untersuchungen kommen grundsätzlich nicht solche in Betracht, die erstmals vom jeweiligen medizinischen Spezialisten im Hinblick auf die weitere Behandlung vorgenommen werden, weil dabei die behandlungsorientierte Wissensermittlung im Vordergrund steht. Dass ein Rechtsbehelfsverfahren dafür Anlass geboten hat, spielt insofern keine Rolle.

Verschafft sich also ein Widerspruchsführer für das laufende Widerspruchsverfahren neue ärztliche Atteste, sind die dabei entstandenen Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, soweit es die Kosten zur Beschaffung der Urkunden, also zur Erlangung der entsprechenden ärztlichen Bescheinigungen betrifft und bei zusätzlichen Untersuchungen, wenn diese zielgerichtet für die problematischen Umstände des konkreten Rechtsbehelfsverfahrens, unabhängig von der medizinischen Abklärung für die Behandlung der jeweiligen Erkrankungen vorgenommen wurden. Je aufwändiger und kostenintensiver die Untersuchungen sind, desto intensiver hat der Widerspruchsführer zuvor die Amtsermittlung der Sozialverwaltung anzuregen, ggf. unter Hinweis auf die konkret angedachten kostenaufwändigen Untersuchungen und deren Notwendigkeit. Zusätzliche kostenintensivere Untersuchungen, insbesondere mit bildgebenden, mess- oder labortechnischen Verfahren, sind daher der Sozialverwaltung konkret anzukündigen und es ist deren Entscheidung über ihr weiteres Vorgehen insoweit zu erfragen, bevor die zusätzliche Untersuchung durchgeführt wird. Dies folgt aus der Vorgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass Maßstab ein verständiger Beteiligter in gleicher Lage ist, der sich bemüht, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Kosten für aufwändigere ärztliche Untersuchungen, die der Widerspruchsführer durchführen lässt, um seinem Widerspruch zum Erfolg zu verhelfen, sind daher nicht als Kosten zweckentsprechender Rechtsverfolgung erstattungsfähig, wenn die Widerspruchsbehörde vor Durchführung der Untersuchungen keine Gelegenheit hatte, sich zu den geplanten Untersuchungen zu äußern und diese ggf im Rahmen der Amtsermittlung selbst zu veranlassen.

Nach diesen Vorgaben kann der Kläger lediglich die Erstattung der Kosten für die Anfertigung der Atteste seines Kardiologen, seiner Pulmologin und seines Orthopäden und die entsprechenden Portokosten verlangen. Dabei sind die Anforderungen an Atteste hinsichtlich der Orientierung auf das Widerspruchsverfahren im vorliegenden Fall nicht zu überspannen, weil der Beklagte durch die Verletzung seiner Beratungspflicht nach § 14 SGB I die Vorlage auch in der erfolgten Form als schlichte Arztbriefe ohne ausdrücklichen Bezug zum Widerspruchsverfahren erforderlich gemacht hatte.

Soweit das Schreiben des Beklagten vom 8. Dezember 2006 die Erwartung der Sozialverwaltung vermittelt, der Kläger solle nicht nur einfach ihm bekannte, ihm vorliegende ärztliche Unterlagen einreichen, sondern neuere, aussagekräftigere beschaffen, hat der Beklagte überzogene Forderungen an den Kläger gestellt. Als angemessene Antwort auf den Beratungswunsch des Klägers in seinem Widerspruchsschreiben kann das Schreiben vom 8. Dezember 2006 jedenfalls nicht bei Zugrundelegung des Maßstabes der §§ 14 ff SGB I gewertet werden. Der Beklagte kann sich insofern auch nicht auf die im Antragsvordruck und im Schreiben vom 30. März 2006 enthaltenen Andeutungen der Amtsermittlungspflicht berufen, denn der Kläger hatte mit seinem Widerspruchsschreiben ausdrücklich Beratungsbedarf angemeldet und gefragt, ob etwa Beurteilungen durch Hausarzt oder Kardiologen benötigt würden. Dass bereits ein Befundbericht der Hausärztin eingeholt worden war und welchen Inhalt dieser hatte, war dem Kläger nicht mitgeteilt worden.

Unter diesen Umständen hätte eine differenziertere Beratung des Klägers und eine eingehendere Beantwortung seines Beratungsersuchens erfolgen müssen. Aus Sicht des Klägers als maßgeblichen Adressaten des Schreibens des Beklagten vom 8. Dezember 2006 liest sich die dort geäußerte "Bitte" als Aufforderung zur Vorlage bisher nicht vorhandener medizinischer Unterlagen. Der Kläger durfte sich deshalb in der Lage gesehen haben, sich entsprechende Atteste selbst verschaffen zu müssen, wenn der Beklagte nicht erneut aufgrund der bereits vorliegenden Unterlagen über seinen Widerspruch entscheiden sollte. Mangels eingehender Hinweise und Beratung kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, die Atteste seien ihrer Form und ihres Inhaltes nach nicht gezielt für das Widerspruchsverfahren erstellt. Immerhin beinhalteten sie sehr ausführliche, sachdienliche Befundmitteilungen, die letztlich den Beklagten in die Lage versetzten, seine ursprüngliche Entscheidung kritisch zu hinterfragen. Sie waren daher – auch bei einer Betrachtung aus der Widerspruchssituation des Klägers (ex ante) – in der Sache zielführend.

Die Attesterstellung wurde von den Ärzten jeweils mit 17,43 EUR berechnet. Es kamen insgesamt 1,10 EUR an Protokosten hinzu. Diese Kosten waren auch der Höhe nach angemessen. Es errechnet sich (bei drei Attesten) ein Erstattungsbetrag von 53,39 EUR.

Die darüber hinaus vom Kläger geltend gemachten Kosten sind nicht erstattungsfähig, weil es sich um Kosten handelte, die im Rahmen der laufenden Behandlung entstanden und nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienten. Dass sie anlässlich des Widerspruchs-verfahrens anfielen, führt nicht zu ihrer Berücksichtigung. Ebenso nicht, dass sie Grundlage der ärztlichen Wissensäußerungen waren. Für die radiologische Untersuchung (MRT) ergibt sich dies schon daraus, dass sie nach ausdrücklicher Angabe auch des Klägers auf Anordnung des behandelnden Orthopäden erfolgte. Die in den Rechnungen erwähnten Beratungen waren nicht im Rahmen der Rechtsverfolgung erforderlich, sondern als normale ärztliche Behandlungsleistungen. Die kardiologischen und pulmologischen Untersuchungen dienten der Diagnose im Hinblick auf die vom Kläger geschilderten gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die er selbst im Widerspruch als "Hauptbehinderungen" darstellte. Aus ihren Ergebnissen sollten Hinweise für die weitere Behandlung gewonnen werden; entsprechende Schlussfolgerungen wurden ausweislich der eingereichten Atteste auch gezogen und empfohlen. Teilweise wurde unmittelbar medikamentöse Behandlung eingeleitet (Berudual 2x2 Hub, Pentalong 280); weitere Untersuchungen wurden empfohlen. Der Kurzbericht des Orthopäden zeigt zwar keine weiteren Behandlungsvorschläge auf. Die Rechnung beinhaltet aber zwei Beratungen, davon eine eingehende (für den 15.02.2007) mit deutlich erhöhter Gebühr, in welcher offensichtlich mit dem Kläger ausführlich das MRT ausgewertet wurde. Auch insofern stand mithin die (wohl erstmalige) orthopädische Behandlung im Vordergrund. Insofern ist zudem zu bedenken, dass der Kläger orthopädische Leiden der Beklagten gegenüber zuvor nicht angesprochen hatte und solche auch von der Hausärztin nicht erwähnt wurden, eine Amtsermittlung für die Beklagte also auch nicht veranlasst erscheinen konnte. Unter diesen Umständen konnte die besonders kostenintensive Befunderhebung nicht als für das Rechtsbehelfsverfahren notwendig erscheinen. Ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, hätte in gleicher Lage seine Interessen derart wahrgenommen, dass er zunächst die orthopädischen Probleme geschildert hätte und vor Veranlassung derart kostenintensiver Untersuchungen Rücksprache mit dem Beklagten genommen hätte.

Hinsichtlich der erfolgten Behandlungen und Untersuchungen kann sich der Kläger auch nicht auf eine Aufforderung durch den Beklagten berufen, weil dieser lediglich die Vorlage von Unterlagen, nicht aber die Vornahme von Untersuchungen "erbeten" hatte.

Dass der Kläger die Untersuchungen und Behandlungen anlässlich seines Widerspruchsverfahrens eingeleitet hat, schließt die Erstattung der Kosten aus seinem privaten Krankenversicherungsverhältnis nicht aus.

Erstattungsforderungen nach § 63 SGB X sind nicht zu verzinsen (BSG, Urteil vom 25.06.1986, 9a RVs 22/84).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt die ganz überwiegende Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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